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Thema: Die Erde

  1. #1
    ME FRPG Only Avatar von Rebekka v. Tannberg
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    Standard Die Erde

    Erde, Deutschland, München

    Ein paar Tage nach dem Abschied von Rebekka bei Nevermore..

    Rebekka starrte auf den dunklen Sarg, wie er langsam, Stück für Stück in das Grab gelassen wurde. Es hatte etwas einmaliges bedrückendes, die Szene zu beobachten. Es waren viel mehr Leute erschienen, als sie gedacht hatte. Es war eine große Gemeinschaft, die dort stand und das selbe beobachtete, wie die ehemalige Spionin. Und es war eine einzigartige Chance als Erfahrung. Ruhiger und deutlich entspannter, als sie gedacht hatte, beobachtete Bekka wie der Sarg, der ihren Körper enthielt. Die eigentliche Rebekka. Also sie, alles was sie ausgezeichnet hatte, jede kleine Wunde. Jede Narbe, jede anatomische und biologische Erfahrung die sie gemacht hatte mit diesem Körper.
    Ihr war klar, das es nicht einfach nur ein leerer Körper war, der ohne ihr Bewusstsein dort begraben wurde, aber vielleicht immer noch mit einem Teil ihrer Seele. Sie würde vermutlich nie herausfinden, was dort alles begraben wurde. Es war eines dieser Mysterien dieser Galaxie, und sie würde es nicht lösen - das war nicht so ihr Ding. Aber sie wusste das es bedeutsam war. Nach allem was sie sagen konnte, war es eine schöne Beerdigung - ruhig, gesittet und sehr liebevoll gestaltet. Fast als hätte sie den Menschen etwas bedeutet. Ein Gedanken den Bekka nicht akzeptieren wollte. Nicht mehr akzeptieren konnte.
    Nie mehr.
    Und die Tatsache das auf der anderen Seite der Erde, eine andere Beerdigung statt fand - eine viel wichtigere Beerdigung, machte sie traurig. Es machte sie traurig das sie und Rietta diese nicht besuchen konnten. Cerberus und die Allianz würden streng über diese wachen, sowie sämtlichen Behörden die hier auf der Erde am Zug waren. Kathleen wurde heute im Kreis ihrer Familie beerdigt. Bekka konnte es nicht riskieren dort gesehen zu werden, um ihr Leben, aber vor allem um das Leben von dem kleinen Mädchen neben ihr zu schützen. Die Familie würde Anspruch erheben, den sie würden nicht verstehen das Kathleen und Bekka die Eltern waren. Keiner würde das, auch wenn ein wirklich guter Test diese Wahrheit bestätigen würde - Bekka hatte sogar noch Unterlagen, die es bestätigten. Neska hatte ihr diese Über das Netzwerk hinterlassen.
    Aber vor allem hielt dort jeder Ausschau, und hier nicht. Und hier, war das letzte was beide Frauen - jünger und älter, noch mit dieser abartigen Geschichte verband.

    Sie beobachtet mit einem letzten Blick den Sarg. Sie hätte sich selbst einen anderen ausgesucht - aber da griff wohl die alte Noblesse und Tradition der Familie. Abseits all dieser Dinge, war sie berührt und spürte das es eine Art Abschluss war. Etwas das ihr vielleicht den Frieden brachte den sie so dringend herbei gesehnt hatte. Eines Tages würde sie es wissen.
    Wer konnte schon so echt seine eigene Beerdigung beobachten. Ohne es zu realisieren rollte ihr eine Träne über die Wange. Das sanfte ziehen an ihrer Hand hingegen zog sie aus ihren tiefen Gedanken und der ruhigen, fast meditativen Leere zurück in die Realität. Sie spürte die weiche, warme, kleine Hand in der ihren. Sie blickte nach unten und sah in die selben faszinierenden Augen, die die ihren waren. Musterte das ebene Gesicht mit den paar Sommersprossen und den feurigen roten Haaren. Das Mädchen lächelte freundlich und überraschend einfühlsam. "Du weinst." sagte sie leise und zog aus ihrem schwarzen Mantel ein kleine Taschentuch und reichte es Rebekka. Die Deutsche nahm es vorsichtig und streichelte es zwischen ihren Fingern eine Weile. Sie kannte den Stoff, das Muster, die Seide. Langsam und bedächtig, den Moment nicht beschädigen wollend, hob sie es an die Wange und tupfte die Träne weg. Inhalierte den Duft tief.
    Kathleen.
    Zu ihrer Überraschung rollte keine weitere Träne über ihre Wange. Sie hatte keine Tränen mehr. Aber es war der Gedanken an sie.
    Sie dachte an die Tage in dem Haus ausserhalb von New York. An die weiße Bettwäsche aus teurer Baumwolle, der Sonne und dem Wind, der durch das offene Fenster in diesem Sommer gefallen war, sich in den roten Haaren des all american Girls verfangen hatten. Sie schloss die Augen und fühlte in diesem Moment einen warmen Sonnenstrahl der sich durch die Wolken gestohlen hatte au ihrem Gesicht. An die sanften Berührungen auf ihrem Bauch, über der Narbe und dem Wunsch beider doch ein Kind zu haben. Ohne es zu merken, rollte eine neue Träne über ihre Wange und sie hielt die Hand ihrer Tochter fester. Ihrer Tochter mit Kathleen. Was blieb war der einzelne Gedanke an Kathleen. Es war ein schöner, klarer Gedanke. Keine Erinnerung mehr, den die meisten Erinnerungen würden verblassen und sie würde irgendwann ruhig und emotionslos in ihrem Bett liegen - Neska war gegangen, und es gab nichts was jemand oder die Welt dran ändern konnte. Die Welt drehte sich weiter, sowie das Universum. Aber der Gedanken blieb. Einfach und wärmend. Auch wenn Rebekka still stand für einen langen Moment, in ihrem Kopf, ihrem Verstand, ihrem Bewusstsein, dem Rest ihrer Seele. Dem was davon übrig war. Die unbeschwerten Tage waren vorbei, aber ihr war auch klar geworden, das Kathleen einen Schlusspunkt gesetzt hatte - es war nicht nur ein Opfer gewesen um zu schützen was sie liebte. Sondern auch ein Schlusspunkt um das was sie liebte, aus dem herauszunehmen was hatte getan werden müssen, getan wurde und getan werden würde.
    "Wie schlimm ist es?" flüsterte die Mädchenstimme neben ihr. In Deutsch, mit einem hörbaren amerikanischen Akzent. Bekka musste gegen ihren Wille leise auflachen und merkte wie ihr ganzer Körper reagierte. Sie sah zu Rietta und ging in die Hocke.
    Sah dem Mädchen lange in die Augen und dann zu der Beerdigung. Zu ihren Schwestern. Ihrer Mutter. Ihrem Vater. Ein paar alten Schulfreunden, ein paar Weggefährten, Studienkameraden, ein paar Soldaten von damals und Offiziere. Ein Lehrer war gekommen. Nachbarn. Cousin und Cousinen. Onkeln und Tanten. Sie hörte die Worte des Rabbis vom Wind getragen bis zu ihr.
    Dann blickte sie zurück zu ihrer Tochter. "Gar nicht."

    Erst schien es die kleine Schönheit zu beruhigen, sie blickte hinüber und legte den Kopf schief. Es schien sie zu irritieren das eine Sprache gesprochen wurde die sie nicht verstand. Und die Zeremonie schien ihr zu wieder - als wäre sie ein schlechtes Omen oder eine Bedrohung. "Aber du weinst." stellte sie ruhig fest und blickte zurück.
    Bekka nickte und hob den Blick in die Baumkrone über ihnen und die weißen Sonnenstrahlen die hindurch fielen. "Ich musste an Kathleen denken. Sie fehlt mir sehr." sagte sie mit dem zweiten Satz so leise das es kaum mehr ein flüstern war.
    "Mir fehlt Mama auch." sagte Henrietta und löste ihre Hand aus der von Rebekka und trat näher. Legte ihre Arme um ihre Mutter und drückte ihr Gesicht an die Brust von Bekka. Sie sah es nicht, und hörte es nicht, aber sie konnte am Erzittern des kleinen Körpers fühlen - an den Bewegungen der Schultern fühlen - das sie weinte. Und ohne es zu wollen, oder darüber nachzudenken, spürte sie wie es in ihrer Brust warm wurde, wie der Zorn in ihrem Bauch erlosch, wie das Feuer von warmen, klaren Wasser gelöscht wurde. Beruhigend nahm sie Henrietta fest in ihre Arme und streichelte den roten Haarschopf. "Es tut mir leid." sagte sie und legte ihre Wange auf den Scheitel ihrer Tochter.
    "Muss es nicht, Mama hat mir alles erklärt. Sie war immer in voller Kontrolle."
    "Hatte." korrigierte Bekka und rollte die Augen über sich selber, und lächelte dann. Verdammt.
    "Hatte immer die volle Kontrolle." berichtige sich Henrietta und zog den Kopf zurück. Sie sah ihre Mutter lange an und leckte sie eine Träne von der Lippe. Eine Geste die die Deutsche verblüffte. Sie hätte ihr kaum ähnlicher sein können. Und mit einem ernsten Gesichtsausdruck, den selbst wenige Erwachsene beherrschten sprach sie ein paar Worte die Bekka bis in ihr Herz trafen.
    "Versprich mir das du mich nie verlässt Mum."

    Bekka konnte nichts dafür, ihr schossen mehr Tränen aus den Augen, als sie es vielleicht je zuvor getan hatten. Entschlossen und wild schüttelte sie den Kopf und nickte dann. "Ich verspreche es."
    Rietta hielt dem Blick lange stand und musterte das Gesicht der Erwachsenen. Erst nach einer Weile war sie überzeugt und nickte. "Gut. Und jetzt sollten wir wohl gehen." sagte sie und blickte zurück zu dem Grab. "Ja."
    "Wir haben noch etwas zu erledigen, und dann. Dann gehen wir, oder?"

    Ruhig richtete sich Bekka auf und strich sich den Mantel glatt. Sie sah zu ihrer Familie und den anderen dort. "Ja." Sie nahm wieder Henriettas Hand, welche diese ihr bereits entgegen gestreckt hatte. "Und dann lassen wir alles hinter uns."
    "Find ich gut."

    ***

    Es war bereits dunkel als Kassandra die Türe hinter der verbliebene Gesellschaft ihres Hauses schloss. Es waren nur noch ihrer Töchter und deren Männer anwesend. Es war ein langer, sehr anstrengender Tag gewesen und ihre Augen, waren gerötet und brannten. Ihre Kehle fühlte sie trocken an, aber noch hielten sie die letzten Pflichten des Tages aufrecht. Sie knöpfte die oberen Knöpfe ihres Mantels auf und versuchte tief einzuatmen, die Sicherheit ihres Hauses vor der Aussenwelt, die ihr so viel Schmerz in den letzten Tagen eingeschenkt hatte in sich aufzunehmen.
    "Heinrich, hol bitte den Sherry aus der Küche."
    Ein Glas Sherry war schon immer die Antwort ihrer Familie zu einer Beerdigung gewesen. Eine Tradition und diese würden sie auch heute einhalten. Ihre älteste Tochter legte ihr die Hand auf die Schulter und zog sie fest an sich. "Es war schön das so viele Leute gekommen sind." flüstere Liora und lächelte ihrer Mutter dann an.
    "Ja. Das war sehr lieb von allen. Ich denke Bekka hätte es gefallen."

