Die letzten Meter zu den Wartungspods hatte Valerie in einem Kurzsprint hier sich gebracht und war bereits in ihrer Zielkabine Nr. 5 verschwunden, als der Mech hinter ihr sein zerstörerisches Potential entfesselte. Im Nachhinein erschien es ihr als einen absoluten Geniestreich den Mech umzuprogrammieren. Die Aktion erkaufte ihr nicht nur eine Menge Zeit, sondern demonstrierte auch dem Personal von Corefield das mit ihr nicht gut Kirschen essen war. Das nun das schwere Donnern seiner Minigun durch den Hangar hallte war für sie nur eine Art glorreiche Siegesfanfare für ihren spontanen Geistesblitz.
Der Gedanke an die verdutzten Gesichter der Wachmänner in dem Moment, in welchem sie ihr bevorstehenden Verhängnis realisierten zauberte ihr ein Lächeln auf das, von ihrer Maske nach wie vor verdeckte, Gesicht.

"Okay, ich bin in Nr. 5. Beam mich runter Scottie."
Die Hackerin brauchte einen Moment um nach all der Aktion wieder zu Atem zu kommen, daher keuchte sie ihre ersten Worte mehr in ihr Komm als dass sie, sie wirklich aussprach. Nichtsdestotrotz setzte sich die kleine Kabine in Bewegung. Das Adrenalin hatte sie zwar kurzzeitig beflügelt, aber im Tausch für den Rausch bestrafte sie nun ihre Lunge mit einem gemeinen Brennen für die Athletikeinlage.
"Also Aileen, wie ist die Lage?"
"Mehrere Wachen sind alarmiert und durchsuchen die Anlage nach dem Eindringling, Mr. Visconti."
"Gut. Kannst du die Mechs vom Außengelände abziehen und zur Hilfe bei der Evakuierung beziehungsweise der Suche nach dem Eindringling abstellen?"
"Selbstverständlich. Ist bereits erledigt."

Als sich der Pod nur Sekunden nach dem Start bereits auf der Wartungsebene wieder öffnete, traute Val zunächst ihren eigenen Augen nicht. Die 'Werkstatt' spottete ihrer Beschreibung in jeglichem Maße. Sie war riesig. Verdammt riesig und gleichte eher einer abstrakten Verschmelzung einer Montagehalle und eines Roboterfriedhofes. Vor ihr offenbarten sich in dem Raum diverse, meterhohe Regale, gefüllt mit Wartungsteilen jeglicher Art; Mecheingeweide. Hier gab es wirklich nichts was es nicht gab. LOKI Schädel thronten über YMIR Armen und Beinen, verschiedenste Optiken aller Baureihen, entweder beschädigt oder noch darauf wartend das man sie endlich einbaute, starrten seelenlos zu ihr herab.
Sie hatte zwar keine wirkliche Erklärung dafür, aber es fühlte sich einfach auf sehr befremdliche Art und Weise falsch an hier zu sein, als ob sie die Totenruhe dieser Roboter gestört hätte.
An Ketten hingen einige skeletierte LOKI's von der Decke herab und unter dem höchsten Punkt der Halle hatte man begonnen einen ATLAS zusammen zu bauen, der sich bereits in einem halb fertiggestellten Zustand befand. Je länger sie darüber nachdachte, desto surrealer stellte sich ihr die Werkstatt da. Dies war kein wirklicher Wartungsbereich, sondern erschien ihr viel eher wie eine Produktionskette, die in der Lage wäre eine ganze Roboterarmee aus dem Boden zu stampfen.

Vorsichtig schritt sie aus dem Transportpod und ganz kurz flimmerte die Deckenbeleuchtung weiß auf, bevor sie mit einem tiefen und schweren Seufzer den Dienst quittierte. 'Na wunderbar!', dachte sich Valerie.
Sie blieb also erst einmal wieder stehen und lies ihren Blick noch einmal sorgfältig durch die Halle schweifen, doch alles blieb so ruhig wie es ihr erster Eindruck ihr auch vermittelt hatte. Toten still.

