Die hektischen Schläge ihres vor Furcht gepackten jungen Herzens dröhnten in den Ohren der verängstigten Adligen, als sie durch ein Schlafzimmer floh, dass nicht ihr eigenes war. Die Angst hatte sie vollends im Griff, lies sie stoßweise den Atem ausstoßen und trieb sie zu einer heillosen Flucht, vor jemanden dem sie nicht entkommen konnte. Hitze stieg in ihr auf als sie trotz des stoßweisen Atems glaubte nicht zu Luft kommen zu können. Er war immer noch hinter ihr.

„Was ist den los, Geliebte?“, schien seine lallende Stimme durch den ganzen Raum zu hallen. „Willst du deine Pflicht als gute Ehefrau denn nicht erfüllen?“

Wie aus dem nichts erschien die dickliche Gestalt Kylian de Roziers und versuchte sie zu packen. Nur um eine Haaresbreite schaffte es die gequält aufschreiende Juliette ihm auszuweichen und weiter davon zu laufen, doch noch immer spürte sie seinen Atem im Nacken und roch den Alkohol darin.

„Du kannst nicht die ganze Nacht weglaufen!“, lachte der Betrunkene.

Vor Furcht und Scham aufschluchzend rannte sie, ein zerrissenes Hochzeitskleid tragend, weiter.

Sie fühlte sich beobachtet und bloßgestellt. In jedem Winkel und jeder Ecke des luxuriösen Schlafzimmers, das immer mehr einer Folterkammer ähnelte, schienen Augen abwertend auf sie herabzublicken. Es waren die Augen ihrer Familie, ihrer Anverwandten ihrer Freunde, die wussten was in dieser Nacht geschehen würde und nicht nur nichts taten, sondern sich auch über ihr Leid erfreuten. Sie beobachteten sie, lachten über sie, werteten sie ab. Die Scham die Juliette spürte war fast noch größer als ihre Furcht, herumgetrieben zu werden wie ein Tier in einem Käfig, von einem besoffenen Widerling, der ihr gerade einmal zur Brust reichte.

Doch er war schon wieder hinter ihr.
Sie versuchte zu fliehen doch ihre Bewegungen war langsam und schwer, als liefe sie bis zum Hals in Wasser.

„Jetzt hab ich dich!“, lachte er erneut triumphierend.

Juliette, die von einer plagenden Vertrautheit gequält wurde, versuchte zu laufen, doch sie fiel über die Trümmer eines Stuhles, der zu Beginn der Hatz, zu Bruch gegangen war. Er war schon bereits über ihr.

Eine innere Stimme rief ihr zu es nicht zu tun, doch in ihrer Angst hörte sie nicht. Sie griff eines der Trümmerteile und richtete es auf ihren lüsternen Bräutigam, als dieser sich bereits auf sie werfen wollte.

Mit einem feuchten Schmatzen bohrte sich das spitze Ende des Trümmerstücks in die Kehle des Jungen. Blut spritzte und fiel auch auf Juliette. Kylian erstarrte und hielt inne und blickte voller Unglaube auf das verschmierte Stück Holz in seiner Kehle. Juliette wusste was jetzt passieren würde. Die quälende Vertrautheit, verriet ihr wie oft sie dies schon durchlitten hatte, er würde sterben und sie müsste Blutbesudelt aus dem Leben das sie kannte in die kalte Ungewissheit der Fremde fliehen müssen...doch er starb nicht.

Er grinste sogar. Doch sein Grinsen wurde breiter als es für einen Menschen möglich sein sollte. Stinkender Eiter statt Blut fing aus seiner eigentlich tödlichen Wunde zu fließen. Seine Augen weinten blutige Tränen die schmierige Spuren auf seiner auf einmal wie Wachs wirkenden Haut hinterließen.
Er blickte sie direkt an, mit einem viel zu breiten Grinsen voll mit verfaulten Zähnen, die Haut übersät von rasant sprießenden Pusteln aus denen noch mehr Eiter träufelte.

„Glaubst du etwa das hält mich auf?“, fragte er mit einer Stimme, so feucht und schmierig wie der Eiter der in Strömen aus seiner Wunde trat, einer Stimme die wie eine Parodie Kylians eigentlicher Stimme klang.

