Off: In Absprache mit Chaosmango gebaut
Erstmals schien Diomes seine ganze Konzentration walten zu lassen. Seine sonst so irrationale Verhaltensweise schien sich wieder zu legen und er stellte ein paar akzeptable Fragen. Vielleicht machte ihn ja die Anwesenheit seines Freundes etwas… mental stabiler. Aber ein paar Sprüche konnte er sich natürlich nicht nehmen lassen. Wie dem auch sei, Bendorin gab die Hobby-Psychoanalyse auf und ging die Geschichte noch einmal durch.
„Nun, wenn wir es tatsächlich lebendig zum Shuttle-Eingang schaffen, werden wir uns wohl aufteilen. Da ihr zwei“, er deutete zu Thank und Novel. „euch freiwillig gemeldet habt den Eingang zu bewachen, könnt ihr das gerne machen. Im Inneren sollten wir zuerst die Stromzufuhr und den Kontrollraum übernehmen, um gegen eventuelle Sicherheitsmaßnahmen vorgehen zu können. Wenn du dich dafür freiwillig meldest, Diomes, werde ich es dir sicher nicht verbieten. Dort gibt es entweder einen Sicherungskasten oder eine Konsole, die du benutzen solltest.“
„Im Zweifelsfall lässt es sich bestimmt auch mit ein paar Kugeln und etwas Feuerwerk verlässlich abschalten.“, ergänzte Carter auf seine bevorzugte hämische Weise.
„Nein, auf keinen Fall!“, schrie die Quarianerin plötzlich auf. „Die Stromzufuhr ist direkt an die Lebenserhaltungssysteme des Bezirks angekoppelt. Wenn ihnen etwas zustößt erstickt der gesamte Bezirk innerhalb weniger Minuten.“
Der Mensch gab ihr einen Blick vollkommener Gleichgültigkeit gepaart mit einem entsprechenden Schulterzucken. Diesem Wahnsinnigen war der Tod tausender ahnungsloser Zivilisten scheinbar absolut egal, wenn es ihm nicht gar Freude bereitete. Bendorin wusste nicht was er dazu hätte sagen können. Amaya nahm ihm glücklicherweise diese Aufgabe ab.
„Das gilt auch für die Lebenserhaltung innerhalb der Basis.“, fügte sie langsam hinzu.
„Oh.“ entfuhr es dem Killer. „Dann sollten wir das vielleicht auf später verschieben.“
Für eine Sekunde machte sich Stille im Raum breit. Dann ergriff der Salarianer wieder das Wort und versuchte die Planung wenigstens ein kleines Stück voran zu treiben.
„Also, die Stromversorgung ist folglich empfindliches Gebiet. Am wichtigsten ist sowieso das Kontrollzentrum.“ Er deutete auf den entsprechenden Punkt in der holographischen Projektion. „Aber es führen mehrere Wege dorthin. Für bessere Aufklärung und zur feindlichen Verwirrung sollten wir in Splittergruppen vorstoßen. Ich empfehle drei Zweiergruppen. Amaya ist vermutlich am besten an den Kontrollkonsolen, also sollte sie den kürzesten Weg nehmen. Ich vermute Carter ist für sie die geeignetste Begleitperson. Sarriz und ich sind die leichtesten, deshalb können wir den Weg mit dem kleinen Bogen hier am ehesten in Kauf nehmen. Brock und Diomes nehmen dann schließlich den breiten Gang. Fragen oder Einwände soweit?“, er hielt kurz inne und schaute in die Runde. Natürlich waren nicht alle über Bendorins dominantes Auftreten glücklich, aber bisher war er wohl niemandem direkt auf die Füße getreten. Der Mensch lauschte auf eine günstige Gelegenheit wartend wie die Schlange die er wohl war, Amaya versuchte die beschriebenen Punkte und Routen auf ihrer Darstellung möglichst erkennbar hervorzuheben, die Asari-Söldnerin lauschte konzentriert den Ausführungen, der Kroganer und der Turianer tauschten kurz abschätzende Blicke aus. Da sich jedoch keiner meldete fuhr Ben fort.
