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  1. #1
    All I did was dream Avatar von General-Osiris
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    Standard Nos Astra - Gewerbegebiete

    Das Gewerbegebiet Nos Astras bildet den Übergang zwischen Raumhafen und Geschäftsviertel, wobei die Grenzen fließend sind und man nicht an einer bestimmten Straße oder irgendeiner Kreuzung festmachen kann, dass man sich von nun an im Gewerbegebiet befand. Es sind vielmehr die Kleinigkeiten, die einem erst auffallen, wenn man eine gewisse Routine im Umgang mit Nos Astra gewonnen hat: die Straßen sind auch trotz der immensen Geschäftigkeit des Planeten ein wenig leerer, man sieht mehr und mehr Transportfahrzeuge, die Gebäude wirken mehr und mehr industrieller, man könnte fast schon sagen trister, umso näher man dem Raumhafen kam. Dabei darf man sich jedoch nicht vom ersten Eindruck des Gewerbegebiets blenden lassen und irrtümlich annehmen, es handle sich um irgendein heruntergekommenes Eck der Stadt. Wie beim Geschäftsviertel handelt es sich auch hier um einen der treibenden Motoren von Illiums Wirtschaft, wenn auch mit einer weniger prunkvollen Fassade wie seine Schwester und mit einer anderen Zielgruppe. Während nämlich das Geschäftsviertel im Schwerpunkt das Bedürfnis der Bürger nach Konsum deckt und dementsprechend Heim unzähliger Firmen der Bereiche Marketing oder Vertrieb ist, so trifft man in den Gewerbegebieten eher die Dienstleister des großen Mannes an: startet man von den Geschäftsvierteln aus eine Tour durch die Gewerbegebiete, so wird man erst die Firmensitze großer Industriekomplexe passieren, wie etwa ExoGeni, Nezo Shipping, Eldfell-Ashland Energy oder ExSolar Shipping, doch schon bald gesellen sich große Bürokomplexe zum hiesigen Stadtbild, vermietet an kleinere Unternehmen, die mehr und mehr zwischen den Sitzen größerer, jedoch spezialisierter Firmen hervorstechen – Beispiele hierfür seien etwa Corefield Design mit ihrer Illium-Niederlassung oder Nashan Stellar Dynamics, die gerade dabei sind, ihre Zweigstelle in Nos Astra aufzubauen. Umso näher man schließlich dem Raumhafen kommt, umso mehr weichen die Bürokomplexe den Lagerhäusern und Speditionen, über welche jeder große Warentransport in Nos Astras Raumhafen gelöscht wird. Im Gegensatz zu den Geschäftsvierteln ist die Infrastruktur dementsprechend ausgebaut und verbessert worden, um weniger den Bedürfnissen der Fußgänger, als mehr denen der Transportfahrer gerecht zu werden.
    Es ist außerdem weithin bekannt unter Illiums Bevölkerung, dass viele Gestalten auf den Straßen des Gewerbegebiets nicht zwingend einer legalen Beschäftigung nachgehen und gerade außerhalb der Geschäftszeiten ominöse Machenschaften in den Weiten der Lagerhallen stattfinden. Dementsprechend dürfte es nicht verwunderlich sein, dass Razzien keine Seltenheit in diesem Viertel darstellen.
    We had a good ride. - The best.

