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Thema: Effect Zone

  1. #41
    ME-FRPG only Avatar von Keel'o Vaelsha
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    <-- UWG – Raumkreuzer Progress
    17:33 Uhr


    „Und ihr zwei glaubt, diese Püppchen helfen euch weiter?“ Megan klang wenig überzeugt, als sie mit Keel’o und Zak das Shuttle verließ, das das Trio zur Effect Zone gebracht hatte. Wenn man so darüber nachdachte, dann war ihr Zweifel auch verständlich, schließlich war es eine sehr dünne Verbindung – doch es war die einzige, neben der Tatsache, dass beide Leichen Quarianer waren. Wie Keel’o so aus dem Shuttle stieg, um ihn herum die staubige Hitze Omegas, gegen die die Kühlsysteme seines Anzugs ankämpften, da fühlte er sich wie einer dieser Detektive, die in großen Erzählungen der Menschen Gangsterbosse jagten, Trenchcoats trugen und rauchten. Die Tatsache, dass er selbst keine weiße Weste hatte trübte diese Fantasie keineswegs.
    „Ja“, erwiderte Zak monoton und steckte sich dabei eine Zigarette an, beinahe als ob er die Gedanken seines quarianischen Freundes gelesen hatte. Megan schnaubte, erwiderte sonst jedoch nichts. Solange sie bezahlt wurde, war sie wohl mit allem zufrieden. Diese Frau war ein Rätsel für Keel’o, denn um mit einer solchen Einstellung aufrecht durch die Galaxis schreiten zu können, musste man sich sein Gewissen aus der Seele geschnitten haben. Genau das, was man auf Omega brauchte. Mit einem Zischen öffnete sich die Tür am Haupteingang und Keel’o zog etwas überrascht die Augenbrauen nach oben. Er war nicht oft hier, aber die Abende hatte er den Laden wesentlich voller in Erinnerung. Natürlich, es war eine merkwürdige Zeit, ein Etablissement wie dieses aufzusuchen, doch auf Omega war sonst eigentlich immer etwas los. Im Moment jedoch wurde die Tanzfläche gereinigt und lediglich eine Handvoll Gäste saß an der Bar, während das restliche Personal mit Vorbereitungen verschiedenster Art beschäftigt war. So sah also ein Club außerhalb der regulären Öffnungszeiten aus… Yviela musste ihn wohl in einem ganz anderen Licht kennengelernt haben.


    Das Mädchen kam nicht aus dem Staunen raus. Im Eingangsbereich war sie stehen geblieben und drehte sich noch immer im Kreis, während um sie herum die Massen in den Club strömten, wie Gläubiger in einen Tempel – mit dem Unterschied, dass hier die wuchtigen Bassboxen darauf warteten, ihre Seelen zu fangen.
    „Wow“, wäre wohl das einzige, was sie zu sagen hatte. So war es Rin gegangen, so war es Keel’o gegangen, so ging es wohl jedem Quarianer, der zum ersten Mal die konservative, geordnete Enge der Flottille verlassen hatte, in der jeder seinen Platz und seine Funktion hatte. Ungeordnetes, kreatives und vor allem betrunkenes Chaos konnte mächtig Eindruck bei einer solchen Kindheit hinterlassen. Keel’o folgte in seiner unsichtbaren Beobachterrolle dem jungen Mädchen, wie sie mit der Masse von der Garderobe zur Bar glitt und sich dort niederließ. Die Radiocharts waren ersetzt durch dröhnende Partyhits, die gerade auf Omega die Runde machten und beiläufig bemerkte Keel’o dabei, dass es sich um dieselben Stücke handelte, die er sich gestern noch gekauft hatte. Sein Unterbewusstsein griff also zu Trick Siebzehn, eine Tatsache, die ihn amüsiert schmunzeln ließ.
    „… aber mit etwas weniger Alkohol.“ Das helle, beinahe kindische Lächeln ließ ihn seinen Fokus wieder gewinnen. Sie hatte sich gerade einen Drink bestellt. Keel’o verzog das Gesicht, ihm war nun wirklich nicht nach Alkohol.
    „Ein toller Laden, nicht?“ Mit wem sprach sie? Nicht mit ihm, das war unmöglich. Vielleicht mit der anderen Leiche. Vielleicht hatten sie sich an diesem Abend gesehen, vielleicht waren sie sich über den Weg gelaufen. Vielleicht, vielleicht. Zu viele Variablen, ein Umstand, der Keel’o nervös machte. Er bevorzugte Ordnung, feste Bahnen, nach denen etwas verlief. Keel’os Lächeln erstarb mit einem Wimpernschlag, als er neben ihr auf dem Tresen die Figur ausmachte, die er bei ihr gefunden hatte. Er schluckte, sah ruckartig von ihr zu der Gestalt, die sich neben ihr aufgebaut hatte und die ihre schwarzen Klauen, ja, es waren Klauen, um ihre Hüfte legte. Er wollte sich bewegen, ihr helfen, sie am liebsten mit sich reißen und ihr das Ticket zur Citadel zahlen, doch er war in Stasis – unbeweglich. Hilflos. Ausgeliefert. Er hatte die Chance, ihr unberührtes Leben zu retten und er hatte versagt.



    „Komm!“ Keel’o schreckte auf und sah in Megans Gesicht, die gegen das Visier seines Helms geklopft hatte. „Schlaf hier nicht ein, Dornröschen.“
    Er schüttelte den Kopf und folgte ihr zu Zak, der bereits ein wenig vorgegangen war und der sich mit einer Asari-Barkeeperin unterhielt, ihr dabei eine der Figuren zeigte.
    „… den findet ihr hinten“, meinte sie und deutete hinter sich, während sie ein Glas polierte, „macht die Dinger selber, glaub ich. Nerd und ein ziemliches Arschloch, wenn du mich fragst.“ Zak nickte und winkte Keel’o schließlich zu sich. Sie gingen durch eine Tür in den hinteren Bereich, der sonst nur dem Personal vorbehalten war und wo die eigentliche Arbeit des Clubs zu erledigen war: das Getränkelager, ein Büro, Abstellkammern. Ein ganz anderes Gesicht der Effect Zone kam hier zum Vorschein, doch Keel’o war nicht zum Feiern hier.
    „Klingt nicht nach jemandem, der Mädchen abschlachtet“, raunte Megan und warf sich einen Kaugummi in den Mund. Keel’o fragte sich, wie sie so gelassen sein konnte, schließlich konnte dieser Kerl etwas mit der Ermordung mehrerer Unschuldiger zu tun haben. Andererseits war sie wohl das, was sie selbst eine „abgebrühte Bitch“ nennen würde, also konnte man von ihr nicht viel Mitgefühl für andere erwarten.