„Vom Kontrollraum aus können wir uns einen detaillierteren Plan des Gebäudes beschaffen, der uns den weiteren Vorgang erleichtert. Die weiteren Feinheiten werden wir dann dort schnell ausmachen. Auf jeden Fall sollte jemand die Stromzufuhr sichern. Diomes, wenn du noch immer bereit bist den Job zu übernehmen, dann sei vorsichtig. Wir suchen dir einen sicheren Weg und möglichst viele Informationen, aber du solltest trotzdem eine Menge Wachsamkeit an den Tag legen. Mehr als ein Mann zur Begleitung könnte zu auffällig werden. Wenn du etwas Nützliches wie Atemmasken oder Schutzanzüge finden würdest, wäre das natürlich der große Jackpot. Aber weiter: Brock will anscheinend zum Gefangenentrakt.“, der Kroganer nickte kurz mit einem bedrohlichem Schnaufen. „Das lässt sich bestimmt auch einrichten. Der Rest will etwas von Juusik. Amaya, es wäre am besten wenn du in der Kontrollzentrale bleibst. Die Daten auf die du so versessen bist, bringt dir jemand auf dem Rückweg mit.“
Die Quarianerin verschränkte ihre Arme demonstrativ.
„Ach, wirklich? Und wer genau bringt mir mein Pilgergeschenk? Du etwa?“, gab sie in einem spöttischen Unterton von sich. Sie machte sichtlich keinen Hehl aus ihrem Misstrauen. Und leider war es gerechtfertigt.
„Wenn dir der Lieferant so wichtig ist, kannst du dir einen bei Gelegenheit aussuchen. Ich dachte du willst dein Paket möglichst sicher bekommen und ich weiß am besten wie es aussieht. Aber für solche Details ist auch später noch Zeit. Fällt jemandem etwas ein, dass wir jetzt regeln sollten?“
Carter wollte gerade etwas sagen, was vermutlich wieder Bens Aufschieben von Problemen anprangern sollte und seine Position schwächen würde, aber Sarriz kam ihm zuvor.
„Wir sollten eine gemeinsame Komm-Frequenz ausmachen, wenn wir uns in der Basis aufteilen werden.“, sagte die Söldnerin schnell. Kleine Streitereien schienen sie zu langweilen, wenn es nicht ihre eigenen waren.
Bendorin nickte auf den Vorschlag und gab allen Anwesenden eine Frequenz über sein Universalwerkzeug durch.
„Aber beschränken wir die Funksprüche auf das rein notwendige Minimum; nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass jemand mithört.“, merkte er noch kurz an.
„Plant so viel ihr wollt, aber unter Feuer nimmt die ganze Geschichte schon wieder ihren eigenen Lauf.“, spottete der Mensch noch nachträglich. „Also verlasst euch nicht auf die Träumereien, die ihr euch mal hier eben schnell konstruiert habt. Am Ende sieht die ganze Sache garantiert wieder ganz anders aus.“
Ben nickte nur leicht zustimmend. Er wollte keine Diskussion über die Nützlichkeit eines Einsatzplanes mit ihm führen. Sein Mund fühlte sich trocken von dem langen Vortrag an und im Grunde hatte das Bleichgesicht ja Recht. Dann schaute er noch einmal in die Runde, aber es schien keine weiteren Kommentare zu geben. Es war Zeit aufzubrechen. Endlich.
„Du kennst einen Weg zu den Schächten?“, sagte er zu Carter, der bei der Realisierung seiner scheinbar überlegenen Ortskenntnis mit einem breiten Grinsen im Gesicht nickte. „Dann sind wir direkt hinter dir.“
Der Mensch führte die Gruppe raus aus dem schäbigen Gebäude durch die Straßen des Sintoit-Bezirks. Er achtete dabei darauf, sie durch kleinere Nebengassen zu führen und große, offene Plätze zu meiden. Das zahlte sich auch aus: Auf den Straßen schien es einen großen Anlauf zu geben. Hatte vielleicht was mit dem Frachter zu tun, der aus den Wolken gefallen ist und den vielen Toten, die um ihn herumlagen. Das war jedoch für sie im Moment nicht sonderlich wichtig. Der Weg zog sich durch die eigensinnige Route etwas hin. Nach ein paar weiteren Abzweigungen – Ben hatte schon fast den Überblick verloren – kamen sie schließlich an. Vor ihnen stand eine schwere, staubige und rostige Luke mit mehreren Drehhebeln und fast vollständig verblassten Aufschrieben schief an der Wand. Nach ein paar Hebeldrehungen von Carter hörte man das dumpfe Geräusch des Metallriegels und die Tür öffnete sich mit einem schmerzbringenden Quietschgeräusch, das wunderbar lange in den Ohren nachhalte. Dahinter offenbarte sich eine Leiter, die schräg abwärts in die Tiefe führte. Am unteren Ende war eine weitere Luke von ähnlicher Qualität hinter der sich schließlich die berüchtigten Tunnel offenbarten.
