5.10 Uhr

Der Wagen kam langsam zum stehen und Sirtan blickte nervös auf die dunkle Straße vor ihm, die von einigen Lagerhäusern gesäumt wurde. Der Kerl, den sie geschickt hatten, hatte ihn inzwischen hierher beordert, zusammen mit einer völlig überzogenen Beschwerde, dass er zu spät kam. Sirtan hätte noch um einiges später ankommen können, wenn der Verkehr schlimmer gewesen wäre oder er sich am andern Ende der Stadt befunden hätte.

Sirtan zog sein PDA hervor und schickte eine kurze Nachricht, dass er jetzt in der Straße sei. Danach dauerte es tatsächlich nur eine Minute bis sich eines der Lagerhaus-Tore öffnete und den alten blauen Wagen hineinfahren ließ, bevor es sich wieder schloss.
Das Innere der Halle wurde nur spärlich von einigen Deckenlampen beleuchtet und war bis auf den für Fahrzeuge freigehaltenen Bereich mit stapelweise Kisten gefüllt, auf denen das Symbol von DaeraTec zu erkennen war.

Abgesehen von Sirtan war nur ein einziger anderer Turianer anwesend, der offensichtlich gelangweilt an einigen Kisten lehnte, neben sich auf dem Boden ein Metallkoffer. Die Scheinwerfer des Wagens offenbarten einen Moment lang das graubraune mit weißen Tätowierungen versehene Gesicht, bevor sie abgeschaltet wurden und Sirtan hinaus ins Halbdunkel der Lagerhalle trat. Und jetzt wird’s lustig…

Der Moment der Wahrheit war also gekommen, sterben würde er zwar sowieso nicht, aber dieser Auftrag und die Standpauke konnten doch noch sehr unangenehm werden.

„Herr Ardaka, na endlich. Ich bin gespannt, was Sie mir zu berichten haben.“ Sein Tonfall klang verdächtig nach „Ich weiß ohnehin schon alles, aber ich gebe dir noch mal die Gelegenheit, dich weiter zu blamieren“, aber das meiste hätte Sirtan ohnehin nicht mehr leugnen können.
„Wie Sie zweifelsohne wissen sollte ich den Volus Orda Val töten, der für die Verwaltung unserer finanziellen Mittel auf Elysium verantwortlich war. Er hatte anscheinend schon Lunte gerochen oder ist einfach paranoid, keine Ahnung, aber er konnte durch einen Hinterausgang fliehen. Ich habe die letzten Tage gebraucht um ihn zu finden, aber inzwischen ist er tot, ich wollte morgen den Planeten verlassen.
Dürfte ich jetzt vielleicht erfahren, wer Sie überhaupt sind?“

Sein Gegenüber ignorierte die Frage und setzte das Verhör fort. „Wie wäre es mit ein paar Details? Zum Beispiel über den Tod unseres örtlichen Geschäftspartners oder den unerfreulichen Bericht eines gewissen Certas Waranus, der heute an den turianischen Geheimdienst geschickt worden ist!“ Die Stimme des Turianers hatte gegen Ende deutlich an Aggressivität und auch Lautstärke gewonnen.

Sirtan zögerte einen Moment, bevor er antwortete. „Keine Ahnung, wie Sobolew verreckt ist,“ Immerhin die halbe Wahrheit… „aber was diesen Bericht angeht… ich bin bei meinen Nachforschungen zufällig auf dieses beschissene Nacktgesicht von Waranus gestoßen, er wollte Melan Atrur verhaften - was er letztendlich auch geschafft hat – und ist dabei über die Sache mit Orda Val gestolpert. Er weiß im Endeffekt nichts, ich bin kein Idiot und hab ihm gegenüber nichts ausgeplaudert. Der Bericht kann also nicht allzu schrecklich ausgefallen sein, oder?“