    Sarah von Tannberg, die den ganzen Tag geschwiegen hatte starrte die beiden älteren Frauen an und hob eine Augenbraue. Es kam ihr vor als hätte keine der beiden Rebekka gekannt. Die hätte es gehasst. Der blöde schwarze Sarg. Der Rabbi der ständig gelabert hatte. Keine Musik, lauter alte Leute und Menschen von früher an die Bekka sie nicht hätte erinnern wollen. Aber sie sagte nichts, sie war angeschlagen, wütend, und am meisten von allen zu tiefste schockiert. Sie hatte Bekka ja noch getroffen, sie hatte sie als letztes gesehen. Und das der Mann, den sie im Dinner getroffen hatten - der so gut zu Bekka gepasst hätte - ausgerechnet er hatte sie erschossen. Sarah war noch lange nicht über diesen Schock hinweg. Aber sie behielt den Schmerz und diese letzten Stunden für sich. Sie hatte nicht das Gefühl das ihre Eltern gut darauf reagieren würden.
    Es schien ihr als müsste sie Bekka schützen. Immer noch. Als einzige. Und ihr Bauch sagte ihr, das es besser so war, den ein ungutes Gefühl sagte ihr - das mehr dahinter steckte. Sie hatte nicht den Instinkt ihrer kleinen Schwester, aber sie konnte fühlen, das etwas böses dahinter lauerte. Und das machte Sarah mehr Angst, als das sie zornig oder traurig war.
    Dann bog auch schon ihr Vater um die Ecke. Er hielt den Sherry in einer Hand und sah alle an. Seine Töchter, deren Männer und Sarahs Verlobten. Er überragte alle und seine Autorität füllte den kleinen Raum der alle Räume im Erdgeschoss der Villa verband und quasi als Empfang des Hauses diente.

    "Wir nehmen den Sherry im Salon zu uns."
    Noch bevor ihr klar wurde das ihr ein Eiskalter Schauer über den Rücken lief, wusste Sarah das jedem anderen einer über den Rücken lief. Es war das Klavier im Salon.
    Als erster reagierte ihr Vater, er riss die Türe auf zum Salon und schlug mit der freien Hand auf den Lichtschalter. Selbst ohne das Licht konnte jeder erkennen das jemand am Klavier saß. Non, je ne regrette rien. Selbst im besten Gruselfilm oder Thriller hätte sich die Familie nicht mehr erschrecken können. Rachel hatte sich direkt an ihren Mann Damion geklammert und sie war ebenso bleich wie es ihre Mutter und ihre ältere Schwester war.

    An dem alten Klavier das in der hinteren Ecke stand und von den Lampen nur dezent beleuchtet wurde, saß jemand mit dem Rücken zu der Familie. Und spielte mit dem Klavier das Lied mit einer einzigartigen und bedrohlichen Eleganz, das Sarah das Blut in den Adern gefror.
    "Wer zum Teufel sind Sie." knurrte Heinrich von Tannberg, und Sarah merkte wie Lioras Mann, Michael - ein Offizier der Allianz - nach seiner Dienstwaffe griff.

    "Non, Rien de rien. Non, Je ne regrette rien. Ni le bien qu'on m'a fait. Ni le mal tout ca m'est bien egal." Bekka spielte ruhig und behutsam, die Tastend streichelnd weiter und drehte den Kopf nur leicht in die Richtung der Türe. Sie hatte sich das nicht ausgedacht - sich nicht vorgestellt wie sie den Auftritt besonders aufregend oder schockierend hätte gestallten können. Ganz im Gegenteil sie hatte sich lange überlegt wie sie es hätte einfach hinter sich bringen können. Doch dann hatte Henrietta einen guten Punkt hoch gebracht. Es ging hier nicht um Rache. Es ging um Erlösung um Gerechtigkeit. Und so flogen ihre Finger nun über die Tasten und spielte ein Lied das nicht hätte besser passen können. Nein, überhaupt nichts, Nein, ich bereue nichts. Nicht das Gute, das man mir getan hat. Nicht das schlechte, das alles ist mir relativ egal. Ein Klassiker - wenn auch vergessen, selbst heute noch. Und es gab ihr einen besonderen Mut den sie wohl sonst kaum aufgebracht hätte. Es ging heute nicht mehr darum, einfach Rache zu nehmen, oder ein Gefühl von Genugtuung. Es ging um Klarheit. Um die erste Ehrlichkeit in dieser Familie. "Guten Abend, liebe Familie." sagte sie leise, aber deutlich hörbar.

    Stille. Bis auf die beunruhigende Musik die Rebekka auf dem Klavier spielte, auf dem sie es gelernt hatte. Es war als hätte jemand die Luft, die Emotion und sämtliches Leben aus dem Raum gesaugt.
    "Mach dir keine Mühe, Vater. Deine Leibwächter werden nicht kommen. Und auch die anderen Paniksysteme sind leider nicht mehr funktionstüchtig." Sie konnte fühlten das Michael seine Waffe auf ihren Rücken gerichtet hatte. "Und Michael, du kannst die Waffe runter nehmen. Auch die wird in diesem Raum nicht mehr funktionieren - in diesem Raum funktioniert gar nichts, das elektronisch ist, oder elektronische Teile hat. Es ist also sinnlos mir in den Rücken schießen zu wollen."

    "Bekka." keuchte Sarah und fühlte wie ihr die Beine schwach wurden. Ihre Mutter hingegen erkannte ihre Tochter nicht nicht auf den ersten Blick oder wollte es nicht - eines der endlichen Geheimnisse dieser Nacht. "Wer sind Sie!" keifte die alte Dame und machte sich mit energischem Schritt auf den Weg zu dem Klavier. Rebekka nahm ihre Hände mitten im Lied von den Tasten und legte sie in ihren Schoß. Sie machte ein leises Geräusch der Resignation.
    "Das kann nicht sein!" brüllte ihre Mutter. "Das kann nicht sein. Ich habe dich Begraben!" Ihre Hand fuhr zitternd in eine Richtung in die der Friedhof gar nicht lag, aber es war klar was sie meinte. "Wir haben dich gerade Begraben!" Schließlich erreichte ihre Mutter sie und packte sie an den Schultern. Zerrte sie von dem Klavierhocker hoch und schüttelte sie. Ihre Augen waren rot und Tränen liefen ihr in Strömen über das Gesicht. "Du bist Tot." schluchzte sie, wimmerte und schüttelte ihre Tochter weiter. Dann zog sie Bekka an sich und umarmte sie. Es war eine Kraft die Bekka ihrer Mutter nicht zugetraut hatte. Der alten, kleinen Frau. Aber Bekka erwiderte die Umarmung nicht, es lag ihr nicht daran den Schmerz ihrer Mutter zu lindern. Wozu auch - sie hatte ihr Leben lang keinen Schutz geboten.
    Statt dessen starrte Bekka stur ihren Vater über die Schulter ihrer Mutter an.

    Der Admiral hingegen erwiderte den Blick. Und richtete sich wieder auf, aus seiner Angriffshaltung und ließ die Schultern hängen, während er die Flasche Sherry auf einen kleinen Beistelltisch abstellte. Und das erstmal trafen sich ihre Blicke. Die Blicke aus giftgrün und azurblau. "Kassandra, bitte komm zu mir." sagte ihr Vater schließlich leise.
    Die Dame hob den Kopf und schluchzte. Jeder Satz, jede Minute war zuviel für sie. Es war mehr als sie ertragen konnte. Sie kannte den Tonfall. Den Tonfall von drohender Gefahr. Und auch jeder andere im Raum kannte ihn. Bekka lächelte und nahm ihre Mutter eine halbe Armlänge zurück.
    "Keine Sorge. Ich werde meiner Mutter nichts tun." sagte sie ruhig und lächelte ihr Mutter emotionslos an. "Sofern ich das zumindest im Sinne von körperlichem Schaden behaupten kann." dann blickte sie ernst zu ihrem Vater. "Seelisch. Kann ich keine Garantie übernehmen, da du dort sämtliche Fäden hältst wie schon immer."

    "Was willst du hier?" knurrte Michael und schien nicht sonderlich überrascht seine Schwägerin lebendig zu sehen. Ein weitere Beweis. Für die Tatsache das nichts im Hause Tannberg geschah ohne das der Baron es gesteuert hätte. "Ich bin nicht hier um euch alle umzubringen, Schwager - auch wenn ich das könnte." sie sah Michael lange genug an, um ihn etwas kleiner werden zu lassen. Es war ein Kräfte messen, das der Mann ohne eine Anstrengung von Bekka verlor.
    "Was redest du da Bibi…." Liora war wie alle anderen Frauen der Familie überrumpelt und verwirrt. Ihr standen Tränen in die Augen und ein Gesichtsausdruck, der etwas zeigte, das zwischen dem Bedürfnis ihre kleine Schwester zu umarmen, und der Angst vor der Tatsache das ihre kleine Schwester nicht mehr ihre kleine Schwester war lag.
    "Möglicherweise die erste, echte Wahrheit, seid wir alle Kinder waren."
    Sarah erschauderte und tat einen Schritt zu Bekka. Sie streckte ihre Hand aus und schluckte schwer. Vor wenigen Tagen hatte sie noch gelacht und gekichert. In Erinnerungen geschwelgt. Es schien so lange her als würden Jahren dazwischen liegen und eine ganze Lebensentwicklung einer übersinnlichen Hand, die ihr aller Leben steuerte. Noch ein Schritt, dann berührte sie vorsichtig, ungläubig, als könnte Bekka sich wie ein Phantom auflösen, deren Arm. "Was…?"
    "Was ich will?" fragte Bekka und legte ihre linke Hand auf die von Sarah und gab sich alle Mühe, die einzige an der ihr wirklich etwas lag, zu beruhigen. Aber die Worte die gesprochen werden mussten, konnte das kaum.
    "Ich bin hier um Vater zu töten." sagte sie ruhig, und behielt den Admiral im Blick. "Denn anders wird seine Manipulation und sein Verrat sonst keinen Halt erfahren." nun wandte sie sich das erste mal an den Mann, der alles immer im Griff gehabt hatte. "Du würdest vor kein Gericht kommen, man könnte nichts beweisen, man würde nicht auf dich verzichten wollen, und man könnte auch nicht erkennen wo die Verfehlung liegt. Immer mit allen Wasser gewaschen. Und jede von uns hat ihre Rolle darin gespielt, nicht wahr? Liora war die Anwältin die dir den Weg frei gekämpft hat, für die Unternehmen und deren Forschung. Rachel war die Forscherin, die zahlreiche Technologien entwickelt hat die notwendig waren, Sarah war die Ärztin die bewies das diese neuen Methoden, Medikamente und Technologien gut waren."

    Bekka trat von ihrer Schwester und ihrer Mutter weg. "Und ich, ich war das Werkzeug auf das alles hinaus lief. Meine kleinen natürlichen Gegangen, waren gar nicht so natürlich, nicht wahr? Keine Sorge ich weiß es längst. Ich habe mein Genom lange genug testen lassen. Ich bin nicht natürlich, ich war schon immer kreiert um einen bestimmten Zweck zu erfüllen. Du hast mich bei den Test nach Krankheiten verändern lassen, nicht wahr? Ich bin genau so wie du mich gebraucht hast. Damals - und als das dann nicht reichte, ging Cerberus für dich noch mal drüber. Ich bin eines der Ergebnisse, eurer Versuche nach dem Perfekten Soldaten oder Spion. Das Ziel der menschlichen Verbesserung. Und das machte es auch unmöglich das ich damals hätte ein Kind bekommen dürfen - nicht wahr?"
    Sie trat einen Schrift auf ihren Vater zu. Der sich immer noch nicht bewegt hatte.
    "Es war dein Büro, das die Routen der Batarianer überwachte und die Routen für unsere Schiffe bestimmte. Kein Zufall, habe ich recht? Nein. War es nicht. Ich mache mir immer noch selber Vorwürfe das ich es nicht gemerkt habe - das ich es nicht verstanden habe bis vor ein paar Tagen. Als Kathleen auf deinen Befehl umgebracht wurde, weil sie dir zu nahe kam. Aber was du nicht verstanden hast ist, das sie ihr Dame - sich - hatte schlagen lassen um dich aus dem Schatten zu zerren. Ich war längst Neskas Spielfigur, und sie hat beschlossen es mir zu überlassen wie ich weiter mache."
    Bekka sah zu ihrer Mutter und deutete auf ihren Vater. "Du weißt von Kathleen und seinem Verhältnis." die Dame musste nicht nicken. Es war klar. Natürlich hatte er es erzählt um sich abzusichern. "Die Wahrheit ist, Kathleen hat mit ihm geschlafen, um ihn davon zu überzeugen, das Henrietta seine Tochter wäre und ihn auf den Spielplan zu locken.
    In Wirklichkeit ist Henrietta die Tochter von Neska und mir. Ein aus der Retorte wie ich, nur das es ein Wunschkind unserer Liebe war. Echter Liebe, wie ich sie mit Kathleen erstmal gemerkt habe. Nicht manipuliert durch Alexander auf deinen Befehl, oder in diesem Haus, wo wir immer nur Konkreten waren."