  2. #2
    ME-FRPG only Avatar von Keel'o Vaelsha
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    <--- Nos Astra – Geschäftsviertel
    Tag 7


    Der Verkehr war schleppend vorangekommen, überall hatte es sich gestaut und zu allem Überfluss hatte es auch noch eine Streckensperrung aufgrund eines Unfalls gegeben – als hätte es nicht genügt, dass sämtliche Speditionen, Lieferanten und Zusteller aufgrund der, wenn auch nur kurz dagewesenen und schon wieder aufgehobenen, Flugsperre nervös wurden und ihre Umsätze fallen sahen mit jeder Sekunde, die ihre Transportshuttles in ihren Garagen und Depots verbrachten. Keel’o hatte die Zeit jedoch genutzt, um Informationen über Corefield zu sammeln und sich seinerseits etwas schlauer über diese Firma der Viscontis zu machen. Praktischerweise hatten sie auch noch den Sitz der Firma in Nos Astra passiert, wobei der Quarianer hasserfüllte Blicke aus dem Fenster des Skycars in Richtung des Haupteinganges geworfen hatte, den ein – wie er zugeben musste äußerst effektvoll gestaltetes – gigantisches Logo zierte, gemeinsam mit dem Motto „Building Worlds.“ Ein paar Anzugträger hatten das Gebäude in jenem Moment betreten und waren dabei sofort im Eingangsbereich von lächelnden Empfangsdamen begrüßt worden, die hinter langen Thresen an Terminals saßen oder standen. Keel’o hatte den Kopf in den Himmel gereckt, um die Spitze des Corefield Towers ausmachen zu können, doch eine Reflexion der Sonne an der Spitze hatte ihn etwas geblendet.
    „Dort will ich hin“, hatte er still bei sich gedacht und unhörbar mit den Zähnen geknirscht.

    Jetzt stand er gemeinsam mit Megan und Zak vor einem Gebäude, das zwar äußerst unscheinbar war, jedoch bereits auf den ersten Blick als „Altbau“ erkennbar war, verglichen mit den eindrucksvollen Firmensitzen an der Grenze zu den Geschäftsvierteln: statt Holoreklame wurden alte Argon-Projektionen verwendet und der weiße Lack der Edelstahlverkleidungen war größtenteils durch das Sonnenlicht schon etwas vergilbt. Da jedoch auch der Rest dieses Teils des Gewerbegebiets nicht makellos war, fiel es nicht weiter negativ auf, sondern war vielmehr eine bloße Charakteristik des Gebäudes, was laut dem Schriftzug über dem Eingang sowohl ein Lagerhaus, wie auch eine Spedition beherbergte.
    „Velas hat also seine Zelle behalten?“, fragte Zak nach, der zuvor von Keel’o über alles informiert worden war.
    „Richtig und noch dazu scheint er wahnsinnig eifrig zu sein, für unsere Sache zu kämpfen.“
    „Ganz ehrlich, wundert es dich?“, fragte Zak nach, ohne eine Antwort zu erwarten, „seit dem Magna-Vorfall ist er dir schon immer am treuesten ergeben gewesen.“
    „Das hat ihm viel bedeutet, da hast du Recht“, murmelte Keel’o beim Betreten des Gebäudes.
    „Was für ein Vorfall?“, schaltete sich Megan ein, die zuvor in ihrer Ausgabe von Keel’os Manifest geblättert hatte, jedoch jetzt von ihm nur mit einer mageren Vertröstung auf später abgespeist wurde. Velas war ein Turianer, der die Tugenden seines Volkes nicht nur verinnerlicht hatte, sondern sie stets vorlebte, wodurch er zu einer Inkarnation dieser Tugenden geworden war. Nachdem er zu Unrecht in Ungnade gefallen war und seine Gesichtsmarkierungen ablegen musste, trieben ihn Rachegelüste umher und er wurde mehr und mehr unhaltbar – bis ihm Keel’o eines Tages mithilfe seines Netzwerkes die Möglichkeit gab, in einem schrecklichen Blutbad jene Unruhe zu lindern und persönlichen Frieden zu finden. Unter den alten Mitgliedern des Netzwerkes war dieser Tag als Magna-Vorfall bekannt und seither war sich der Quarianer Velas‘ Treue absolut sicher.
    Das Trio hatte die Eingangstür zu Kratts Spedition erreicht und Keel’o betätigte zögerlich die Klingel, woraufhin sich die Tür automatisch öffnete und sie von einem Menschen hinter einem Schreibtisch empfangen wurden. Er trug ein blaues Hemd, dessen Ärmel bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt waren und dessen oberste Knöpfe lässig geöffnet waren.