Langsam richtete sich die Hackerin auf und versuchte sich zu entspannen. Sie schritt auf eines der Regale zu und befühlte mit ihren Händen einige der LOKI Köpfe. Manche wiesen heftige Verbrennungen oder sogar etwas, das an Schusswunden erinnerte, auf. Vor einem besonders beschädigten Modell blieb sie dann allerdings stehen und holte es hervor.
Den Roboter hatte man ganz schön in Mitleidenschaft gezogen. Die linke Gesichtshälfte war fast komplett verbrannt und an einigen Stellen bis zur Unkenntlichkeit geschmolzen. Die rechte Seite hatte deutliche Spuren von roher, stumpfer Gewalt aufzuweisen, ganz so als ob ihn jemand mit einem Rohr oder Baseballschläger bearbeitet hätte. Nein, eher einer Explosion ausgesetzt hatte! 'Armer Kerl.', behutsam legte sie den Schädel wieder an seinen Platz zurück.

"Mr. Visconti."

Vor Schreck fuhr Val auf der Stelle herum, ihr Herz blieb eine halbe Sekunde stehen und ein Schauer jagte durch ihren gesamten Körper, von den Zehen bis zu letzten Haarspitze. Doch da war niemand. Dann realisierte ihr Hirn wer da gesprochen hatte.

"Meine Güte Aileen, du kannst mir doch nicht so einen Schrecken einjagen!", wies sie die VI zu Recht.
"Ich bitte um Entschuldigung, Sir, aber einige Mechs sind auf dem Weg zu ihnen. Scheinbar befindet sich der mutmaßliche Eindringling ebenfalls auf dieser Ebene."
"Scheiße." Das lies sie erst einmal so stehen.
Valerie hatte vor Bewunderung und Neugierde über die Anlage hier unten komplett die Zeit und die Tatsache das sie auf der Flucht war, vergessen. Am anderen Ende der Halle konnte sie erkennen wie das Rolltor, welches auf das Außengelände führte, sich öffnete und etwas mehr als eine Hand voll LOKI Mechs willkommen hieß. Fast Zeitgleich hörte sie hinter sich ein scharfes Zischen, das von den verbliebenen Wartungspods verursacht wurde, die sich gerade ihren Weg hinab bahnten.

Für die Hackerin galt es nun also schnell zu handeln oder alles, was sie zuvor erreicht hatte, wäre umsonst gewesen. Mehr aus Reflex, als wirklich überlegt, versteckte sie sich zwischen den Regalen um sich im schlechtesten Fall wenigstens erst einmal ein wenig Zeit zu erkaufen. Plötzlich erschien ihr das Versagen der Beleuchtung von zuvor gar nicht mehr so zufällig wie zunächst angenommen, irgendjemand vom Wachpersonal musste wohl sehr schnell geschalten und ihren Fluchtplan durchschaut haben, nach dem sie in der Nische des Hangars verschwunden war.

"Die Polizei von Elysium ist nun ebenfalls informiert und befindet sich bereits auf dem Weg, Mr. Visconti."
'Oh wow, klasse, richtig super, das wird ja langsam immer besser. Wahrscheinlich stolpert gleich auch noch Shepard persönlich hier rein...'

Tatsächlich waren die LOKI's auf die Dunkelheit vorbereitet worden und durchkämmten die Werkstatt mit eingebauten Scheinwerfern. Systematisch durchwälzten sie jeden Quadratmeter des Geländes. Gut nur das Valerie mit den typischen Werksroutinen der Mechs bestens vertraut war. Sie hielt jedoch nichts desto trotz einen Sabotagehack auf ihrem Omnitool bereit und bewegte sich dann vorsichtig, aber stetig, in Richtung des Rolltores.
Die Blechbüchsen würden zunächst erst einmal alles in unmittelbarer Nähe der Wände absuchen, da Menschen in tiefster Dunkelheit dazu neigen sich eine Wand zur besseren Orientierung zu suchen. Dank ihrer mitgebrachten Geräte und Expertise war dies jedoch für sie nicht nötig. So führte sie ihr Weg bis in die Freiheit also mitten durch eine Schwadron LOKI Mechs, vorbei an dem beinahe vollendeten ATLAS Monstrum und entlang stiller Beobachter, die absolut Still in ihren Ketten von der Decke hingen.
Nur wenige Meter trennten sie noch von der Außenwelt als es urplötzlich neben ihr piepte. Instinktiv reagierte Val und drehte sich auf der Stelle zu dem Geräusch und feuerte ihren Hack ab. Krachend und, wie von Krämpfen geplagt, zuckend fiel der Roboter zu Boden. Seine Optiken färbten sich von dem Angriff getroffen orange, equivalent zu den Augen eines Menschen, die nach hinten rollten und so das weiße offen legten, wenn man ihn mit einem Taser traf.