    Bekka trat vor ihren Vater der sie deutlich überragte. "Und du hast beschlossen, für deine Überzeugungen, Cerberus zu unterstützen. Einen Weg zu gehen, in dem du das Universum auf's Spiel setzt für eigenen Größenwahn der Menschlichen Überlegenheit. Von Rassenwahn und Unterwesentum." Bekka drückte ihm einen Finger in die Brust. "Du bist nicht mehr als ein moderner Nazi." hauchte sie und zog mit der rechten Hand das Messer so schnell das keiner reagieren konnte.
    Sie versenkte das Messer bis zum Anschlag im unteren Brustbereich ihres Vaters und fühlte wie sein Blut auf ihren Mantel spritzte, als sein Herz weiter pumpte, bevor es merkte das es getroffen war.

    "BEKKA!" der Schrei war unisono und laut. Das gesamte Haus schien zu beben. Bekka hingegen machte einen Schritt vorwärts und hob ihren Vater an dem Messer das in seiner Brust steckte hoch, hob ihn von den Beinen. Sein Blick war überrascht und entgeistert. Er hatte wohl mit viel gerechnet aber nicht damit. Mit aller Kraft schleuderte sie den Mann gegen die Wand und tauchte unter dem weiten Schlag von Michael ab. Sie fühlte wie ihr Körper reagierte und sie ihm den Knauf des Messers in den Bauch hämmerte das er sich sofort übergab und vorwärts überklappte.
    "Zurück." knurrte sie und hob das Messer. "Ich bin doch tot. Nicht wahr. Schließt euch nicht mir oder ihm an." die Warnung war so deutlich und klar, das ihre Mutter rückwärts bewusstlos umkippte.

    "Mama." klang eine leise Stimme aus dem Flur. "Wir haben keine Zeit mehr." Bekka sah in den dunklen Flur und konnte Henrietta zwar nicht sehen, aber sie wusste das sie dort war. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und ging davon. Ließ das Haus in tieferer Trauer und in schmerzhafterem Schock zurück als zuvor. Sie hatten es verdient. Alle. Und Kathleen hatte recht gehabt. Es war notwendig gewesen. Niemand hätte diesen Mann verklagt oder verurteilt. Cerberus war eine Krankheit von Ignoranz die mit Stumpf und Stiel und nur mit dem Tod ausgerottet werden konnte.
    Bekka konnte nur hoffen das Konrad, Snooker und die Gräfin das richtige tun würden. Bekka hatte es nicht mehr in der Hand und das wollte sie auch gar nicht mehr. Sie verließ das Gebäude und stieg in den Wagen mit dem sie angekommen waren. Es war Zeit für einen Abschied. Einen langen, düsteren Abschied hatte sie genommen. Jetzt fehlte noch ein kürzerer, der besser war für einen Neuanfang.

    Irgendwann würde die Zeit kommen. Eines Tages, für eine Rückkehr - aber jetzt, waren nur sie und Rietta wichtig und ein Leben, das sie verband und zueinander führte. Sie wollte endlich Mutter sein. Endlich.

  2. #2
    ME FRPG Only Avatar von Rebekka v. Tannberg
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    Jahre nach der Invasion der Reaper...

    Mit einem langen Seufzer ließ sie sich auf der Bank vor dem Haus nieder und legte dabei den Kopf in den Nacken. Sie fühlte das kantige von der Sonne gewärmte Holz sofort durch Ihre Kleidung und rutscht mit dem Po etwas hin und her bis es sich perfekt anfühlte.
    Ihr Oberkörper lag im Schatten des Balkons über ihr, während ihre Füße vom Sonnenlicht eingehüllt wurden. Ohne dass es ihr wirklich bewusst wurde falteten sich ihre Hände vor dem Bauch und sie machte einige tiefe Atemzüge. Ließ sich von dem Moment einfangen und begann ihrer alten Angewohnheit nachzugehen und jeden Muskel für einen Moment anzuspannen um ihn dann wieder zu lockern.

    In ihrer Nase hing noch der Geruch von dem frisch gemähten Grass der Bergwiese die sich unter ihrem Haus erstreckte und abwechselnd den Tieren als Weide diente. Für einen Moment bildete sie sich ein das Jucken der Halme an ihren Knöcheln zu fühlen.
    Wusste aber dass sie sich das sicher nur einbildete und ließ mit dem letzten Muskel den sie gespannt und gelockert hatte, auch ihre Schultern zur Ruhe kommen.

    Noch in Hörweite muhte eine der Kühe und zwei der Katzen hatten sich in den Haaren. Ansonsten hörte sie nur den Wind und weit entfernt die Ahnung eines Autos.
    Frieden.
    Es war der Frieden den Rebekka sich immer gewünscht hatte. Die Ruhe und die Weite der Berge Südtirols in die sie und Kathleen immer hatten fliehen wollen. Es war keine Reue aber viel Sentimentalität die sich in ihre Gedanken mischte.

    Kathleen fehlte ihr, es war nicht vollkommen – aber es war besser als sie es sich hätte vorstellen können nach der Invasion durch die Reaper.
    Eine Invasion die jede Bemühung, jede Vorbereitung die Nevermore getroffen hatte bis auf das letzte Quäntchen getestet und fast ausgeblutet hatte.
    Und doch, sie war hier.

    Zwischen ihre Gedanken mischte sich in ihrem Bewusstsein das Geräusch eines alten Verbrennungsmotors. Ein kanterndes, lärmendes Ding dass doch durch seine Monotonalität eine seltsame Wärme verbreiten konnte. Bekka blieb ruhig, trotz des sich nähernden Gefährtes. Zu gut kannte sie den Lärm den die Vespa von Henrietta verbreitete wenn sich der arme alte Motor mit den wenigen verbliebenen PS die kurvenreiche und steile Straße hinaufquälte.
    Für einen Moment erinnerte sie sich wie sie mit Rietta das Ding in der Scheune gefunden hatte, als sie das Grundstück und alle Gebäude durchstöberten, nach Geheimnissen und den vergessenen Hinterlassenschaften der Vorbesitzer.

    Es war mehr rostig als noch gelb. Ein Reifen fehlte und die Hälfte vom Sitz war den Ratten und Vögeln oder was auch immer zum Opfer gefallen.
    Rietta war sofort verliebt gewesen, sie hatte noch in derselben Nacht - anstatt zu schlafen - angefangen Bücher zu lesen und Materiallisten zu stöbern. Für die nächsten Jahre war es ihr gemeinsames Projekt gewesen den alten Roller wieder zum Laufen zu bekommen. Bei jeder Gelegenheit wolle Rietta nur Teile oder ein neues Werkzeug.
    Sie war die Tochter ihrer Mütter. Neugierig und unaufhaltsam.
    Es waren wunderbare Jahre der Heilung gewesen, für sie beide. Voller Geschrei und zerbrochenem Geschirr, geschlagenen Türen und vielen Tränen. Voller Lachen und gemeinsamen Nächten unter einer Decke vor dem Feuer oder hier auf der Bank.
    Mit nichts als einem Kakao oder einem Tee.

    Inzwischen war der Lärm so laut dass Bekka wusste das Rietta gerade auf den Hof vor dem Haus gefahren war. Wieder mit etwas zu viel Schwung, um mit dem Hinterreifen ein wenig zu driften. Sie war ihre Tochter.
    Angeberin.

    Das Knattern verklang mit einem letzten Grummeln. Bekka seufzte beruhigt das Rietta wieder heil zu Hause war und das der Lärm vorbei war. Wovon sie mehr Begeistert war konnte sie einen Moment lang tatsächlich nicht sagen.
    Sie hörte die Stimme ihrer Tochter im Haus nach ihr Rufen. „Mom?“ leise, weit entfernt. In den Flur gebrüllt. Bekka hasste das. ‚Komm doch bitte einfach richtig ins Haus dann musst du nicht schreien.‘ Das würde sich vermutlich ebenso wenig ändern wie andere Dinge.
    In einigen geheimen Moment aber fand sie das gut so. Das musste so sein.
    Rebekka wusste zu gut wie sich ein Mutter anfühlte die sich nicht für die Tochter interessierte oder ihr Benehmen und ihre Gedanken. Sie wollte nie so sein. Mit etwas Glück empfand Rietta ja auch das es ihr geglückt war.
    „Mom?“ diesmal näher und von links neben dem Haus.
    „Hier.“ Rief sie zurück. Lauter als sie es vorgehabt hatte, aber immer noch mit überraschender Entspannung in der Stimme. Sie hörte die Schritte wie sie näher kamen, sowie die schnellen Pfotenaufschläge der Hündin die für ihre Ausmaße mit einer überraschender Geschwindigkeit überall entlang wetzen konnte.

    „Hey, hey. Ist ja gut Conny. Ich freu mich auch das du da bist.“ Ein lauter Beller erschütterte fast das Haus, ein freudiger. Dann Schlabbern und lautes Hecheln.
    „Ja wer ist ein gutes Mädchen. Du bist ein gutes Mädchen.“ Sie konnte hören wie das dichte und ruppige Fell des Hundes gekrault und durchwühlt wurde. „Wo ist Mama?“
    „Wuff.“
    „Aha. Na dann zeig mal.“
    Danach dauerte es nur noch Sekunden bis der Hund um die Ecke gerutscht kam vor Aufregung, vermutlich mit wild wedelndem Schwanz, gefolgt von der jungen wunderschönen Frau die Henrietta geworden war.
    Bekka ließ ihre Augen geschlossen. Sie hörte und fühlte wie sich Rietta zu ihrer Mutter hinunter beugte um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben.
    „Hallo Mama.“

    Riettas erstaunlich lange Finger strichen dabei durch Rebekkas Haar und über die eine graue Strähne die sich angefangen hatte dort letztes Jahr einzunisten.
    Mit Anfang 40! Was für eine Frechheit.

    „Alles okay?“ in Riettas Stimme hatte sich etwas Besorgnis geschlichen, sie kannte solche Moment, wo ihre Mutter den Erinnerungen anheimfiel und dann Sentimentalität oder Depressive Phasen nicht weit sein konnten. Bekka hob ihre Hand und streichelte den Unterarm ihrer Tochter.
    „Keine Sorge. Alles gut – es ist nur gerade so schön.“
    Sie hörte das leise Lachen das Rietta von sich gab. „Na dann. Ich hab was für dich. Wart einen Moment.“

    Und gerade als Rebekka die Augen öffnen wollte hörte sie die Türe neben sich als ihre Tochter in das kühle Innere des Hauses schritt.
    So blieb ihr nur den Hund anzuschauen. Eine massige Sennhündin, deren genaue Rasse und Vorfahren für ewig ein Rätsel bleiben würden. Aber sie hatten sie als kleinen Welpen geholt und waren überrascht wie sehr sie ohne großes Training anfing den Hof in Ordnung zu halten. Wer kam musste sich bei ihr anmelden und wurde angemeldet.

    Tiere die ausbüxten wurden zurück getrieben. Egal wie weit sie schon den Berg hoch waren. Nichts war die steile Wiese hinter dem Haus zur nächsten Alm hoch schneller als Conny.
    Wirklich nichts. Bekka hatte es mal mit einem Quad versucht. Keine Chance.
    Conny kam näher und legte den massigen Kopf auf den Schoss von Bekka und ließ sich kraulen. Ihr Fell war nicht mehr so vollkommen braun und weiß wie früher. Auch bei ihr zeigte die Zeit ihre Zähne.
    „Wir werden alt, was mein Mädchen?“
    Das Geräusch das Conny von sich gab hatte Bekka noch nie gehört. Es war eine zustimmenden, aber gleichzeitig genervt ablehnende Form eines Schnaufens.

    Im Haus hörte Bekka klirren von Glas und das Geräusch eines Korkens der aus einer Flasche gezogen wurde. Kurz darauf tauchte Henrietta im Türrahmen auf.
    Sie trug ein wadenlanges weißes Kleid mit orangen und roten Blumen. Um den Hals dazu ein passendes Seidentuch in ähnlichen Farben, das auch etwas ihre Schultern bedeckte die sonst nur durch die dünnen Spagettiträger vor der Sonne geschützt gewesen wären.
    Also gar nicht. Und vermutlich hatte sie das Tuch erst auf dem Hof so drapiert um dem unweigerlichen Kommentar von Mama zu entkommen.
    „Hier.“ Sie stellt ein Rotweinglas vor ihre Mutter. Dabei fielen ihr die langen roten, lockigen Haare in das Gesicht.