    „Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?“
    „Wir möchten mit Kratt sprechen. Alte Freunde von ihm.“
    „Mister Sangats Büro befindet sich den Gang hinunter und dort die letzte Tür rechts.“
    Keel’o bedankte sich und schlenderte mit Zak los, während ihnen Megan vertieft in das Manuskript nur stumm folgte. Das Büro war ziemlich klein und augenscheinlich musste es sich um ein kleines Unternehmen handeln, das Kratt hier hochgezogen hatte. Keel’o tippte, dass es sich größtenteils um planetare Transporte handelte und er dabei auch im Schwerpunkt Unternehmen und Kleinhändler seiner Dimension bediente. Es passte zu ihm, denn der Batarianer hatte es schon immer unauffällig und kompakt gemocht. Ein pompöses Firmenimperium passte nicht zu ihm, das stand fest. Bis auf den Menschen am Empfang hatte Keel’o nur eine Handvoll anderer Mitarbeiter gesehen, die sich an ihren Schreibtischen um Papierkram kümmerten oder sich an einem Kaffeautomaten zu einer kleinen Pause trafen, um über Belanglosigkeiten zu reden.
    Vor seinem Büro angekommen, hörte man bereits die markante batarianische Stimme, die von unzähligen Zigaretten, hartem Alkohol und den Strapazen jahrelangen Kämpfens die Charakteristik einer rostigen Blattsäge hatte. Keel’o lächelte, als er durch die Tür sah und den drahtigen Scharfschützen in ebenso lässiger Businesskleidung wie sein Angestellter am Empfang sie trug, ergänzt durch eine sehr lose sitzende Krawatte, vor einem geöffneten Fenster stehen sah und jener einen tiefen Zug von seiner Zigarette nahm, ehe er in das Com sprach und dabei den Qualm durch seine Nasenlöcher ausstieß. Keel’o achtete nicht wirklich darauf, was gesprochen wurde, es handelte sich ohnehin um irgendwelche beruflichen Dinge, er las vielmehr die Körpersprache seines ehemaligen Mitstreiters. Im Gegensatz zum allgemeinen Trend trug Kratt kein Slim Fit, sondern ein normales, eher locker sitzendes Hemd, welches seinen drahtigen Körper kaschierte, den der Batarianer auch nach all den Jahren noch nicht verloren hatte. Sein Stand war aufrecht, die volle Brust zeugte von Selbstbewusstsein und die klaren Augen bestachen durch ihre geistige Schärfe, die sich darin widerspiegelte. Erst nach ein paar Momenten bemerkte Kratt das Trio im Türrahmen und reagierte, wie man es von ihm gewohnt war: entspannt. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen und brachte so die von all den Zigaretten und Kaffeetassen vergilbten Zähne zum Vorschein, die teilweise auch schon durch golden schimmernde Implantate ersetzt worden waren. Professionell wie er war, beendete er jedoch nicht überhastet das Gespräch, sondern nahm sich noch die Zeit, die er brauchte, um den Kunden abzufertigen, ehe er das Com beiseite legte und zu Keel’o kam.
    „Ich glaube es nicht, der Boss schneit rein!“, knarzte er mit seiner kantigen Stimme und schlug kräftig in die ihm dargebotene Hand ein, „hast dir ja ordentlich Zeit gelassen, bis du bei mir vorbeischaust.“
    Keel’o neigte verwirrt den Kopf, sagte jedoch nichts.
    „Und Zak hast du ja auch noch dabei, jetzt bin ich ehrlich überrascht“, der Batarianer lachte, sah dann aber verstohlen zu Megan, „und wer ist die Kleine?“
    „Megan Armstrong“, murmelte die Söldnerin an Keel’os Stelle abwesend, noch immer in das Buch vertieft, „Söldnerin.“
    Ein vielsagender Blick Kratts war alles, was der Batarianer darauf zu antworten wusste und bedeutete schließlich seinen Gästen, sich zu setzen. Zak bot er auch sogleich eine Zigarette an, welche dieser dankend entgegennahm.