    „Unscheinbar, die perfekte Tarnung für ihn. Vielleicht hat er doch etwas mit dem Mord an Yviela zu tun“, raunte Keel’o und sah zu Zak, der ihm seinerseits einen fragenden Blick zuwarf, „der Name der Jüngeren. Hatte ein Schreiben ihrer Eltern dabei.“ Er verstummte. Ihm war schon vorher aufgefallen, dass er nicht mehr nur von „der Toten“ oder „der Leiche“ sprach, sondern sie bei ihrem Namen nannte. Der Verlust ging ihm ungewöhnlich nahe und Keel’o wusste nicht so recht, weshalb oder wie er damit umzugehen hatte. Er war aber beruhigt über diese Tatsache. Sie zeugte davon, dass Omega es nicht geschafft hatte, ihn zu korrumpieren. Nicht ganz.
    „Keine voreiligen Schlüsse“, mahnte Zak und blieb vor einer der Türen stehen, „hier ist es. Lass mich reden, Keel.“ Mit einem Knopfdruck öffnete sich die Tür und zum Vorschein kam ein kleines Kabuff, das mit allerhand Malerzubehör zugestellt war. Es glich vielmehr einer Werkstatt als einem Büro und überall waren Pinsel verschiedenster Art, Sprühdosen, Farbeimer und sonstiges Werkzeug verteilt, dessen Sinn und Zweck Keel’o nicht kannte. An einer Werkbank vor ihnen saß ein Quarianer, dessen Umhang komplett weiß war und der mit zahlreichen Farbklecksen verziert war. Keel’o schnaubte verächtlich, als er ihn so dasitzen sah. Hatte er wirklich mit den Morden zu tun? War er es, der seinesgleichen tötete? Falls ja, dann war er in Keel’os Augen ein Verräter und die Strafe für Verrat war der Tod. Der Maler sah nur flüchtig von dem Kunststoff auf, den er in der Hand hielt, ehe er den Pinsel wieder darüber strich. Es war eine dieser Puppen, die er da bemalte, doch Keel’o konnte nicht sehen, wen sie darstellen sollte.
    „Die Buchhaltung ist eine Tür weiter. Wenn euch die Gab´bors etwas schulden, dann müsst ihr dort reinpoltern.“ Die Gleichgültigkeit, mit der dieser Typ dem Trio entgegentrat, schürte nur den Zorn in Keel’o. Zak ergriff jedoch das Wort, bevor der Quarianer seinen Emotionen nachgeben konnte.
    „Wir sind kein Inkasso-Unternehmen, Junge“, sagte der Salarianer ruhig, aber bestimmt und stütze sich mit beiden Händen auf der Werkbank vor ihm ab, „wir sind wegen dir hier.“ Er stellte eine der Figuren vor ihm ab, sagte jedoch kein Wort, sondern wartete auf die Reaktion des Quarianers. Die dreifingrige Hand erstarrte in der Bewegung und ein leichtes Nicken war die einzige Bewegung seines Kopfes. Schließlich legte der verräterische Quarianer den Pinsel beiseite und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
    „Warum?“
    „Erzähl uns etwas über diese Figuren.“
    „Ich mache sie selbst. Den Kunststoff kann ich mit einem Laser bearbeiten, die Farben kriege ich in jedem Baumarkt. Die Chefs denken, das wäre eine nette Publicity und ich krieg meine Kohle, die ich brauche, um mir hier eine Wohnung und was zu Fressen zu kaufen. Kein Arschloch sucht mehr quarianische Techniker, die gibt es wie Sand am Meer, also musste ich etwas improvisieren.“
    „Und du verschenkst sie?“
    „Ja. Also, eigentlich nein. Man kriegt die mit zwei kleinen Schnäpsen. Super beliebt, keine Ahnung warum. Totaler Müll, wenn du mich fragst.“ Er machte eine kurze Pause, in der er die Hände faltete und in seinem Stuhl zu wippen begann. „Ihr wollt aber sicher nicht über diese Figürchen reden.“
    „Wie heißt du, Junge?“
    „Yuri“, erwiderte er und Keel’o horchte auf. Es war der Name auf dem Kärtchen.
    „Gut, Yuri. Ich und mein Freund haben heute zwei tote Quarianerinnen gefunden, die diese Püppchen dabei hatten. Du weißt nicht zufällig etwas darüber oder?“
    „Auf Omega sterben jeden Tag Leute“, erwiderte der Verräter ruhig, was sich jedoch mit dem Wippen biss. Keel’o wusste nicht, ob er das als Nervosität wegen einer möglichen Lüge interpretieren sollte oder ob es schlicht eine Angewohnheit des Jungen war. Er hätte ihm gerne einen der Farbeimer gegen den Schädel geschmissen. Irgendetwas hatte dieser Kerl an sich, was ihn immens unsympathisch machte, aber Keel’o konnte nicht sagen was.
    „Kennst du sie?“, fragte Zak direkter und zeigte ihm ein Hologramm der beiden über sein Omnitool. Der Quarianer verschränkte die Arme vor der Brust.
    „Vielleicht“, erwiderte er selbstsicher, „aber ich wüsste nicht, was euch das angeht.“
    „Wir haben bei ihnen eine Karte mit deinem Namen darauf gefunden“, brummte Keel’o und hielt das Stück Papier hoch. Der verräterische Quarianer sah zu Keel’o, dann zu Megan und schließlich wieder zu Zak. Er kleines Zucken durchfuhr seinen Körper und er legte dabei den Kopf ein wenig schräg, ehe er fortfuhr.
    „Waren zusammen hier. Die Kleine war süß, hab ein wenig mit ihr gequatscht und mir ihre Nummer geholt. Ihre Freundin, die Alte, war aber total zickig. Hat mir die ganze Zeit gesagt, ich soll mich verziehen und so. Vermutlich eifersüchtig, dass sie nicht angegraben wurde. Die sind tot?“ Zak nickte und der Quarianer zuckte mit den Schultern. „Hm. Ist sowieso nicht der richtige Ort für die beiden gewesen.“ Zak sah zu Keel’o, der dem Maler aufmerksam zugehört hatte. Die beiden kannten sich also schon vorher? Aber woher?
    „Was haben die beiden hier gemacht?“
    „Bist du dumm, Opa?“, erwiderte der Quarianer trotzig, „was macht man, wenn man in die Effect Zone geht? Richtig, saufen, vögeln und sich prügeln. Such‘s dir aus, ich hing denen nicht den ganzen Abend am Arsch.“ Keel’o machte einen Schritt nach vorne und war gerade dabei, seinen Mund zu öffnen, als Zak seine Hand hob und ihn so zurück hielt. Es war vermutlich besser so, denn sonst hätte er noch vieles bereut. Glücklicherweise hatten sie ihre Waffen am Eingang abgeben müssen, denn eine Schießerei mit dem Sicherheitspersonal wäre vermutlich das letzte, was das Trio jetzt gebrauchen konnte.
    „Ich nehme an, du hast sie danach nicht mehr getroffen.“
    „Richtig. Wollte mich mit der Kleinen eigentlich mal wieder treffen. Scheint wohl jemand was dagegen gehabt zu haben.“
    „Kennst du einen T-Bone?“ Der Quarianer zuckte, legte den Kopf etwas schief. Es dauerte etwas, ehe er antwortete.
