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  1. #71

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    Vielen, lieben Dank euch zwei

    Kapitel 38: Abschied

    Thessia verstand überhaupt nicht, warum ihre Mutter Shepard schon wieder besuchen wollte. Für sie war der Commander immer noch ein rotes Tuch und sie wäre ihr am liebsten einfach weiterhin aus dem Weg gegangen, aber Tali bestand auf dieses Gespräch und hatte das kleine Mädchen bei Mordin und Legion gelassen. Die Quarianerin wusste noch nicht so Recht, was sie von dem Geth halten sollte. Sie hatte sich mit ihm unterhalten und dass er sie "Schöpferin Thessia'Zorah" nannte verwirrte sie. Das kleine Mädchen saß auf der Arbeitsfläche der Krankenstation und drehte kichernd an Legions Photorezeptor rum. Der Geth ließ das einfach mal mit sich machen, immerhin hatte Mordin ihm geraten, einem Kind nie das Spielzeug wegzunehmen und solange Thessia ihn nicht ganz auseinandernahm, störte es ihn nicht. Außerhalb davon freute es ihn insgeheim, dass er Talis Tochter unterhalten konnte, wenn auch nicht absichtlich...
    Die kleine Quarianerin kicherte, als sie Legions Lampe schließlich vollends abdrehte und in den Händen hielt. "Nish'ta", sagte sie und der Geth versuchte zu verstehen was sie damit meinte.
    Da er dieses Wort allerdings nirgends in seinem System finden konnte, hob er fragend die Metallplatten in seinem Gesicht. "Fehler. Keine Daten verfügbar. Was meinst du, Schöpferin Thessia'Zorah?", fragte er und das Mädchen kicherte wieder.
    "... Wertvoll", übersetzte sie und legte ihre kleinen Hände um die noch warme Lampe.
    Mordin beobachtete die beiden aus dem Blickwinkel und war fasziniert über die Art und Weise, wie Legion mit dem kleinen Mädchen umging. Bis vor Kurzem hatte er noch nicht ganz nachvollziehen können, warum Tali, Legion so wichtig war, für ihn waren synhetische Wesen schließlich minderwertiger als organische oder schlicht weg einfach egal - aber jetzt, wo er sah, wie unbewusst liebevoll Legion mit der Quarianerin umging, schien er es langsam zu verstehen.
    "Geth-Legion", erwiderte Thessia und versuchte die Lampe wieder in die Vorrichtung in seinem Gesicht zu drehen. "Sprechen alle so?", fragte sie schließlich und Legion stutzte einen Moment. Hatte sie mit dieser Anrede eben, seine Sprache imitiert?
    "Wer?", fragte er und legte vorsichtig eine Hand an Thessias Seite, als sie ungeduldig auf der Arbeitsfläche hin und herrutschte. Legion musste nicht viel über Organische wissen, er hatte Tali angesehen,wie wichtig ihr Thessia war. Darum versuchte er auch, sie vor dem Runterfallen von der Arbeitsfläche zu schützen.
    "Du. Deine Leute", antwortete das Mädchen in einem Ton, als wäre das selbstverständlich gewesen. Sie nahm Legions Hand und inspizierte sie ganz genau. Es war erstaunlich, wie ähnlich sie ihrer Mutter war. Der Geth brauchte einen Moment um auf diese Frage eine exakte Antwort zu finden.
    "Ja. Du gehörst zu den Schöpfern. Darum nenne ich dich so. Ist dir das unangenehm, Schöpferin Thessia'Zorah?", fragte er und das kleine Mädchen legte ihre Hände an die Metallplatten um seinen Photorezeptor, zog ihn näher zu sich und ein 'klonk' später sah es so aus, als lehne er seine Stirn an ihre. "Ich find's lustig.", meinte sie leise.
    Legion schwieg wieder. Er kannte die kleine Thessia gerade mal ein paar Stunden und sie schien bereits unheimlich großes Vertrauen zu dem Geth zu haben. Legion bemerkte das unbekannte, aber warme Gefühl in seinem Inneren. Es war immer noch ungewohnt für ihn, diese Gefühle zuordnen zu können, aber von Thessia lernte er gerne.
    "Beep, beep", machte das kleine Mädchen und Mordin trat neben Legion um sie etwas genauer anzusehen. "So machen doch Roboter", erklärte sie und sah den Professor forschend an. "Das hast du gesagt", fügte sie noch überzeugt hinzu.
    Mordin dachte an die Geschichten die er Thessia erzählt hatte und nickte. "Legion ist kein Roboter", erwiderte er daraufhin. Die Quarianerin wechselte einen verwirrten Blick mit dem Geth und sah dann wieder zu Mordin. Natürlich war Legion anders, seine Metallplatten waren überraschend weich und biegsam, außerdem strahlte er eine deutlich angenehme Körperwärme aus, aber war er nicht trotzdem irgendwie ein Roboter? Thessia hatte in den letzten Wochen so viel gesehen und gelernt, aber manche Sachen verstand sie immer noch nicht.
    "Beep, beep", machte Legion schließlich und Thessia sah ihn mit großen Augen an. Dann lachte sie begeistert und hüpfte von der Arbeitsfläche. Allem Anschein nach hatte sie den Geth genau richtig eingeschätzt, denn er fing sie sofort auf und hielt sie schützend an sich. Thessia versuchte ihre Arme um Legions 'Nacken' zu legen, um sich besser an ihm festhalten zu können, aber er schien das so nicht zu kennen, und verfolgte ihre Bewegungen nur mit einem neugierigen Blick.
    Mordin war insgeheim fasziniert von diesem Bild, ließ sich das aber nicht anmerken. Er ging zurück zu seiner Arbeit und setzte seine Untersuchungen fort.
    "Mama hat gesagt, unser Volk hatte Streit mit deinem", murmelte das Mädchen und kuschelte sich etwas näher an Legion. "Das verstehe ich nicht."
    Es war mehr als offensichtlich, dass die Kleine eine Antwort von Legion erwartete, aber der Geth wusste nicht so recht was er ihr sagen konnte. Also warf er einen Blick zu Mordin, der munter weiter an dem Gerät, dass in Jacks Bauch gewesen ist, herumoperierte.
    ¨Inzwischen herrscht Frieden¨, antwortete Legion, aber er wusste, dass das gelogen war. Talis Volk war noch viel wütender über die Existenz der Geth, als vor dem Reaperkrieg. Und das nur weil Shepard ihn zurückgeholt hatte. Legion wollte dem Commander danken, wusste aber nicht wie.
    ¨Nein. Die anderen Quarianer haben schlecht über dich geredet¨, erwiderte Thessia und kuschelte sich näher an den Geth.
    ¨Das ist nicht wichtig¨, meinte Legion.
    ¨Find ich schon¨, beharrte Thessia.
    Wenn er gekonnt hätte, hätte Legion nun geseufzt. War dieses sture Verhalten nun typisch quarianisch oder lag es einfach daran, dass Thessia noch ein Kind war? Legion stutzte und versuchte sich eine Erklärung zu Recht zu legen.
    ¨So lange du und Schöpferin Tali`Zorah nicht schlecht von mir denken, ist es in Ordnung¨, erklärte er und selbst er fand, dass das ein wenig absurd klang. Warum legte Legion überhaupt so großen Wert auf Talis Meinung? Er wusste es nicht, hoffte aber es irgendwann herauszufinden.
    Thessia schwieg daraufhin.
    ¨Du bist kein Roboter¨, stellte sie schließlich fest.
    ¨Warum denkst du das?¨, fragte Legion und bemühte sich kein ¨Schöpferin Thessia`Zorah¨ dahinter zu hängen. Schließlich tat er das bei Tali auch nicht mehr.
    ¨Weil du Mama lieb hast¨, begründete sie und schloss die Augen. Thessia war müde und sie vermisste ihre Mutter ein bisschen. In den letzten Tagen war sie eigentlich permanent bei ihr gewesen. Es war ungewohnt, wenn Tali nicht hier war.
    ¨Korrekt¨, antwortete Legion nur.
    ¨Hast du mich auch lieb?¨, fragte die kleine Quarianerin und lenkte somit auch die Aufmerksamkeit des Professors auf sich. Das war interessant, Mordin wusste nicht in wie weit Legion inzwischen Zuneigung empfinden konnte. Der Geth schien darüber selbst etwas nachdenken zu müssen. Und als er so schnell nicht antwortete, machte Thessia ein enttäuschtes Geräusch.
    Mordin deutete Legion zu nicken, weil das einfach das Beste war, was der Geth nun tun konnte. Einem Kind zu sagen, dass man es nicht mochte, konnte verheerend sein. Zumindest Mordins Erfahrungen nach.
    ¨Ja¨, sagte Legion daraufhin einfach und Thessia strahlte mit der Sonne um die Wette.

    Die Uhr tickte. Sekunde für Sekunde verstrich, als Shepard an ihrem Schreibtisch saß und konzentriert auf die kleine Taschenuhr starrte. Ein Erbstück, hatte sie gesagt. Sie hatten nicht viel von ihm gefunden, nur Kleinigkeiten, aber ihre Mutter meinte, diese Uhr wäre schon seit Generationen in der Familie Shepard. Jane schüttelte den Kopf. Schwachsinn.
    ¨Es war falsch.¨
    Jane sah erstaunt auf. Tali sprach leise, aber bestimmt. Der Commander erkannte an ihren Worten, wie viel dahinter steckte. Die Quarianerin hatte sich offensichtlich Gedanken um das Geschehene gemacht und Jane konnte nur überrascht beide Augenbrauen hochziehen. Was meinte sie damit?
    ¨...ich weiß, dass einiges schief gelaufen ist, Tali, aber was genau meinst du?¨, fragte sie, steckte die kleine Uhr in ihre Hosentasche und setzte sich neben ihre Freundin auf das Bett.
    ¨Legion zurück zu holen.¨
    Jane schwieg. Sie verstand zwar, was in der Quarianerin momentan vorgehen musste - diesen inneren Konflikt, wem gebührte ihre Loyalität? Waren ihre Entscheidungen richtig oder falsch? - aber dennoch, hatte sie Shepard darum gebeten, und Jane hatte alles daran gesetzt, dieses Versprechen einzuhalten. Es war ohnehin zu spät einen Rückzieher zu machen, der Schaden war angerichtet und Jane sah keine Möglichkeit ihn zu dezimieren oder wieder zu begleichen. Wie auch? Sie konnte Zaeed schlecht den Quarianern überlassen und den Konsens der Geth wieder auszuschalten kam auch nicht in Frage. Jane seufzte.
    ¨Du lügst¨, meinte sie leise und schloss die Augen. Bei allem was Recht war, Jane kannte Tali nun doch gut genug um zu wissen, wann ihre Freundin die Wahrheit sagte und wann nicht.
    Tali antwortete darauf nicht. Sie schwieg und Jane wusste, wie schlecht es ihrer Freundin ging. ¨Hey...¨, begann sie, rutschte etwas näher zu der Quarianerin und zog sie in ihre Arme. ¨Ich weiß, das ist... Eine sehr... Blöde Situation - milde gesagt. Aber du musst dich entscheiden. Ich zwinge dich nicht hier zu bleiben, aber ich... Würde dich extrem vermissen, wenn du gehst¨, meinte Jane leise. Sie wollte Tali nicht unter Druck setzen, immerhin war es nach wie vor ihre Entscheidung, aber sie hatte ihre Crew noch gar nicht lange zurück - ihre Familie - und schon schien es, als würde sie wieder auseinander brechen.
    ¨Shepard, wenn ich gehe wird es nicht für immer sein. Han'Garrel ist ein Idiot. Ich verstehe, dass er wütend ist, das bin ich auch - nicht auf dich, aber... Er kann nicht von mir erwarten, dass ich meine Freunde zurücklasse und nie wieder sehe. Was habe ich davon?¨ Talis Stimme brach und Janes schlechtes Gewissen wuchs. Das hatte sie ihrer besten Freundin ganz sicher nicht gewünscht. Sie hatte nur gehofft, dass alles gut würde, sobald Legion wieder da war, aber was diese verdammte Mission für Konsequenzen mit sich bringen würde... Damit hatte sie einfach nicht gerechnet. ¨Und es geht dabei ja nicht einmal so sehr um mich. Was ist mit Thessia? Garrus, Liara, Jeff, Kaidan und Karin sind ihre Familie. Allein darum kann ich schon nicht gehen¨, fuhr sie fort und lehnte ihren Kopf an Janes Schulter.
    Der Commander seufzte. ¨Ich weiß...¨, erwiderte sie frustriert. ¨Ich will aber nicht, dass du von deinem Volk verstoßen wirst, Tali. Das hast du nicht verdient¨, entgegnete Jane und schüttelte leicht den Kopf. Tali sagte daraufhin nichts. Jane war klar, dass sie das auch nicht wollte, es gab für einen Quarianer vermutlich nichts Schlimmeres als verstoßen zu werden, aber Tali hatte Jane einmal selbst gesagt, dass sie auf der Migrantenflotte gar nicht viel hielt. Dass sie selbst schon überlegt hatte, einfach auf der Normandy zu bleiben.
    ¨...ich komme zurück¨, versprach sie leise. Jane biss sich auf die Lippe. Sie hatte damit gerechnet, dass nicht alles wie geschmiert laufen würde, aber dass sie ihre beste Freundin durch diese Aktion verlieren würde. Das traf sie heftiger als sie gedacht hatte.
    ¨Das kannst du nicht versprechen¨, meinte Shepard ebenso leise. So sehr ihr der Gedanke auch missfiel, aber die Quarianer waren extrem stur und Han'Garrel hatte sich nicht danach angehört, als lasse er sich von Tali so schnell überzeugen. Jane war bewusst, dass ihre Freundin alles daran setzen würde mit ihrem Volk eine Lösung zu finden. Immerhin konnten die Quarianer ja auch schlecht ihren Heimatplaneten allein aufbauen - und die Geth könnten ihnen eine große Hilfe sein, würden sie diese denn auch annehmen. Aber Jane zweifelte daran. Nachdem was auf dem Gethschlachtschiff passiert war, verurteilten sie jetzt vermutlich wieder alle Geth, dachten, das synthetische Volk wollte sie nur auslöschen. Jane seufzte. So ein verdammter Mist...
    ¨Doch. Thessia wird es auf der Migrantenflotte nicht gefallen. Egal wie sehr ihr Honig um den Mund geschmiert wird, sie ist... Stur. Wie ihr Vater¨, erklärte Tali und sah auf den Boden. Das war etwas, dass sie immer an Kal erinnert hatte. Wenn Thessia etwas wollte, gab sie alles dafür, dass sie es auch bekam. Genau wie ihr Vater. Er hatte auch immer gewusst, wie er bekam was er wollte. Tali lächelte leicht.
    ¨Wie wär´s dann wenn wir einen Deal machen?¨, schlug Jane vor.
    ¨Einen Deal?¨, fragte Tali verwundert.
    ¨Ja. Bis zu meiner Hochzeit mit Garrus bist du zurück. Ich hab zwar noch keine Ahnung wann die stattfinden wird, aber ich will, dass du dabei bist. Und der Admiralsrat kann dir ja wohl schlecht verbieten zur Hochzeit deiner Freundin zu kommen, oder?¨
    Tali lachte leicht und schmiegte sich etwas fester an ihre Freundin.
    ¨Spätestens zur Hochzeit¨, bestätigte sie.
    ¨Dann haben wir beide etwas, worauf wir uns freuen können¨, erwiderte Jane lächelnd. Trotz Allem war es ein schmerzlicher Gedanke: Tali gehen zu lassen. Das schlimme an der ganzen Sache war eben auch, dass Jane wusste, dass die Quarianer der jungen Mutter jeglichen Kontakt zu Shepard oder ihrer Crew verbieten würden. Tali würde gehen und Jane würde sie tatsächlich erst frühestens in ein paar Monaten wiedersehen.
    Tali seufzte. ¨Keelah, ich habe keine Ahnung wie ich das Thessia beibringen soll. Sie wird ganz sicher nicht freiwillig gehen...¨, murmelte die Quarianerin und schüttelte den Kopf. ¨Thessia liebt Garrus¨, bedachte sie und verzog nachdenklich das Gesicht.
    ¨Hm¨, grummelte Jane und zog einen Schmollmund, als sie daran dachte, wie sehr Thessia ihren beinahe-Ehemann liebte.
    ¨Mach nicht so ein Gesicht, Shepard, du weißt ganz genau, dass sie keine Konkurrenz für dich ist¨, Tali stieß ihrer Freundin sachte in die Seite.
    Jane grinste leicht. ¨Ja... Weiß ich...¨
    Tali zog Jane nochmal in ihre Arme. ¨Ich hab dich unheimlich lieb, das weißt du oder?¨, sagte sie leise und betete, sie würde ihre Freundin schnell wiedersehen. Tali wollte gar nicht zurück zur Flotte, aber sie wusste, dass sie keine andere Wahl hatte. Wenn sie jetzt nicht ging, würde sie ihr Volk nie wiedersehen und damit könnte sie auch nicht leben.
    ¨Ja... Ich dich auch, Tali¨, erwiderte Jane leise und drückte ihre Freundin etwas fester an sich. ¨Ich werd dich vermissen...¨, fügte sie noch leise hinzu.
    ¨Ich dich auch, Shepard¨
    Jane wusste gar nicht wie lange sie so mit ihrer Freundin auf ihrem Bett saß. Sie bemerkte bereits jetzt, wie nahe ihr Talis baldige Abreise ging. Am liebsten hätte sie die Quarianerin darum gebeten zu bleiben, aber sie wusste, dass ihr das nicht zustand. Es wäre selbstsüchtig so etwas zu tun, vor Allem weil Jane wusste, dass Tali bleiben würde, sollte sie sie darum bitten. Dennoch würden die nächsten Monate unheimlich schwer werden, nicht nur für Jane, sondern in erster Linie auch für Tali...