    „Woher wusstest du, dass ich kommen würde?“
    „Heute früh habe ich von meinen Kontakten gehört, dass du gelandet bist. Hätte ich gewusst, dass du Zak auch noch mitbringst, hätte ich eine Wiedersehensfeier geschmissen.“
    Keel’o schwieg.
    „Velas hat mir eine Nachricht geschrieben, falls du dich fragst, warum ich so offen über meine Zelle spreche“, setzte Kratt nach und hatte damit richtig gelegen, „über deine Pläne hat er auch ein paar Worte verloren, aber ich wollte es direkt von dir hören. Du weißt ja, wie er sein kann…“
    Erneut einer dieser vielsagenden Blicke Kratts in Richtung Megan, die ihrem Blättern nach zu urteilen das Buch mittlerweile nur noch überflog und es sich wohl entweder für einsame Stunden aufhob oder das Interesse daran verloren hatte.
    „Das stimmt“, seufzte Keel’o und lehnte sich in seinem Stuhl nach vorne, „ich gehe also davon aus, dass du noch über deine Assets verfügst?“
    Kratt nickte.
    „Ich arbeite mit Velas zusammen, wenn es sich anbietet, aber mit etwas mehr Zweckmäßigkeit und weniger Propaganda – ohne dir zu nahe treten zu wollen, Boss.“
    Keel’o tat die Anspielung auf das Manifest mit einer Handbewegung ab. Ihn interessierten andere Dinge im Moment wesentlich mehr.
    „Kratt, ich brauche dich für das, was ich vorhabe. Ich will Corefield zerstören.“
    Kratt stieß einen überraschten Pfiff aus und fuhr sich durch die etwas unordentlich gekämmten, für batarianische Maßstäbe recht langen Haare. Ob das zu Kratts Stil gehörte oder einfach nur ein Zeichen des Arbeitsstress war, konnte Keel’o nicht sagen, aber es passte zum Rest seiner Aufmachung.
    „Da hast du dir ja einen ganz schön fetten Fisch rausgesucht“, seufzte der Batarianer und kramte in einer seiner Schreibtischschubladen herum, „ich nehme an, es geht um diese Sache mit den Kolonien?“
    „Ich sehe, Velas hat dich bereits eingeweiht. Ja, es geht um das Land meiner Vorfahren und wie Corefield es zu bloßen Immobilien machen will. Ohne das Netzwerk kann ich der Firma jedoch nichts anhaben. Ich brauche deine Zelle.“
    Der Batarianer steckte eine Chipkarte ein, die er nach einigem Herumwühlen in der Schublade gefunden hatte, und wandte sich schließlich wieder dem Fenster zu. Es dauerte einige Momente, ehe er wieder zu sprechen begann.
    „Illium hat sich in deiner Abwesenheit verändert, Keel“, sagte Kratt und bließ dabei den Rauch seiner Zigarette über die Nasenhöhlen aus. Ein Frachtzug rauschte ein paar Blocks weiter vorbei, mit Kurs in Richtung Raumhafen und es dauerte nicht lange, ehe der Transportkoloss in einer Schlange von Fahrzeugen verschwand. Keel’o ließ dem Batarianer die Zeit, die er brauchte.
    „Mit dem Wegfall des Netzwerkes mussten wir uns alle nach etwas neuem umsehen… wir mussten kleinere Jobs annehmen, neue Kohle heranschaffen… verdammt, ich habe sogar mal als LKW-Fahrer gearbeitet, ehe ich hier gelandet bin. Wir haben hier unser eigenes Leben geschaffen.“
    Der Batarianer drückte seine Zigarette aus und verschränkte die Arme vor der Brust, den Blick jedoch weiter aus dem Fenster in Richtung Straßenverkehr gerichtet, sodass Keel’o seinen Gesichtsausdruck nicht lesen konnte. Den Blick, den er Zak zugeworfen hatte, erwiderte der Salarianer ähnlich. Kratt war normalerweise nie der Mann großer Worte gewesen.