    „Eigentlich wollte ich einen Grauburgunder, aber die hatten keinen den du magst, also hab ich dir einen Vernatsch mitgebracht. Während sie das sagte stellte sie ein Flasche daneben.
    „Danke Mäuschen.“ Bekka legte ihr eine Hand wieder auf den Unterarm und zog sie näher damit sie ihr die Wange küssen konnte. Rietta lehnte sich danach einen Moment an ihre Mutter und fischte dann mit einem geübten griff aus dem Korb neben ihr, eine von den frischen Karotten.
    Mit einem kurzen wischen befreite sie diese von den letzten Resten Erde und biss hinein. Bekka beobachtete sie dabei fasziniert.
    Es war erstaunlich.

    Henrietta hatte von Ihr und Kathleen jeweils das Beste geerbt was sie beide gehabt hatten. Sie war hochgewachsen und von einer schlanken, aber sportlichen Eleganz. Die langen roten Haare von Kathleen und die Augen von Rebekka.
    Kathleens Hände und Rebekkas Arme sowie Oberkörper. Dafür wieder Kathleens Hüfte und Beine. Manchmal sah sie eine Bewegung wie ihre zweite Mutter sie nur gemacht hatte und im Moment darauf leckte sie sich über die Lippe was sie nur von Rebekka haben konnte.

    Sie war außergewöhnlich Klug, mit der schnellsten Auffassungsgabe die die Lehrer hier je gesehen hatten. Zielstrebig und mit einem eisernen Willen.
    „Im Tal gibt es Gerede über ein paar neue Gesichter.“ Durchbrach Henrietta die Stille und die musternden, aber warmen Blicke ihrer Mutter.
    Bekka brauchte einen Moment um das zu erfassen. „Was?“
    Henrietta nickte und biss von der Karotte erneut ab, welche Bekka vorhin aus dem Gemüsegarten geholt hatte, welchen sie links neben dem Haus angelegt hatte. Dort wo die Bäume vom Wald daneben am Nachmittag teilweise einen langen Schatten hinwarfen.

    „Mhm. Elisas Bruder hat erzählt das wohl auf der andren Seite des Tals ein paar neue Leute einkaufen waren.“
    Rebekka sah Henrietta lange an und entschied dass sie ihre Neugier und das ungute Gefühl zügeln würde und nahm einen Schluck von dem Rotwein den Ihre Tochter mitgebracht hatte. Und von dem sie sicher noch wissen wollte wer den einer Minderjährigen verkauft hatte.
    Er war sehr gut. Bekka nahm die Flasche und lass das Etikett. Aus Missian, sehr gut.
    „Und?“
    „Ich dachte du willst das wissen. Es ist schließlich nicht weit von der Absturzstelle.“
    „Letztes Jahr waren es dann doch nur die ersten Touristen die langsam wieder kamen.“
    „Ja aber die hatten sich auch vorher erkundigt. Hier weiß keiner was von.“
    „Und wo wohnen die dann?“
    „In einem der Hotels in Bozen.“
    Rebekka schloss die Augen und fühlte die Müdigkeit. Sie wollte sich nicht weiter dafür interessieren. Sie wollte sich nicht mehr mit Reapern beschäftigen, oder Menschen die das wollten. Oder Politik oder Militär oder am schlimmsten Spionage.

    Das hatte sie zu viel schon in ihrem Leben gekostet. Einen Bruder für Henrietta und eine Mutter. Es hatte sie Freunde gekostet.
    Alleine die Schlacht um München, in der sie den Bunker von Nevermore verteidigt hatte in dem so viele Bewohner Zuflucht gefunden hatten vor den Horden der Reaper. Oder der Kampf später in den Überresten von New York, wo sie Gruppen von Cerberus Monstern davon abgehalten hatten sich Technologie aus dem Reaper von dort zu holen.
    „Dann sind es sicher Touristen.“
    Henrietta kaute langgedehnt auf der Karotte. Sie schien nicht überzeugt, und Bekka musste die Meinung von Rietta ernstnehmen. Sie hatte so früh schon lernen müssen wie das Spiel ging und zu was Lebewesen fähig waren. Kathleen hatte ihr trotz ihres Kindesalter so viel schon beigebracht. Und Bekka hatte keine Wahl gehabt als ihr mehr und mehr beizubringen.
    Bis zu der Invasion war schließlich Cerberus mit seinen unendlichen Mitteln hinter ihnen her gewesen.

    Und dank den Verrätern innerhalb von Aria waren auch Teile von Nevermore versprengt worden. So hatte sie weder auf Hilfe hoffen können von der Gräfin oder gar Konrad der dort wohl beigetreten war. Sie wusste nicht mal was aus Ihnen geworden war.
    Es war zu gefährlich gewesen. Und Henrietta und sie hatten gemeinsam beschlossen das es genug war, an persönlichem Opfer.
    Also hatten sie dieses Haus gekauft, einen ehemaligen Bauernhof mit Pension. Alles wieder aufgebaut und renoviert. Sich ein großes, schönes Zuhause geschaffen. Freunden gefunden, Henrietta einen Überrest an Kindheit mit anderen in der Schule im Tal.
    Sich eine große Grundlage an Selbstversorgung angelegt.
    „Du bist nicht überzeugt.“ Stellte sie schließlich sachlich fest.
    „Du hättest Johann hören müssen. Ich konnte nicht zu viel Nachfragen ohne komisch zu wirken.“ Womit sie meinte, ohne unsere Tarnung zu gefährden.
    „Er war nicht zufrieden, es sind sicher keine Touristen.“
    Rebekka stand mit dem Weinglas in der Hand auf und schritt in die Sonne. Legte den Kopf in den Nacken und ließ sich das warme Licht direkt auf das Gesicht scheinen.

    So stand sie für einen Moment neben ihrer Tochter, die trotz ihrer flachen Schuhe sicher inzwischen ihre Mutter überragte. Rebekka atmete lange ein und nahm dann einen Schluck von dem wirklich guten Wein.
    Dann ließ sie den Kopf langsam zur Seite gleiten und sah Henrietta wieder an. In der Sonne konnte man noch den Hauch von Sommersprossen erkennen die sie als Kind hatte. Sie hatte sie in der Anfangsphase der Pubertät verloren. Dafür hatte sie den Sarkasmus gefunden.
    Und der kupferfarbene Ring um ihr linkes giftgrünes Auge war noch intensiver hervorgetreten.
    Etwas das, als sie im Tal das erste Mal in die Schule ging, allen anderen Kindern so viel Angst gemacht hatte das Rebekka über Wochen die Mütter mit den Kindern zu Kaffee und Kuchen einladen musste damit keiner dachte sie wäre eine Teufelskind.

    Bekka entkam ein kleines Grinsen im Mundwinkel an den Gedanken. So gesehen aus rein katholischen Gesichtspunkten war sie das ja tatsächlich. Und ein Engel war sie ja sowieso nie gewesen. Aber das war gut so.
    „Was denkst du?“ frage sie schließlich.
    „Wir sollten in die Stadt fahren und einen Blick drauf werfen.“
    „Warum?“
    „Wer sollte es sonst tun?“
    „Die Behörden.“ Eine Feststellung, keine Frage. Und das nahm Henrietta genau zur Kenntnis. Sie schnaubte und biss heftiger von der Karotte ab. In der Tat so heftig das ein paar kleine Stücke in alle Richtungen davon flogen. Eines landete im Weinglas ihrer Mutter.
    Bekka äugte über den Rand des Glases und verzog den Mund, ohne es weiter zu kommentieren. Vorsichtig stecke sie den kleinen Finger ihrer linken Hand in das Glas und begann nach dem Stück zu fischen.
    Die Ruhe mit der sie das tat und das es offensichtlich Priorität hatte, trieb Rietta auf die Tanne.

    „Mum!“
    Rebekka schaute auf und fischte dabei weiter. „Ja?“
    „Was machst du da?“ Henrietta bekam rote Wangen und ihre Sonnensprossen traten zum Vorschein. Was ihren Standpunkt arg untermauerte, weil es verdammt niedlich aussah.
    „Ich fische deine Karotte aus dem Wein den du mir geschenkt hast.“
    Rebekka hatte das kaum ausgesprochen, in der Annahme das Henrietta den Wein von ihrem Taschengeld bezahlt hatte, da reichte diese ihrer Mutter deren Kreditkarte.
    „Du hast gesagt ich soll einkaufen gehen.“ Glättete sie die Wogen die unweigerlich gleich kommen würden.
    Mit einem langen ungläubigen Blick starrte Bekka auf die Karte und dann auf den Wein.
    „TZ.“ Machte sie um ihr Missfallen auszudrücken und nahm dann die Karte an sich. Dann sah sie wieder in das Weinglas und versuchte weiter das Stück Karotte zu fangen.

    „MUM!“ platzte es auf Henrietta heraus.
    „Verffffffffffffffffffffffffffffffffffffffff…. “ Die Augen der beiden Frauen trafen sich und die Jüngere merkte dass sie jetzt die nächsten Buchstaben besser sehr genau auswählte sonst würde sie sich noch ein letztes Mal ein Hausarrest einfangen. „…..lucht nochmal.“ Brachte sie den Ausbruch zu Ende und warf die Karottenreste in einem hohen Bogen Richtung Tal.
    „Rede mit mir.“ Insistierte sie.
    Rebekka sah ihr lange in die Augen und dann in die Richtung in die die Karotte geflogen war. Dann wieder in den Wein und dann zurück zu Henrietta.

    Für einen Moment schien es als hätte sogar der Wind aufgehört zu wehen. Man hörte nur das unbeeindruckte Schnaufen der Hündin, die zahlreiche dieser Konfrontationen zwischen Tochter und Mutter gesehen hatte.
    „Das geht uns nichts mehr an Henrietta.“
    „Doch.“
    „Warum?“
    „Mama hat immer gesagt, dass mit Fähigkeiten und Wissen Verantwortung einhergeht. Das man, wen man kann alles tun muss für Gerechtigkeit.“
    Mit einem langen Atemzug unterdrückte Bekka die aufwallenden Gefühle. Mit diesem Satz hatte Kathleen sie früher zu so viel überredet.
    „Die Zeiten wo ich nach so einem Satz aufgesprungen bin und gefragt habe wo es hin geht Boss, sind vorbei Schatz.“ Bekka richtete ihren Blick auf den Berg gegenüber. „Egal wie richtig es ist was Kathleen gesagt hat und wie ernst es ihr war. Es gibt eine Grenze und einen Moment wo man erkennen muss das man es andere gibt die besser geeignet sind dafür.“
    „Du willst mir sagen die Carabinieri, sind besser darin Cerberus zu erkennen als du?“

    „Cerberus ist Vergangenheit. Genauso wie die Reaper.“
    „Und doch kommen immer wieder Leute, noch gibt es genug Deppen die meinen die Menschheit verdient Überlegenheit. Genug Überreste der Armee die Cerberus geschaffen hat und den Verschmolzenen Truppen der Reaper.“
    Henrietta, voller Energie eines jungen Menschen, war inzwischen auf und ab gewandert und hatte begonnen vor ihre Mutter ihre Runden zu drehen. Die sah recht unbeeindruckt aber besorgt zu ihrer Tochter und entschied sich lieber einen Schluck Wein zu nehmen.
    „Darum geht es dir nicht.“ Stellte sie dann trocken fest.
    Henrietta blieb so abrupt stehen das ihre roten Locken sich um ihr Gesicht wickelten und erstmal wieder mit beiden Händen gebändigt werden mussten.