    Mordin hatte Shepard davon abhalten können, Zaeed bei der nächstbesten Gelegenheit vom Schiff zu werfen. Stattdessen hatte der Professor vorgeschlagen, dass sie ihm in nächster Zeit einfach aus dem Weg gehen sollte, er könnte bei der Heilung der Genophage schließlich auch helfen. Der Söldner war Shepard seit diesem Vorfall auch nicht mehr über den Weg gelaufen. Jane wusste nicht wie er das machte, aber allem Anschein nach, kannte er seine Mittel.
    Talis Abreise gestaltete sich schwieriger als gedacht. Die kleine Thessia wollte nicht gehen, sie verstand das alles nicht und als sie ihren Onkel Mordin um eine Erklärung bat, konnte selbst er ihr keine zufriedenstellende Antwort geben. Die kleine Quarianerin hatte angefangen zu weinen und sich letzten Endes an Garrus geklammert, immer wieder gesagt, dass sie nicht gehen wollte und Jane brach dieser Anblick geradezu das Herz. Sie konnte ja verstehen, dass das Mädchen lieber hier bleiben wollte, aber es ging nicht anders und Tali versuchte ihr das auch schon seit unzähligen Minuten klar zu machen.
    ¨Ich will nicht!¨, sagte das kleine Mädchen stur und klammerte sich fest an den Turianer. Garrus seufzte und hielt die Kleine fest an sich gedrückt.
    ¨Thessia¨, sagte Tali in einem mahnenden Ton. ¨Du machst es nur noch schlimmer¨, schimpfte sie und nahm sie Garrus ab.
    ¨Nein!¨, kreischte das Mädchen und obwohl Jane Talis Gesicht nur schemenhaft ausmachen konnte, merkte sie wie schwer der Quarianerin das Ganze viel.
    ¨Thessia!¨, sagte sie noch mal in einem wütenden, warnenden Ton. Das Mädchen weinte wieder und Tali versuchte sie beruhigend an sich zu drücken, aber die Kleine wollte wieder weg von ihr.
    ¨Ich will nicht gehen!¨, sie befreite sich aus Talis Griff und rannte auf die Brücke entlang zum Aufzug.
    ¨Thessia!¨, schimpfte Tali wütend und war dabei selbst kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Bevor Tali ihrer Tochter nachlaufen konnte, hielt Jane sie am Arm zurück.
    ¨Ist schon gut, ich rede mit ihr¨, sagte sie beruhigend und Tali nickte nur langsam.
    Jane lief dem Mädchen hinterher und ließ den Rest ihrer Crew erst einmal bei der Luftschleuse stehen.
    Eigentlich war die Idee, mit Thessia zu reden, wenn Jane genauer darüber nachdachte, ziemlich dumm gewesen. Die Kleine mochte Jane nicht, das wusste sie, aber irgendwie hatte sie Tali helfen wollen und gehofft, dass sie das könnte, wenn sie diesen Teil übernahm. Aber jetzt zweifelte sie daran. Shepard fragte sich auch warum der Aufzug auf einmal so schnell da gewesen ist um Thessia auf ein anderes Deck zu bringen. Bei ihr brauchte er immer eine halbe Ewigkeit.
    Als sich die Aufzugtüren wieder öffneten und Jane rein trat, erkundigte sie sich gleich mal bei EDI, auf welchem Deck die kleine Quarianerin ausgestiegen war. Jane fragte sich zwar einen kurzen Moment lang, was das Mädchen in der Shuttlebucht zu suchen hatte, fuhr aber ohne Weiteres nach unten und warf gleich mal einen prüfenden, suchenden Blick durch den Raum, als sie den Fahrtstuhl verließ.
    ¨Thessia?¨, fragte sie und sah sich nach dem kleinen Mädchen um.
    Außer ihr und der Quarianerin war niemand in der großen Halle. Jane blieb stehen und versuchte irgendetwas Auffälliges zu hören. Und tatsächlich: sie hörte das Schluchzen des kleinen Mädchens. Jane folgte diesem Geräusch geradezu lautlos - eine Fähigkeit, die sie dank ihrer N7-Ausbildung hervorragend beherrschte. Dementsprechend erschrocken war die kleine Thessia, als Shepard sich plötzlich neben sie, zwischen die vielen Kisten setzte. ¨Hey... Gutes Versteck¨, meinte Jane anerkennend und dachte daran, wieso sie das nicht früher entdeckt hatte. Dann hätte sie sich vielleicht auch hin und wieder hier her zurückgezogen, ohne von irgendjemand gestört zu werden.
    Thessia schniefte und rutschte etwas weg von Shepard. ¨Geh weg¨, sagte sie leise, beleidigt.
    Jane verzog das Gesicht. Kinder konnten manchmal wirklich fies sein.
    ¨Hey, ich will doch auch nicht, dass ihr geht...¨, erwiderte sie leise und überlegte, ob sie sich dem kleinen Mädchen wieder nähern sollte.
    ¨Mir egal was du willst¨, erwiderte die Quarianerin eingeschnappt.
    Jane seufzte. ¨Hör mal, ich...¨, eigentlich wollte sie das Mädchen beruhigen, ihr sagen das alles gut würde und sie Garrus und die anderen spätestens an ihrer Hochzeit wiedersehen würde, aber das würde vermutlich nur noch mehr Salz in die Wunde streuen. ¨Ich weiß, das ist schwer, aber du wirst die anderen wiedersehen. Versprochen¨
    Schon wieder. Ein Versprechen eingehalten und das nächste war schon wieder gemacht. Jane hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt. Reichten die Hundert anderen Versprechen denn nicht, die sie schon gegeben hatte? Jetzt musste sie der kleinen Quarianerin auch noch Hoffnungen machen.
    ¨...wann?¨, fragte Thessia und sah Jane zum ersten Mal so richtig an.
    Jane war auf diese Frage nicht vorbereitet gewesen, eigentlich hatte sie gedacht, die Kleine würde wieder einen beleidigten Laut von sich geben und Jane weiterhin ignorieren. Aber dass sie darauf einging...
    ¨Äh... In... In...¨, sie brauchte ganz schnell ein genaues Datum ¨...in vier Monaten¨, beendete sie ihren Satz und Thessias skeptischer Blick stellte Janes ganze Glaubwürdigkeit auf die Probe. ¨In vier Monaten¨, bestätigte sie. Vielleicht auch schon früher, so genau wusste das Shepard nicht.
    ¨Das ist lange¨, murmelte Thessia.
    ¨Ja... Aber die Zeit vergeht auch schnell wenn man was zu tun hat. Du... Hast doch Legion kennen gelernt... Verstehst du dich mit ihm?¨, fragte Jane leise.
    Bevor Thessia antworten konnte, hörten beide das Geräusch der öffnenden Türen des Fahrstuhls. Allem Anschein nach war Jane nicht die einzige, die mit Thessia reden wollte.
    ¨Thessia? Hey kleine Prinzessin...¨ - Wrex.
    Jane warf Thessia einen kurzen Blick zu.
    ¨Willst du gehen?¨, fragte sie leise und die kleine Quarianerin schüttelte nur den Kopf.
    ¨Dann sind wir jetzt ganz leise¨, erwiderte Jane und schwieg.
    ¨Das hat kein Sinn, sie ist nicht hier¨, meinte der Kroganer nach einer Weile.
    ¨Kann gar nicht sein, EDI irrt sich nicht¨, das war eindeutig Jeffs Stimme. Jane fragte sich, ob er freiwillig mitgekommen war um nach der kleinen Quarianerin zu suchen.
    Jane aktivierte ihr Omnitool und tippte schnell ein paar Befehle an EDI in ihr Gerät. Kurz darauf erklang EDIs Stimme, die behauptete, Thessia befinde sich auf dem Crewdeck. Jeff und Wrex verschwanden schnell wieder im Aufzug und Jane war wieder ganz alleine mit Thessia.
    Die Kleine schien gar nicht zu wissen, was sie davon halten sollte.
    ¨Das war gemein¨, murmelte sie.
    ¨Ja, aber manchmal muss man gemein sein. Ist schon in Ordnung, Jeff und Wrex werden uns das schon nicht übel nehmen¨, erwiderte Jane und grinste schief. ¨Also...Thessia...¨, Jane sah das Mädchen eine Weile an. Ihr wurde erst jetzt richtig bewusst, wie sehr sie es bedauerte, bei der Erziehung des Mädchens nicht dabei gewesen zu sein. Sie hätte gern gesehen, wie sie aufgewachsen ist und vielleicht würde Thessia sie jetzt auch nicht so... Verabscheuen.
    ¨Kann ich Garrus mitnehmen?¨, fragte sie leise. ¨Und Liara und Kaidan?¨
    Jane biss sich auf die Lippe.
    ¨Ich glaube nicht, dass das möglich ist¨, erwiderte sie leise.
    Thessia gab einen beleidigten Laut von sich und verschränkte die Arme vor der Brust. ¨Dann geh ich nicht.¨
    Jane presste die Lippen aufeinander. Ja, sie war stur.
    ¨Thessia...¨, erwiderte sie leise.
    ¨Ich will, dass sie mitkommen¨, entgegnete Thessia.
    ¨Ich liebe Garrus¨, sagte Jane einfach nur und starrte auf den Boden. ¨Wir heiraten und dann kommt ihr zurück¨, erklärte sie und lächelte Thessia an.
    Das Mädchen schwieg wieder. Es entstand eine lange Stille und Jane hoffte, sie nun endlich überzeugt zu haben. Die Quarianerin rutschte etwas näher zu Jane und erst jetzt bemerkte sie, wie kalt dem kleinen Mädchen sein musste. Im Hangar hatte noch nie eine sehr hohe Temperatur geherrscht. Jane legte zögernd ihren Arm um die Schulter des Mädchens und drückte sie etwas näher an sich.
    ¨Es wird alles gut, das verspreche ich dir¨, meinte sie leise.
    ¨Mhm...¨, murmelte Thessia. ¨Ich mag dich trotzdem nicht¨
    Jane lachte leicht und wusste, dass sie damit leben konnte.
    ¨Komm¨, befahl sie liebevoll und zog das kleine Mädchen auf die Füße. ¨Gehen wir hoch¨