    „Ich kann verstehen, wenn du das nicht willst.“
    „Es war irgendwie immer ein komisches Gefühl, weißt du?“, fuhr Kratt fort, ohne Keel’os Einwand zu beachten, „es war immer ein so… normales Leben. Wir wussten, wann wir aufzustehen hatten, wir wussten, wann die Arbeit begann und wann sie aufhörte, wir wussten, mit wem wir zusammenarbeiten würden und was wir genau zu tun hatten. Die Umstellung zu diesem geregelten Alltag ist wohl nur Slesh als einzigem so richtig gelungen, Velas und ich kamen nie damit klar. Es fehlte ganz einfach etwas.“
    „Und deswegen habt ihr eure Zellen behalten“, schlussfolgerte Zak, der im Gegensatz zu Keel’o zu wissen schien, worauf Kratt hinauswollte.
    „Exakt. Uns fehlte nicht nur der Nervenkitzel von damals, sondern auch die Abwechslung, das Abenteuer. Wir hatten nicht mehr die Kapazitäten, um es in einem Stil wie damals fortzuführen, aber wir konnten nicht darauf verzichten. Wir…“
    „… führten ein Doppelleben.“
    Alle drei Männer drehten ihre Köpfe zu Megan, die im Laufe von Kratts Monolog das Manifest verstaut hatte und sich jetzt plötzlich ins Gespräch eingeklinkt hatte.
    „Richtig“, bestätigte Kratt ihre Vermutung und sah nun wieder zu Keel’o, „und mit deinem Vorhaben gibst du uns die Chance, alte Träume wieder aufleben zu lassen.“
    „Also kann ich auf deine Hilfe zählen?“
    „Das kannst du Keel, das kannst du.“
    Die beiden Männer schlugen erneut ein und umarmten sich mit dem anderen Arm.
    „Einen Moment habe ich gezweifelt“, gab Keel’o schließlich zu und grinste dabei, „da hast du mich ganz schön kalt erwischt.“
    „Ich schätze, das ist es, was das Netzwerk stets so erfolgreich gemacht hat und was Velas aus deinem Manifest herausgelesen hat. Wir sind alle ganz normale Männer, die in diesem Club einen berauschenden Ausweg aus ihrem tristen Alltag mit all seinen Regeln und Konventionen gefunden haben.“
    „Wir haben viel vor uns, also langweilig wird uns bestimmt nicht werden“, raunte Zak, der nun seinerseits seine Zigarette ausdrückte, „wir sollten uns jetzt vor allem hinsetzen und Bilanz ziehen. Wir müssen wissen, wo wir stehen, was wir zur Verfügung haben und dementsprechend sehen, worauf wir uns als nächstes konzentrieren müssen.“
    Kratt nickte und brummte zustimmend. Demonstrativ hob er seine Chipkarte in die Luft.
    „Ich habe dafür genau den richtigen Ort. Folgt mir.“

    Über den Gang und eine Treppe führte der Batarianer das Trio hinauf aufs Dach des Gebäudes, welches einen grenzenlosen Ausblick sowohl auf die Geschäftsviertel, als auch auf das Stadtzentrum Nos Astras bot. Am wolkenlosen Himmel über ihnen stand die unerbittlich hinunterbrennende Sonne des Tasale-Systems und Keel’o sah, wie Zak mit der Hitze zu kämpfen hatte. Der Quarianer konnte sich glücklich schätzen, über eine Klimaanlage in seinem Anzug zu verfügen. Viel Zeit, um das Panorama, das sich ihnen geboten hatte, zu genießen ließ ihnen Kratt jedoch nicht, denn der Batarianer ging unverzüglich weiter zu einem großen Aufbau, der aussah wie eine umgedrehte Schüssel, die man auf das Dach gelegt hatte. Erst auf den zweiten Blick erkannte Keel’o, dass es sich dabei um einen gigantischen Belüfter handelte, der die Klimatisierung des Gebäudes sicherstellte und dabei von einer Reihe anderer Belüftungseinrichtungen auf dem Dach unterstützt wurde. Kratt ging zu einer Tür und hielt die Chipkarte davor, um anschließend einen Zugangscode auf einem Datenpad einzugeben.