Ihr Angriff blieb jedoch nicht unbemerkt. Wild durcheinander schnatternd wendeten die anderen Mechs und stürmten zu der Position, an der Valerie eben noch ihren Kollegen auf die Bretter geschickt hatte. Die Frau hingegen zögerte nicht und offenbarte nun ihre übernatürlichen Kräfte. Für einen kurzen Augenblick konzentrierte sie ihren Willen in ihre Handflächen, stellte sich vor wie sie den bloßen Boden mit ihren Gedanken zerfetzte, bis ihre Hände vor Energie zitterten und von einem blauen Schimmer umgeben waren. Dann stieß sie beide Hände ruckartig nach vorn.

Die Schockwelle die sie entfesselte war gewaltig. Die ersten beiden Mechs wurden sprichwörtlich auseinander gerissen und ihre Einzelteile schossen wie Schrapnell in ihre Kameraden. Fünf weitere schleuderte es mit Ohren betäubendem Lärm quer durch die gesamte Halle und zerlegten in ihrer Flugbahn mehrere Regale, die lautstark zu Boden stürzten.
Noch während die blaue Energie durch den Raum schwappte und der Nachhall ihres Angriffes von den Wänden zurückgeworfen wurde, hatte Val selbst bereits auf dem Schritt kehrt gemacht und war nach draußen getürmt. In der Ferne konnte sie bereits die Sirenen hören und vor allem auch sehen. Es würde keine Minute mehr dauern bis die Polizei hier eintreffen würde, sie musste sich also sputen.
In einem enormen Tempo und auf ein Neues vom Adrenalin getrieben, hetzte die Frau nach vorne. Vorbei an dem original österreichischen Glasportal, dem kleinen Wachposten und dem Verteilergebäude. Die noch im Bau befindliche Lagerhalle lies sie ebenso links liegen, wie die Rufe des Sicherheitspersonals, das sich gerade hinter ihr aus den Büros schälte. Das man auf sie schoss bemerkte sie erst, als neben ihr eine Kiste buchstäblich zerfetzt wurde.
Vom puren Überlebenswillen, dem tiefsten aller Instinkte, getrieben, hechtete sie in eine der Baugruben. Sie stürzte. Irgendwie konnte sie sich mit der rechten Hand abstützen und konzentrierte ihre Biotik auf eine nach hinten ausgerichtete Barriere. Sie kämpfte sich wieder auf die Beine, die wie von selbst, sie einfach immer weiter nach vorne trugen. Sie lief und lief und lief. Irgendwann passierte sie den Zaun an dem sie das Gelände der Kornkammer betreten hatte. Nicht einen einzigen Gedanken verschwendete sie an die von ihr versteckten Chilidogs, sondern rannte stattdessen einfach immer weiter.
Sie war bereits ein gutes Stück von der Anlage entfernt als die Polizei dort eintraf.

Es roch bitter. Irgendwie rostig. Nach Bohnen und Kupfer. Als ob jemand Kaffee mit Blut statt Wasser aufgekocht hatte. Unbedingt wollte sie die Augen aufschlagen, doch dafür fühlte sie sich viel zu träge, erschöpft und müde. Beinahe so als ob sie tagelang einfach nur gelaufen wäre. Valerie konnte jemanden sprechen hören und obwohl sie sich absolut sicher war, das derjenige, der da sprach, seine Worte an sie richtete, klangen die Worte weit, weit entfernt. Wie wenn jemand durch einen Strohhalm versuchte ihr etwas ins Ohr zu flüstern.
Dann stellte sie sich die entscheidende Frage: "Bin ich tot?"

Selbst durch die geschlossenen Augenlider erkannte sie ein helles, weiß glimmendes Licht das direkt auf sie gerichtet zu sein schien. Ihre rechte Flanke fühlte sich seltsam taub an, wie eine Hand die man viel zu lange in kaltes Wasser getaucht hatte. Sie atmete lange ein, genoss das Gefühl frischer Luft in ihren strapazierten Lungen, bevor sie langsam und behutsam wieder ausatmete, ganz so als ob es ihr letzter Atemzug hätte sein können. Nein, jetzt war sie ganz sicher, sie lebte noch.
Da! Jetzt hörte sie es wieder. Das Flüstern. Doch diesmal war es lauter, deutlicher. Aber auch aufgeregter. Sie meinte zwei Menschen zu erkennen, einen Mann und eine Frau. "Es war auch langsam Zeit.", sagte er. "Ich glaube sie wacht auf.", antwortete sie.