Die breiten Gänge hier waren definitiv nicht auf Fußgänger ausgelegt. Der Boden war uneben und überall ragten verbogene Metallteile und felsengroße Steine heraus. Nebenbei schien auch noch die künstliche Gravitation ein winziges Stück schwächer zu sein. Gerade so viel, dass man es erst merkte, wenn man ins Stolpern geriet. Ergänzend dazu lag ein grausamer Gestank gnadenlos gleich verteilt im Raum. Selbst durch die Filter seines Helmes kam der Geruch der uralten, abgestandenen Luft und Bendorin entfuhr ein angewiederter Seufzer. Wieso können solche Aufträge einen nicht einmal an einen Ort bringen, der wenigstens angenehm riecht? Naja, aber um ehrlich zu sein: Für die Parfümerieabteilung habe ich wohl nicht die richtige Ausbildung gemacht.
Nach etwas weniger als zehn Minuten blieb die Gruppe an einer Ecke stehen. Dahinter offenbarte sich der angekündigte Wachposten gerade noch in Sichtweite. Der Salarianer spähte behutsam den Posten aus. Ein umgebauter kleiner Schutzbunker für mögliche Tunneleinstürze aus Stahlbeton. Auf dem Dach war eine größere Antenne für stabilere Übertragungen angebracht. Eine weite Öffnung quer über die Seite, diente als provisorisches Sichtfenster. Genau auf Kopfhöhe des darin sitzenden Personals und damit ideal für einen Scharfschützen in der richtigen Position. Die schienen in dieser Gegend wohl eher selten aufzutauchen. Warum nur? Was sollte einen davon abhalten hier herumzuspazieren?
Bendorin winkte den Schmuggler und den Blue-Suns-Söldner zu sich und deutete auf etwas, das wie ein verbogener, halb aus dem Gestein ragender Metallpfeiler aussah. Die elitären Spitzenarbeiter Omegas hatten es wohl irgendwann einmal geschafft dieses riesige Gerät auf die einzige Position zu bringen, die es vollkommen Nutzlos machte. Zumindest was die Bergarbeit betrifft. Für einen guten Schützen hingegen war es eine fast schon ideale Position. Schutzgebend und verdeckt, es fehlte nur noch die Sonne im Rücken, aber das war einer der Orte an dem sie niemals scheint. Die künstliche Beleuchtung war in den Tunneln spärlich angebracht und schränkte die Sicht auf größere Entfernungen ein. Die Beleuchtung innerhalb des Wachpostens machte die Männer darin hingegen zu Schießbudenfiguren.
„Einer nach dem anderen bezieht darunter Stellung.“, wies er die zwei an, während er durch das Zielfernrohr seiner Mantis um die Ecke spähte. „Vermutlich haben sie Bewegungssensoren, die auf Shuttles ausgelegt sind. Ein einzelner Mann geht neben dem einheimischen Ungeziefer auf den Anzeigen unter, wenn er sich nicht all zu dumm anstellt. Wartet jeweils auf mein Signal und haltet den Kopf unten. Wenn wir drüben sind gebe ich euch die Ziele vor. Keiner, ich wiederhole, keiner schießt ohne mein Kommando, ganz gleich was passiert. Thank, du gehst zuerst. Bereit?“, bei seinen letzten Worten sah er wieder den beiden ernst und eindringlich ins Gesicht. Der Drell nickte ruhig und zog sein Gewehr. Ben schaute wieder zum Wachposten und wartete auf den richtigen Moment. Schließlich gab er ein Handsignal und hörte wie sich sein Hintermann in Bewegung setzte. Dasselbe Spiel gab es noch mit dem Turianer. Als dieser dann auch auf der anderen Seite war, machte sich der Salarianer selbst bereit. Lange warten musste er nicht. Das Personal des Postens war freundlich ausgedrückt ein fauler Haufen, der wenig auf die Systemanzeigen speziell und seine Arbeit allgemein gab. Keine Minute später war auch Ben hinter den Pfeiler gerückt und hatte sich in Schussposition gebracht. Flach auf dem Bauch lag er im Schatten des vorragenden Pfeilers. Die anderen hatten je ihre eigene favorisierte Haltung eingenommen.