    „Das hier ist einer der wenigen Orte Illiums, wo man der Überwachung durch die Behörden entgehen kann“, erklärte er und öffnete die nun entriegelte Tür, um seine Gäste ins Innere des Ventilators zu führen. Ganz im Gegensatz zu dem, was man von außen betrachtet wohl erwarten würde, war der Ventilator im Inneren eher eingerichtet wie eine Mischung aus Büro und Wohnzimmer: in der Mitte des Raumes, direkt unter den mannshohen Blättern des Ventilators, stand ein Schreibtisch mit mehreren Bildschirmen und Terminals darauf, während dahinter an der Wand eine gemütlich wirkende Couch stand, die im Moment jedoch als Ablage für allerhand Papierkram herhalten musste. Neben ein paar weiteren Sitzgelegenheiten (allesamt noch gemütlicher wirkende Sessel und ein Liegestuhl, der zusammengeklappt an der Wand lehnte), befand sich noch ein Kühlschrank und ein Fernseher in dem Raum, der aber ansonsten leer und damit geräumig wirkte. Eine leichte Brise kam ihnen entgegen und Keel’o legte seinen Kopf in den Nacken, um den riesigen Ventilator zu betrachten. Die drei Rotorenblätter bewegten sich zwar nur sehr, sehr langsam, doch es genügte, um einen leichten Zug durch den Raum wehen zu lassen. An der Stange, die hinauf zu dem Belüftungsgerät führte, liefen Kabel entlang, die augenscheinlich zur Datenübertragung der Terminals dienten, an die sie angeschlossen waren. Durch die Blenden, die die Wand des Agregats bildeten und die Keel’o an Jalousien erinnerten, fielen die Lichtstrahlen der Sonne und der Verkehrslärm der umliegenden Straßen drang nur gedämpft an sie heran. Keel’o fühlte sich aus irgendeinem Grund sofort etwas entspannter und er konnte sich durchaus vorstellen, dass Kratt diesen Ort nicht nur zum Arbeiten, sondern auch für einen gediegenen Feierabend-Drink bei einem typischen Illium-Sonnenuntergang nutzte.
    „Das ist meine Kommandozentrale“, sagte Kratt schließlich, nachdem er seinen Gästen etwas Zeit gegeben hatte, sich umzusehen und die Umgebung auf sich wirken zu lassen, „etwas gemütlicher, als das Kabuff, in welches sich Velas immer zurückzieht, aber irgendwie brauche ich die Frischluft einfach.“
    „Nicht schlecht“, staunte Zak und Keel’o nickte zustimmend, während er über die Couch strich.
    „Nehmt Platz, ich rufe Velas an.“
    Keel’o nahm neben seinem salarianischen Freund auf der Couch Platz, während Megan sich den Liegestuhl nahm und ihn in einem Sonnenfleck aufzubauen begann. Unauffällig beugte sich der Quarianer zu Zak.
    „Was hast du über sie rausfinden können?“, raunte Keel’o unhörbar für die menschliche Söldnerin, die sich mit geschlossenen Augen in der Sonne räkelte und dabei ein zufriedenes Summen von sich gab.