    „Nein. Hat er die zwei auf dem Gewissen?“
    „In Ordnung, wir sind hier fertig“, sagte Zak und nickte Keel’o zu. Er drehte sich um, blieb jedoch mitten in der Bewegung stehen und fasste an das Earpiece, das er im Ohr hatte und mit einem Funkgerät verbunden war. Der Salarianer blinzelte ein paar Mal und blickte schließlich direkt in Keel’os Augen, als er antwortete.
    „Wir sind auf dem Weg; keiner macht irgendetwas, bevor ich nicht da bin. Er darf das Gebäude nicht verlassen“, er klopfte Keel’o auf die Schulter und verließ gemeinsam mit ihm und Megan das Büro, „T-Bone hat irgendetwas vor. Wir müssen jetzt zugreifen.“
    Wenn Sie mich fragen, dann fängt die ganze Geschichte hier erst so wirklich an.

    17:41 Uhr
    --> Industrieanlage West

  2. #42
    ME-FRPG only Avatar von Keel'o Vaelsha
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    21:39 Uhr


    Hastiger als er es eigentlich wollte war Keel’o aus dem Shuttle gestiegen, unmittelbar gefolgt von Zak und Megan, die ihn flankierten und ihm so ein Gefühl der Sicherheit gaben. Zweifelsohne war die Effect Zone aufgrund des Waffenverbots ein recht sicherer Ort – bedachte man doch die Umgebung, in welcher sie sich befanden –, doch zum einen war das Trio noch nicht in dem Club und zum anderen wären sie, wenn sie es denn wären, noch immer dem verheerenden Potenzial eines Omnitools in der richtigen Hand, sowie den beinahe gottgleichen Fähigkeiten der unzähligen Biotikern dieser Galaxis ausgeliefert gewesen. Keel’o hätte sich mit seinen mageren Biotik-Fähigkeiten und seinem Omnitool zwar die nötige Zeit erkaufen können, die Flucht zu ergreifen, sollte jemand ihn angreifen oder er schlicht in eine der zahlreichen Schlägereien geraten, die der Alkohol induzierte, aber er war mittlerweile lange genug auf Omega gewesen, um zu wissen, dass ein (oder in diesem Fall zwei) Ass im Ärmel die Chancen des eigenen Überlebens exponentiell anstiegen ließ. Krill hatte Lara und Farrheya mit dem zweiten Shuttle zurück zu Zaks Kreuzer gebracht, während das Trio umgehend zur Effect Zone aufgebrochen war. Es war zwar noch recht früh, doch es strömten bereits Massen durch die Pforte des Entertainment-Tempels unter batarianischer Fuchtel, der eigentlich alles bieten konnte, was ein des Kämpfens müder Abenteurer auf Omega wohl verlangen könnte: laute Musik, billiger Alkohol, noch billigere Mädchen und eine schier endlose Auswahl an Rauschmitteln sämtlicher Form und Farbe. Der flackernden Holo-Reklame, die mit ihren mannshohen Lettern direkt über dem Haupteingang angebracht war, konnte Keel’o entnehmen, dass dieser Abend wohl die sogenannten „Siege Nights“ einläuten sollte; es handelte sich um eine Serie von besonderen Events, die anlässlich der (wie der Name schon sagte) Belagerung Omegas, sowie der darauf gefolgten erfolgreichen Abwehr des Nebelparder-Clans Alkohol, Musik und – laut Aussage der Veranstalter zumindest – gute Laune noch billiger unter das Volk der Raumstation bringen sollte. Keel’o ließ seinen Blick über die Besucher der Effect Zone schweifen. Über Kroganer, die mit stolzgeschwellter Brust die Rüstung trugen, die sie vermutlich auch auf dem großen Träger im Kampfe getragen hatten und welche sie seitdem so wie es aussah auch nicht gereinigt hatten. Über Asari, deren finstere Mienen Erinnerungen beherbergten, welche sie heute zu ertränken gedachten. Über Turianer, die ihre Gesichtsbemalung in einer äußerst schrillen Farbe trugen oder den Ritus der Pallavianer gänzlich verballhornten, indem sie sich das in der gesamten Galaxis bekannte Symbol Omegas ins Gesicht gepinselt hatten. Über einen Haufen gesichtsloser Blue-Suns-Rüstungen, die eine Gruppe Eclipse-Söldner zu provozieren schien und doch aus irgendeinem wundersamen Grund scheiterten, eine Schlägere heraufzubeschwören. Keel’o schob es auf die Vermutung, der brüchige Waffenstillstand der drei Gangs Omegas könnte doch etwas länger halten, als er es zunächst für möglich gehalten hatte, aber vermutlich würden spätestens morgen wieder Köpfe im Namen der Bosse rollen. Zugegeben, es hatte ihn sehr erstaunt, dass die drei Banden angesichts der Bedrohung von außen ihre Differenzen beigelegt und ein Bündnis geschlossen hatten, doch dass es dazu einer Beinahe-Besetzung Omegas durch einen Haufen xenophober Faschisten bedurfte war eigentlich ein Armutszeugnis der Station für ihre soziale Kompetenz. Das Recht des Stärkeren würde sich alsbald wieder durchsetzen und skrupellose Händler würden die Gelegenheit haben, aus dem Leid der Armen und der Raffgier der Reichen Profit zu schlagen. Hobbes und Smith hätten Freudensprünge gemacht.
    „Wir müssen schnell zugreifen“, sagte Zak, der ebenfalls die Menge musterte, während das Trio in der Schlange vor der Garderobe stand. Es eine Garderobe zu nennen war eigentlich falsch, da dort eher Waffen als Mäntel abgegeben wurden, aber andererseits waren Schusswaffen auf Omega essentieller als Kleidung.
    „Wie machen wir’s?“, brummte Megan, die gerade ihre Schrotflinte einer Asari in die Hand drückte, „wir werden ihn schlecht am Kragen packen können und hier rausziehen.“
    „Wir werden die Effect Zone gar nicht verlassen“, murmelte Keel’o, den Blick noch immer auf die Besucher gerichtet, „improvisieren wir, Zak. Wie früher.“
    „Hm“, war das einzige, was der Salarianer antwortete. Der Zweifel war berechtigt, schließlich waren sie völlig unbewaffnet, Keel’os Tech- und Biotikfähigkeiten außen vorgelassen, doch blieb ihnen nichts anderes übrig. Sie wussten nicht, wie viele Freunde Yuri im Personal oder unter den Gästen hatte. Wer alles ein wachsames Auge auf den verräterischen Quarianer werfen würde. Wer unter Umständen damit beauftragt war, für dessen Sicherheit zu sorgen.
    „Seht ihr ihn irgendwo?“, fragte Keel’o und erntete ein Kopfschütteln seiner Begleiter.