    Legion hatte kein gutes Gefühl dabei. Er brauchte immer noch etwas länger als organische Wesen um seine Gefühle richtig zuzuordnen, aber er wusste jetzt schon, dass irgendetwas nicht richtig war. Und allein an Talis niedergeschlagenem Verhalten erkannte er, dass sie mit diesem Vorhaben überhaupt nicht einverstanden war. Mordin hatte ihn über die letzten Geschehnisse informiert und Legion hatte sofort ein schlechtes Gewissen bekommen. Er hatte ganz sicher nicht dafür verantwortlich sein wollen, dass Talis Volk sie nun zu so einer Entscheidung zwang.
    Nachdem Jane nun auch in dem Aufzug verschwunden war, bat Legion Tali noch um ein ganz kurzes Gespräch unter vier – oder viel mehr drei Augen. Die Quarianerin stimmte zu und ging mit dem Geth in den Serverraum. Sie bat die anwesenden Techniker die beiden kurz allein zu lassen und nachdem sie Legion mit hochgezogenen Augenbrauen gemustert hatten, verließen sie den Raum.
    Tali seufzte und lächelte Legion traurig an. Sie wusste ja selbst, dass Shepard Recht gehabt hatte – sie bereute ihre Entscheidung nicht. Legion zurückzubringen war das einzig richtige gewesen, nur die Art und Weise wie das von statten gegangen war, hatte einen sehr üblen Nachgeschmack.
    „Es tut mir Leid, Legion“, sagte sie leise und senkte den Blick.
    Der Geth hatte geglaubt, die Situation richtig erfasst zu haben und gedacht, dass es an ihm war sich zu entschuldigen nicht an Tali.
    „Ich verstehe nicht“, erwiderte er und nahm vorsichtig ihre Hände in seine.
    Tali lächelte, was er nicht sehen konnte und sah ihn wieder nachdenklich an.
    „Ich hatte Shepard gebeten dich zurückzuholen. Deswegen... ist jetzt alles so schief gelaufen...“, murmelte sie. „Es ist nicht ihre Schuld, sie hat nur ihr Versprechen eingehalten... ich war... Keelah, ich weiß auch nicht...“
    Legion schwieg einen Moment und versuchte ihre Sichtweise zu verstehen. Sie gab sich die Schuld an dem Tod der Quarianer auf dem Gethschlachtschiff? Aber sie war nicht dabei gewesen, hatte weder eine Waffe gehalten noch eine Granate geworfen. Wie sollte sie daran Schuld sein?
    Irritiert hob er seine Metallplatten und warf Tali einen fragenden Blick zu.
    „...meinen Berechnungen zu Folge, hast du nichts mit dem Tod der Quarianer zu tun gehabt, Tali“, sagte er und erwiderte ihren Blick. „Ich danke dir“, fuhr er abschließend fort. Das hatte er ihr eigentlich sagen wollen – dass er nur dank ihr am Leben war. „Die Geth möchten helfen. Wir könnten... euren Heimatplaneten zusammen aufbauen“, schlug er vor und Tali lachte leicht.
    Das klang so einfach wie er das sagte und wäre da nun nicht das Misstrauen und der Hass der anderen ihrer Spezies, wäre das vermutlich sogar keine schlechte Idee, aber Tali wusste wie viel Zeit es brauchen würde bis sie den Admiralsrat von den guten Absichten der Geth überzeugen konnte. Zumal sie selbst unsagbar wütend auf Zaeed war. Sie schloss kurz ihre Augen und seufzte.
    „Du weißt gar nicht, wie gern ich dir dabei zustimmen würde...“, meinte sie leise, kam noch einen kleinen Schritt auf ihn zu und lehnte ihre Stirn an seine Schulter. „Ich wollte doch nur...“, ja, was eigentlich? Sie wollte Legion zurück holen, weil sie die ganzen Jahre über das Gefühl gehabt hatte, ihm etwas schuldig zu sein und nicht nur das, sie hatte ihn auf der Normandy kennen gelernt, gemerkt, wie groß sein Interesse an ihrem Volk war, wie sehr er helfen wollte. Er hatte eine Seele und Tali wollte ihm eine Chance geben mit ihrem Volk zu leben.
    „Ich kann helfen“, meinte er schließlich und Tali zog verwirrt die Sitrn kraus. Wie stellte er sich das vor?
    „Kannst du nicht. Nicht jetzt. Han'Garrel würde dich auseinandernehmen“, erwiderte sie ernst.
    „Dann überzeugen wir ihn“, entgegnete Legion und ließ nicht locker. Tali fragte sich, ob er so programmiert war, oder ob da nun wirklich seine Seele sprach. War das eine Eigenschaft seiner Persönlichkeit? Sturheit? Starrköpfigkeit? Tali lachte leicht.
    „Denkst du denn, das wir das könnnen?“, fragte sie leise und sah wieder in sein, inzwischen angenehmes Licht. Sie wusste selbst gar nicht ob er das einstellen konnte, jedenfalls, war es in diesem Moment nicht halb so hell wie sonst. Vermutlich wusste er, dass es für organische Wesen unangenehm sein konnte, in so ein grelles Licht zu sehen.
    „Zusammen? Ja“, bestätigte er. „Kooperation ist häufig von Vorteil“, fügte er noch hinzu und Tali kicherte.
    „Ja, häufig...“, wiederholte sie grinsend und legte wieder vorsichtig ihre Arme um ihn.
    Legion erwiderte diese Geste und bestätigte Tali erneut, dass ihre Entscheidung richtig gewesen ist.
    „Ich würde vorschlagen, zurück zu gehen. Schöpferin Thessia'Zorah und Shepard Commander sind wieder auf der Brücke“, sagte Legion nach einer angenehmen Weile.
    Tali löste sich etwas von ihm und für einen kurzen Augenblick fühlte sie sich richtig wohl bei ihm. „Wenn du mitkommst, solltest du dich daran gewöhnen, meine Tochter nicht mit „Schöpferin“ anzusprechen“ Tali nahm Legions Hand und zog ihn hinter sich her zurück zu den Anderen.
    Thessia schien der Abschied immernoch unheimlich schwer zu fallen, aber was auch immer Shepard zu ihr gesagt hatte – es zeigte Wirkung. Die kleine Quarianerin weinte, sagte aber nicht länger, dass sie nicht gehen wollte. Tali sah auch, dass es den anderen genauso schwer fiel sie gehen zu lassen.
    „Shepard.“
    Jane lächelte leicht und Tali merkte, dass auch ihr Commander kurz davor war zu weinen – eine Tatsache die vermutlich auf ihre Schwangerschaft zurückzuführen war. Tali kannte das nur zu gut. „Du hast jetzt ein Sonderrecht, Jane. Du kannst weinen wann immer du willst“, meinte sie grinsend und nahm ihre Freundin noch mal fest in die Arme. „Vor Allem, wenn dir jemand nicht geben will, was du willst, dann wein einfach. Das wirkt Wunder“, flüsterte sie ihr noch ins Ohr und Jane lachte kurz darauf.
    „Du bist unfassbar“, meinte sie mit einem leichten Unterton von Entsetzen. So etwas hätte sie der Quarianerin nie zugetraut.
    „Gerade dann wirkt es am besten. Wenn man es nicht erwartet“, erwiderte sie ohne mit der Wimper zu zucken. Shepard schüttelte nur fassungslos den Kopf und nachdem sich Tali, Thessia und auch Legion von den anderen verabschiedet hatten, verließen sie das Schiff für die nächsten paar Monate.
    Man muss nicht selber in der Pfanne brutzeln, um über ein Schnitzel schreiben zu können.