Die Adlige brachte vor Entsetzen keinen Ton heraus bis der Gestank, der Verwesung und des Todes, sie zwang schmerzhaft zu würgen. Sie hatte in Ferelden schon mehrmals an Seuchen erkrankte Menschen gesehen und gerochen. Das Ding das vorgab Kylian zu sein, roch wie eine intensive, ekelerregende und gesteigerte Mischung aller Seuchen und Krankheiten die Juliette kannte.

„Deinen kleinen Bräutigam hat das vielleicht aufgehalten.“
Der Stoff des Wamses den das Ding trug, dehnte sich und spannte über den anschwellenden Wanst des Dings bis es riss. Kränkliche bis zum zerreißen gespannte Haut kam zum Vorschein.
„Aber mir entkommst du nicht so schnell...“

Panisch wand sich Juliette und versuchte sich zu befreien doch die fettigen Arme des, über ihren Widerstand amüsiert glucksenden Dings drückten sie unerbittlich zu Boden.

„Ich bin der Scham. Ich bin der Ekel. Ich bin die Schuld! Und du, seit das Blut deines Bräutigams an deinen Finger klebt, bist mein! Es gibt kein Entkommen für dich! Weder jetzt noch in Zukunft!“

Sie fühlte die Worte des Dings bis tief in ihren Verstand sickern, wo sie einen schmierigen Schlick auf jedem Gedanken hinterließen und spürte wie sich das Entsetzen festsetzte und die erdrückende Wahrheit in den Worten. Es gab kein Entkommen. Die Blicke aller waren nun hasserfüllt und begierig auf sie gerichtet. Es gab kein Entkommen.
„All dein Leid wird Unendlichkeit...“, versprach das Ding unheilvoll mit einer langen verfaulten Zunge aus dem Maul hängend, die sich in Juliettes Richtung schlängelte.

Doch auf einmal krachte es.
Die Tür zum Schlafzimmer krachte als eine unbekannte Gestalt, die Arme schützend vor dem Gesicht verschränkt, durch das Holz brach.
Das Ding blickte vor Überraschung grunzend auf.

„Eindringling?!?“, schnalzte es erbost.
Seine Abgelenktheit nutzend versuchte sich die Adlige zu befreien doch das Ding war zu schwer.
Die unbekannte Gestalt, ein junger schwarzhaariger Mann wie es schien, hob den Blick und erschauderte bei dem Übel-erregenden Anblick, doch er schüttelte seinen Ekel ab.
„Lass sie gehen Dämon!“, stieß der Mann mit einer melodischen Stimme hervor, die Juliette irgendwie bekannt vor kam.
Als er nicht mehr als ein feuchtes Zischen zur Antwort bekam stürmte der Mann mit einem Schrei nach vorne. Erst jetzt fiel Juliette das Schwert in seinen Händen auf.
„Beim Erbauer! Ich sagte runter von ihr!“, brüllte er als er sich mit dem Schwert voran auf das Ding warf. Die Klinge glitt mit einem schmatzenden Geräusch tief in das krankhafte Fleisch ein und der Schwung des Mannes brachte das Ding beinahe zum taumeln, doch konnte er es nicht wegstoßen. Schien es die eigentliche tödliche Wunde nicht einmal zu bemerken.
„Wer hat dich geschickt? Wie hast du mich gefunden, kleine Seele?“, fragte das Ding, Gift und Galle sabbernd, als es den Mann einfach von sich fort stieß. Der Mann taumelte unter der unnatürlichen Kraft des Dinges zurück. Sein Schwert, vom Eiter beträufelt, glitt aus seinem Griff und verblieb im aufgeblähten Leib des Dinges.
„Es macht keinen Unterschied! Du bist mein nächstes Opfer!“, lachte das Ding unheilvoll, als es sich seinem neuen Gegner stellte.
Kaum dass der fettige Körper von Juliette runter war kroch sie angsterfüllt zurück, während der Mann den triefenden Klauen des Dings überraschend behände auswich.
„Juliette!“, rief er ihr zu. „Ihr müsst mir helfen!“