    „Wir sollten uns aufteilen“, schlug Zak vor, „er wird sich wohl verstärkt in der Club Zone aufhalten, hier ist schließlich am meisten los.“
    „Gut. Misch du dich im unteren Bereich unter die Leute. Megan und ich werden von oben die Lage beobachten.“
    Zak nickte und verschwand sogleich hinter den breiten Schultern eines Kroganers, der sein Glück bei einer Asari versuchte. Keel’o sah ihm noch einen Moment nach, rieb dabei seine Finger etwas nervös aneinander. Viel hatte sich in den letzten Stunden geändert. Viel war ans Licht gekommen. Neue Perspektiven – dank T-Bone. Keel’o senkte seinen Blick. Der Tod des Kroganers ging ihm nicht nahe, obgleich er ein guter Geschäftspartner war, doch in einer gewissen Form berührte er ihn dennoch. Das Gefühl, die mächtige Pranke des Echsenaliens zu halten, in der eigenen, mickrig wirkenden Hand den Kopf des Sterbenden zu wiegen, während dieser unter bebendem Husten und mit einem blutüberströmten Gesicht um Absolution flehte, sich diese mit wertvollen Informationen verdient hatte… es war ungewöhnlich. Es fühlte sich nicht an, als ob er einen Widersacher verloren hatte. Nein, Keel’o kam sich vor, als wäre ein Verbündeter von ihm gegangen. Ein Freund. Er zog die Nase hoch und warf einen sehnsüchtigen Blick zur Bar. T-Bone jemals so zu nennen, das hätte er nicht gedacht. Er würde den stummen Assassinen finden und ihn an der höchsten Antenne Omegas aufhängen. Ihn ausbluten lassen dafür, was er getan hatte. Keel’o würde es nicht zulassen, dass dieses Versteckspiel noch lange weitergeht.
    „Komm, suchen wir uns eine Kabine“, murmelte er und stieg mit Megan die Treppe nach oben. Die obere Etage war nicht so stark besucht wie der untere Bereich, was daran lag, dass noch nicht so viele Gäste da waren und jene, die bereits die Hallen der Zone betreten hatten, wollten trinken und tanzen. Keel’o ließ sich in einem der Kokons nieder, während Megan die Holo-Karte mit den Getränkepreisen in die Hand nahm, welche auf dem Tisch des Kokons lag, und jene studierte.
    „Soll ich dir was mitbringen?“ Er schüttelte den Kopf und die Söldnerin machte sich mit einem etwas verwunderten Achselzucken auf den Weg zur Bar. Keel’o war nicht danach, zu trinken. Ihm war eigentlich auch nicht danach, hier zu sitzen und anderen beim Feiern zuzusehen, während er einen Verräter jagte. Er war leer, ausgehöhlt, ohne Motivation. T-Bone tot, das Blood Pack ihm auf den Fersen, Unbekannte, die ihn an der Nase herumführten. Andererseits hatte der stumme Assassine mit seinem Messerschnitt ein Feuer in dem quarianischen Infobroker entfacht, das in starkem Kontrast zu der emotionalen Leere stand. Er wollte nicht aufgeben, konnte eine Niederlage nicht hinnehmen.
    „Und? Schon Ideen für die Improvisation gesammelt?“, fragte Megan, die mit einer Bierflasche wiederkam und neben Keel’o in den recht bequemen Ledersesseln niederließ.
    „Dann wäre es ja keine Improvisation mehr“, witzelte Keel’o mit einem verbitterten Lächeln, ehe er ernst fortfuhr, „nein, noch nicht. Wir zerren ihn einfach nach hinten in seine kleine Werkstatt; dort können wir uns dann in Ruhe unter acht Augen unterhalten…“ Er sah zu Megan, direkt in ihre Augen. Sie nahm gerade einen Schluck aus der Flasche und sah zu ihm; wohl verwundert, weshalb er eine Pause machte. „… und wenn er nicht redet, dann schlage ich ihm sein verdammtes Visier ein.“ Megan lachte auf, woraufhin sie die Flasche hastig abstellen musste und ein paar Mal hustete, jedoch fing sie sich schnell wieder, als Keel’o sie mit seinem Blick fixiert hielt.
    „Oh mein Gott, du meinst das ernst“, raunte sie schließlich und das Lächeln verschwand langsam von ihren Lippen, wandelte sich dabei zu einem milden Schmunzeln. Auch wenn er dieses Visier trug, was ihr keinen Einblick in seine Mimik gab, so reichte sein bestimmter Blick wohl aus, um sie von der Ernsthaftigkeit seiner Worte zu überzeugen. Wenn die Drei heute diesen Laden verlassen würden, dann nicht ohne irgendeine Information in der Hand zu haben; und nicht, ohne Yuri ein wenig leiden gelassen zu haben.
    „Selbstverständlich. Wir werden ihm aber zumindest etwas antun“, erwiderte Keel’o überzeugt und sah von seinem Kokon wieder hinunter auf die tanzende Masse. Es war, als ob sich ein weites Meer unter ihnen erstreckte, dessen sanfte Wogen überhaupt nicht im Einklang mit den schnellen, intensiven Partyhits waren, die aus den großen Lautsprechern der Club Zone dröhnten. Keel’o hatte noch nie ein Meer mit seinen Augen gesehen, es sei denn, man zählte den See des Präsidiums als solches.
    „Dazu müssen wir ihn aber erst noch finden“, murmelte Megan, ehe sie einen weiteren Schluck Bier nahm. Keel’o erwiderte nichts. Seine Augen waren voll und ganz auf die Menge unter ihnen fixiert, ob er nicht irgendwo einen quarianischen Umweltanzug ausmachen konnte – was nun wirklich nicht besonders schwer war, zumal ohnehin nicht viele Quarianer nach Omega kamen und sollte sich eine unglückliche Seele hierher verirren, so würde man sie bereits auf zehn Meilen hervorstechen sehen – doch Keel’o schien vom Glück verlassen zu sein, war doch nirgendwo der verräterische Quarianer auszumachen. Er knirschte mit den Zähnen, zwang sich aber dazu, ruhig und konzentriert zu bleiben. Er bemerkte dabei gar nicht die etwas unangenehme Stille, die sich zwischen ihm und Megan ausgebreitet hatte. Einzig Zak, der mit einem kurzen Funkspruch meldete, nirgendwo einen Quarianer zu sehen, unterbrach diese für einen kurzen Moment. Megan schien damit nicht so recht zufrieden zu sein.
    „Also… du bist ein Biotiker, huh?“, fragte sie und Keel’o warf ihr einen flüchtigen Blick zu, ehe er wieder auf die Tanzfläche sah.
    „Mhm.“
    „Wie ist es passiert?“
    „Lange Geschichte“, war die einzige Antwort, die er Megan angedeihen ließ, woraufhin er einen sanften Schlag auf den Oberschenkel erntete. Verwirrt sah er wieder zu Megan, die ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue musterte und den Kopf schüttelte.
