Bendorin atmete erleichtert aus. Er war bei weitem noch nicht außer Gefahr, aber seine Chancen hatten sich zumindest verbessert. Was sollte er auch sonst machen? Umzingeln läuft wohl nicht.
Er löste seinen Rücken von der Tür und ging mit gesenkter Pistole auf die Gruppe zu. Er wollte die Waffe nicht ganz wegstecken, aber er glaubte auch nicht daran, dass man ihn gleich in die Arme nehmen würde. Die anderen taten es ihm gleich. Die Situation war dadurch etwas seltsam. Keiner zielte auf jemanden, doch alle waren bereit dafür.
Carter, wie er sich nannte, gab der Quarianerin Anweisung die Tür, durch die der letzte Söldner gestolpert war, zu verschließen. Er hielt sich selbst dabei immer zwischen ihr und Bendorin. Hier wurde scheinbar ein wunder Punkt getroffen. Dann wies der Mensch den Kroganer an die mit Kisten verrammelte Tür frei zu machen, was dieser wiederum mit einem widerwilligen Grunzen ausführte. Ein guter, wenn auch simpler Plan. Die Feinde umgehen, statt ihnen mit Ankündigung in die Arme zu laufen.
„Bendorin also?“, fragte die Asari mit einem leichten Grinsen und riss ihn damit aus seinen Gedanken. Er konnte nicht ausmachen, ob es hämisch oder einfach nur belustigt gemeint war. Also nickte er bloß kurz.
„Kannst mich Sarriz nennen.“, fuhr sie plötzlich fort. „Der große Kistenschlepper da ist Brok. Bardan Carter kennst du ja mittlerweile und der kleinen Amaya warst du auch schon ganz nahe.“ Damit legte sie los ihm eine ausführliche Erklärung zu geben und war nicht mehr zu bremsen. Sie weihte ihn mit möglichst vielen Worten ein, dass ein Batarianer namens Gorak Onar hier war, der für Juusik gearbeitet hatte, jetzt aber als undichte Stelle von den feindlichen Söldnern ausgeschaltet werden sollte. Das musste natürlich verhindert werden. Und sie mussten sich beeilen. Diese Sarriz schien irgendwie Gefallen daran zu haben, schnell und viel zu reden. Vielleicht hatte sie einen Salarianer in ihrer Familie gehabt. Bendorin betrachtete ihre Narbe, die das erblindete Auge markierte. Er war vielleicht kein ausgebildeter Feldsanitäter mit langjähriger Erfahrung, aber er hatte schon genug Einsatzverwundungen gesehen um zu erkennen, dass die Narbe noch recht jung war. Er zeigte mit dem Finger symbolisierend auf sein eigenes Auge und fragte:
„Geht das auf Juusiks Konto?“
„Nein.“ Zischte sie überraschend knapp. Jeder Ausdruck von Fröhlichkeit war schlagartig aus ihrem Gesicht entwichen. „Das habe ich dem Bleichgesicht zu verdanken.“, erklärte sie im Flüsterton.
Jetzt dämmerte es Bendorin langsam. Er hatte zweifelsohne dem Menschen mit seiner Begrüßungsaktion die Laune vermiest. Aber je mehr finstere Blicke er von Carter kassierte umso mehr Pluspunkte schien er bei Sarriz zu bekommen. Er war noch keine Minute dabei und schon mitten in den internen Rosenkrieg verwickelt. Hätte er nicht auf ein paar Leute treffen können, die sich untereinander und mit ihm halbwegs vertragen? Und dann würden sie alle auf die Wiese gehen und friedlich Blumen sammeln. Und sie pflückten glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Sei ehrlich zu dir selbst: Du wirst zu alt für diesen Mist. Er schüttelte kurz den Kopf um seine Gedanken zu vertreiben.
Als Brok die Tür frei gemacht hatte lies Carter Bendorin mit Sarriz zusammen vorgehen. Er wollte wohl den Salarianer in Aktion erleben, um ihn besser einschätzen zu können. So was hatte Bendorin schon in etwa erwartet. Es war vermutlich besser sich nicht groß zurück zu halten. Sich schlechter darzustellen als er war würde den Menschen vielleicht zu einem Angriff auf ihn ermutigen. Da wäre es klüger mit seinem Können zumindest ein Stück weit abschreckend zu wirken.
Er stellte sich an die rechte Ecke des Türrahmens. Sarriz tat es ihm in der linken Ecke gleich. Er versuchte sich zu konzentrieren. Einen Raum sichern, war so etwas wie ein Klassiker im Häuserkampf. Nichts, was er nicht schon geübt und auch praktisch durchlaufen hatte, aber es war schon etwas länger her.