    „Was soll ich machen. Du und Mama, ihr habt eine der größten Verschwörungen aller Zeiten bekämpft. Ihr war Teil des Motors der Maschine die die Menschheit gerettet hat
    Und nichts davon willst du mehr, nichts davon ist mehr da. Was soll ich machen? Soll ich da unten einen Bauern heiraten, oder Klavierlehrerin werden wie Elisa?“
    Purer Frust sprach aus ihr.
    Rebekkas Mund war staubtrocken und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie hatte nie bedacht das diese junge, kluge Frau sich hier am Ende der Welt mit ihrer Mutter versteckte. Und es hier nur für sie aushielt und einer eigenen Zukunft einem eigenen Weg entsagte.
    Einem eigenen Schicksal auswich.
    Es war ein Stich so tief im Herzen, wie ihn Rebekka nicht mehr gespürt hatte seit Kathleen auf der Citadel erschossen worden war.
    Henrietta, ganz die aufmerksame junge Frau die sie dabei war zu werden, merkte sofort was sie gerade angerichtet hatte und war mit einem weiten Schritt bei ihrer Mutter und schloss ihre Arme fest um sie.
    Die rote Mähne umschloss Rebekkas Gesicht als ihre Tochter das ihre in die Schulter der Mutter grub.
    „Das tut mir leid, ich habe nicht..“
    Rebekka legte die Arme um Rietta und ihre Wange auf den Hinterkopf des Mädchens das sie dann doch ab und zu noch war.
    „Ist okay. Ich…“ ja was. Rebekka stockte.
    „Ich verstehe dich.“ Sie musste neuen Mut fassen. Henrietta hatte hier ausgehalten vielleicht war es an der Zeit zumindest ein paar Türen zu öffnen damit sie hinaus konnte. Sich zu verstecken konnte ja auch keine Lösung sein. Geschichte musste aufgearbeitet werden.
    Wunden mussten heilen, nicht nur die eigenen sondern auch die der Menschheit. Und im selben Moment wurde ihr klar das der größte Schritt, der meiste Mut vielleicht jetzt erst von ihr verlangt werden würde.
    Ihre Tochter loszulassen und zu akzeptieren dass auch das Leben von Mutter und Tochter sich irgendwann trennt. Das Rebekka ihr Leben nicht länger hinter Henrietta verstecken können würde. Das Sie ihr helfen musste den Absprung zu finden.
    Rebekka seufzte und leckte sich dann über die Lippen.
    Gut. Den Mut würde sie finden. Für Henrietta – und nur für Henrietta.
    „Gut, wir schauen uns das an.“
    Die rote Mähen schoss so schnell hoch das es Rebekka fast das Ohr abgerissen hätten und den Wein aus ihrem Glas überall hin verteilt hätte.
    „Wirklich.“
    „Ja. Aber du wirst auf mich hören und wir werden sehr vorsichtig sein. Nur einen Blick ja.“
    „Klar. Nur ein kleines Abenteuer.“
    Henrietta wippte auf ihren Fußballen auf und ab. Wie ein aufgeregtes kleines Mädchen vor der Bescherung an Weihnachten.
    „Reiß dich zusammen sonst bleiben wir hier.“ Grummelte Rebekka als einzige Antwort während sie sich umdrehte und sah so nicht wie Henrietta, sofort Haltung annahm und salutierte.
    „Jawohl mein Kapitän.“
    Mit all ihrer Willenskraft riss sich Bekka zusammen nichts mehr zu sagen sondern ging ins Haus und stellte dabei ihr Glass auf den Holztische der unter dem Balkon auf der kleinen Terrasse stand.
    „Ich zieh mir was Passendes an. Und du räumst den Wein weg und machst dann das gleiche.“
    „Klar!“ kam sofort die überschwängliche Antwort.

  3. #3
    ME-FRPG only Avatar von Konrad_Richter
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    <--- CITADEL - Zivile Andockbuchten


    „Ist schon gut“, die warme, aber dennoch gezeichnete Stimme der Frau war kaum mehr als ein Flüstern, „ich melde mich später noch einmal.

    Konrad schreckte auf – nicht im wörtlichen Sinne, denn mehr als das Öffnen seiner Augen und eine seichte Kopfbewegung war von dem im Sitz zusammengekauerten Mann äußerlich nicht zu vernehmen gewesen, sondern vielmehr im übertragenen Sinne. Von Null auf Hundert sprangen seine Gedanken wieder an. Er blickte aus dem Fenster: Irgendwo auf der Erde, in den späten 90ern des 22. Jahrhunderts, rauschte das kleine Passagiershuttle über eine recht stürmische See, deren Wellen durch den Wind gepeitscht meterhoch wurden, während sich über ihnen ein massives Gewitter entlud. Eine wahrliche Naturgewalt, von der die Passagiere jedoch kaum etwas mitbekamen. Ein seichtes Trommeln der Regentropfen gegen die Fensterscheiben oder hier und da mal ein kleines Grummeln. Mehr nicht und das war Konrad auch recht so. Wenn alles nach Plan verlief, dann würde es schon noch Sturm und Donner zur Genüge geben in den nächsten Tagen…

    „Hände hoch und zwar so, dass ich sie sehen kann!“
    Dieser Befehl war das Erste, was Konrad nach dem Krachen der aufgesprengten Tür wieder hören konnte. Er und Snooker waren viel zu verwirrt und überrascht davon, an diesem Ort angetroffen worden zu sein, als dass sie irgendetwas anderes tun konnten wie zu gehorchen. Langsam hoben sie die Hände, sahen sich dabei gegenseitig tief in die Augen, beinahe um sich zu versichern, dass schon alles in Ordnung sei. Dass der jeweils andere wisse, wie zu verfahren sei. Dass sie sich aufeinander verlassen könnten. Erst dann fiel Konrad auf, wer es überhaupt gewesen war, der da diesen Befehl gebrüllt hatte und der überhaupt in diesen Raum gestürmt kam, um die beiden Agenten festzunehmen.
    „Runter auf den Boden“, knurrte die altbekannte Asari und Konrads Herz wurde zu Eis. Es war Kyara, seine alte Kollegin, „ich hab dir doch gesagt, dass ich es sein werde, die dir die Handschellen anlegen wird.
    Während Kyara ihren ehemaligen Kollegen rabiat gegen die Wand drückte und dabei nach Waffen durchsuchte, betraten weitere Polizisten den Raum, die Konrad nur zu gut kannte.
    „Alles klar, dann räumen wir mal auf. Schafft den da raus.“
    Es war Vic, der bullige Glatzkopf an der Spitze des sogenannten Strike Teams, der mit seinen Kollegen und Kyara den ganzen Zugriff durchzuführen schien. Auf seine Handbewegung hin brachte man Snooker hinaus, während der Glatzkopf neben Kyara stehen blieb.
    „Handschellen anlegen und Rechte verlesen“, war der einzige Kommentar, den der grobschlächtige Cop nebst einem Blick voller Enttäuschung für seinen ehemaligen Kollegen übrig hatte.
    „Konrad Richter, ich verhafte Sie wegen des Verdachts auf Hochverrat und Verstoßes gegen das Ratsgesetz zur Nichtverbreitung synthetischer Technologie“, begann Kyara und Konrad runzelte verwirrt die Stirn, während er Handschellen angelegt bekam und ebenfalls aus dem Raum geführt wurde, „Sie haben das Recht auf einen Anwalt. Alles, was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden.“
    „Was zur Hölle ist hier los?“, rief Konrad entrüstet. Er wusste, dass man nach ihm suchte. Er wusste, dass man ihm für seine Suche nach der Wahrheit allerhand Steine in den Weg gelegt hatte. Dass man alles auf ihn werfen würde, was es zu bieten gab, um nicht nur seine Person, sondern auch seine Sache zu diskreditieren. Hochverrat ließ er sich noch eingehen, das ergab Sinn. Aber Verbreitung synthetischer Technologien? Er war es doch gewesen, der den Schmuggel mit Geth-Ware unterbunden hatte!
    „Vic! Kyara, was soll das?? Hört mir zu, das hier ist nicht so-“
    „Wie es aussieht?“, fauchte Kyara und verstärkte dabei ruckartig den Griff um Konrads Handgelenk, was ihn schmerzerfüllt die Luft zwischen den Zähnen einsaugen ließ, „spar dir diesen Quatsch für deinen Anwalt.“


    Das kalte Wasser im Gesicht tat Konrad gut. Es belebte seine Sinne wieder und wusch gleichzeitig die alten Erinnerungen fort. Erinnerungen an Zeiten, die längst vergangen waren und doch noch so präsent vor ihm lagen, als wäre all das erst gestern passiert. Er betrachtete sich im Spiegel. Hier und da hatte sich die Haut in Falten gelegt und der ein oder andere Bartstoppel war bereits grau gefärbt. Die Augen bestachen zwar noch durch Schärfe und Klarheit, doch wusste man bereits beim ersten Blick, dass sie viel gesehen hatten. Mehr, als man einem Menschen eigentlich zutrauen sollte. Die Hände, die mit den Papiertüchern das kalte Wasser von der nicht mehr ganz so glatt rasierten Haut wischten, waren kräftig. Finger, die gerne zupackten oder oft zur Faust geballt wurden, dadurch jedoch keineswegs die Fähigkeit verloren hatten, mit einfachsten Waffen wahre Meisterwerke zu vollbringen. Ächzend richtete sich Konrad auf, streckte einmal die Brust nach vorne, was durch ein lautes Knacken und Krachen begleitet wurde. Es mochten ein paar Jahre ins Land gezogen sein, doch das durfte man jetzt nicht falsch verstehen: Er hob und stemmte immer noch mehr als drei Viertel der Besucher des querschnittlichen Kraftraums. Dennoch gingen die zahlreichen Dosenbiere und Zigarettenschachteln nicht spurlos an ihm vorbei. Doch genug davon jetzt. Er hatte einen Job zu erledigen. Konrad nahm sein spärliches Reisegepäck wieder auf und verließ die Toilette des Terminals wieder.