Nicht auf ihn hörend kroch sie nur noch weiter weg, getrieben durch ihre Angst. Nur fort von dem Ding...doch irgendetwas hielt sie doch davon ab, davon zu rennen. Irgendetwas...war mit diesem Mann...woher kannte er ihren Namen? Wer war er?
Als hätte er ihre Gedanken gehört rief er.
„Ich bin es, Juliette! Alrik! Alrik Riverside!“
Während er nur knapp dem nächsten Klauenhieb entging dämmerte Juliette bei diesem Namen etwas. Etwas an das sie sich nur dunkel zu erinnern vermochte. Wie etwas das in einem Traum geschehen war. Weit weg und verwaschen.
„Wir sind zusammen durch Ferelden gereist! Wir haben Leirâ getroffen! Wir haben den Turm gesehen und haben Rhaego mit uns genommen!“
Mit jedem weiteren Wort schien sich das Dunkel zu lichten, die Erinnerung näher kommen doch blieb sie ihr noch immer verschlossen.
„Halt dein Maul, Mensch!“, geiferte das Ding als wild um sich schlug. Mit jedem Hieb schien es schneller zu werden und der Mann ihm nur immer knapper zu entgehen. „Sie gehört mir!“
„Er ist ein Dämon! Er will sich an euren Albträumen satt...“
Dieses Mal war er nicht schnell genug.

Das Ding packte den Mann mit seinen verschmierten Klauen und riss ihn hoch um ihn in den Raum zu werfen. Unter einem feuchten Glucksen von einem Gelächter, krachte er ächzend auf den Nachttisch neben dem breiten Bett. Nur dem behäbigen, watschelnden Gang des Dinges war es geschuldet das dieser Alrik sich wieder erheben konnte bevor es bei ihm war. Rasch eilte er zu der noch immer wie gelähmt in den Trümmern liegenden Juliette und versuchte ihr aufzuhelfen.
Erschrocken versuchte sie von ihm fort zu kommen doch seine Worte hatten Wirkung gezeigt. Wie ein Wasser durch einen undichten Damm träufelt, sickerte eine Erinnerung nach der anderen wieder in ihr Bewusstsein.
„Das ist euer Kampf! Ich kann ihn nicht für euch gewinnen!“, rief er ihr eindringlich zu.
Sie zögerte und blickte auf die ihr dargebotene Hand. Stimmte es was er sagte? Hätte sie wirklich eine Chance gegen das selbstsicher grinsende Ding, das auf die beiden watschelnd zukam?
Sie erwartete Zweifel und Angst aufkeimen, bei dem Anblick dieser Abscheulichkeit aber auf einmal erschien ihr das Ding tatsächlich weniger schrecklich...mehr noch es erschien tatsächlich besiegbar, mit jeder weiteren Erinnerung derer sie sich wieder gewahr wurde.
Die Adlige richtete sich auf. Ihr Hochzeitskleid war nicht mehr zerrissen.
Das Grinsen des Dings fing an zu gefrieren.
„Du bist tot.“, sagte Juliette einfach nur.
Das zuckte zusammen als hätte es einen Hieb einstecken müssen.
„Du bist tot!“, wiederholte die Adlige erneut, doch rief sie es diesmal. Erneut zuckte das Ding und schrie in schmerzhafter Wut.
„Du bist tot!“, brüllte Juliette erneut und stürmte vor.
Das Ding versuchte sich vor ihr aufzubauen. Ränke aus schwarzem Entsetzen gingen von ihm aus und legten sich um ihre anstürmende Gestalt, doch sie verlangsamten sie nicht einmal, denn sie wusste dass dieses Entsetzen eine bloße Erinnerung war.
Erschrocken darüber die Kontrolle verloren zu haben versuchte das Ding ungeschickt zurückzuweichen doch konnte es der Adligen nicht entgehen.
„Du bist tot und du hast keine Macht über mich!“, brüllte Juliette ums weitere Mal, als sie zornig auf das Ding einschlug. Ihre Fausthiebe hinterließen im kränklichen Fleisch des Dämons mehr Spuren als Alriks Schwert und ließen es gequält aufheulen. Aber erst als Juliette auf das abgebrochene Stuhlbein in der Kehle des Dings einschlug schien es richtige Schmerzen zu leiden, so verdoppelte die Adlige ihre Anstrengung und schlug nur noch fester und trieb das Holz tief in den verorteten Leib des Dings, das nicht mal mehr schaffte sich zu wehren.
Die Kreatur heulte vor Schmerz und taumelte und als Juliette das Holz mit einem gnadenlosen Tritt komplett in den Torso der Kreatur stampfte zerbrach alles um sie herum...