    „Während wir hier warten, kannst du mir auch ruhig ein wenig über dich erzählen“, nörgelte sie, „die Ablenkung könnte dir gut tun. Du weißt schon, ein wenig quatschen und so…“ Er sah zu ihr. Megan hatte den Kopf gesenkt. Sie schien das Etikett ihrer Flasche zu lesen, wobei er eher glaubte, dass sie das tat, um sich von der Stille zwischen den beiden abzulenken. Während er sie musterte, dabei noch immer schwieg, strich sie sich eine Strähne aus dem Gesicht, ehe sie aufsah und den Blick erwiderte, mit dem er ihre Gesichtszüge musterte.
    „Du hast recht“, krächzte Keel’o nach einigen Momenten der Stille. Megan war in Ordnung, fand er, und etwas anderes als Warten war im Moment ohnehin nicht drinnen. Er lehnte sich zurück in dem Sessel und legte seinen linken Arm auf der Rückenlehne ab, während er mit den Fingern der rechten Hand im Rhythmus der Musik leise auf dem Tisch trommelte. Megan hatte ihre Unterarme auf dem Tisch abgestützt, die Hände dabei stets an der Bierflasche, wie um eine Waffe, die jederzeit gezückt werden musste, und blickte ihn über ihre Schulter an. Es fühlte sich beinahe so an, als ob sie sich schon seit einer Ewigkeit kannten, wie sie so hier saßen und miteinander plauderten.
    „Also? Ich wusste gar nicht, dass es sowas wie Biotiker bei euch laufenden Schüsseln gibt.“
    „Es ist eine Rarität“, erwiderte Keel’o und ein gedankenverlorenes Lächeln umspielte seine Lippen, als er wieder an seine Kindheit zurückdenken musste, damals auf der Flottille. An Mutter, wie sie ihn stets wie ihren Augapfel hütete – erst Recht nach der Operation, die sie an ihm durchgeführt hatte und welche zwangsläufig zu einem Fieber geführt hatte. Nichts weltbewegendes, keine ernste Krankheit oder dergleichen, aber ihre mütterlichen Instinkte hatten sie anders denken lassen. Keel’o war, als würde der Club um ihn herum hinter meterdicker Watte verschwinden, je mehr er sich an seine Kindheit zu erinnern versuchte.
    „Meine Mutter…“, begann er, pausierte dann jedoch sogleich wieder; noch immer dabei, nach Worten zu suchen, die seiner Erzählung gerecht werden würden, „sie ist Ärztin auf der Rayya, dem Schiff auf dem ich zur Welt kam.“
    „Ah. Dort wurde doch auch diese Tali geboren, nicht?“ Keel’o sah auf und nickte kaum merklich als Antwort auf Megans Frage, welche die Söldnerin mit einer überraschenden Milde an ihn gestellt hatte. Dabei wusste er nicht, worüber er mehr verwundert sein sollte: diese Milde oder die Tatsache, dass Megan von Tali’Zorah – geschweige denn ihrem Geburtsschiff – wusste. Innerhalb der Flottille war die Admiralstochter zwar aufgrund ihrer Reise mit Commander Shepard recht berühmt geworden, doch Keel’o war stets davon ausgegangen, dass dieser Ruhm bis auf wenige Ausnahmen auf die Flottille beschränkt war. Anscheinend war dem nicht so.
    „Meine Mutter war mit mir schwanger… ihr Menschen hättet ihr Stadium wohl als das dritte Trimenon bezeichnet“, er begann, nervös an der Getränkekarte zu nesteln, „es gab einen Unfall. Eine Explosion in der Nähe des Antriebs; Leck in einer der Eezo-Leitungen. Ein kleinerer Zwischenfall, der jedoch den Strom im Sektor meiner Mutter ausfallen ließ und sie in ihrer Klinik eingesperrt hilflos zurückließ. Die Strahlung des aus dem Leck ausgetretenen Eezo erledigte den Rest. Reichte für die Ausbildung schwächerer Talente, aber wirklich ernsthaften Schaden kann ich damit nicht anrichten. Nicht mit der Biotik alleine jedenfalls.“
    „Verdammt“, erwiderte Megan leise und lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Er sah, wie ihr Haar seinen Unterarm berührte, doch spüren konnte er nichts. Ein bitterer Beigeschmack begleitete diese Beobachtung: sein Anzug wusste, dieses Gefühl zu verhindern. „Hat dir das jemals Schwierigkeiten bereitet?“
    „Man hat es nie so wirklich zugegeben, aber dass ich öfter eine Extrabehandlung erhalten habe, das war kein Geheimnis. War jedoch kein Problem für mich oder die anderen Kinder. Ich war nie dieser stereotype, verwöhnte Außenseiter, den man vielleicht aus kitschigen Fantasy-Filmen kennt. Ob du es mir glaubst oder nicht, ich war ein ganz normaler Junge, der-“ Er stockte. Seine Gedanken sprangen zu seiner ersten Liebe, zwei Jahre ehe er auf seine Pilgerreise aufgebrochen war. An den Moment, als er mit ihr nachts die Tür zu einem der Observationsdecks geknackt hatte und ihr mit stolzgeschwellter Brust einen atemberaubenden Ausblick auf das All geboten hatte. Die Flottille hatte zu jenem Zeitpunkt gerade einen Sektor durchquert, der für seine Kometenschauer berühmt war. Nie würde er das atemberaubende Gefühl vergessen, das die kilometerlangen Kometenschweife aus Staub- und Eispartikeln beim Vorbeiziehen hinterlassen hatten, während ihre Weggefährten in der Atmosphäre eines Wasserplaneten verglüht waren. Nie würde er die Wärme vergessen, in die sein Herz in jenem Moment gebettet war, als das Mädchen sich eng an ihn kuschelte und ihn abwechselnd mit Fragen bombardierte, um dann wieder in andächtiges, fasziniertes Schweigen zu verfallen. Es waren wunderschöne Tage gewesen, in denen er jeden Moment genossen hatte und sich den Luxus leisten konnte, ohne Druck oder Pflichten zu leben. Die Woge der Melancholie traf ihn so gnadenlos, dass er beinahe dem Drang nachgegeben hätte, wirklich mit physischer Kraft gegen die Welle der Gefühle antreten zu müssen. Er schluckte und sah zur Seite; ballte die Fäuste, als ob das etwas helfen würde. Es war einer der wenigen Momente, in denen er froh darüber war, dass dieses Visier neugierige Blicke von seinem Gesicht fernhielt, denn sonst hätte Megan auf die feuchten Augen sehen können, die in Keel’os gequältem Gesicht residierten.
    „Alles okay?“ In Megans noch immer sanften Stimme lag ehrliche Besorgnis oder zumindest Interesse daran, ob Keel’o mit der überwältigenden Kraft seiner Erinnerungen zurechtkam. Er schloss die Augen und atmete leise, aber doch tief ein.
    „Ich vermisse die Flottille“, flüsterte er schließlich und blinzelte noch ein paar Mal, ehe er wieder in Megans Augen sah. Die Söldnerin hatte ihren Kopf ein wenig seitlich geneigt, die Stirn dabei besorgt in Falten gelegt. Zögerlich zuckte ihre rechte Hand, die sie schließlich, nach einigen Überlegungen wohl, zaghaft zu ihm streckte. Er sah abwechselnd auf die Hand und dann in Megans Gesicht, ließ es geschehen – oder zumindest wollte er es. Zak meldete sich jedoch über Funk wieder.