    Nur das monotone Klick Klack eines Metronoms war im Verhörzimmer der C-Sec zu hören, ansonsten herrschte Stille. Konrad saß noch immer in Handschellen an dem Verhörtisch und blickte neutral, emotionslos, ja beinahe gelangweilt auf die vor ihm verteilten Beweise. Wenn man sie überhaupt so nennen konnte. Für einen Außenstehenden mochte die Sache eindeutig sein: Chatverläufe, die eindeutig Konrads Nummer zugeordnet werden konnten und welche Treffpunkte und Übergaben zum Thema hatten. Zahlungen, die angeblich auf seinem Konto eingegangen seien. Fotos, die ihn in schlecht beleuchteten Andockbuchten zeigten, wie er gerade eine Ladung Geth-Exoskelette inspizierte. Es war lächerlich – und zugleich traurig, dass seine engsten Kollegen diese Farce zu glauben schienen.
    „Konrad, du weißt genau so gut wie wir, dass wir dich damit an den Eiern haben“, sagte Vic, der das Verhör leitete und neben sich noch Ronnie Gardocki, einen Veteranen des Strike Teams, sowie Kyara sitzen hatte. Letztere hatte es wohl in Konrads Abwesenheit in Vics Spezialeinheit geschafft, was Konrad der Asari in jedem Fall gönnte.
    „Ihr habt nichts. Ich bitte euch, seht ihr das nicht?“
    „Was?? Willst du mir wieder erzählen, dass das alles gefälscht ist?“
    Vic kramte noch weitere Bilder hervor und warf sie vor Konrad auf den Tisch. Als ob es irgendetwas ändern würde, wenn er mehr von alledem hervorkramte.
    „Natürlich!“, platzte es aus Konrad heraus, der langsam genug von diesem Quatsch hatte, „überleg doch mal! Wieso zur Hölle sollte ich Geth-Teile verkaufen. ICH!“
    Vic zuckte mit den Schultern und zwar demonstrativ. Gerade so als ob er Konrad sagen wolle, Woher soll ich das wissen, sag du es mir! Diese Geste brachte den ehemaligen Polizisten schließlich zur Weißglut.
    „Das ist doch lächerlich.“
    „Lächerlich?“, Vic war aufgesprungen und mit einer derartigen Geschwindigkeit um den Tisch gestürmt, dass Konrad sich nicht im geringsten dagegen wehren konnte, als der bullige Glatzkopf seine Pranke in Konrads Genick presste, „wegen diesem Teil hier sind Menschen gestorben. Unschuldige! Und du sitzt hier und willst mir erzählen, dass ich mir das ausdenke?“
    „Lass mich los“, knurrte Konrad, der die Augen geschlossen hatte.
    „Nein, schau es dir an. Schau dir die Kiste an. Diese Geth-Gewehre haben vermutlich mehr Leute auf dem Gewissen, als du es je schaffen wirst. Unschuldige Männer, Frauen, Kinder! Was hast du dir gedacht?“
    „Lass mich los“, wiederholte Konrad, doch seine Aufforderung blieb unerfüllt.
    „Hier, dieser Chat. Du hast Knarren an das Kassandra-Syndikat verkauft. Weißt du, wie viele Kollegen vom Rauschgiftdezernat auf deren Konto gehen? Du hast dich gegen die Sec, gegen deine Kollegen... gegen deine eigene Familie gewandt.“
    „Lass mich los, verdammt nochmal! Fuck Vic, ich hab meinen besten Freund wegen dem Scheiß verloren!“, brach es aus Konrad heraus und er merkte, wie seine Augen feucht wurden. Die Erinnerungen an seinen Freund Kyle, der im ersten Überfall auf die Citadel durch Sovereign gefallen war, kamen wieder hoch. Die Gefühle überkamen ihn und sichtlich berührt entschwand langsam jede Kraft, sich Vics Druck zu widersetzen.
    „Wieso zur Hölle sollte ich sowas wollen?“
    Konrads Stimme war nicht mehr als ein Krächzen. Er merkte, wie Vics Griff lockerer wurde und schließlich gänzlich gelöst wurde. Auch Kyara ließ die Erinnerung nicht unberührt. Langsam richtete sich Konrad wieder auf und sah über seine Schulter zu Vic.
    „Hör zu, ich weiß, dass die Beweislage hier echt erdrückend ist“, begann Konrad und Vic kam um ihn herum wieder zurück zu seinem Platz, blickte allerdings auf den Spiegel, hinter welchem gewiss irgendein Captain das Verhör beobachten würde.
    „Hier bin ich aber definitiv nicht der Mann, den ihr sucht. Ich soll diskreditiert werden, damit man letzten Endes nicht nur mir, sondern auch der Sache nicht mehr glaubt.“
    Konrad bemerkte, dass alle Anwesenden ihm glauben wollten, es aber nicht konnten. Konrad seufzte. Er würde genau so handeln.
    „Wenn ihr mir nicht glaubt, dann fragt Akyra. Sie wird es euch bestätigen.“
    Vic sah ruckartig zu Konrad, als dieser den Namen einer gemeinsamen Freundin erwähnte. Nunja, Freundin traf wohl nur auf Konrad zu. Sie war verdeckte Ermittlerin für die Dienstaufsicht und dementsprechend schlecht auf das Strike Team zu sprechen, welches berühmt dafür war, die Ermittlungserfolge mit… unorthodoxen Methoden sicherzustellen.
    „Ich weiß, ihr zwei hattet immer ein spezielles Verhältnis zueinander, aber glaub mir, sie ist gerade-“
    „Akyra ist tot, Konrad.“
    Wie ein Fausthieb schlugen Vics Worte in Konrads Magengrube ein. Während der glatzköpfige Polizist erläuterte, wie Akyra bei einem Undercover-Einsatz auf Omega gestorben war, dämmerte es Konrad, dass das zum gleichen Zeitpunkt gewesen war, als er mit ihr Kontakt gehabt hatte – zumindest indirekt. Er hatte ihr auf die Mailbox gesprochen, sie in einer seiner dunkelsten Stunden um Beistand gebeten. Dabei hätte er bei ihr sein müssen. Über Kanäle hatte Konrad erfahren, dass sie auf Omega war und dort entwendeten Daten hinterherjagte. Schnell hatte der ehemalige Polizist Eins und Eins zusammengezählt. Es waren Beweise gegen korrupte Polizisten gewesen, vom kleinen Streifenbullen, der sich sein Gehalt durch Drogengeld aufbesserte, bis hin zur groß angelegten politischen Verschwörung. Damals hatte Konrad gehofft, auf diesem Wege etwas gegen Cerberus in die Finger zu bekommen… Dann traf Konrad der zweite Faustschlag in die Magengrube. Neben Akyra gab es noch genau einen anderen Menschen, der derart im Bilde über seine Ermittlungsarbeit gewesen war wie Akyra – und der Gedanke daran, von genau diesem Menschen ans Messer geleifert zu werden, schnürte dem ehemaligen Polizisten die Kehle nur noch weiter zu.


    Aus dem Handgelenk warf sich Konrad noch ein paar der salzigen Erdnüsse in den Mund, welche am Tresen kostenlos zu den Drinks serviert wurden. Er war in einer kleinen Absteige gelandet, die gerade so nicht heruntergekommen, sondern vielmehr „schäbig chic“ wirkte. Das Zimmer hatte er bar bezahlt, der Name war frei erfunden. Man würde noch früh genug auf ihn aufmerksam werden, kein Grund, diesen Vorgang auch noch zu beschleunigen. Das Lokal war klein und schlecht belüftet, sodass sich ein schwerer Mief gebildet hatte. Es war schlecht besucht, die Drinks waren billig und niemand stellte Fragen. Zugegeben, der Musikgeschmack des Barmanns war etwas merkwürdig, denn seine selbst zusammengestellte Wiedergabeliste klang sehr nach Herzschmerz. Gerade erklang Rain von Madonna und Konrad hoffte, dass der Kerl so nicht versuchte, über irgendeine Verflossene hinwegzukommen. Nach der Beinahe-Zerstörung allen Lebens in der Galaxis durch die Reaper hatte man sich insbesondere auf der Erde wieder auf die Vergangenheit zurückbesonnen, also all jenes, was man beinahe an das ewige Vergessen der Vernichtungszyklen verloren hatte. Insbesondere die 80er und 90er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts hatten es da den Leuten angetan und so erlebte die Musik aus diesen Jahrzehnten eine erneute Renaissance, ähnlich wie es zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts bereits der Fall gewesen war. Konrad störte es nicht, fühlte er sich selbst doch irgendwie durch eine seltsame Melancholie diesen Jahrzehnten hingezogen, gleichwohl er sie niemals erlebt hatte. Er schmunzelte. In dieser Hinsicht war er seiner Zeit dann doch einmal voraus gewesen.

    „A singer in a smockey room!”
    „A smell of wine and cheap perfume!”
    „For a smile they can share the night / It goes on and on and on and on…”
    „DON’T STOP! BELIEVIN!”
    Lauthals grölten die beiden Männer den Songtext mit, der aus der Audioanlage des Gleiters schmetterte, wobei sie keinen einzigen Ton trafen. Das war ihnen jedoch in diesem Moment egal, denn die Freude und Ausgelassenheit, die sie jetzt gerade spürten, die konnten sie so nie zeigen. Es waren diese kleinen Momente, die Konrad und Snooker verbanden, wenn sie zusammen losfuhren. Konrad genoss jeden einzelnen davon. Snooker lenkte den Wagen gekonnt durch die Skyways des Kithoi Wards, wobei der Verkehr recht überschaubar war. Für örtliche Verhältnisse waren er und Konrad recht früh unterwegs, doch genau das war ihre Absicht. So konnten sie sichergehen, dass sich die Zielperson auch wirklich zuhause befand.

    Snooker parkte den Gleiter in einer Seitenstraße gegenüber des eigentlichen Zielobjekts, als gerade
    By the way von den Red Hot Chili Peppers abgespielt wurde. Es war ein ruhiger Song, genau richtig, um beiden Männern noch einmal die Gelegenheit zu geben, sich zu sammeln. Ein letztes Mal die Gedanken zu sortieren, ehe sie starten würden. Denn dann gab es kein Zurück mehr.
    „Bist du dir sicher mit dieser Nummer? Denn wenn wir das jetzt tun…“
    „Wir haben keine Wahl. Es gibt keine Alternative“, erwiderte Konrad auf die Frage seines Partners und stieg aus. Zielstrebig betraten die beiden Männer den Appartmentkomplex, nahmen die Treppen hinauf in eines der oberen Stockwerke und klopften schließlich an einer der Türen. Konrad wusste, dass dahinter nur ein einziger Bewohner lebte: John Dogget, ein Agent der Heimatschutzbehörde, der Konrad einst davor warnte, dass man ihn beschatten würde und schließlich dafür gesorgt hatte, dass Beweise in seinem Kampf gegen den Geth-Schmuggelring sichergestellt wurden. Zumindest hatte das Konrad bisher geglaubt.
    Die Tür öffnete sich und noch ehe John irgendetwas sagen konnte, presste ihm Konrad den Lauf seiner schallgedämpften Pistole gegen die Stirn.
    „Was zum-“
    Energisch schob Konrad den Mann mithilfe seiner Waffe in die Wohnung hinein, den Gang hinunter und schließlich ins Wohnzimmer, wo er ihn auf einen Sessel schubste. Snooker hatte indes ohne Aufforderung die Tür hinter ihnen verriegelt und war gerade dabei, alle Fenster zu verdunkeln.
    „Was zum Teufel geht hier vor, K-“
    Noch ehe er seinen Klarnamen aussprechen konnte, hatte Konrad seinem Freund mit der Pistole ins Gesicht geschlagen. Ein herber Fluch und ein böses Funkeln, mehr kam nicht als Reaktion.
    „Das weißt du verdammt genau. Akyra, das Geth-Skellett, die Beweise gegen mich. Spiel mir kein Theater vor.“
    „Ich weiß nicht, wovon du redest.“
    „Snooker, hol dir sein Terminal und Omnitool.“
    „Hör mal, was soll das? Wir haben zusammengearbeitet, wir haben diese Leute gemeinsam zur Strecke gebracht!“
    „Ach ja?“, Konrad funkelte ihn an, „Akyra ist tot. Die Beweise gegen mich sind gefälscht, während alles, was mich entlasten könnte, vom Erdboden verschluckt wurde. Das Geth-Skelett, das du sichergestellt hast? Seine Spur verliert sich in den Andockbuchten der Allianz. Der Index mit den korrupten Polizisten und Staatsbediensteten, die Akyra gesammelt hat? Nicht mehr aufzufinden, lediglich geschwärzte Kopien, die glücklicherweise meinen Namen mit Zahlungen von Cerberus und diversen Kriminellen in Verbindung bringen. Das einzige loose end bist du… Merkwürdig, nicht wahr?“
    John schwieg, wich Konrads Blicken aus. Der ehemalige Polizist umklammerte die Pistole fester.
    „Wir haben Teile der Kommunikation des Friedensrichters abgefangen und ich wette, wenn wir die mit dem vergleichen, was wir auf deinen Geräten finden, dann wird sich daraus eine gewisse Schnittmenge ergeben“, sagte Konrad und fuhr nach eisernem Schweigen seines Gegenübers fort, „ich wette, du hast ihm die Namen der Maulwürfe gegeben und dabei nicht eine Sekunde darüber nachgedacht, was du da eigentlich anrichtest. Das war ein verdammtes Schlachthaus.
    „Du machst es dir zu einfach. Die Allianz kann nicht-“
    Drei Schüsse aus Konrads schallgedämpfter Pistole beendeten den Satz jäh – zwei in die Brust, einer in den Kopf. Leblos und stark blutend sackte John Dogget in seinem Fernsehsessel zusammen, während Konrad langsam die noch rauchende Pistole sinken ließ. Selbst Snooker hatte bei seinen Bemühungen, das Terminal und Omnitool des Agenten sicherzustellen, innegehalten, jedoch keinen Ton gesagt.
    „Wir sind hier fertig“, sagte Konrad trocken und emotionslos, ehe er mit Snooker die Wohnung auf demselben Wege wieder verließ. Kein Wort wechselten die Männer auf dem Weg zurück zum Unterschlupf und auch die Musik wurde stummgestellt. Konrad war nun zum Mörder geworden und das würde sich nie ändern. Die letzte rote Linie war überschritten worden.