  2. #72

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    Kapitel 39: Besserung

    Sie rechnete es ihren Crewmitgliedern hoch an, dass sie versucht hatten, Jane davon abzuhalten, Zaeed von der Normandy zu werfen, aber nachdem sie noch einmal darüber geschlafen hatte, war ihr Entschluss festgestanden. Sie hatten einen kurzen Abstecher nach Omega gemacht und den Söldner von Board geworfen. Zaeed hatte seltsamerweise schon damit grechnet und war mehr oder weniger sogar freiwillig gegangen. Er hatte nur gemeint, dass er es Shepard nicht übel nahm, dass sie einfach zu weich für die Galaxie und deratige Maßnahmen, wie sie sie auf dem Gethschlachtschiff hatten ergreifen müssen, war. Insofern hatte er nur mit den Schultern gezuckt und die Normandy verlassen.
    Garrus hatte sich gewundert, wieso der Söldner sich nicht verteidigt und gesagt hatte, dass Grunt mit ihm gekämpft hatte und auch Mordin ein paar Quarianer auf dem Gewissen hatte, aber letzten Endes war der Söldner vermutlich darüber gestanden und es hatte ihm nicht viel ausgemacht den Sündenbock zu spielen. Insgeheim war Garrus ihm sogar dankbar dafür, immerhin hatte er sich jetzt mit Jane versöhnt und es wäre mehr als frustrierend gewesen, wenn diese Aktion eine weitere Kluft zwischen den beiden verursacht hätte. Jane hatte die Handlungen ihres restlichen Squads auch gar nicht mehr in Frage gestellt, für sie war die Sache, mit dem Rauswurf Zaeeds erledigt. Dennoch wirkte sie abwesend, unglücklich und Garrus' schlechtes Gewissen wuchs. Er sah ihr an, wie nahe ihr der Abschied von Tali ging, die Tatsache, dass ihr Vorhaben, die Geth zurück zu holen nicht richtig bis hin zu gar nicht, funktioniert hatte. Und er wollte sie auf andere Gedanken bringen.
    Jane hatte sich seit drei Tagen in ihr Quartier zurückgezogen, grübelte über die letzten Ereignisse und feilte an ihrem Plan die Genophage zu heilen. Noch so eine Niederlage würde sie wahrscheinlich nicht sehr gut verkraften. Sie wollte nicht riskieren, dass wieder etwas schief lief und versuchte deswegen jeden einzelnen Schritt so gut wie möglich durchzuplanen. Von ihrer Ankunft auf Tuchanka angefangen bis über die Beschaffung der Daten für das Heilmittel (wo hinter sie ein großes Fragezeichen geschrieben hatte) hin zum Aufbau eines zweiten Mantels.
    Sie seufzte, legte das Gesicht in die Hände und merkte, wie sehr sie eigentlich überhaupt keine Lust mehr auf das alles hatte. Könnte sie Wrex nicht einfach mit Mordin auf Tuchanka absetzen? Könnten die beiden die Heilung nicht irgendwie... ohne sie organisieren? Wenigstens wagte es niemand sie zu stören. Außer Garrus. Aber er hatte auch schnell bemerkt, dass Jane momentan lieber alleine war.
    Frustriert stand sie auf, schmiss das Datenpad in die Ecke des Schreibtisches und ließ sich auf ihr Bett fallen. Wieso war das alles auch so unheimlich kompliziert? Vor einem Jahr hatte sie noch geglaubt, wenn sie die Reaper besiegten, würde alles gut werden. Einfach. Unkompliziert. Aber jetzt... sie erinnerte sich kaum an ihre Zeit auf der Erde. Alles hatte sich so... taub angefühlt. Damals hatte sie nicht einmal richtig glauben können, dass der Sieg so viel gekostet hatte. Der Zustand der Erde war katastrophal gewesen und für eine lange unbestimmte Zeit hatte sie auch geglaubt, dass die Reaper immernoch irgendwo da draußen waren und sich über ihre Bemühungen ins Fäustchen lachten. Schließlich hatte das alles nicht gerade nach Sieg ausgesehen. Und dann war da diese dumme Sache mit James gewesen. Seit sie mit ihm darüber gesprochen hatte, waren sie nicht mehr allein zu zweit gewesen. James ging ihr aus dem Weg, was sie ihm nicht verübeln konnte, aber Shepard bekam auch einfach das Gefühl nicht los, dass es eben noch nicht geklärt war. Was passiert war, tat ihr immer noch Leid und sie wusste nicht, was sie tun konnte, damit sie diese nervigen Schuldgefühle losbekam.
    Sie verfluchte ihre Zeit auf der Erde, als sie sich nicht unter Kontrolle gehabt hatte, ständig so genervt gewesen ist und all das an ihren Freunden ausgelassen hatte. Jane schüttelte den Kopf. So verhielt sich doch kein Commander. Es war faszinierend wie gut es ihr getan hatte, zurück auf einem Schiff zu sein. Ihre Mutter wieder zu sehen, Hackett. Sie hatten sie aus diesem dumpfen, kalten Loch geholt und ihr gezeigt, wer sie wirklich war. Und eben, dass sie gewonnen hatten. Jane vermisste ihre Mutter. Hannah hatte gesagt, dass sie bei Hackett blieb, weil sie auf seinem Schiff am meisten bewirken konnte. Sie wollte auch helfen und sie hatte ihrer Tochter angesehen, wie sehr sie ihr eigenes Schiff und ihre eigene Crew gebraucht hatte.
    Und sobald Jane ihre Freunde, Familie zurück hatte, hatte sich auch alles wieder so viel besser angefühlt. Sie hatte geglaubt, das alles schaffen zu können, dass nun endlich alles gut würde. Gott, ihr Wiedersehen mit Garrus war einfach nur perfekt gewesen. Und dann war wieder alles aus dem Ruder gelaufen. Und obwohl sie ihn jetzt zurück hatte, fühlte sie sich nicht besser. Die Sache mit den Quarianern nagte an ihr und dass sie ihre beste Freundin bis auf Weiteres nicht sehen konnte hinterließ einen ungeahnt ekligen Knoten in ihrem Herzen. Sie vermisste Tali jetzt schon und auch wenn die kleine Thessia sie nicht leiden konnte, irgendwie fehlte ihr das kleine Mädchen ebenfalls.
    Jane saß auf und tippte auf ihrem Universalgerät. Vermutlich würde es nichts bringen, im Gegenteil, es würde ihre Stimmung nur noch mehr in den Keller ziehen, aber Jane konnte nicht anders und blätterte die wenigen Bilder durch, die sie von ihrer besten Freundin hatte. Tali hatte ihr noch ein paar von der SR-1 geschickt und Jane lächelte leicht, als sie daran dachte, dass sie und Jeff die einzigen waren, die den Aliens damals so nahe gestanden hatten. Auch wenn sie sich nur zu gut daran erinnerte, unter welchem großen Druck sie damals gestanden hatte, Saren zu finden, vermisste sie diese Zeit.
    Jane sah auf, als sie die Türe ihres Quartiers vernahm und brachte ein leichtes Lächeln zu Stande als Garrus zu ihr kam. „Hey“, begrüßte er sie und setzte sich neben sie auf das Bett. Jane war froh, dass zwischen ihnen wieder alles in Ordnung war – zumindest in so fern, dass sie normal miteinander redeten.
    „Hey...“, erwiderte sie und schloss schnell das Anzeigeprogramm auf ihrem Omnitool.
    „Alles in Ordnung?“, fragte er leise. Eigentlich wollte sie sagen, dass alles okay war, dass sie einen Plan hatte und wusste, dass nun alles gut würde, aber sie brachte kein Wort raus, wohl wissend, dass es daran lag, dass sie eben keinen genauen Plan hatte. Das Fragezeichen auf ihrer Liste hatte sich in ihren Kopf gebrannt. Sie wusste nicht, wie es weitergehen sollte, wie sie die Genophage ohne die Daten heilen sollten. Mordin befand sich vermutlich just in diesem Moment in der Krankenstation und forschte an einem weiteren Heilmittel. Noch etwas, dass komplett schief gelaufen war.
    Garrus bemerkte ihr Schweigen, sah wie sehr sie um eine Ausrede kämpfte. Er legte zögernd eine Hand auf ihre. „Das wird schon“, meinte er beruhigend. Jane warf ihm einen zweifelnden Blick zu.
    „Denkst du das wirklich? Nach Allem was schief gelaufen ist? Irgendwie... habe ich nicht so das Gefühl, überhaupt irgendetwas im Griff zu haben“, erwiderte sie bedrückt.
    Er antwortete darauf nicht. Einerseits wäre es wohl besser gewesen ihren Kommentar zu leugnen, ihr zu sagen, dass sie doch die Kontrolle hatte aber andererseits wusste er auch, dass sie ihm nicht glauben würde.
    Sie seufzte. „Und das ist nicht mal alles... ich...“, sie schüttelte den Kopf. „Ich fühle mich furchtbar, Garrus“, murmelte sie und legte wieder das Gesicht in die Hände. Was machte sie nur falsch? Sie bemühte sich so sehr, dass endlich alle glücklich waren, dass es ihren Freunden gut ging. Frieden in der Galaxie herrschte. Und dennoch...
    „Dann versuche... wenigstens für einen kurzen Moment, das alles zu vergessen“, schlug er vor. In den letzten Tagen hatte er genug Zeit gehabt, sich Gedanken über Jane und ihre Beziehung zu machen. Sie war schwanger, in nur wenigen Monaten wäre er Vater und er merkte, wie sehr er bei ihr sein wollte. Die Entwicklung ihres Kindes miterleben wollte.
    Jane sah ihn ein wenig verwirrt an und er lachte leicht. „Vertrau mir“, sagte er nur leise und bevor sie noch irgendetwas sagen konnte, legte er seine Finger an ihr Kinn und zog sie näher zu sich. Jane schloss die Augen, genoss diese einfache Berührung. Erst jetzt wurde ihr wieder bewusst, sie sehr sie das schon die ganze Zeit gewollt hatte. Ihn küssen, bei sich wissen, mit ihm zusammen sein. „Es tut mir so Leid, Garrus, ich-“, weiter kam sie gar nicht, er hob sie geschickt an, legte sie auf das Bett und platzierte sich über ihr.
    „Hör auf“, bat er und nur wenige Sekunden später lagen sie nahe aneinander gepresst, sich innig küssend in ihrem Bett. Janes Herz schlug wie verrückt, sie spürte die aufsteigende Nervosität, fragte sich, warum seine Nähe sie so verrückt machte. Sie musste nicht länger unsicher sein, er hatte ihr verziehen und wollte das alles wieder. Jane bemerkte die Hitze, die seine Berührungen bei ihr auslösten, die Gänsehaut die so im Widerspruch stand zu ihrer Körpertemperatur. Es war seltsam, fast schon komisch, wie vertauscht ihre Rollen nun waren. Schließlich war sie es am Anfang gewesen, die sich ihm so genähert hatte und jetzt... „Ich liebe dich“ keuchte sie, als er nur kurz von ihr ließ um seine Zunge über ihren Hals wandern zu lassen während seine Hände ihren Reisverschluss öffneten und ihr langsam, bedächtig die Jacke über die Schultern streiften. Er löste sich nur kurz von ihr, raunte ihr ein liebevolles „Ich dich auch“ zu und befreite sie unheimlich schnell vom Rest ihrer Klamotten. Jane hatte gar nicht damit gerechnet, dass er so sein konnte, dass er sie auch so wollte. Nachdem sie keine Anstalten machte, ihn ebenfalls auszuziehen, übernahm er das eben selbst und legte sich anschließend wieder zu ihr unter die Decke in das Bett. Auch wenn Jane gedacht hatte, dass sie in dieser Nacht endlich wieder miteinander schlafen würden, blieb es dabei. Sie küssten sich, oft, lange, innig, aber weiter kam es nicht. Sie kuschelte sich fest an ihn und registrierte erst jetzt, wie angenehm es war, seinen Atem zu hören, seinen Herzschlag zu spüren, in seinen Armen einzuschlafen. Dank ihm schlief sie in dieser Nacht unheimlich gut und träumte zum ersten Mal wieder von etwas schönem. Ihrer und Garrus' zukünftiger Familie.

    Es war beruhigend wieder ein Ziel zu haben. James fühlte sich auf der Normandy wohl und das Training mit Wrex, Grunt und Jack im Hangar tat auch richtig gut. Momentan tauschten die beiden Kroganer Kopfnuss für Kopfnuss aus und James stand mit Jack an einige Kisten gelehnt daneben und betrachtete das Schauspiel mit interessiertem Blick. Jack war ja immernoch der Meinung, dass die Tankzüchtung gewinnen würde, aber James hatte von Anfang an auf Wrex gesetzt. Immerhin hatte der einige Jahrhunderte mehr auf dem Buckel und war außerhalb davon Clanführer. Für einen ehemaligen Shadow-Broker-Agenten war das schon eine gigantische Leistung. Jack kletterte auf eine Kiste und machte es sich dort bequem. Ohne dass der Lieutenant es bemerkte, beobachtete sie ihn, versuchte aus seinem Blick schlau zu werden. Sie hatte auf der Erde schon gesehen gehabt, dass er nicht ganz bei der Sache war, das schien er irgendwie nie richtig zu sein und inzwischen war sie neugierig genug um herausfinden zu wollen, wieso nicht.
    „Hey Muskelpaket“, sprach sie ihn an und James wandte seinen Blick nicht von den kämpfenden Kroganern ab.
    „Hm?“
    „Was ist das, was da in ihren Gedanken herumkriecht?“, fragte sie gerade so laut, dass nur er es hören konnte, mit einem leichten neugierigen Unterton.
    James schien einen kurzen Moment verwirrt zu sein, wusste aber sofort was sie meinte und war tatsächlich sehr überrascht, wie gut sich die Bioitkerin in ihn hineinversetzen konnte.
    „Nichts was man so leicht aus der Welt schaffen kann, Bonita Señora “, erwiderte er.
    Jack grinste bei diesem Spitznamen. Er war der erste, der sie so nannte.
    „Alles lässt sich irgendwie... behandeln. Das hab sogar ich gelernt“, erwiderte sie und lachte, als Wrex Grunt auf den Boden beförderte. „Steh wieder auf Junior! Ich hab 100 Credits auf dich gesetzt!“, brüllte sie durch die Halle und James verstand jetzt, wie sie Lehrerin geworden war. Ihre Autorität stellte man besser nicht in Frage. Grunt stand sofort wieder auf, grummelte etwas und stürzte sich dann wieder auf Wrex.
    „Glauben Sie mir, ich hab's versucht. Und ich hab inzwischen aufgegeben“, entgegnete er.
    Jack schwieg einen Augenblick lang, der Lieutenant versuchte ganz offensichtlich an etwas anderes zu denken und die Biotikerin konnte ihm das nicht übel nehmen. Sie wusste, wie es war, wenn es da etwas gab, dass sich ständig in den Vordergrund drängte, obwohl man sich bemühte es zu vergessen.
    „Geht's um Shepard?“, fragte sie schließlich und setzte sich etwas weiter an die Kante der Kiste um leiser mit ihm sprechen zu können. Ihr war wohl bewusst, dass Shepard ein heikles Thema war. Sie hatte ja gesehen, wie er mit ihr umgegangen war.
    James' Schweigen reichte aus, damit sie wusste, dass sie Recht hatte. Jack seufzte. „Sie wissen wie dumm das ist, oder?“, hakte sie nach.
    „Ich hab doch gesagt, dafür gibt’s keine Lösung“, schnaubte er.
    Jack verdrehte die Augen. „Warten Sie mal ab“, meinte sie, sprang von der Kiste und deutete ihm ihr zu folgen. Sie ging zu einer der vielen Matten und platzierte sich ihm gegenüber in Kampfstellung. „Greifen Sie mich an!“, befahl sie und James schüttelte nur den Kopf.
    „Tut mir Leid, Jack, aber ich weiß wann es besser ist, sich zurückzuhalten“, erwiderte er nur schnell. Jack gab einen verächtlichen Laut von sich und griff ihn ohne zu Zögern an. James parierte ihre Attacke, war dafür auf ihre nächste Aktion überhaupt nicht vorbereitet. Sie schlug ihm heftiger als erwartet in die Magengrube und er wich zurück.
    „Nicht schlecht“, meinte er anerkennend.
    „Das ist noch lange nicht alles“, erwiderte sie grinsend.
    James musterte die Biotikerin mit einem rätselnden Blick. Was wollte sie damit erreichen? Hatte sie überhaupt irgendwelche Hintergedanken? Oder ging es ihr wirklich nur um ein bisschen Training? Inzwischen hatten auch Wrex und Grunt aufgehört und sich in ihre Nähe gestellt um den Kampf besser verfolgen zu können.
    „Werden Sie ordentlich verprügelt, Prinzessin?“, fragte Wrex, lachte und Jack spuckte nur auf den Boden.
    „Hätten Sie wohl gerne“, erwiderte sie nur und startete einen weiteren Angriff. Dieses Mal war James allerdings vorbereitet, wich ihrem Schlag aus und griff nach ihrem Handgelenk. Jack hatte das aber wie auch immer vorhergesehen, wehrte seinen Angriff ab und schlug ihm ordentlich mit der Faust ins Gesicht. Ächzend zog sie ihre Hand zurück und sah James mit einem erstaunten, und leicht genervten Blick an. „Gott haben Sie eine harte Fresse!“, fluchte sie und hielt sich ihre schmerzenden Finger.
    James hingegen hatte eine Hand an seine pochende Wange gelegt, die Jack faszinierend gut getroffen hatt. „Danke“, erwiderte er ironisch. Das würde mit Sicherheit auch noch in ein paar Tagen schmerzen.
    Jack lachte leicht. „So leicht werden Sie mich aber nicht los“, meinte sie nur und James verdrehte die Augen. Dieser kleine Tanz mit Jack erinnerte ihn an Jane, als er mit ihr damals vor dem Krieg mit den Reapern trainiert hatte. Sie hatte ihm ordenltich was abverlangt und er hatte schnell verstanden, wie sie es zu dem N7 Titel geschafft hatte. Auch wenn das weit in der Vergangenheit lag, lenkte ihn dieser Gedanke unheimlich ab. Allein schon deswegen weil er wieder daran denken musste, wie nahe sie sich auf der Erde gekommen waren. Und da landete Jack auch schon den zweiten Treffer in seinem Gesicht. James wankte ein paar Schritte zurück und warf der jungen Frau einen ziemlich wütenden Blick zu.
    „Hey, schauen Sie mich nicht so vorwurfsvoll an! Das hätten Sie eben mit Leichtigkeit parieren können“, entgegnete sie, nutzte seine kurze Erschöpfung um die Arme vor der Brust zu verschränken. „Vielleicht sollten Sie weniger daran denken wie Sie Ihre Lola ins Bett kriegen und sich mehr auf ihre Verteidigung konzentrieren“, schlug sie vor und es schlich sich ein leichtes, boshaftes Grinsen auf ihre Lippen. James sah sie für den Bruchteil einer Sekunde entsetzt an. Dann wandelte sich sein Blick in Wut und er ging auf sie los. Wrex gab einen anerkennden Laut von sich als James Jack mit nur wenigen Handgriffen auf den Boden beförderte und schließlich, ziemlich überheblich über ihr kniete. Jack gab einen kurzen schmerzverzerrten Laut von sich, bis James seinen Griff etwas löste und ihr wieder mehr Raum gab. „Zufrieden?“, fragte er und erntete ein seltsam laszives Grinsen von Jack.
    „Mhm... noch nicht ganz“, erwiderte sie, wusste, wie fies ihre nächste Aktion war, konnte sich das allerdings nicht verkneifen und hob ihr Knie mit voller Wucht zwischen seine Beine. James stöhnte auf vor Schmerz, ließ Jack reflexartig los und lag nur wenige Sekunden später unter ihr. Jack lachte , schenkte dem Lieutenant einen triumphierenden Blick und legte unegwohnt liebevoll eine Hand an seine Wange. „Tut mir Leid, Lieutenant, aber das musste sein“, säuselte sie zuckersüß, betrachtete seinen leidenden Blick und grinste wieder.
    Wrex und Grunt sahen beide so aus, als litten sie mit ihm und Jack musste auch über ihre Blicke lachen. „Lassen Sie mich Ihnen einen Tipp geben: das einzige was seelischem Schmerz überwiegt ist körperlicher. Wenn Sie es also nicht mehr aushalten... sagen Sie mir Bescheid“, flüsterte Jack ihm zu und erhob sich schließlich.
    „Für mich ist heute Schluss, ich muss mir noch jemanden zum Vögeln suchen“, meinte sie, warf dem auf den Boden krümmenden James noch einen letzten lüsternen Blick zu und verließ dann selbstbewusst die Shuttlebucht.