Wie auf Kommando öffnete Valerie daraufhin die Augen, sie musste sicher gehen ob sich ihr Verdacht bestätigte. Das Licht blendete, sie musste mehrmals blinzeln bis sie ein klareres Bild bekam.
"Oh Gott Val, wir waren uns nicht sicher ob du es schaffen würdest." Irgendwoher kannte sie die Stimme. Schlanke Oberarme schlossen sich um ihren Hals und sie konnte Tränen auf ihrem Gesicht spüren.
"Ha! Du vielleicht, ich wusste das sie nicht aufgibt."
„Sa... Salome? Leon? Überrascht ihre Zieheltern zu sehen, nahm sie die Umarmung an uns schlang selbst ihre Arme um die hagere Frau.
„Was macht ihr denn hier? Wo bin ich überhaupt?“
„Du bist im Krankenhaus, Schatz. Ihr hattet einen Unfall.“
„Was?! Unfall? Wir? Ge... Geht es Adam gut? Was ist passiert?“ Unsicherheit aber auch Angst und vor allem Verwirrung begleiteten ihre Stimme bei jeder Frage.
„Du hattest riesiges Glück, Valerie.“, erklärte ihr der Vater in Spé. „Du wurdest von einem Metallrohr durchbohrt und hast dadurch verdammt viel Blut verloren.“
„Okay aber WIE? Und was ist mit Adam?!“ Ihre Worte zitterten, obwohl sie sich nach seinem Wohlergehen erkundigte, malte ihr Verstand bereits die Antwort aus.
„Ihr wart viel zu schnell unterwegs...“, nun war es wieder Salome die sprach, „Euer Wagen kam ins schleudern und ihr seid in eine Baustelle geraten. Adam... er hatte nicht so viel Glück wie du; er hat es nicht geschafft. Es tut mir Leid Val, ich weiß was er dir bedeutet hat.“
„Nein! Absolut unmöglich!“ Sie schüttelte energisch den Kopf und stieß die ältere Frau unüberlegt hart von sich, „Ihr lügt mich an! Ihr habt ihn nie gemocht und wollt mich reinlegen! Lasst mich sofort zu ihm!“

Unter enormen Schmerzen kämpfte sie sich aus dem Bett, ihr Oberkörper brannte höllisch, dort wo das Rohr sie getroffen hatte. Jetzt da sie sich aufgerichtet hatte konnte sie auch den Verband sehen und realisierte warum es nach Blut gerochen hatte. Es kostete sie einiges an Bemühung überhaupt auf die Beine zu kommen, geschweige denn zu stehen und so stürzte sie nach gerade einmal ein oder zwei Schritten wieder zu Boden.
„Val...!“ Leon versuchte sie zu stützen, doch sie stieß auch ihn von sich, hätte beinahe vor Wut und Schmerz ihre Biotik benutzt.
„Fass micht nicht an!“, brüllte sie ihn von Hass befeuert an. Der Wutausbruch beflügelte sie wie eine Droge, gab ihr neue Kraft und sie zwang sich zurück auf die Beine.
„Jetzt sei doch bitte vernünftig.“, versuchte ihre Ziehmutter die junge Frau zu beruhigen. „Er ist tot! Verstehst du? Tot! Unwiederbringlich!“
„Nein... Nein... Das kann nicht sein. Es kann nicht. Es darf nicht.“ Vor dem Krankenbett fiel Valerie auf die Knie und brach in Tränen aus, „Wir haben gestritten, versteht ihr? Ich habe ihm gesagt das ich ihn hasse... Das dürfen nicht die letzten Worte sein die er von mir hörte...“
Die beiden richteten sie wieder auf und setzten sie auf die Kante des Bettes. Fürsorglich strich ihr Salome über die Wange, wischte die Tränen mit einem Tuch davon, während Leon ihr einen Schluck Kaffee einflösste.
„Denke jetzt bitte zuerst an deine Gesundheit. Du bist noch verwirrt und verwundet. Leg dich wieder hin, in ein paar Tagen geht es dir besser.“
Sich wiedersetzend schüttelte sie erneut den Kopf.
„Er ist noch da draußen. Er lebt! Ich weiß es!“