Im Wachposten befanden sich lediglich zwei Personen, beide in ihren Söldner-Rüstungen mit Helmen. Der eine war mit hinter dem Kopf gelegten Armen in seinen Stuhl gelehnt und starrte vermutlich im Halbschlaf auf ein paar Anzeigen. Bendorin gab dem Schmuggler Anweisung, diesen aufs Korn zu nehmen. Der andere Wachmann stand sich an eine Wand lehnend mit einem Data-Pad in der Hand, in das er so tief versunken war, dass es entweder eine komplexe Abhandlung über die Vielschichtigkeit der Dialektik von Gut und Böse war oder die neuste Ausgabe seines Lieblings-Schmuddel-Magazins. Diesen sollte Diomes übernehmen. Ben selbst übernahm die Unterstützungsrolle des Spotters, der unter anderem die Ziele zuteilt und äußere Begebenheiten miteinbezieht. Mittlerweile wurde dieser Aufgabenbereich in militärischen Einheiten meistens von VIs und anderen technischen Tricks und Kniffen erfüllt. Aber für eine nicht abgestimmte Gruppe mit uneinheitlicher Ausrüstung war es vermutlich gar nicht so schlecht einen Mann dafür zu haben. Außerdem hielt der Salarianer sich bereit einen eigenen Schuss für den Notfall abgeben zu können.
„Wenn eure Waffen auf fünfhundert Meter getrimmt sind solltet ihr leicht niedriger Zielen. Wir sind nicht ganz so weit entfernt und die niedrigere Schwerkraft lässt die Kugeln langsamer absinken. Ihr schießt gleichzeitig auf drei. Fertig?“, er hörte, wie beide ein kurzes „Ja“ von sich gaben. „Dann los. Eins… zwei… drei!“
Die Schüsse kamen mit einer winzigen Verzögerung nach einander zum Erklingen. Dafür ließen beide ihre Ziele mit einem explodierenden rosa Nebel zu Boden sinken.
„Abschüsse erfolgreich. Ihr könnt vorrücken.“, bestätigte Bendorin über Funk an alle. Der Rest der Gruppe eilte unter Carters Führung ins Innere des Wachpostens, wo sie die Leichen zur Seite räumten und die Quarianerin sich sogleich ans Werk machte. Das Scharfschützenteam folgte kurz darauf, blieb aber davor stehen und spähte weiter die Umgebung aus. Der Shuttle-Eingang war noch nicht zu sehen. Vermutlich lag er gleich um die nächste Kurve. Es dauerte einige Minuten bis Amaya ihr Programm zum Laufen bekam, aber schließlich schaffte sie es rechtzeitig vor der nächsten Statusanfrage der Basis. Es schien sogar zu funktionieren; vorerst zumindest. Im Eiltempo zog die bunte Truppe weiter. Der Mensch wollte wie gewohnt die Führung übernehmen, lief dann aber Kopf an Kopf mit Bendorin. Der Gedanke dem Doktor endlich näher zu kommen machte den Salarianer zunehmend ungeduldiger. Er achtete aber lieber nicht auf Carters Gesichtsausdruck. Vermutlich wären die beiden deswegen irgendwie an einander geraten, würden sie nicht kurz vor einem viel wichtigeren Gefecht stehen.
Der Eingangsbereich war neben ein paar nicht verladenen Kisten leer. Personal wurde vermutlich nur rausgeschickt, wenn der Wachposten Besucher ankündigte. Das könnte jetzt aber dauern. Nicht einmal eine Kamera spähte über den Bereich. Es sah so aus, als fühlte man sich hier sehr sicher. Der Schwachpunkt liegt bei den meisten im Rücken. Diese Station macht da keinen Unterschied.
„Also…“, sagte Ben noch mal in die Gruppe. „Jeder weiß, was er vorerst zu tun hat. Thank und Novel bewachen diesen Bereich und sichern das nachrückende Shuttle. Der Rest teilt sich in Gruppen auf und macht sich jeweils auf seinen Weg zum Kontrollzentrum. Wenn alles glatt läuft sehen wir uns auf der anderen Seite.“