    „Ich habe ihn“, knackte es und für ein paar Sekunden, die in Keel’os Wahrnehmung zu einer unglaublichen Ewigkeit heranwuchsen, ruhten seine Augen auf denen Megans, während ihre Hand Zentimeter vor der seinen in ihrer Bewegung erstarrt war.
    „Danke“, flüsterte Keel’o kaum hörbar, wobei er sich nicht sicher war, ob Megan es überhaupt vernommen hatte, ehe er den Kanal öffnete und Zak antwortete, „wunderbar. Wo ist er? Wir kommen zu dir.“
    „Bei der kleineren Bar, rechts. Spricht mit einem Menschen. Ich bin bei der Tür zu den Herrentoiletten.“
    „Wir sind gleich da“, erwiderte Keel’o und stand auf, sah dabei zu Megan, die ihr Bier mit einem letzten Zug leerte. Sie räusperte sich, stand ebenfalls auf und warf einen kurzen Blick zu Keel’o, ehe die beiden gemeinsam die Treppe hinuntergingen, stets darauf bedacht, nicht von Yuri entdeckt zu werden.

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    „Das Geschäft scheint im Moment zu stagnieren“, raunte Zak sogleich, als Keel’o neben ihm stehen blieb. Der Salarianer lehnte lässig am Türrahmen, die Arme vor der Brust verschränkt und den Blick stets auf das Ziel fixiert.
    „Deshalb wirft sich dieser geile Bock an alles, was zwei Titten hat“, grunzte Megan, wobei Keel’o sich nicht sicher war, ob das abfällig, unbeeindruckt oder gelangweilt klingen sollte. Vielleicht war es eine Mischung aus den drei Möglichkeiten. Sie war wieder ganz die Alte und genau so brauchte er sie jetzt.
    „Eine überflüssige Zeugin“, bemerkte Keel’o folgerichtig und Zak brummte zustimmend. Der verräterische Quarianer stand keine zehn Meter von den dreien entfernt an der Bar, einen Bauchladen vor sich hertragend und gerade wild gestikulierend, während er mit einer menschlichen Frau sprach. Sie schien angetan zu sein von ihm, lachte sie doch bei jedem Satz, den er ihr schenkte. Er hatte wirklich eine charismatische Ausstrahlung, doch war es nicht die eines Anführers. Nein, Yuri war niemand, der Entscheidungen traf, Befehle erteilte oder über den nötigen Schneid verfügte, zu führen. Er war ein Handlanger, ein Bauer in einem Spiel aus Königen, der sich für mehr hielt, als er eigentlich war. Es widerte ihn an, ihn so zu sehen, wie er mit Worten jonglierte und seinem Gegenüber Honig um den Mund schmierte; sie langsam, aber sicher abhängig machte von dem süßen Nektar, der seinen Lippen entkam und den sie raffgierig aufsog in sich. Es war genug. Zeit, diese Farce zu beenden. Ein für alle mal.
    „Ich kümmere mich um ihn“, knurrte Keel’o und ging los, wobei er sich möglichst imponierend aufbaute; die Brust raus, die Arme breit neben dem Oberkörper. Bei seiner schlaksigen, schlanken Figur eigentlich ein hoffnungsloses Unterfangen, doch vor allem der Anzug, den er über seinem quarianischen Schutzanzug trug, kaschierte dies und verlieh ihm eine etwas männlichere Figur, als er so auf den verräterischen Quarianer zumarschierte, flankiert von Megan und Zak. Yuri bemerkte und erkannte ihn erst viel zu spät. Vieles hätte Keel’o dafür gegeben, den Ausdruck der Überraschung in seinem Gesicht zu sehen, doch es genügte ihm, die erschrocken geweiteten, leuchtenden Augen hinter dem Visier zu sehen. Vorerst. Showtime.
    „Ich muss ihn mir mal kurz ausleihen“, lächelte er der Frau zu und presste Yuri unsanft die Hand auf die Brust, wodurch er ihn einige Schritte nach hinten stolpern ließ. Zak kümmerte sich sogleich um die Dame, lenkte sie etwas ab, während Megan mit einem lockeren Pfeifen auf den Lippen neben Keel’o Stellung bezog und das Geschehen vor den neugierigen Blicken eventuell passierender Wachen abschirmte. Sie waren reingegangen… jetzt musste es schnell gehen.
    Ich habe ein Omnitool bei mir, mit dem ich deinen Anzug überladen habe, ehe du Bosh’tet sagen kannst“, zischte Keel’o mit einer Eiseskälte in der Stimme, die die Augen Yuris sogar noch weiter aufzureißen vermochte, als es ohnehin schon der Fall war, „also ein Ton von dir und du endest als verkohlter Stumpen in diesem Drecksloch, verstanden?“ Ein wortloses Nicken war die Antwort. Es genügte Keel’o. „Gut. Wir gehen jetzt in deine Werkstatt. Eine falsche Bewegung und es knallt.“ Zögerlich setzte der Quarianer sich in Bewegung, dabei stets Keel’os rechte Hand auf dem Rücken spürend. Er hatte sie ihm genau zwischen die Schulterblätter gelegt, für den Fall, dass der kleine Casanova wirklich auf dumme Gedanken kommen würde. Die Überladung würde so als erstes auf das zentrale Nervensystem des Quarianers übergreifen und ihn jeglicher Kontrolle über seinen eigenen Körper berauben. Einmal hatte Keel’o gesehen, was das mit Artgenossen seiner Spezies anrichtete. Ein unschöner Anblick, aber Yuri hätte es verdient – wenn nicht sogar noch mehr. Sie kamen zur Tür, die Keel’o heute bereits einmal durchschritten hatte und Yuri zögerte, den Mechanismus zu tätigen. Ein grober Schubser von Keel’o half, ihn zu überzeugen und kaum war die Tür mit einem Zischen geöffnet, folgte ein weiterer Stoß, der Yuri grob in den Raum beförderte. Ein paar seiner Figürchen fielen aus dem Bauchladen heraus und kullerten über den Boden. Einige wurden einfach unter Keel’os Füßen zerquetscht, während jener entschlossen zu dem Quarianer schritt, ihn an der Schulter packte, um ihn auf der Ferse herumwirbeln zu lassen und ihn schließlich am Hals zu packen. Er tat einen Schritt nach vorne, stellte sein rechtes Bein hinter Yuri und verstärkte den Stoß mit seiner Biotik, was den anderen Quarianer erst ins Straucheln brachte und schließlich den Boden unter den Füßen verlieren ließ, ehe dessen Kopf mit einem lauten Krachen gegen die Werkbank donnerte.
    „Für wen arbeitest du?“, keifte Keel’o sofort und baute sich über Yuri auf, der den Kopf schüttelte und sich am Boden abstützte.