Der andere zog überrascht eine Augenbraue hoch. „Was hat die Verhaftung des Vorsitzenden der NTSDGR mit Orda Val zu tun? Über die Relevanz dieses Berichts für unsere zukünftigen Geschäfte zu urteilen liegt außerdem nicht bei Ihnen, sondern bei brauchbaren Leuten.“
Sirtan ignorierte die letzte Bemerkung und fuhr fort: „Melan hat Orda Val einen Unterschlupf besorgt und Waranus als erster auf DaeraTec aufmerksam gemacht. Danach hat Waranus versucht Orda Val vor mir zu schützen, vermutlich um mehr Informationen über DaeraTec und unsere Angelegenheiten zu bekommen.“

„Das ganze klingt für mich ziemlich unvollständig. Wie wäre es mit einem genauen Bericht über die Ereignisse seit ihrer Ankunft, das würde uns allen sehr viel mehr helfen, als irgendwelche vagen Vermutungen.“ Okay, und jetzt sollte ich bei einer Geschichte bleiben und keinen Fehler machen…

Im folgenden berichtete Sirtan von seiner Ankunft, Orda Vals Flucht, ließ Sobolew weg und ersetzte ihn durch ein paar unfähige Informationshändler, kam schließlich zum Lagerhaus, dem Treffen mit Waranus und ihrem Besuch bei Melan. Sherman, Bates und Vilva blieben dabei ebenfalls unerwähnt. Die Sache im Bunker wurde ein wenig heruntergespielt und seine Begleitung waren ein paar Söldner, von denen er keinen hatte bezahlen müssen, weil so gut wie alle draufgegangen waren und bei ihrem Abstecher in die turianische Botschaft hatten sie nichts weiter getan, als Val umzubringen und dann unter ein paar eher unwichtigen Komplikationen wieder zu verschwinden.

Vielleicht etwas zu hoch gepokert, schließlich hatte Waranus den verdammten Bericht geschrieben, aber er hatte Sirtan wieder laufen gelassen, also wäre es für ihn doch besser das zu verschweigen. Warum hatte er das eigentlich getan?
Ach, scheiß drauf, der Idiot ist einfach zu behindert dazu… manche würden das vielleicht Gnade nennen, aber ist ja irgendwo das gleiche.

Den Rest der bisher vergangenen Zeit beschrieb er eher vage damit, dass er sich irgendwo eine Wohnung zum Schlafen gesucht hatte.
Als er geendet hatte nickte der andere Turianer lediglich kurz und bemerkte dann mit einem hinterhältigen Lächeln: „Ich bin vorerst damit zufrieden, aber seien Sie versichert, dass wir ihre Geschichte überprüfen werden. Da das nun erstmal geklärt ist…“
Er griff nach dem Koffer, der die ganze Zeit neben ihm gestanden hatte und reichte ihn Sirtan.
„Darin finden sie ihre Ausrüstung von Palaven und nähere Informationen über ihre nächste Mission.“ Jetzt machte sich ein schadenfrohes Grinsen auf seinem Gesicht breit.
„Ein kleiner Tipp: Dort wird es verdammt kalt sein. Ach ja, lassen sie sich nicht allzu viel Zeit damit, sich die Missionsdetails durch zu lesen, ihr Flug geht in zwei Stunden.“

Sirtans Mine verfinsterte sich schlagartig. Sah wohl mal wieder verdammt schlecht aus mit Schlaf. Hoffentlich dauerte der Flug wenigstens lang. Und dann schickten sie ihn auch noch auf irgendeinen Eisplaneten. Sirtan hasste Kälte, wie so ziemlich alle Turianer und natürlich hatten sie genau ihm diesen Scheißjob ausgesucht. Wahrscheinlich begegnete man dabei auch noch massenhaft Menschen, oder noch besser, musste auch noch mit ihnen zusammenarbeiten. Sirtan hatte nach den Ereignissen der letzten Tage erstmal die Schnauze voll von diesen Parasiten.

Allerdings blieb ihm relativ wenig Hoffnung, der Kerl war ja geradezu überfreundlich gewesen, also musste der Job das allerletzte sein.

„Viel Spaß noch.“ Mit einem Schnauben wandte sich Sirtan ab und ging zum Wagen zurück. Zwei beschissene Stunden! Zum Apartment zurück, mir das Zeug ansehen und dann gleich wieder los…

„Und, Ardaka! Diesmal sollten Sie sich kein Fehltritte erlauben.“


> Slums