    Das Straßencafé war recht belebt und strahlte eine gewisse Fröhlichkeit, ja Leichtigkeit aus, die den gemeinen Beobachter nicht vermuten ließ, dass vor einem Jahrzehnt auf diesem Planeten noch um das schiere Überleben der gesamten Galaxie gekämpft wurde. Konrad zog an seiner Zigarette, als gerade die überaus freundliche Bedienung erschien und ihm seinen Latte Macchiato servierte. Mit einem Lächeln bedankte er sich und nahm einen vorsichtigen Schluck aus dem üppigen Glas. Es schmeckte hervorragend. Zufrieden nickte er und stellte das Glas wieder ab, tunlichst darum bemüht, sein sommerliches weißes Hemd nicht zu bekleckern. Überhaupt war er sehr sommerlich gekleidet: Sportliche Schuhe, eine luftige graue Hose, ein weißes Hemd, die verspiegelte Sonnenbrille und eine gesunde Bräune. Er sah aus, als ob er geradewegs vom Lago di Garda hierher in die Nordausläufer Südtirols gefahren wäre, um den Sommerurlaub auch in weniger touristisch überlaufenen Regionen zu beenden. Konrads Blick schweifte über den kleinen Marktplatz, der von einigen Geschäften und natürlich dem Rathaus umrahmt wurde. Kinder spielten in den Brunnen, Menschen tummelten sich in den Cafés oder auf den Straßen und in der Entfernung konnte Konrad sogar das charakteristische Knattern eines Motorrollers vernehmen. Es war zu schön, um wahr zu sein. Zu gerne hätte er sich in diesem Idyll verloren, doch es wartete Arbeit auf ihn. Wie so oft.

  4. #4
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    Henrietta verschwand mit einem Kuss auf die Wange ihrer Mutter im Haus und Bekka konnte ihre schnellen Schritte durch den Flur die Treppe hinauf hören. Sie starrte den Hügel hinunter und seufzte resigniert.

    Es kam ihr wirr vor, wieder hinaus zu ziehen und die Bösen zu bekämpfen. Sie war das so leid und tief in ihr vibrierte ihre Seele. Conny neben ihr setzte sich auf den Hintern und legte den Kopf an Bekkas Hüfte. Sie schnaubte auch und schlug einmal mit dem Schwanz auf den Boden. Als wüsste sie was Rietta da verlangte und das auch sie nicht damit einverstanden war.

    Allerdings musste Bekka zugeben das sie sich mit den Gedanken anfreunden musste. Rietta war alt genug, sie würde irgendwann das Haus verlasse und ein eigenes Leben anfangen. Sie war wie ihre Mütter.
    Es war als wäre als wollte Bekka den Wind festhalten wollen.
    Sie würde dabei nur verletzt werden. Sie lächelte. Ihr Vater hatte das versucht.
    Im Rückblick vielleicht weil er geahnt hatte das seine rebellische, gerechtigkeitsfanatische und viel zu kluge Tochter seinem Treiben nicht wohlgesonnen sein würde. Und oh Wunder so war es auch gewesen. Aber wie immer. Was im Geheimdienst passiert bleibt im Geheimdienst. Zumindest ging Rebekka davon aus, denn nach New York hatte sie nie wieder jemand gesehen oder gehört.
    Obwohl sie fest davon ausgegangen war das man sie suchen würde und man sich auch finden würde. Aber nein, in all den Jahren war nie jemand an ihrer Türe aufgetaucht.

    Kathleens Familie hatte ihnen mit Geld und Kontakten geholfen, die Spuren in mehreren Länder Stück für Stück immer weiter zu verwischen. Von Amerika über Mexiko durch einige europäische Länder bis nach Italien.
    Sie hatten Pässe und ordentliche Dokumente die sie als die Frau und Tochter eines verstorbenen Arztes am Krankenhaus in der Stadt auswiesen. Sie Deutsche, er aus Sizilien der hier vor seiner Familie abstand suchte – wegen nunja Geschäften.
    Selbst in Südtirol hinter fragte das niemand. Und so war sie Helena und Flavia Pera, die vom Erbe und der Lebensversicherung des Mannes lebten und mit der Landwirtschaft etwas dazu verdienten. Sie waren nett und hatte sich anstandslos integriert in die Gemeinschaft des Tals.
    Sie waren beliebt und jeder hielt sie für genug heimisch das sie als Einheimische galten.

    Es wäre sicher ein ganz schöner Schock, wüssten sie vom versteckten Kellergewölbe unter dem Haus. Als die Reaper gefallen waren und die Menschen überall auf der Erde begriffen das es vorbei war, hatte Bekka sich sofort einen Teil des Lagers und der verbliebenen Ausrüstung geschnappt, so wie die Rücklagen von denen nur noch sie wusste und hatte den schnellen Abgang mit Rietta gemacht.
    Unter ihrem Haus lagerten genug Waffen und Material für eine Kampfeinheit. Und genug Geldwertes oder Credits um sehr gut bis ans Endes ihres Lebens auszukommen.

    Rebekka stellte das Weinglas ab und folgte dann ihrer Tochter in das Haus. Schloss die Türe hinter sich und verriegelte sie, nachdem sie Conny eine Chance gegeben hatte sich zu entscheiden wo sie sein wollte.
    Der Sennhund schien sich für draußen oder die Scheune zu entscheiden.
    Die Türe hatte ein sehr gutes Schloss das man gar nicht als Hochsicherheitsschloss erkennen konnte, wenn man nicht wusste wonach man suchen musste. Sie würde ohne Probleme einem Polizisten und einem mobilen Rammbock standhalten.
    Und einer regulär platzierten Sprengladung auch.

    Sie stieg nun selbst die Treppe empor und betrat ihr Zimmer am Endes des Flurs. Anfänglich war sie weiter vorne mit ihrem Zimmer gewesen, gegenüber von Rietta.
    Was als Kind auch okay gewesen war, aber dann als sie ein Teenager geworden war und Freunde zu besucht hatte…
    Nun Bekka mochte ihren Schlaf und neben dem Zimmer einer Jugendlichen kann man nicht schlafen. Also war sie umgezogen im Haus und hatte sich ein neues Zimmer gegönnt. „Wenn man die Möbel umstellt kann man ganz bequem Urlaub machen.“ Feixte sie nur für sich selber als sie mit ihren Gedanken an diese Zeit dachte und lächelte.

    Sie zog sich um, warf die dreckigen Klamotten für Gartenarbeit in ihren Wäschekorb und drehte sich in Richtung ihres Kleiderschrankes.
    Mit einem langen unentschlossenen Blick betrachtete sie sich. Sich, ihren Körper. Ihr Bauch war nicht mehr so flach und so straff, wie er es vor Jahren gewesen war. Man konnte nicht mehr die drahtigen Muskeln ihres Bauches erkennen. Sie waren verschwunden unter einer Schicht die gediehen war unter der Ruhe und der Zufriedenheit der Jahre.
    Bekka war nicht fett geworden. Die meisten Menschen würden sie immer noch Schlank nennen. Aber sie hatte dieses ‚Mamabäuchlein‘ bekommen, das sich bei Frauen gerne einstellte. Diese durch aus hübsche Wölbung unter dem Bauchnabel. Auch am Rest hatte die Zeit etwas genagt und die Schwerkraft. Aber für ihr Alter, war sie wirklich gut in Schuss.
    Keine falsche Scham. Und in diesem Moment fiel ihr Blick auf ihre Unterwäsche. Vor Jahren, ohne das es je eine bewusste Entscheidung gewesen war, hatte sie langsam aber sicher von der hübscheren und - für den geneigten Betrachter oder Betrachterin – interessanteren Varianten zu den bequemen, praktischen und schlichten gewechselt.
    Ihr schossen Erinnerungen an ihre Mutter durch den Kopf und die Beschwerden ihres Vaters, über den Wechsel zu den Omaschlüpfern wie er es genannt hatte.

    „Scheiße.“ Entfuhr es ihr und sie begann zu lachen. „Und ich dachte als Teenager, du wirst das nie machen.“ Die erschütterte Entrüstung ihres Vaters und sein Unmut hatte so einen tiefen Eindruck auf sie hinterlassen, das sie sich vorgenommen hatte sie würde sowas nie von ihrem Mann hören.
    Und nun, stand sie hier in Südtirol mit einer Tochter die sie mit einer anderen Frau hatte und vollkommen ohne Parter*in.
    Was für eine Zeitverschwendung manchen Gedanken als Teenager oder junger Erwachsener nur waren.
    Schließlich öffnete sie nach einem Blick auf ihren Po den Kleiderschrank und nahm sich bequeme, unauffällige Klamotten heraus. Jeans, weißes Shirt, blaue Bluse und einen schlichten dunkelblauen Windbreaker. Dazu eine Sonnenbrille und dunkle Sneaker.

    „Fertig?“ fragte es vom Türrahmen, wo Rietta stand. Sie hatte ihre roten wilden Haare unter einer schwarzen Beaniemütze gebändigt, so dass nur ein paar Strähnen heraushingen.
    Dazu eine braune Lederjacke und eine schwarze Jeans. Darunter ein schwarzes Top mit Ausschnitt, ihrer Mutter zu lieben aber einer bei dem Mann die Unterwäsche noch erraten musste. Auch sie hatte sportliche Schuhe an.
    „Du hast gelacht.“ Stellte sie fest und legte den Kopf schief wie eine ihrer Katzen, wenn sie neugierig etwas beobachtete.
    „Ja.“
    Einen langen Moment der Stille ließ die Jüngere verstreichen bevor sie nach hakte weil ihr klar wurde das ihre Mutter nicht ausführen würde warum. „Ja?“
    „Unterwäsche.“
    „Ich glaube nicht dass ich es verstehen oder wissen will.“
    Bekka grinste und stand von ihrem Bett auf als sie den letzten Schuh gebunden hatte. „Nein, du wirst es irgendwann selbst herausfinden, Fräulein String.“

    Henrietta hob die Augenbrauen und zog eine Schnute, unsicher ob sie nun gerade beleidigt worden war oder als Ziel von Spott gedient hatte. Sie hatte sich immer noch nicht entschieden als Rebekka an ihr vorbei ging und sie auf die Wange küsste.
    „Na komm. Wir haben was vor.“
    Die beiden Frauen steigen hinunter in das Erdgeschoss und nahmen die nächste Treppe direkt in den Keller. Vorbei an zahlreichen kleinen Fässern, Einmachgläsern, Nahrungsmitteln, einem großen Wasserspeicher, einem riesigen Weinregal und der kleinen Anlange zum Brennen von Schnaps. Weiter an den alten Schränken in den sie gerade ihre Winterkleidung und Bettwäsche lagerten. Weiter hinten waren die ganzen Sportsachen und Geräte. Kletterausrüstung, Schlitten und Skier, Eislaufschuhe und zahlreiche verschieden Bälle.
    Gartengerätschaften und alte Fundstücke die schon hier im Haus gewesen waren bevor sie eingezogen waren. Kurz vor Ende des letzten Raumes war, hinter einem Regal das an versteckten Scharnieren befestig war, ein hochmodernes Sicherheitsterminal. Welches nur mit Pin und biometrischen Daten von Bekka oder Rietta geöffnet werden konnte – das allerdings sehr schnell.

    Dann öffnete sich mit einem kaum hörbaren Zischen die Wand hinter dem Regal, neben dem Terminal und man erhielt Eintritt in den alten Bunker aus Zeiten der Weltkriege, von dem hier Berg ab und auf keiner mehr wusste. War man hin durch und schlug auf den Knopf auf der anderen Seite, schloss sich die Tür so schnell wie sie aufgegangen war und das Regal klappe wieder davor.
    Es war ihr Panikraum gewesen, falls doch eines Tages ein Idiot von Cerberus noch auftauchen sollte. Oder Nevermore oder dem Culper Ring um die losen Enden zu beseitigen. Oder halt die Behörden, wegen Mordes.
    Von hier hatte man Zugriff auf die Sicherheitssysteme und die Überwachung des gesamten Anwesens. Jedes Zimmer, jeder Winkel des Hofes war mit sehr gut versteckten Kameras abdeckt, von denen Rebekka sogar teilweise vergessen hatte wo sie waren und sie nicht mehr fand.
    Außerdem lagerte eben genau hier das Waffenarsenal und die schnell transportierbaren Wertgegenstände und genug Dokumente um wo anderes unterzutauchen.
    Dieser Raum war die Rettungsleine.
    Über lange Zeit hatte Bekka mit einer Drohne hier einen weiteren Gang gegraben der in den Wald rechts unter ihnen führte. Von dort konnten sie dann zu einem alten vergessenen und ignorierten Almabschnitt gelangen wo ein Skycar wartete.
    Heute war es aber das meiste davon nicht nötig, wie bisher immer.