    Als Jane das nächste Mal die Augen aufschlug, lag Garrus nicht mehr neben ihr. Sie stöhnte und fragte sich, wie oft sie ihm noch sagen musste, dass er doch bitte bei ihr bleiben sollte, bis sie aufwachte. Auch wenn sie letzte Nacht nicht miteinander geschlafen hatten, mochte sie es nicht ohne ihn aufzuwachen. Es gab ihr immer das Gefühl, dass etwas fehlte. Sie saß auf, fuhr sich einmal durch ihr zerzaustes Haar und bemerkte dann, das blaue Visor auf ihrem Nachttisch. „Garrus?“, fragte sie, bekam aber keine Antwort. Er war ganz offensichtlich noch nicht aufgestanden. Zumindest hatte er noch nicht ihr Zimmer verlassen, denn seine Klamotten lagen noch auf dem Boden und die Türe zu ihrem Badezimmer war verschlossen. Jane warf noch einen weiteren neugierigen Blick zu dem kleinen Gerät und presste die Lippen fest aufeinander. Nein, das konnte sie nicht machen. Egal wie neugierig sie war, sie konnte es sich nicht einfach schnappen und... wieso eigentlich nicht? Er müsste es ja nicht erfahren. Und natürlich war das eigentlich komplett unmoralisch und kindisch, aber Jane konnte sich einfach nicht beherrschen, schnappte sich das Visor und befestigte es an ihrem Hinterkopf. Sie hatte immer gedacht, es tauche Garrus' Sichtfeld in einen blauen Schleier, aber tatsächlich sah noch alles genau gleich aus wie davor. Sie fragte sich kurz, ob er das Visor mit einem Passwort verschlüsselt hatte, aber tatsächlich hatte sie sofort Zugriff auf alle seine Dateien. Jane schmunzelte, als sie in seiner Playlist den Soundtrack zu Flotte und Flotille entdeckte. Das war so typisch für ihn. Bei Expel 10 musste sie dann aber doch eine Augenbraue hochziehen. Sie meinte sich zu erinnern, dass ihr damals, als sie Samara mit ihrer Tochter helfen wollte, ein junger Mann über den Weg gelaufen war, der sie nach der Band gefragt hatte. Neugierig ging sie Garrus Musik durch und hin und wieder kicherte sie über seinen so unerwarteten Geschmack. Nachdem sie sich das meiste durchgesehen hatte und dabei auch einige Dinge entdeckt hatte, die sie regelrecht stutzen ließen, machte sie sich an die anderen Dateien. Jane fand ein Dokument ohne Titel und als sie las, wen Garrus während seiner Zeit auf Omega wie umgebracht hatte, war sie doch sehr beeindruckt. Und auch ein wenig eingeschüchtert. Sie hatten damals kaum darüber gesprochen – es schien ihm unangenehm gewesen zu sein und Shepard hatte nicht nachbohren wollen – aber sie hatte nicht erwartet, dass er dermaßen aktiv gewesen ist. Jane las die Namen und erschauderte. Es musste schlimmer für ihn gewesen sein, als sie gedacht hatte. Unwillkürlich fühlte sie sich schlecht dabei, seine privaten Dateien so auszuspionieren. Eigentlich war das absolut unüblich für sie – aber Jane war eben von Natur aus unheimlich neugierig. Bevor sie das Visor wieder runter nahm, entdeckte sie noch ein Video, dass er allem Anschein nach öfter als hundert Mal abgespielt hatte. Jane focht noch einen kurzen inneren Konflikt aus, bis sie sich entschied es anzusehen.

    Jane kicherte, als Garrus sie sanft auf das Bett fallen ließ. Es federte für ihren Geschmack ganz offensichtlich zwar etwas zu viel – was zugegebenermaßen auch an dem vielen Alkohol liegen konnte – aber andererseits ließ sie genau dieses Schwebegefühl wieder lachen. Der Turianer konnte nur kopfschüttelnd die Türe verschließen und hoffen, davon morgen keine Videos im Extranet zu finden. Das wäre vermutlich die peinlichste Schlagzeile über Jane, die es je gegeben hatte. Die Medien würden sich um die Rechte an dem Video reißen und Garrus wäre derjenige, der es James oder Jeff aus den Händen reißen müsste (auch wenn das hieße seine nicht unbedingt groß vorhandenen Hackerfähigkeiten anwenden zu müssen). Und gerade weil es so häufig vorkam, dass Jane sich unachtsam betrank, brachte ihn genau das auf eine sehr interessante Idee.
    „Jane?“, fragte er in der Hoffnung, herausfinden zu können, in wie weit sie noch zurechnungsfähig war.
    „Aye Officer Vakarian!“, erwiderte sie viel zu enthusiastisch und saß auf. Einen Moment lang sahen sie einander einfach nur an und als Jane sich dann verführerisch über die Lippen leckte und ihm mit einer Hand ein Zeichen gab näher zu kommen, war er sicher, dass er diese Nacht wohl oder übel nicht sehr viel Schlaf bekommen würde. Eigentlich war ihm das schon im Voraus bewusst gewesen, aber da hatte er noch gehofft, die Nacht auf andere Art und Weise mit ihr verbringen zu können. Und er musste ehrlich zugeben, dass er sich nicht sicher war, ob er mit ihr in diesem Zustand schlafen wollte. Auch wenn sie ganz offensichtlich total scharf auf ihn war. Es fühlte sich nicht richtig an ihren... unglaublich willigen Zustand so auszunutzen. Bevor er weiter mit ihr sprach entschied er sich dazu, mal die Aufnahmefunktion seines Visors auszuprobieren. Vielleicht würde sie ja endlich mal zur Vernunft kommen, wenn er ihr morgen zeigen würde, wie kindisch sie sich verhielt, wenn sie betrunken war.
    „Schatz, in wie fern bist du noch bei mir?“, fragte er, kam zu ihr und setzte sich an die Kante des Bettes. Eine relativ einfache Frage, die sogar er im betrunkenen Zustand noch sehr gut hätte beantworten können. Vielleicht hätte er sich auch betrinken sollen... Aber er wollte nicht wissen, wo Jane dann geendet wäre.
    „Ganz nahe...“, erwiderte sie und grinste ihn lüstern an.
    Er seufzte und schüttelte fassungslos den Kopf. Gut, es war typisch für Shepard. Aber irgendwie war er auch ein wenig enttäuscht. Sie hatten schließlich nicht sehr oft Landgang geschweige denn Zwangsurlaub. Und Jane nutzte diese Zeit um sich zu betrinken. Ein bisschen frustrierend war das schon.
    „Das hab ich nicht gemeint“, entgegnete er und zuckte ein wenig zusammen, als er auf einmal ihre Hände an seiner Seite spürte.
    „Nein?“, hauchte sie herausfordernd und presste ihren Körper verdächtig nahe an seinen.
    „Schätzchen, bist du sicher, dass du das jetzt willst?“, fragte er nach kurzem Zögern, nahm ihre Hände in seine und sah sie skeptisch an. Es war kompliziert – viel zu kompliziert. Er liebte sie, keine Frage, und mit ihr zu schlafen war unbeschreiblich, aber er erinnerte sich nur ungern an die verdammt vielen Vorsichtsmaßnahmen die sie jedes Mal ergreifen mussten, bevor sie auch nur annähernd intim werden konnten. Mordins Ratschläge waren mehr als hilfreich, aber hin und wieder hatte er es satt, jedes Mal darauf zu achten, Janes empfindliche, menschliche Haut nicht aufzuschürfen.
    „Auf jeden Fall“, entgegnete sie und biss sich konzentriert auf die Lippe. „Und ich weiß...“, begann sie, wanderte mit ihrem Blick einmal an seinem Körper nach unten und verharrte damit an einer ganz bestimmten Stelle. Sie zog eine unzufriedene Schnute und sah ihn ein wenig enttäuscht an. „Du willst doch bestimmt auch...“
    Vermutlich wäre es einfach das Beste gewesen Jane zu überreden, zu schlafen, aber sie schien an Schlaf überhaupt kein Interesse zu haben.
    „Schätzchen, das spielt keine Rolle. Du solltest wirklich besser ein bisschen schlafen“, meinte er so sachlich wie möglich und versuchte ihr damit noch eine kleine Chance zu geben ihre Ehre zu retten. Wenn sie auf seinen Vorschlag eingehen würde, müsste ihr das Video dann gar nicht mehr so peinlich sein.
    „Ach komm schon, Baby, du bist immer viel zu vernünftig“, grummelte sie beleidigt und verschränkte die Arme vor der Brust. Garrus konnte sich ein leichtes Lachen kaum verkneifen.
    „Schatz, das hat nicht viel mit Vernunft zu tun. Und glaub mir, das wird dir morgen so peinlich sein, wenn du siehst wie du dich verhältst wenn du zu viel getrunken hast. Ich meine, wie viel hattest du? Zwei Gläser Ryncol und wie viele Flaschen Bier? Ich meine auch eine Flasche Wodka rumstehen gesehen zu haben. Dir ist hoffentlich bewusst, dass deine Leber dir das danken wird und das in keiner sonderlich angenehmen Form“, erklärte er und drückte Jane vorsichtig an ihren Schultern in das Bett. Die Matraze war himmlisch weich und für einen kurzen Augenblick schweiften seine Gedanken etwas ab. Er könnte so viel mit ihr anstellen...
    Sie lachte leicht und legte ihre Hände an seine Wangen. „Ich liebe dich. Und ich finde es toll, dass du dich so um mich sorgst“, meinte sie verträumt. Es war nicht das erste Mal, dass er diesen Blick bei ihr sah, aber in diesem Moment war es etwas besonderes. Sie war so ehrlich und Garrus erwischte sich selbst zum ersten Mal dabei, dass er ihre Worte erwiderte.
    „Ich liebe dich auch“, sagte er, als wäre es das Normalste der Welt. Er hatte selbst keine Ahnung, warum er es nie schaffte, ihr das im nüchternen Zustand zu sagen, aber hier und jetzt, war es so leicht. Als hätten diese Worte kaum Gewicht, oder es spiele überhaupt keine Rolle, weil sie sowieso beide dasselbe empfanden.
    Jane wusste aber, was diese Worte bedeuteten, auch wenn sie betrunken war und ihr Blick sprach Bände. Sie war kurz davor zu weinen und er wusste, dass das teils auch an ihrem hohen Alkoholkonsum lag.
    „Hey...“, Garrus streifte ihr vorsichtig eine rote Strähne aus dem Gesicht und sah sie liebevoll an. „Ich bin nicht der einzige der sich um dich sorgt, Schätzchen“, meinte er leise. Jane sah ihn aus ihren glasigen Augen gerührt an.
    „Ich weiß“, erwiderte sie. Es war seltsam wie schnell ihre Stimmung schwanken konnte, wenn sie in diesem Zustand war. Sie wirkte nicht mehr halb so aufgedreht und Garrus bekam auf einmal ein schlechtes Gewissen. War es nicht irgendwie... falsch dieses Video aufzunehmen? Einerseits hatte er sie damit ein wenig necken wollen, es gar nicht böse gemeint, aber jetzt, wo diese Konversation in eine so persönliche Richtung ging... Es fühlte sich unangenehm an und er löste sich kurz von ihr.
    „Was machst du?“, fragte sie verwirrt und saß ebenfalls auf.
    „Entschuldige. Das ist...“, begann er, verstummte aber schnell wieder. Vielleicht war es nicht ganz richtig, aber andererseits gab es keine Garantie, dass Shepard von ihren zukünftigen Missionen immer heil zurückkehren würde. Und es war definitiv nicht mehr lang, bis sie gegen die Reaper kämpfen müssten. Warum sollte er sich dann nicht etwas bewahren, dass ihn an sie erinnerte?
    Jane legte ihre Arme um seinen Oberkörper und legte ihr Kinn auf seine Schulter.
    „Entschuldige... wofür?“, fragte sie und fuhr langsam mit ihren Fingern über seine Brust.
    „...schon gut“, erwiderte er, nahm ihre Hände von seinem Körper, wandte sich wieder ihr zu und gab ihr einen langen intensiven Kuss. „Ich hätte wirklich gerne deine Reaktion hierauf gesehen, aber das ist lächerlich. Ich liebe dich und ich schätze, wir sollten das bisschen Zeit, das uns noch bleibt, sinnvoll nutzen“, meinte er, grinste und beendete das Video.