    „Zu dem Namen finden sich kaum Einträge“, erwiderte Zak ebenso leise, „sie kommt aus Tennessee, ist verknackt worden wegen allerhand Delikten, die sie während einem Überfall auf die Kneipe begangen haben soll, in der ihre Mutter gearbeitet hat. Der Gefängnispsychologe attestierte ihr auch trotz diverser Handgreiflichkeiten, in die sie involviert gewesen war, eine Tendenz zum guten Umgang mit Disziplin und Authorität und dass sie wohl nur durch eine Verkettung unglücklicher Zufälle zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war, weshalb sie auf die schiefe Bahn geraten ist. Ihre Army-Akte ist beinahe leer, aber ich kenne die Einheit, in der sie war. Das scheint da wohl üblich gewesen zu sein, so wenig wie möglich zu Papier zu bringen. Ihre Allianz-Zeit konnte ich nur über Zeitungsartikel nachvollziehen, aber sie schien wohl mal ein recht vielversprechender Chief gewesen zu sein. Die Befreiung des Verkehrsministers von Virmire aus der Hand separatistischer Terroristen hat ihr sogar mal eine Auszeichnung eingebracht, aber danach wurde es still um sie. Ihr letzter Einsatz muss wohl in einem ziemlichen Blutbad geendet haben, aber die Pressestelle der Allianz war bei der Berichterstattung dazu sehr vage, laut Zeitungsartikeln von damals. Vielleicht kann ich mit Kratt und Velas mehr herausfinden.“
    Keel’o nickte zufrieden. Was Zak ihm erzählt hatte, deckte sich mit dem, was er bisher aus Megan herausbekommen hatte, gewürzt mit ein paar Details, die das Gesamtbild abrundeten. Ihr mürrischer Umgang mit ihrer Vergangenheit, sowie ihr launisches Wesen ergaben jetzt viel mehr Sinn und Keel’o entschloss sich, sie besser kennenlernen zu wollen. Vielleicht würde er ihr ja bei den Partynächten, die er zuvor auf Zaks Schiff angekündigt hatte, sobald sich die Wogen etwas geglättet hatten, mehr aus ihr herausbekommen.
    „Velas ist auf dem Weg“, sagte Kratt in die Runde, nachdem er von seinem Telefonat mit dem Turianer wieder zur Gruppe gestoßen war und Keel’o so wieder zu den wichtigen, bevorstehenden Dingen zurückbrachte, „er scheint auch bereits ein paar wertvolle Informationen gefunden zu haben.“
    „Was für Informationen?“, fragte Keel’o beinahe sofort und neben ihm lehnte sich Zak interessiert nach vorne.
    „Er hat den Widerstand gefunden.“

  3. #3
    ME-FRPG only Avatar von Keel'o Vaelsha
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    Nur kurze Zeit später betrat Velas den Raum, wobei er einen etwas abgehetzten Eindruck machte. Dem Tempo nach zu urteilen, mit dem er erschienen war, musste er ziemlich gerast sein und die Treppen hatte er vermutlich mit zwei oder drei Stufen auf einmal nach oben genommen. Er lüftete seinen Hut zum Gruß, um ihn direkt auf dem Schreibtisch abzulegen und daneben seinen braunen Aktenkoffer, den er mit sich führte.
    „Ich bin so schnell erschienen, wie es mir möglich war, Kapitän“, sagte er keuchend und Keel’o nickte. Kratt bot ihm einen Eistee von der gleichen Sorte an, wie ihn Keel’o trank und der Turianer nahm dankend an, um direkt einen großen Schluck daraus zu nehmen.
    „Dann lasst uns am besten direkt anfangen“, begann Zak, „Velas, was hast du herausfinden können?“
    „Nun, ich konnte für uns im Wesentlichen zwei Themenfelder beleuchten“, eröffnete der Turianer und öffnete seinen ledernen Aktenkoffer. Er entnahm daraus sauber gebundene Dossiers, die in etwa die gleiche Seitenzahl der Sonntagsausgabe einer Tageszeitung hatten und deren Einband in minimalistischem Königsblau gehalten war. Bis auf das aktuelle Datum in Form kleiner, weißer Letter in der oberen linken Ecke war keinerlei Schriftzug darauf zu entdecken. Die Dossiers wirkten sehr sauber verarbeitet und beinahe so, als ob Velas sie bereits seit Jahren für diesen Augenblick bereitgehalten hatte, nur darauf wartend, sie endlich unter die Leute zu bringen. Keel’o schlug sein Exemplar auf. Es begann mit einer Inhaltsangabe, die das gesamte Dossier in drei Kapitel teilte und diese wiederum in Absätze und Artikel. Der Quarianer entschloss sich, vorerst Velas Gehör zu schenken und das Dossier nur nebenbei zu verwenden.