„Auf drei?“, fragte er die Asari schließlich.
„Auf drei.“, gab sie bestätigend zurück.
„Drei!“, sagte er sofort und öffnete noch im selben Augenblick die Tür. Er spähte blitzartig hindurch und sah zwei menschenähnlich Söldner in einem kleinen Übergangsraum. Der eine stand mit dem Rücken zu ihnen, als wollte er durch die Tür auf der anderen gehen, der andere hatte sich an die Seitenwand gelehnt und tippte etwas auf einem Datapad herum. Sofort schoss er auf den an der Wand zuerst, da er ihn gerade aus den Augenwinkeln sah. Mit einem markanten Pfeifen zischte das Projektil der Scorpion durch die Luft und klebte sich an seinem Opfer fest. Dadurch, dass es sich mit niedrigerer Geschwindigkeit als ein Standartgeschoss bewegte, konnte man zwar leichter ausweichen, aber kinetische Barrieren boten keinen Schutz vor dem Aufprall. Ohne einen Moment des Zögerns abzuwarten verpasste er dem umgedrehten Söldner ebenfalls einen einzelnen, gezielten Schuss. Wieder flog das Projektil mit einem Pfeifen begleitet auf den Feind zu und heftete sich an ihn. Dann ging er wieder hinter dem Türrahmen in Deckung. Er konnte Aufrufe der Verwunderung von den Söldnern hören, als sie dabei waren die Situation zu realisieren. Sarriz, welche die letzten Sekunden mit Fluchen über die plötzliche Aktion des Salarianers verbracht hatte, spähte erst jetzt durch die Tür und zielte. Aber noch bevor sie zu einem Schuss ansetzen konnte, beendeten zwei Explosionen den Kampf.
„Gesichert.“, gab er knapp für alle andern bekannt und tauschte sein Thermomagazin. Es war zwar nicht verbraucht, aber er wollte lieber die volle Schusskapazität für den Notfall in der Waffe haben, als einen großen Vorrat in Reserve herum zu schleppen. Magazine waren ohnehin billig und schnell aufzutreiben. Da niemand mehr aus dem nächsten Raum zu kommen schien, ging er mit schnellen Schritten zur nächsten Tür, um wieder dieselbe Position einzunehmen. Sarriz folgte ihm etwas langsamer, da sie noch einen kurzen Blick auf die beiden Toten richtete. Es war kein schöner Anblick. Auch mit ablativer Panzerung war man nicht sonderlich vor der Detonation eines der Projektile geschützt. Besonders wenn es einem am Körper klebte. An diesen Stellen blieben neben einer tödlichen Wunde nur viel Blut und eine Menge verbranntes Fleisch übrig.
„Nett.“, kommentierte die Asari kurz, ehe auch sie wieder in Stellung war. Bendorin schaute kurz nach hinten zu seinen neuen ‚Kameraden‘. Carter und Amaya waren im hinteren Türrahmen in Stellung gegangen. Brok sicherte derweil das hintere Ende der Gruppe, vermutlich damit sich nicht erneut jemand so schnell anschleichen konnte.
Er sah wieder zu Sarriz. „Damen zuerst dieses Mal?“, neckte er und versuchte einen leicht arroganten Ton aufzusetzen.
„Du mich auch.“, gab sie ihm zurück und öffnete dann die Tür. Diesmal waren aber keine der üblichen Söldner zu sehen, sondern ein verwundeter Batarianer und ein verdutzt dreinblickender Turianer davor.
„Halt, nicht schießen. Ich bin nicht euer Feind!“, sagte der Turianer plötzlich und stellte sich vor das blutende Vierauge, das vermutlich der berüchtigte Onar war. Die Waffe lag sicher in seinem Griff für einen Schusswechsel, war aber noch nicht erhoben. „Und den brauch ich noch.“, fügte er schnell hinzu.
„Stell dich hinten an.“, sagten Sarriz und Bendorin im unfreiwilligen Chor. Sie tauschten kurz schnelle Blicke der Verwirrung aus. Das klang kurz etwas seltsam. Aber nicht arg viel seltsamer, als der Turianer eben.
Carter und der Rest waren mittlerweile schon nachgerückt. Es lag wohl an dem Menschen und seinem Blutdurst, wie friedlich das Spielchen diesmal ablief.
„Der Mann braucht medizinische Versorgung.“, sagte Bendorin kurz mit einem Nicken gen Onar. Aber er war nicht sicher, ob das wirklich helfen sollte…