    Ungefähr bis zur Hälfte des Videos hatte Jane sich in Grund und Boden geschämt und es hatte sie tatsächlich einiges an Kraft gekostet, es weiter anzusehen aber zum Schluss hin, war sie gerade zu entsetzt, dass sie sich daran überhaupt nicht erinnern konnte. Er hatte ihr seine Liebe gestanden noch bevor sie gegen die Reaper gekämpft hatten. Und Jane hatte immer gedacht... Sie nahm das Visor ab und starrte gedankenverloren auf das kleine Gerät.
    „Du hast es gesehen.“
    Shepard sah überrascht und beinahe schon etwas erschrocken auf. Garrus stand im Ramen der Badezimmertür und Jane fühlte sich furchtbar ertappt. Er hatte sie also doch erwischt.
    „E-Es....“, begann sie, schluckte und versuchte ihn nicht halb so verlegen an zu sehen wie sie sich fühlte. „T-Tut mir Leid... ich weiß das ist... das sollte... Oh Gott...“, stammelte sie und legte schnell das Gesicht in ihre Hände. Diese Aktion war so kindisch und peinlich.
    Zu ihrer Überraschung reagierte er überhaupt nicht wütend, ganz im Gegenteil, er lachte leicht und setzte sich zu ihr in das Bett.
    „Um ehrlich zu sein, hatte ich viel mehr damit gerechnet, dass du mir jetzt den Kopf abreißen würdest“, meinte er und nahm das Visor in die Hand.
    Jane sah ihn erstaunt an und richtete ihren Blick dann wieder auf das kleine Gerät in seinen Händen. „...Nein... oder... besser gesagt, bis zur Hälfte wollte ich dich dafür umbringen aber dann...“, sie verstummte, dachte daran zurück, wie überrascht sie selbst im betrunkenen Zustand gewesen ist, als er ihr diese einfachen Worte gesagt hatte.
    „Ich hatte auf Namakli nicht viel von dir. Mein Universalgerät war kaputt, ich konnte mich also nur auf mein Visor verlassen“, er grinste leicht.
    „Du hast es öfter als hundert Mal abgespielt“, erwiderte sie aber darauf antwortete er nicht. Er schwieg und starrte einfach nur auf das Visor.
    Jane wusste nicht was sie dazu sagen sollte, konnte. Es rührte sie so unheimlich, dass er sie über die Jahre auf Namakli so vermisst hatte. Und vielleicht war das auch einer der Gründe, warum sie überhaupt keine Hemmungen mehr hatte, ihm näher zu kommen. Alles was zwischen ihnen gestanden hatte, war weg und sie fühlte sich nicht länger unsicher oder nervös. Ganz im Gegenteil. Jane wartete keine weitere Antwort ab, sondern küsste ihn, nahm ihm das Visor aus der Hand und legte es zurück auf ihren Nachttisch. Sie hatte keine Ahnung wie lange sie einander liebten, aber es war so unsagbar befreiend und Jane hatte sich lange nicht mehr so glücklich gefühlt, wie in diesem Moment, als sie wieder in seinen Armen einschlief. Vor wenigen Stunden hatte sie sich noch solche Gedanken gemacht, über Vegangenes und über ihre Zukunft aber jetzt, wirkte das alles so fern, gar nicht mehr so präsent wie eben noch. Garrus ließ sie vergessen, fühlen, was sie wirklich brauchte und dafür war sie ihm unheimlich dankbar.
    Man muss nicht selber in der Pfanne brutzeln, um über ein Schnitzel schreiben zu können.

  3. #73
    Newbie Avatar von xsm4sh3r
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    wieder sehr toll geschrieben sally, immer wieder eine freude deine Story zu lesen

  4. #74

    Standard

    Vielen Dank xsm4sh3r!

    Uuuuund das letzte Kapitel:

    Kapitel 40: Das Ende der Straße

    Es war keine leichte Entscheidung. James hatte lange nachgedacht, was das Beste für ihn, Jane und der Rest der Crew sein würde. Und warum auch immer war er zu dem Entschluss gekommen, dass er keine große Wahl hatte. Er wusste, was gut für ihn war und was ihm zu dieser Zeit am meisten schadete, sah er auch viel zu deutlich vor sich. Er musste Jane nicht lange ansehen um erneut diesen stechenden Schmerz in seiner Brust zu verspüren. Und inzwischen war er sicher, dass er diese Art von Schmerz einmal zu viel gefühlt hatte.
    Also hatte er sich entschieden. Auch wenn ihm bewusst war, wie schwer die nächsten Monate für ihn werden würden, nahm er diese Konsequenzen doch in Kauf. Schließlich wusste er, es würde keine andere Lösung geben.
    Den anderen hatte er darüber noch nicht Bescheid gesagt, außer Jack. Nachdem sie ihm einmal das Angebot gemacht hatte, ihm zu helfen, hatte sie sich ihm nicht wieder derartig genähert. Er war zwar nicht auf ihr Angebot eingegangen, hatte sie jedoch um etwas anderes gebeten. Zuerst hatte James geglaubt, er müsste sich bei ihr für seine Beweggründe rechtfertigen, aber die Biotikerin hatte ihm nur schweigend zugehört und schließlich genickt, mit einem Blick, der ihm vermittelte, dass sie vermutlich längst wusste wie es ihm ging. Zum ersten Mal hatte er das Gefühl gehabt, dass es jemandem gab, der seine verwirrenden Gefühle verstand.
    Und nun standen sie hier. Er, der seit Wochen versuchte seine Gefühle zu verdrängen, die Wahrheit zu ignorieren und sie, Jane Shepard, die von dem Gewicht dieses Fehlers überhaupt nichts ahnen konnte. Ihm war schon aufgefallen, wie schwer es ihr fiel sich von ihm fern zu halten, aber sie schien sich auch bewusst zu sein, wie verheerend es sein könnte, sollte sie nur noch einmal ihre Kontrolle verlieren oder etwas zulassen, das noch mehr Schaden verursachen würde.
    Sie umarmte Jack, sagte ihr, wie sehr sie es bedauerte, dass die Biotikerin sie nun verließ und wünschte ihr viel Glück auf ihrer Suche nach ihrem unbekannten Feind. Jack lachte nur, spielte die ernste Situation einfach runter, als wäre es das natürlichste der Welt mit einem Gerät im Bauch aufzuwachen. Jane war offensichtlich versucht auf Jacks lockere Art einzugehen, aber James kannte ihren Blick, die Besorgnis die darin lag und die Art, wie sie die Arme vor der Brust verschränkte. Als wollte sie sagen, dass sie mit der Entwicklung dieser ganzen Ereignisse nicht zufrieden war. Jack warf Garrus nur einen kurzen Blick zu, grinste leicht und verabschiedete sich dann endgültig von den Beiden. Miranda und Jacob hatten ein Schiff organisiert – offensichtlich irgendeines aus General Hacketts Flotte – um gemeinsam mit Jack nach dem Absender der Drohung an Shepard und Jacks Peinigern zu suchen. Jane hatte sofort ihre Unterstützung angeboten, aber nachdem Miranda ihren momentanen Zustand begutachtet hatte, verbot sie dem Commander mit ihr zu kommen. Außerhalb davon müsste sie noch die Genophage heilen. Ein Unterfangen das keinesfalls zu unterschätzen war. Jane hatte zugestimmt und Jack gehen lassen.
    Nun kam der schwierigste Teil des Ganzen.
    „Commander?“
    Jane wandte ihren Blick an ihren Lieutenant, nur kurz - sie schien längeren Blickkontakt vermeiden zu wollen – und sah dann wieder zu Jack.
    „Haben Sie noch etwas anzumerken, Lieutenant?“, fragte sie so sachlich wie möglich.
    James wusste wie seltsam es zwischen ihnen beiden war und er wollte das ein für alle Mal beenden.
    „Kann ich Sie kurz unter vier Augen sprechen?“, bat er und sie nickte nach kurzem Zögern. James entging Garrus‘ prüfender Blick nicht, aber inzwischen konnte er dem Turianer gut aus dem Weg gehen. Er führte Jane etwas weiter weg, um nicht zu viele Zuhörer zu haben. Genaugenommen war die Normandy nicht unbedingt geschaffen für derartig private Gespräche, aber James hatte wohl oder übel keine sonderlich große Auswahl.
    Er führte Jane behutsam in einen kleinen Raum nahe der Brücke. James spürte förmlich wie nervös sie diese plötzliche Zweisamkeit machte. Der Moment, in welchem er die Türe schloss und sie nicht länger von anderen beobachtet werden konnten.
    „Ich werde auch gehen“, sagte er, nachdem das altbekannte, zischende Geräusch ihm verriet, dass die Türe verriegelt war.
    „…was?“, fragte Jane sofort, verwirrt. Ihr Blick wanderte von seinen Händen zu seinen Augen und er erkannte darin die unterschwellige Angst, das hier könnte ein Abschied für immer sein. Sie brauchte einen Augenblick, den er ihr nur zu gerne gab, bis sie zu einer Antwort ansetzte. Und diese plötzliche Vertrautheit brachte ihn fast aus der Fassung. „Du musst nicht gehen. Nur weil wir… es ist okay James. Was passiert ist, ist passiert. Können wir nicht einfach-“
    „Ich liebe dich“, sagte er und Jane verstummte augenblicklich. Sie sah ihn einen Moment lang mit großen Augen an, bis ihr bewusst wurde, was er da eben gesagt hatte. Es war ein Satz, der ihm schon seit geraumer Zeit im Kopf herumgespukt war. Er hatte sich immer daran hindern wollen, es ihr zu sagen, das zwischen ihnen nicht noch komplizierter zu machen, aber schließlich war es etwas, dass sie eigentlich schon längst wissen sollte.
    „James ich…“, stammelte sie verwirrt. Bei allem was Recht war, damit hatte sie nicht gerechnet. Gut, sie hatte gewusst, dass er sie mochte, ja vielleicht, dass er auch ein wenig in sie verliebt war, aber dass es so ernst war… Jane wusste nicht was sie darauf erwidern sollte und sah ihn einfach nur perplex an. James schwieg ebenfalls und erst nach ein paar unangenehmen Sekunden räusperte er sich und machte einen kleinen Schritt rückwärts.
    „Ich kann so nicht weiter machen, Jane.“, erklärte er leise. „Nicht wenn ich dich ständig mit ihm sehe und du…“, fügte er hinzu und sein Blick schweifte nur kurz etwas weiter nach unten.
    Jane wollte ihm eigentlich klar machen, wie wichtig er ihr war, dass sie ihn bei sich wissen wollte, aber gerade als sie auf den Boden sehen wollte, wanderte ihr Blick ebenfalls zu dem inzwischen mehr als offensichtlichen Beweis ihrer Schwangerschaft. Sie konnte nicht von ihm erwarten zu bleiben, wenn er sie liebte und ihr nicht näher kommen konnte.
    Es herrschte Schweigen und Jane merkte wie unwohl er sich nach diesem Geständnis fühlte.
    „James…“, begann sie, wusste aber nicht wie sie fortfahren sollte. Er erwiderte ihren Blick nicht und erst nach etlichen Minuten, kam er noch einmal auf sie zu und gab ihr einen kurzen, sanften Kuss.
    „Vielleicht sehen wir uns irgendwann wieder, Lola…Dann wenn es nicht mehr so…schwierig ist“, erklärte er, konnte seine Überraschung, dass sie diesen Kuss zugelassen hatte, kaum verstecken. Jane biss sich auf die Lippe. Er war ihr immer noch so nahe, dass er ständig ihren Duft in der Nase hatte. Unglaublich wie sehr ihn das von ihren Worten ablenkte.
    „Es tut mir Leid“, erwiderte sie leise mit ehrlichem Bedauern. Er wusste, dass das hier ein Abschied war. Vielleicht sogar für immer. Und mit einem Mal bereute er, ihr damals auf der Erde so nahe gekommen zu sein. Hätte er das nicht gewagt, wäre es nie so weit gekommen.