    „Was zur Hölle, Alter?“, erwiderte er trocken und versuchte sich aufzurichten. Keel’o beschloss, ihm ein wenig zu helfen. Er packte den Jungen am Kragen, hob ihn rabiat hoch und presste ihn gegen die Werkbank, sodass sich die Kante des Tischs schmerzhaft in den Rücken des verräterischen Quarianers bohrte. Selbst durch den Anzug würde diese unnatürliche Verrenkung Schmerzen auslösen, das wusste Keel’o. Der Infobroker holte die Figur von T-Bone hervor und hielt sie direkt vor das Visier seines Opfers, selbst nur wenige Zentimeter mit dem eigenen Helm von ihm entfernt. Es war eine Miniaturversion von Nihlus, dem turianischen Spectre, der von seinem eigenen Freund Saren auf Eden Prime ermordet worden war. Keel’o fand die Tragik dahinter sehr ironisch, war T-Bone doch mehr oder weniger dasselbe Schicksal zuteil geworden. Mit dem Unterschied, dass dieser „Freund“ nicht den Anstand hatte, es selbst zu tun, sondern einen anderen die schmutzige Arbeit überlassen hatte.
    „Für wen arbeitest du?“, wiederholte Keel’o seine Frage, diesmal ein wenig aggressiver und mit bereits aktiviertem Omnitool.
    „Ich weiß nicht wovon du redest. Was willst du von-“
    Keel’o verlor die Geduld mit dem Jungen. Er packte eines der vielen Werkzeuge, die über die Werkbank verteilt waren und ließ es mit voller Kraft auf das Visier seines Opfers herniederfahren. Nichts schockierte einen Quarianer mehr, als ein Schlag gegen die wohl größte Schwachstelle ihrer Anzüge – vor allem wenn man lediglich über die zivile Variante verfügte, wie Yuri.
    „Verarsch mich nicht!“
    Zak gesellte sich zu ihnen, stützte sich auf der Werkbank ab und kam ebenfalls sehr nah an den Kopf von Yuri heran.
    „An deiner Stelle würde ich reden, bevor noch jemand verletzt wird“, der Salarianer legte den Kopf schief, „denn uns kannst du nicht erzählen, dass unsere heißeste Spur getötet wird, kurz nachdem wir bei dir aufkreuzen und du nicht darin involviert sein sollst.“
    Yuris Augen sprangen von Zak zu Keel’o und wieder zurück. Man konnte das Rattern in seinem Kopf beinahe hören, als er abwog, ob er auspacken oder lieber den Mund halten sollte. Er entschied sich für die harte Tour.
    „Ich weiß nichts“, flehte Yuri schließlich mit bebender Stimme und Keel’o erhob erneut seine Hand, um sie mit dem Werkzeug in der Hand auf das Visier niederfahren zu lassen. War da ein kleines Knirschen zu hören gewesen?
    „Fuck, beruhig dich, Mann!“, schrie er schließlich panisch, außer sich vor Angst, was Keel’o erneut dazu brachte den Arm zu heben, „nein! Warte!“ Keel’os Arm blieb über Yuri erhoben, während der verräterische Quarianer vergeblich versuchte, seinen rasenden Atem unter Kontrolle zu bringen. „Ich… ich hatte keine Wahl.“
    „Das habe ich heute bereits einmal gehört“, erwiderte Keel’o kühl, „rede.“
    „Okay, okay“, keuchte der andere und schluckte, „da ist dieser Typ, schmieriger Kerl. Anzugträger, von der Erde. Ist vor ein paar Tagen mit einem Dutzend Söldner nach Omega gekommen“, ein kurzer Blickwechsel zwischen Keel’o und Zak, „vielleicht auch vor einer Woche, verdammt, ich weiß es nicht mehr. Hat mir Geld geboten, wenn ich ihm Quarianer liefere“, Keel’os Druck, den er mit seinem Unterarm auf die Kehle Yuris ausübte, erhöhte sich mit diesen Worten und der verräterische Quarianer beeilte sich, weiterzusprechen, „verdammt, was hätte ich tun sollen? Glaubst du ernsthaft, ich kann von diesen elenden Figuren leben? Ich brauchte Geld…“
    „Wie passt T-Bone da rein?“
    „Anfangs war er derjenige, der sie umgebracht hat, aber er wollte plötzlich aussteigen. Ich hab sie nur ausgesucht!“
    Keel’o runzelte die Stirn. Was Yuri sagte, deckte sich zwar einigermaßen mit den paar Informationsbrocken, die sie von T-Bone erhalten hatten, aber es ergab nicht den geringsten Sinn.
    „Du hast die Opfer ausgesucht?“, fragte er ungläubig, „wie?“
    „Das hab ich auch nie so ganz verstanden. Der Kerl hat mir was davon erzählt, dass er Leute sucht, die seinem Arbeitgeber unangenehm aufstoßen. Hab ihn mal was von Widerstandskämpfern mit so einem Typen faseln hören, aber mir gegenüber hat er sich immer bedeckt gehalten. Ich sollte nur rausfinden, wer hier auf der Station was gegen seine Organisation hatte und sie dann in eine Falle locken.“
    „So wie du T-Bone in eine Falle gelockt hast?“
    „Fick dich! Ihr wart zu nah dran, ihn zu kriegen und ich musste improvisieren nachdem seine Wohnung in die Luft geflogen war.“
    „Für wen arbeitet dein Boss?“
    „Er bringt mich um, wenn ich rede. Dieser Typ hat mehr Macht, als ihr denkt, Leute. Da steht mehr dahinter, glaubt mir, da ist was Großes im Busch. Ihr solltet eure Sachen packen und von Omega verschwinden, bevor er seine ganze Aufmerksamkeit auf euch richtet. Noch habt ihr Glück, aber bald schon-“ Keel’o hatte genug. Ein blaues Leuchten flackerte um seinen Arm herum auf, den er die ganze Zeit über drohend erhoben hatte, und mit einem wütenden Aufschrei ließ er ihn herabdonnern. Der eiserne Stilus des Werkzeugs, vermutlich ein Pinsel oder etwas in der Art, fuhr mit einem krachenden Knirschen auf Yuris Visier herab, welches schlussendlich nachgab. Die blaue Glasscheibe zerbarst in dutzende kleine Splitter, die auf das darunter liegende Gesicht prasselten, um schließlich in der Schwärze des Helms zu verschwinden. Ein bleiches, weißes Gesicht kam zum Vorschein, dessen Jugendlichkeit Keel’o überraschte. Er wusste, dass Yuri jung war, jedoch hatte er nicht erwartet, in ein so bubenhaftes Gesicht zu blicken. Es dauerte eine Schrecksekunde ehe Yuri das quasi-Todesurteil realisierte, das die Kontamination seines Anzugs mit sich brachte. Er schrie hysterisch auf, strampelte mit den Füßen und versuchte sich aus dem Griff Keel’os zu befreien.