    Bekka ging zu einem der Waffenregale und entnahm je zwei schwere Pistolen mit Schulterhalfter.
    Eine gab sie an Rietta weiter, die den Halfter ebenso geschickt und vermutlich gelenkiger als ihre Mutter anlegte, die Waffe so sorgfältig überprüft wie sie es gelernt hatte und dann unter ihrer linken Achsel verstaute.
    Bekka nahm noch einen weiteren Gürtel, der von vorne unauffällig war, am Rücken aber eine Montur besaß für eine weitere Waffe. Unter dieser Montur, die ein bisschen wie eine eigene Gürtelschnalle aussah, stecken noch zwei altmodische kurze Kampfmesser. Sie nahm eine Maschinenpistole aus dem Schrank, prüfte sie, sicherte sie und ließ sie an ihrem Rücken, knapp über dem Po einrasten.
    „Ich nehme an sowas lustiges bekomme ich nicht?“
    „Große Mädchen, große Spielzeuge.“
    „Ich bin ein großes Mädchen.“ Erwiderte Rietta so schnell das Bekka einen Moment brauchte bis ihr eine Antwort einfiel.
    „Große Frauen, große Spielzeuge.“

    Rietta öffnete den Mund und Bekkas Finger schoss so schnell nach vorne um auf die Nase ihrer Tochter zu deuten das sie den Mund offen stehen ließ und keinen Muskel mehr rührte. Geschweige denn etwas sagte.
    „Wenn da jetzt ein anzüglicher Kommentar rauskommen sollte, schluck ihn runter.“ Drohte sie, wenn auch mit einem Lächeln im Mundwinkel.
    „Wäre mir nie. Nie. Nieeee eingefallen.“ Versicherte Henrietta und gab sich kaum Mühe ihre Lüge zu verbergen.
    Bekka kniff die Augen zusammen und ließ den Finger auf die Nase ihrer Tochter gerichtet.
    „Nicht Frech werden.“
    „Zu spät?“

    „In der Tat.“ Bekka drehte sich um und nahm zwei Omnitool Armreifen aus dem Schrank. Einen reichte sie Rietta. Diese schlug ihn um ihr linkes Handgelenk und ließ sofort die Omniklinge aufschnappen.
    Mit einer leichten Handbewegung verschwand diese dann auch so gleich wieder. Sie nickte ihrer Mutter zu. Die mit einer ähnlichen Bewegungsabfolge ihre geprüft hatte.
    „Gut, dann wollen wir mal.“
    Gemeinsam stiegen sie wieder die Treppe empor und verließen das Haus durch die Vordertüre, die Rebekka ordentlich verschloss und mit einem weiteren Code das Sicherheitssystem scharf schaltete. Mit wenigen Schritten waren sie drüben bei der Garage, die sie in einem der früheren Nebengebäude des Hofes, in dem vermutlich mal das Heu gelagert worden war, eingerichtet hatten.

    Dort hatten sie an dem Roller gebastelt und später an Bekkas Caterham. Hier standen auch die Landwirtschaftlichen Maschinen und Anhänger. Sowie das altertümliche Familienauto und das moderne Skycar. Hier im Tal waren die alten Elektroautos beliebt aus dem frühen 21 Jahrhundert als die Menschen sich von den Verbrennungsmotoren getrennt hatten, bis auf wenigen Liebhabermodelle.
    Und so stiegen beide in den alten, aber gut gepflegten Elektrowagen. Henrietta öffnete mit einem Befehl über ihr eigenes Omnitool das Tor und Bekka steuerte den Wagen aus der Garage vom Hof und hinaus auf die Straße in Richtung des Tales und damit zur Schnellstraße die in wenigen Minuten sie in die Stadt bringen würde.

  5. #5
    ME-FRPG only Avatar von Konrad_Richter
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    Einen Fuß vor den anderen, langsam und stetig… Konrad schnaufte ganz schön, als er sich die letzten Meter des geschotterten Weges hinauf quälte, dabei die Vormittagssonne im Nacken spürte und erbärmlich schwitzte. Endlich hatte er es geschafft, an der Spitze des ehemaligen Weinberges anzukommen und tief durchzuatmen. Er war wahrlich außer Form. Etwas wehleidig dachte er an die Verfolgungsjagden zurück, die er sich als Streifenbeamter der Sec geleistet hatte… Er war aus Bequemlichkeit mittlerweile dazu umgestiegen, das Gegenüber mit einem gezielten Faustschlag auf die Latten zu schicken und damit jeden Fluchtversuch bereits im Keim zu ersticken. Wie er schon auf der Hinreise treffend bemerkt hatte: Der Zahn der Zeit nagte an ihm und die Arbeit, die für seinen Geschmack viel zu sehr vom Schreibtisch geprägt war, tat ihr übriges. Konrad beeilte sich jedoch, dieses Gejammer zu beenden und sich auf das zu konzentrieren, was vor ihm lag. Während nämlich in den Großstädten, und dazu gehörte Bozen mittlerweile zweifelsohne, die Spuren der Verwüstung, die der Reaperkrieg hinterlassen hatte, mehr und mehr in den Hintergrund rückten, so war die Schlacht der Schlachten umso präsenter, je mehr man aufs Land hinaus fuhr. Natürlich gab es auch in den Städten noch Ruinen und ganze Viertel, die in Schutt und Asche gelegt waren, doch die Zentren des öffentlichen Lebens waren den Umständen entsprechend wieder einigermaßen hergerichtet worden. Genau so wie es ganze Landstriche gab, die völlig vom Reaperkrieg verschont geblieben waren. Hier draußen allerdings sah das ganz anders aus: Unzählige Krater von Einschlägen orbitalen Bombardements, zerfurchte Äcker, die mitnichten fruchtbar aussahen, viel Ödland, das nur hier und da durchzogen war von einzelnen Landstrichen, die rekultiviert worden waren… Es war nicht zu übersehen, dass dieser Planet vor einem Jahrzehnt noch kurz vor der Auslöschung stand. Während sich in Konrads Rücken, dem Tal, wo er sich durch einen Weinbauern hatte absetzen lassen, der menschliche Erfindergeist und die Hartnäckigkeit dieser Rasse im Umgang mit kosmischen Katastrophen von seiner besten Seite zeigte, so war mit einem Blick in das vor ihm liegende Tal klar, wieso die Menschen auch heute noch diesen Landstrich mieden: Das Wrack eines Reapers. Es war ein eher kleineres Exemplar gewesen, in etwa so groß wie ein Hochhaus und vermutlich dazu eingesetzt worden, den Luftraum südlich des Brenners zu beherrschen. Den Wracks und Trümmerteilen nach zu urteilen, die man in den letzten zehn Jahren noch nicht beseitigt hatte, gelang dem Ding diese Aufgabe auch bestens, ehe man es vermutlich in einer koordinierten Operation aus Boden-, Luft- und Weltraumtruppen gemeinsam zerstören konnte. Neben dem zerstörten Reaper lagen auch allerhand Shuttletrümmer, ausgebranntes Großgerät der galaktischen Armeen und sonstige kleinere Wracks herum, die auch ein Jahrzehnt nach der Entscheidung noch die Erinnerung frisch und wach hielt.

    Der staubige Boden, der Konrad irgendwie an Asche denken lies, knirschte unangenehm unter seinen Füßen, als sich der ehemalige Polizist und Geheimagent am Fuße des Weinbergs zwischen den Trümmerteilen hindurch bewegte. Dieser Ort hatte etwas von einem Friedhof, war er doch im Gegensatz zu dem grünen Tal, von wo Konrad aufgebrochen war, von einer gespenstischen Stille erfüllt. Es war, als ob die Vögel und sogar der Wind in diesen Gefilden andächtig schwiegen. Konrad war neben irgendeinem kleineren Wrackteil in die Hocke gegangen, hatte es oberflächlich begutachtet, wobei er es mit einem Stift bewegt hatte, ehe er feststellte, dass es für seine Zwecke uninteressant war und er sich wieder erhob. Langsam glitt sein Blick über das Szenario, von einem ausgebrannten Mako über ein abgestürztes Shuttle bis hin zum Reaper selbst, der wohl dem äußeren nach zu urteilen der Sovereign-Klasse angehört hatte.
    „Das macht doch keinen Sinn“, murmelte Konrad und steckte den Stift wieder ein. Anblicke wie dieser waren ihm nicht fremd. Einige Zeit nachdem Neska ihn für Nevermore gewonnen hatte, einer Stay-Behind-Organisation zur Bekämpfung von Cerberus-Aktivitäten innerhalb der Allianz, war Konrad als Doppelagent in die Flotte eingeschleust worden. Im Zuge des Reaperkrieges war er dann Teil sogenannter Weapon Intelligence Teams, deren Aufgabe es war, anhand durch den Feind eingesetzter Waffensysteme sowohl dessen Arsenal zu analysieren, als auch seine operativen Möglichkeiten und damit seine taktischen Grundsätze aus geschlagenen Kämpfen abzuleiten. Die Erfahrungen, die er dort gesammelt hatte, waren zahlreich und halfen ihm, das einzuordnen, was er hier am Fuße des Tiroler Weinberges sah. Alle Wracks waren entmilitarisiert, was bedeutete, dass die Waffen demontiert oder unbrauchbar gemacht worden waren, sämtliche Terminals und andere Hardware ausgeschlachtet worden waren und noch vorhandene Gefahrstoffe wie etwa Sprengstoff ebenfalls beseitigt worden waren. Der Reaper war durch das Signal des Crucible ohnehin zerstört worden und nach allem, was man wusste, ging von den Dingern keine Gefahr mehr aus. Den örtlichen Carabinieri genügte es, hier einmal pro Schicht vorbei zu fahren und einen flüchtigen Blick aus dem Fahrzeug zu werfen, ob man irgendwelche Streuner erkennen konnte. Konrad zog die Nase hoch. Wieso sollten sich hier also irgendwelche Cerberusspinner herumtreiben?

    Das war aber genau, was sein Auftraggeber vermutete. In dem Briefing, das Konrad in gebotener Diskretion erhalten hatte, war die Rede davon gewesen, dass eine ganze Menge hinweise darauf deuteten, der Reaper würde durch bisher Unbekannte genauer unter die Lupe genommen. Das alleine würde noch kein besonderes Aufsehen erregen, schließlich waren Reaperwracks Hotspots für Plünderer, Kriminelle oder einfach nur neugierige Teenager, die Geschichte zum Anfassen erleben wollten. Doch dieses Mal schien es anders zu sein. Konrad wusste zu wenig, um belastbare Aussagen zu liefern, aber genug, um sich sein eigenes Bild zu machen, das tatsächlich fundiert war. Das genügte ihm für den Moment auch. Der geschulte Blick huschte bei dem Versuch über den Reaper, irgendwelche Beobachtungsposten auszuspähen, doch vergeblich. Es gab keinerlei Anzeichen von irgendeiner Aktivität rund um den Reaper herum – und Konrads Instinkte meldeten sich. Er umrundete den Reaper, der bei seinem Absturz bäuchlings aufgeschlagen war und dabei der Länge nach einen Graben in die Erde gezogen hatte. Als Konrad am Heck angelangt war, ballten sich seine Hände für einen Moment zur Faust, ehe er nonchalant seine Pistole zog. Das Heck war durch starken Beschuss durchlöchert worden, die eine stockfinstere Dunkelheit zum Vorschein brachten und das Innere des Ungetüms nur erahnen ließen. Viel wichtiger waren jedoch die Skybikes, die im Schatten des Wracks geparkt neben den mannshohen Löchern abgestellt waren. Schwarz lackiert, ohne Kennzeichen und ein handwarmes Abdeckblech über den Antrieben… Konrads Instinkte hatten ihn nicht getäuscht. Der ehemalige Polizist legte den Kopf in den Nacken und atmete genervt aus.
    „Bitte lass es nur irgendwelche Punks sein“, murmelte er, wohlwissend, dass es nicht so sein würde, und tauchte schließlich mit erhobener Waffe ins Dunkel des Reapers hinein.

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