    Garrus gefiel diese Situation nicht. Er wusste von seinem Vater, von etlichen ehemaligen Kollegen aus C-Sec, wie schrecklich besitzergreifend werdende, turianische Väter sein konnten, aber nie in seinem Leben hätte er damit gerechnet, dass dieser übergroße Beschützerinstinkt dermaßen mächtig sein würde. Er brauchte einige Sekunden um sich selbst zu beruhigen, sich zu versichern, dass James Jane nicht anfassen würde, dass es sich nicht um irgendein inniges Gespräch handelte. Er konnte sich zwar nicht vorstellen, was der Lieutenant in diesem Moment von seiner Gefährtin wollen konnte, musste sich aber eingestehen, dass er schrecklich überreagierte. Joker beobachtete die Züge des besorgten Turianers und grinste schließlich wissend.
    „Wissen Sie, ich glaube, Ihre Sorgen sind vollkommen unbegründet“, sagte der Flight Lieutenant schließlich.
    Garrus machte einen leichten, genervten Laut, den Joker bisher nur von Turianern gehört hatte.
    „Das ist mir durchaus bewusst“, erwiderte er und Jeff brauchte einen Moment, bis er Garrus‘ Blick einigermaßen einschätzen konnte.
    „Wenn Sie die Türe so anstarren, wird sie sich auch nicht schneller öffnen. Setzen Sie sich. Das entspannt Sie vielleicht ein wenig“, schlug Jeff vor und deutete auf den zweiten Sessel, in welchem normalerweise EDI saß.
    Garrus atmete einige Male ruhig durch, bevor er sich zu seinem Freund gesellte. Seufzend legte er das Gesicht in die Hände. „Ich weiß nicht, was sie mit mir anstellt…“, murmelte er und klang dabei so ungewohnt verzweifelt, dass Jeff daraufhin nur lachen konnte.
    „Falls es Sie beruhigt: Ich glaube, das ist vollkommen normal“. Erwiderte er ohne seinen Freund anzusehen. „Außerhalb davon, werden Sie bald Vater. Das ist eben... eine große Veränderung“, fuhr er fort.
    Garrus ließ sich diesen Gedanken noch einige Sekunden lang durch den Kopf gehen. Ja, er hatte das alles nie für möglich gehalten. Nachdem er nichts mehr sagte, warf Jeff nun doch einen Blick zu seinem Freund. „Sie wirken nicht gerade so begeistert“, murmelte der Pilot.
    „Es ist... einfach nur unheimlich gefährlich. Mit Jane nach Tuchanka zu gehen. Wer weiß wie lange wir brauchen werden um die Genophage zu heilen...“, erklärte er und wandte seinen Blick wieder an die verschlossene Tür, hinter welcher seine Partnerin und James verschwunden waren.
    Es dauerte viel zu lange, bis sie zurück kamen und Jane wirkte auf ihn seltsam traurig. Garrus verspürte den beinahezu übermächtigen Drang sie einfach in seine Arme zu nehmen, hielt sich aber weitestgehend zurück. Er hoffte nur, James hatte ihr nichts Falsches gesagt.
    „Garrus. Ich weiß, wir hatten unsere Differenzen, aber letzten Endes, waren Sie ein echt guter Kamerad. Haben mir immer den Rücken frei gehalten und so...“, meinte James ehrlich und der Turianer verzog nur irritiert das Gesicht. Was sollte das denn bitte heißen? Das klang ja beinahe so als wollte er...
    „Sie gehen auch?“, fragte er und überlegte, ob er seine Stimme vielleicht auch etwas bedauernder klingen lassen sollte. Es wäre gelogen, denn eigentlich war es ihm ganz Recht, dass James die Normandy ebenfalls verließ und das schien der Lieutenant zu wissen. Er lachte leicht über diese einfache Frage, oder vermutlich viel mehr darüber, was Garrus ihm in diesem neutralen Ton mitteilte.
    „Ja. Ich denke, das ist für alle Anwesenden besser“, bestätigte er.
    Jeff zog irritiert eine Augenbraue hoch. Hatte er irgendetwas verpasst? Dass da ein wenig Konkurrenz zwischen den beiden herrschte, wusste er ja, aber in diesem Ausmaß?
    Jane schwieg, starrte unentwegt auf den Boden und lehnte sich schließlich etwas an Garrus. Ohne es selbst richtig wahrzunehmen legte der Turianer seinen Arm um ihre Hüfte.
    „Verstehe“, erwiderte er ohne seinen Blick von James zu nehmen.
    Einen Moment lang stand der Soldat noch da wie bestellt und nicht abgeholt, bis er Jane noch einmal zu nickte und in Richtung Luftschleuse ging. Die Türe schloss sich hinter ihm und Jane schmiegte sich sofort fester an Garrus.
    „Schätzchen, fühlst du dich nicht gut?“, fragte er leise, immerhin musste Joker nicht mitbekommen, was hier eben vor sich ging. Jane antwortete nicht, schüttelte stattdessen einfach nur den Kopf. Er nickte, nahm liebevoll ihre Hand und verließ mit ihr das KIZ.

    Inzwischen bereute Liara ein wenig, der Shadow Broker zu sein. Da sah sie tatsächlich des öfteren Dinge, die sie lieber nicht gesehen hätte. Zusätzlich dachte sie auch für einen kurzen Moment daran, wie sehr Jane sie dafür hassen würde, wenn sie wüsste, dass Liara sie hin und wieder beobachtete. Die Asari legte das Gesicht in die Hände. Super, da hatten Shepard und Garrus endlich ihre Differenzen überwunden und schon machte Jane den nächsten Fehler. Zumindest, Liaras Meinung nach... aber so sehr sie Janes Abschied mit James auch verurteilte, hatte es nicht danach ausgesehen, als dass es eine Fortsetzung dafür geben würde. Vermutlich war es wirklich nur zum Abschied gewesen und hatte nichts weiter zu bedeuten. Dennoch wirkte Jane seltsam apathisch, gerade so als hätte sie jemanden verloren, der ihr sehr nahe gestanden hatte. Allem Anschein nach empfand sie doch mehr für den Lieutenant als sie bereit war zuzugeben.
    Liara überlegte, ob sie Shepard darauf ansprechen sollte. Wenn sie den Commander aber richtig einschätzte, war sie nun wohl nicht gerade in Stimmung darüber zu reden. Außerhalb davon sah sie gerade, dass sie sich mit Garrus in ihr Quartier zurück zog. Also doch lieber nicht reden.
    „Alles in Ordnung?“
    Kaidan stand in der Türe ihres Büros und Liara stellte erschrocken fest, dass sie ihn gar nicht reinkommen gehört hatte. Sie warf ihm schnell ein Lächeln zu und nickte. Er hatte schon genug von all dem mitbekommen und so wie sie ihn inzwischen kannte, war sie sich nicht sicher ob er mit derartigen Geheimnissen umgehen konnte. Beim letzten Mal hatte er Garrus gefragt ob er mit ihnen Mittagessen würde – was nun wirklich nicht gerade gut bei dem Turianer angekommen war.
    „Du siehst irgendwie... ein bisschen verzweifelt aus“, stellte der Major fest, zog einen Stuhl zu ihr her und setzte sich neben sie. „Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?“, hakte er nochmal nach und Liara rechnete es ihm hoch an, dass er sich solche Sorgen um sie machte.
    „Es ist alles okay, Kaidan. Wirklich. Ich... bin nur eben einer Spur nachgegangen, die sich bedauerlicherweise als Sackgasse herausgestellt hat“, log sie und er nickte verstehend.
    „Sag mal... was hältst du davon, wenn wir uns auf Illium niederlassen und dein Büro etwas erweitern? Ich habe gehört, die Asari haben alles Mögliche auf sich genommen um den Planeten wieder aufzubauen. Außerdem stapeln sich hier die Kisten schon und du kannst mir nicht erzählen, dass du mit den zwanzig Monitoren zufrieden bist“, meinte er und warf ihr einen fragenden Blick zu.
    Liara lachte leicht und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Tatsächlich musste sie ihm was das betraf Recht geben. Ihr Büro hatte zwar anfangs ausgereicht, als Shepard sie vom Mars abgeholt hatte, aber inzwischen wirkte es viel mehr wie eine Abstellkammer und das war ihr durchaus bewusst. Es war eben doch etwas zu wenig Platz für die vielen Datenpads und den ganzen anderen Rest, den sie zur Verwaltung der vielen Informationen benötigte. Liara ließ ihren Blick einmal prüfend durch den Raum schweifen, bis sie selbst feststellte, dass man gerade so noch zu ihrem Bett und wieder zur Tür laufen konnte. Er hatte Recht und es würde wohl nichts bringen, die Enge des Raumes als kuschelig zu betiteln. Das machte den chaosartigen Zustand auch nicht gerade besser.
    „Du willst die Normandy also auch verlassen?“, stellte sie die Gegenfrage und Kaidan ließ sich ziemlich Zeit mit seiner Antwort. Damit schien sie voll ins Schwarze getroffen zu haben. Er wurde etwas rot und legte eine Hand in den Nacken.
    „Weißt du ich dachte einfach... du hattest gesagt, dass du diesem ganzen Mist nachgehen wolltest und um ehrlich zu sein, glaub ich einfach, dass das von der Normandy aus nicht sehr gut geht. Es gibt andere Möglichkeiten. Du hast einen guten Ruf und auf Illium würde dir sicher nicht nur ein mikriges Büro, sondern viel mehr ein ganzes Gebäude zur Verfügung gestellt werden“, raunte er, während er seine Finger liebevoll über ihren Handrücken streichen ließ. Liara war sofort bewusst, dass er ihr damit diesen Vorschlag nur appetittlicher machen wollte und grinste nur.
    „Kaidan, Jane hat sich eben erst von Jack und James verabschieden müssen, außerhalb davon sind Tali und Legion auch noch nicht lange weg. Hältst du das jetzt wirklich für eine gute Idee? Ich meine... das würde sie bestimmt nicht gerade glücklich machen“, erwiderte sie und legte ihre Hand in seine. Das mochte sie an Kaidan. Seine großen Hände. Er gab ihr das Gefühl in Sicherheit zu sein.
    „Liara, so sehr ich deine Fürsorge auch schätze, aber hin und wieder solltest du auch an dich denken. An das, was dich glücklich macht“, entgegnete er nachdrücklich.
    Sie sah ihm einige Sekunden lang nachdenklich in die Augen bevor sie antwortete. „Ich weiß“, stimmte sie zu und presste die Lippen aufeinander. Shepard war in guten Händen – theoretisch – und auf Tuchanka würde Liara erst Recht nicht genug Platz haben, das alles zu verstauen. Und diesen Kriminellen, die Jane diese seltsame Mail geschickt hatten, könnte sie von dort aus auch nicht nachgehen. Er hatte Recht. Schon wieder. „Also gut“, gab sie nach.
    Er grinste triumphierend. „Soll ich mit Jane reden?“, fragte er und Liara schüttelte den Kopf.
    „Ich mach das schon“