    „Lass mich los! Scheiße, fuck, fuck! Alter, lass mich los, bitte!“, er hustete und schüttelte den Kopf, um die restlichen Glassplitter aus seinem Gesicht entfernen zu können, „ich brauche Antibiotika, verdammt! Keel, bitte!“
    „Wo finden wir diesen Typen?“ Keel’o durchdrang den Jungen, der unaufhörlich schrie und winselte, mit seinem Blick, während sein Opfer einzig das eigene Überleben im Sinn hatte. Selbst durch seine Luftfilter konnte Keel’o den Schmutz dieses Raums riechen; die chemischen Dämpfe der Farben, die in der Luft hingen, in ihrer Konzentration nicht hoch genug, um Zak oder Megan wirklich zu schaden, aber stark genug, um einen frei atmenden Quarianer ernsthafte Schwierigkeiten zu bereiten.
    Wo?“ Er erhöhte auf ein neues den Druck auf die Kehle des anderen.
    „Wohnkomplexe!“, stieß dieser schließlich aus und erste Tränen kullerten über die Wangen, vermischten sich dabei mit den dünnen Rinnsalen aus Blut, die aus mikroskopisch kleinen Schnitten austraten, „die Wohnkomplexe, 34D6-7! Jetzt hilf mir! Mann, bitte, ich flehe dich an!“
    „Du bist schon tot“, brummte Keel’o nach einigen Momenten und schleuderte Yuri schließlich quer durch den Raum, sodass dieser stolperte und auf alle Viere fiel. Der Bauchladen war schon längst auf den Boden gekracht und ein gutes Dutzend an kleinen Plastikfigürchen stand beziehungsweise lag um den flehenden Yuri in mehr oder weniger einem Halbkreis herum – gerade so, als ob sich die kleinen Wesen dazu versammelt hatten, Zeugen des Todes ihres Erschaffers zu werden.
    „Nein, Keel, bitte“, röchelte er, wobei eigentlich kaum noch zu verstehen war, was er wirklich sagte. Gnadenloses Husten brachte seinen Körper zum Beben und man konnte förmlich sehen, wie die Kraft aus seinem Körper wich.
    „Gehen wir“, knurrte Keel’o Zak zu, welcher nickte und zum Ausgang ging.
    „Fahr…“, ein Husten, gefolgt von Erbrechen. Yuris rechter Arm knickte ein. „Fahr zur Hölle… Keel.“ Wie als ob diese Worte das einzige waren, die dem Jungen noch Kraft gegeben hatten und jetzt, da sie ausgesprochen waren, diesen Zweck nicht mehr erfüllen konnten, sackte der Körper schließlich gänzlich in einer Lache aus Speichel, Erbrochenem und etwas Blut, welche langsam auch seine Figuren sanft zu überschwemmen drohte, in sich zusammen. Es würde noch etwas dauern, ehe die Leichenstarre einsetzen würde, doch bereits jetzt schien der entsetzte Gesichtsausdruck wie eine hässliche Fratze in die Mimik des verräterischen Quarianers gemeißelt zu sein. Keel’o kam nicht umhin, wieder an die Szenerie aus der Seitengasse zu denken, als er mit Zak Yviela und ihre namenlose Begleitung gefunden hatte. Einzig mit dem Unterschied, dass er beim Anblick Yuris nicht die geringste Regung in sich verspürte. Eine emotionale Leere füllte ihn aus, gepaart mit einem kleinen Hauch Genugtuung.
    „Grock, schnapp dir mal ein paar Jungs und check den Haupteingang aus“, knackte es plötzlich aus einem Interkom, das direkt neben der Tür angebracht war, „ein paar Kroganer machen Stress.“
    Erschrocken sah Keel’o zu Zak, der mit ein paar Knopfdrücken bestätigte, dass man durch Push-and-Talk über das Interkom kommunizierte, ihnen also niemand zuhören konnte. Einzig die Kroganer machten dem Salarianer anscheinend Sorgen.
    „Könnte das Blood Pack sein, die nach uns suchen.“
    „Wir brauchen unsere Waffen. Schnell“, schaltete sich Megan ein und entriegelte die Tür. Das Trio schritt eilig, jedoch möglichst beiläufig, als wäre nichts gewesen, direkt zur Garderobe, wo sie die einzigen waren, die ihre Chips wieder eintauschten. Das Gros der Gäste betrat den Club erst, ans gehen dachte wohl anscheinend noch niemand außer ihnen.
    „Ich werde einen Trupp meiner Männer zu der Adresse abbestellen“, meinte Zak und aktivierte sein Omnitool, über das er die Befehle in schriftlicher Form an seine Angestellten weitergeben konnte, „ist einer der Komplexe, wo die reicheren Leute Omegas wohnen. Oberstes Stockwerk, perfekt um sich darin zu verschanzen.“
    „Yuri meinte, es wären nur knapp ein Dutzend Söldner“, erwiderte Keel’o, als das Trio die Effect Zone gerade durch den Haupteingang wieder verließ, „vielleicht ist sein Boss nicht auf eine offene Konfrontation-“
    „Keel!“ Ein gutturaler, dröhnender Bass brüllte über die dumpfe Musik und das Gewirr aus Stimmen anderer Gäste hinweg seinen Namen und Keel’o sah erstaunt auf, um sogleich Pekat zu erkennen, der mit fünf weiteren Kroganern im Schlepptau in ein Gespräch mit den Türstehern der Effect Zone verwickelt war. Die Türsteher, allesamt in schwarze Anzüge gekleidet, versperrten ihm den Weg, hielten ihn gar zurück, als der Blood-Pack-Kroganer auf den quarianischen Infobroker zustürmen wollte und halfen dem Trio so, ohne es wirklich zu wissen oder zu wollen. Wäre unter den Türstehern kein mindestens ebenso breiter und furchteinflößender Kroganer gewesen, so hätte das vermutlich zu einem mittelschweren Blutbad geführt, doch sein Artgenosse im schwarzen Designeranzug, sowie die bereits gezückten Waffen dessen turianischer und batarianischer Kollegen ließen Pekat fürs erste gehorchen. Einen Moment funkelte er Keel’o an, der unbeeindruckt mit Megan und Zak in dessen Shuttle stieg, um sich dann abzuwenden und mit seinen Jungs ebenfalls zum Parkplatz aufzubrechen.
    „Da haben wir unsere offene Konfrontation…“, raunte Zak, der sich noch immer seinem Omnitool widmete, „Scheint wohl so, als wären sie uns gefolgt. Ich sage meinen Leuten, dass sie schweres Geschütz mitbringen sollen.“
    „Wie in der guten, alten Zeit, hm?“
    „Ich hätte euch früher kennenlernen sollen…“
    „Wenn das hier vorbei ist, dann reden wir weiter, Megan“, erwiderte Keel’o trocken und sah aus dem Fenster, als das Shuttle gerade abhob. Die Auflösung dieses Schauspiels war zum Greifen nahe; mit dem Blood Pack auf den Fersen mussten sie sich jetzt nur noch beeilen, um im Moment der Erkenntnis nicht durch eine Ladung Schrot oder einen wütenden Bodycheck niedergestreckt zu werden.

    22:00 Uhr
    ---> Wohnkomplexe

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