    Shepard beobachtete wie vorsichtig Garrus seine Hände über ihren Bauch fahren ließ. Er wusste, wie er sie auf andere Gedanken bringen konnte und so sehr ihr Abschied von James auch schmerzte, dass er nun hier war, zeigte ihr, dass es das wert war. Alles was sie durchgemacht hatten. Sie waren zusammen und im Grunde genommen war das alles was sie wollte.
    „Fühlst du dich nun... ein wenig besser?“, fragte er und sah sie immer noch mit leichter Besorgnis an.
    „Ja...“, erwiderte sie leise und legte ihre Hand auf seine. Mordin hatte ihr gesagt, dass sie so schnell nichts spüren würden, das Kind war noch nicht besonders groß und konnte sich allem Anschein nach noch nicht bewegen oder auf ihre Berührungen reagieren. Trotzdem war es ein schönes, warmes Gefühl zu wissen, was da unter ihrem Herzen heranwuchs.
    „Jane, ich verspreche – nein ich schwöre dir, dass dich nie wieder jemand verletzen wird“, flüsterte er, und fuhr liebevoll mit seinen Fingern über ihre Wange. Sie warf ihm einen kurzen verwunderten Blick zu, der sich schnell in Erstaunen wandelte. Er glaubte, James hatte sie verletzt, etwas zu ihr gesagt, was sie getroffen hatte. Dabei war es nicht annähernd so gewesen. Ihr jetziges Unwohlsein hatte sie sich vollkommen selbst zuzuschreiben. Und das wusste sie.
    „Garrus, James hat nicht-“, begann sie aber er unterbrach sie.
    „Nimm ihn nicht in Schutz, Jane. Bitte“, erwiderte er schnell.
    Sie verstummte.
    Es war ungerecht, dass er James die Schuld gab, aber andererseits besser, als auf sie wütend zu sein. Jane seufzte.
    "Wie du willst...", gab sie nach und kuschelte sich in seine Arme. "Wenn wir auf Tuchanka sind... denkst du, es wird alles gut gehen...?", fragte sie leise. Sie hatte Garrus nichts von den fehlenden Daten für das Heilmittel erzählt, einfach gehofft er würde ihr nicht anmerken, wie sehr sie diese Tatsache stresste. Aber er wirkte misstrauisch nach dieser Frage und fuhr ihr schweigend mit den Fingern durch ihr Haar.
    "Wieso zweifelst du daran?", fragte er, presste seinen Mund an ihre Stirn. Jane schloss kurz ihre Augen und genoss diese Berührung. Das war wohl der beste Moment, ihm die Wahrheit zu sagen.
    "Wir haben die Daten für das Heilmittel nicht mehr. Mordin forscht schon die ganze Zeit an einem neuen...", erklärte sie, erwartete Empörung, Schock, aber Garrus zeigte nichs der gleichen. Er drückte sie vorsichtig etwas fester an sich. Ihre Schwangerschaft war offensichtlich und die Angst ihr oder ihrem Kind schaden zu können, war ein ständiger Begleiter.
    "Deswegen also...", erwiderte er. Jane suchte nach Anzeichen von Fassungslosigkeit in seiner Stimme, stellte aber schnell fest, dass er das wohl nicht für ein so großes Problem hielt wie sie. "Hat er schon Fortschritte gemacht?", fragte er.
    Jane merkte erst jetzt wie müde sie schon wieder war. Zu sehen, wie ihre Crew schon wieder so auseinander ging, traf sie heftiger als erwartet.
    "Ich glaube schon", murmelte sie und hoffte, damit einigermaßen richtig zu liegen.
    "Dann schaffen wir das", meinte er entschlossen.
    "Denkst du?"
    Garrus bemerkte die Zweifel in ihrer Stimme, die Unsicherheit in ihrem Blick.
    "Ja. Und dann haben wir endlich unsere Ruhe", bestätigte er und lächelte.
    Jane erwiderte diese Geste und gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange.
    "Das hoffe ich doch"
    Bevor sie weiter auf diese Berührung eingehen konnte, hörte sie das Öffnen ihrer Türe und verharrte in der Bewegung.
    "Shepard? Ich hoffe ich störe nicht. Ich wollte nur...", Liara betrat die Kabine und hielt erschrocken die Hände vor ihr Gesicht als sie begriff, wovon sie da eben Zeugin wurde. Jane stöhnte und zog die Decke etwas höher über ihren Körper. Hatten sie etwa schon wieder nicht abgesperrt? "Oh bei der Göttin, es tut mir Leid, ich wollte wirklich nicht...", stammelte sie und drehte sich in Richtung Türe. "Es war nicht abgeschlossn ich dachte...", fur sie fort und Jane konnte das Unbehagen in ihrer Stimme hören.
    "Ist schon gut, Liara. Wir sind ja selber schuld", erwiderte sie ein wenig genervt. Die Asari schien mit der Situation nicht ganz klar zu kommen und nicht zu wissen, ob es jetzt nicht vielleicht besser wäre zu gehen. Jane beobachtete sie einen Augenblick lang und glaubte, sogar einen roten Schimmer auf ihren Wangen auszumachen.
    "Ich wollte nur...", begann sie, verstummte aber wieder.
    Jane wickelte die Decke um sich und stand auf. "Du wolltest nur...?", hakte sie nach.
    "Auch auf die Gefahr hin, dass dir das nun nicht gefallen könnte; ich werde mit Kaidan nach Illium gehen", erklärte sie so schnell, dass Jane ein paar Sekunden brauchte um die Bedeutung ihrer Worte zu verstehen.
    "Was?", fragte sie schließlich nur und bereute nun, die Asari nicht ansehen zu können. Jane hatte vor wenigen Minuten noch daran gedacht gehabt, dass ihr wenigstens noch
    Kaidan und Liara erhalten blieben, aber allem Anschein nach hatte sie sich auch in dieser Hinsicht getäuscht.
    "Ich weiß, du bist gestresst, wegen Allem was passiert ist und ich möchte dich unterstützen, aber das kann ich nicht von hier aus, Jane. Ich brauche ein System, Ordnung und nicht dieses... Chaos", versuchte sie hektisch zu erklären und nachdem Jane nicht darauf antwortete, wandte sie sich nun doch ihrer Freundin zu, Garrus dabei absichtlich ignorierend. 'Unvorteilhaft, dass sie nur eine Decke hat', dachte sie grimmig und hielt Janes verwirrtem Blick stand. Garrus hatte sich dazu bisher noch nicht geäußert. Liara wusste nicht ob sie ihm dafür nun danken, oder sich viel mehr beleidigt fühlen sollte. Er kannte sie nun doch auch sehr gut - er wusste wie viel Platz sie brauchte.
    Jane schwieg länger als ihr lieb war und sah schließlich auf den Boden.
    "Shepard, ich werde dich sebstverständlich kontaktieren. Du solltest dich nicht überanstrengen. Tu mir bitte den Gefallen und überlasse Jacks Fall und diese Drohung an dich mir. Ich kümmere mich darum", versprach sie und nahm vorsichtig Janes Hände. Selbst in der dicken Decke eingewickelt, konnte Liara den Ansatz ihrer Schwangerschaft erkennen. "Du brauchst Ruhe."
    Abrupt zog der Commander ihre Hände zurück. "Ich brauche keine Ruhe, Liara. Das einzige was ich brauche ist verdammter Frieden. Und so lange dieser ganze Scheiß nicht geregelt ist, kann ich mich nicht ausruhen", fuhr sie die Asari an und bereute diesen Ausbruch im nächsten Moment schon wieder. Sie konnte nicht leugnen, sich hintergangen zu fühlen, aber andererseits wusste sie, dass sie ihren Crewmitgliedern nicht verbieten konnte, ihren eigenen Zielen nachzugehen. Außerdem erkannte sie auch die Wahrheit in Liaras Worten und presste beleidigt die Lippen aufeinander. Das war nicht fair. Jetzt hatte sie endlich ihr Team zurück und schon verließ es sie wieder.
    Liara schien diesen Angriff persönlich zu nehmen. In ihren Augen spiegelte sich das Bedauern und Jane bekam ein schlechtes Gewissen.
    "Sie hat Recht", meldete sich schließlich Garrus zu Wort. Liara vermied es zu ihm zu sehen. Er hatte noch immer nichts an und sie besaß genug Anstand diese Situation nicht auszunutzen.
    Janes Blick wanderte zu ihrem Partner.
    "Lass sie gehen, Jane. Sobald wir auf Tuchanka sind, kannst du die Genophage Mordin, Wrex und mir überlassen. Du brauchst Ruhe", stimmte er zu.
    Shepard starrte ihn lange an, bevor sie wieder antwortete.
    "Ihr wollt, dass ich was... Etwa nichts tue? Nur rumsitze und darauf warte, dass sich die Probleme von selbst lösen?", fragte sie fassungslos. Gerade Garrus sollte doch am besten wissen, wie schwer ihr Derartiges fiel.
    "Nein, Jane. Ich will, dass du dich entspannst und die Hilfe deiner Freunde annimmst.", erwiderte er ruhig.
    Liara war unsagbar dankbar, dass er aufstand und Jane in seine Arme nahm. Jetzt war er wenigstens teilweise bedeckt und sie musste nicht länger zwanghaft wegschauen. Außerdem bewunderte sie ihn dafür, wie ehrlich und direkt er das formuliert hatte. Sie hätte es wohl... Etwas milder ausgedrückt. Jane schwieg wieder und sah ziemlich beleidigt aus. Für einen kurzen Moment fragte Liara sich, ob das an ihrer hormonellen Veränderung lag, dass sie so schnell eingeschnappt war, schüttelte diesen Gedanken aber schnell wieder ab. Unsinn, Jane war schon immer temperamentvoll gewesen. Das hatte vermutlich nicht viel mit ihrem ungeborenen Kind zu tun.
    "Du musst jetzt an dein Kind denken. An euer Kind", meinte Liara nach einigen Minuten des Schweigens und legte Jane vorsichtig eine Hand auf die Schulter.
    "...ich weiß...", murmelte sie schließlich und schmiegte sich fester an den Turianer. Liara betrachtete die beiden eine Weile, wie ruhig und liebevoll Garrus über ihen Rücken strich. Er liebte sie. Er liebte sie so sehr - das hatte die Asari in den letzten Jahren deutlich erkannt. Sie wusste ja wie schwer es Jane fiel, tatenlos zu bleiben, aber was anderes blieb ihr nicht übrig.
    "Ich werde dich auf dem neuesten Stand halten", versicherte sie ihr.
    Jane löste sich etwas von Garrus und lächelte die Asari dankbar an.
    "Okay"

    Als sie Tuchanka erreichten, versprach Joker, Liara und Kaidan auf Illium abzusetzen und anschließend wieder verfügbar zu sein - sollte der Commander ihn irgendwann brauchen. Die Kroganer empfingen Wrex und Jane herzlich, unwissend, dass die Krankheit noch immer kursierte und nicht geheilt war. Erst als Mordin ebenfalls die Normandy verließ, zeichnete sich das Misstrauen und Unglaube auf den Gesichtern Wrex' Volkes ab. Der Clanführer erklärte nichts, fragte nur nach Bakara, die kurz darauf aus der Menge trat und ihrem Partner erst einmal ordentlich in die Magengrube schlug. Sie verfluchte ihn, fragte, warum er so lange nichts von sich hatte hören lassen und bemerkte erst dann den Commander der Normandy.
    Wrex entschuldigte sich, aber Bakara ignorierte ihn. Sie ging direkt zu Jane und nahm lächelnd ihre Hände.
    "Commander. Ich freue mich über Ihr Glück", sagte sie ehrlich und Jane brauchte einen kurzen Moment, bevor sie verstand, was sie meinte.
    "Ach das äh... Danke", erwiderte sie etwas verlegen.
    "Kommen Sie. Ich zeige Ihnen Ihre Unterkunft."
    Jane warf Garrus noch einen kurzen Blick zu, bevor sie dieser Aufforderung nach kam. Tuchanka sah überraschend gut aus. Eigentlich hatte der Commander einen weit aus zerstörteren Planeten erwartet, aber der Schaden, der durch die Reaper verursacht wurde hielt sich ganz offensichtlich in Grenzen. Oder Bakara war zu mehr im Stande als Shepard gedacht hatte.
    Wrex' Partnerin führte Jane durch einige große Ruinen bis sie bei kleinen, einfach konstruierten Gebäuden ankamen.
    „Bevor Sie fragen: Ich weiß über alles Bescheid“, erklärte Bakara, als wäre die ganze Sache mit der noch nicht geheilten Genophage halb so schlimm.
    Jane überlegte ob sie überhaupt wusste, was das alles für Konsequenzen hatte, sagte aber nichts dazu. Stattdessen nickte sie nur und folgte ihr in das Innere des quadratischen Gebäudes.
    „Bis auf Weiteres wird das Ihre Unterkunft sein.“
    Jane war erstaunt wie zivilisiert der kleine Raum aussah. Ein Bett, was allem Anschein nach absichtlich menschlich gebaut worden war, zwei Schränke und eine Tür, die in ein winziges Badezimmer führte. Jane wusste ja, dass die Kroganer momentan auch nicht sonderlich viel Ressourcen zur Verfügung hatten, aber dass sie ihre zukünftigen Tage, Wochen in einer derartig kleinen Wohnung verbringen müsste...
    „Es ist...“, begann sie, fand aber kein passendes Wort und ließ ihren Blick einfach noch etwas länger durch den Raum schweifen.
    „...kaum der Rede wert, ich weiß“, beendete Bakara ihren Satz. „Ich wünschte ich könnte Ihnen mehr bieten, Shepard. Aber das ist alles, was wir zur Zeit zur Verfügung haben“, fuhr sie fort und Jane hörte die versteckte Entschuldigung in ihrer Stimme.
    „Kein Grund zur Sorge. Das ist vollkommen in Ordnung“, meinte Jane und lächelte dankbar.
    Bakara nickte, informierte sie schnell, dass sie noch einiges zu erledigen hatte und Jane erst einmal alleine lassen würde. Sie verließ die Wohnung und nur wenige Sekunden später, kam Garrus herein.
    Er wirkte zuerst etwas verwundert über den sauberen Zustand der Wohnung aber im nächsten Augenblick konnte Jane auch etwas wie Zufriedenheit in seinen Augen erkennen. Ihm schien diesen Raum, den man kaum Wohnung nennen konnte, ziemlich zu gefallen.
    „...mögen Turianer kleine, enge Räume?“, fragte sie, stemmte die Hände in die Hüften und grinste leicht.
    Garrus schüttelte den Kopf. „Eigentlich nicht, aber ich finde es perfekt“, erwiderte er und nahm liebevoll ihre Hände in seine. „Wir brauchen doch gar nicht mehr, oder?“
    Jane betrachtete ihn einige Sekunden lang, dachte daran, wie ihre erste Reaktion ausgesehen hatte und schüttelte ebenfalls den Kopf. Nein, im Prinzip brauchten sie keinen derartigen Luxus wie den, der ihr in Andersons Appartment geboten war.
    „Hoffentlich nicht. Das könnte sich sonst als etwas... schwierig erweisen“, entgegnete sie, legte ihre Arme in seinen Nacken und lächelte glücklich.
    „Ist dir bewusst, dass das hier unsere erste, gemeinsame Wohnung ist?“, fragte er und lehnte seine Stirn an ihre.
    Tatsächlich lag er damit vollkommen richtig und Jane stellte erst jetzt fest, wie absurd das eigentlich war. Sie waren schon so lange zusammen – sogar verlobt und erwarteten ein Kind – und dennoch hatten sie nie an solche Dinge gedacht. Natürlich hatte Garrus häufig bei ihr in ihrem Quartier geschlafen, aber sie hatte das nie als richtige Wohnung betrachtet. Und jetzt...
    „Stimmt. Irgendwie... hatte ich mir das ganz anders vorgestellt“, erwiderte sie und lachte leicht.
    Genau genommen hatte sie sich ein großes Haus gewünscht, mit Garten und genug Zimmer für ihre adoptierten Kinder. Zumindest war das bis vor dem Krieg mit den Reapern noch ihr Traum gewesen. Aber inzwischen musste sie sich selbst eingestehen, dass das viel zu viel war und vollkommen unnötig.
    „Und dennoch ist es... genug“, raunte er nahe an ihrem Ohr und Jane spürte unwillkürlich wie ihr ein angenehmer Schauer über den Rücken lief. Er wusste, wie er ihr die Dinge schmackhaft machen konnte.
    „Ich liebe dich“, kicherte sie, während er mit seiner Hand vorsichtig über ihren Bauch fuhr.
    „Ich liebe dich auch, Jane“, erwiderte er und ließ sich von ihr küssen.
    Vielleicht war es kein teures Haus mit vielen Räumen, Platz für eine große Familie. Aber es war ein Anfang. Groß genug um zusammen zu sein, eine gemeinsame Zukunft aufbauen zu können. Es bot genau das, was sie gewollt hatte und auch er glaubte, dass es nichts mehr gab, dass nun zwischen ihnen und der Gründung ihrer Familie stand. Selbst wenn es keinen galaxieweiten Frieden gab – ihnen saß nicht länger eine uralte Spezies im Nacken, welche die gesamte Bevölkerung des Universums auslöschen wollte. Sie hatten Zeit und Raum, das zu entwickeln, was beide sich immer gewünscht hatten. In diesem Moment konnte auch keiner der beiden ahnen, welche Komplikationen noch auf sie warteten, wie schwierig es war, einen Frieden zu bewahren, der auf unzähligen Toden basierte. Aber hier und jetzt, war ihnen das egal. Es gab nur sie beide und das ungeborene Kind unter ihrem Herzen.


    ---


    Fortsetzung folgt im zweiten Teil
    Dafür werd ich dann aber ein neues Thema erstellen.

    Vielen Dank an alle die meine ff gelesen haben und vor Allem an xsm4sh3r und Drellinator92 für die Rückmeldungen!

    Ich hoffe euch hat es genauso viel Spaß gemacht die Geschichte zu lesen wie mir sie zu schreiben
    Man muss nicht selber in der Pfanne brutzeln, um über ein Schnitzel schreiben zu können.

  5. #75
    Newbie Avatar von xsm4sh3r
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    Standard

    Wahnsinns Story Sally freu mich schon wahnsinnig auf den 2. Teil

  6. #76

    Standard

    Vielen Dank xsm4sh3r!
    Ich freu mich sehr, dass dir die Geschichte gefallen hat!

    Hier ist auch schon der zweite Teil: http://www.globalgameport.com/showth...861#post943861

    Ich hoffe dir gefällt die Fortsetzung genauso
    Man muss nicht selber in der Pfanne brutzeln, um über ein Schnitzel schreiben zu können.

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