    „Nummer Eins: das Corefield-Imperium und dessen Visconti-Clan“, fuhr der Turianer schließlich fort, als sich jeder mit den Dossiers vertraut gemacht hatte, „wir alle wissen, dass es sich bei Corefield um ein Terraforming-Unternehmen handelt, welches sich zwar zu einer nennenswerten Größe im Geschäft etabliert hat, jedoch seit Übernahme des Konzerns durch die menschliche Familie Visconti eher zurückhaltend verhält und Sicherheit dem Profit vorzieht. Sicherheit versteht die Konzernleitung jedoch nicht nur in Bezug auf die Kapitalanlagen ihrer Gläubiger, sondern auch in Bezug auf die firmeninterne Arbeitsumgebung. Ein nicht zu vernachlässigender Anteil der Angestellten sind gelernte Sicherheitsfachkräfte, die dafür sorgen, dass Liegenschaften des Firmenimperiums von äußeren Störenfrieden verschont bleiben, sowie die Mitarbeiter untereinander störungsfrei arbeiten. Besonders sticht hier die Niederlassung auf Illium hervor, die in etwa zwei Drittel aller Sicherheitskräfte der gesamten Firma beherbergt. Grund dafür sind, laut einiger Firmeninterna und daraus entstandenen Spekulationen, die unteren Ebenen des Geschäftssitzes hier in Nos Astra, wo quarianische Fachkräfte unter widrigsten Bedingungen leben und arbeiten. Details zum Firmensitz hier in Nos Astra sind in Teil Eins des Dossiers aufgelistet, die ich jedoch aus Zeitgründen nicht einzeln aufzählen werde.“
    Keel’o blätterte auf die angegebene Seite und überflog die Informationen. Velas hatte sich nicht nur Zeitungsartikel und anderer, öffentlicher Quellen bedient, sondern bereits damit begonnen, sich einem Asset innerhalb der Firma anzunähern, um es letzten Endes in naher Zukunft als Informanten zu gewinnen. Unglaublich, was der Turianer in der kurzen Zeit zustande gebracht hatte. Neben einiger Quartalszahlen und anderer Statistiken mit viel zu vielen Zahlen waren auch einige Grundrisse des Gebäudes im Dossier enthalten, welche jedoch nur einen groben Überblick ermöglichten und bestenfalls als Anhalt dienen konnten, da viel zu viele Details fehlten. Besonderes Interesse erweckte ein Satz, der von einer ungewöhnlichen Kameradichte im Komplex sprach, vor allem in den „kasernenartigen Wohn- und Arbeitsebenen“ der Quarianer. Es handelte sich jedoch nur um vage Aussagen, die durch zu wenige Fakten gestützt waren, um wirklich Aufschluss darüber geben zu können, wie es nun in der Firma wirklich aussah, doch auf diese Problematik kam der Turianer sogleich zu sprechen.
    „Womit wir bei Nummer Zwei angekommen wären“, sagte er und lehnte sich an einem der Arbeitstische an, „der Widerstand. Entweder ist an den Gerüchten um unterdrückte Quarianer wirklich etwas dran oder es glauben schlicht zu viele an diese urban legend, aber so oder so hat sich aufgrund der negativen Publicity gegen die Firma der Viscontis ein verbissener Widerstand gebildet, der hier auf Illium seinen Ursprung hat und von den örtlichen Behörden als kriminelle Vereinigung bezeichnet wird. Er besteht sowohl aus Quarianern, egal ob Pilgerreisende, Exilanten oder ehemalige Mitarbeiter, sowie aus Nicht-Quarianern, die schlicht an die Sache glauben, mit dem quarianischen Volk sympathisieren und in Corefield einen Akteur sehen, der mehr als nur auf dem geschäftlichen Markt an Macht gewinnen möchte, ohne dabei auf Einzelschicksale Rücksicht zu nehmen. Ich habe nur wenig über diese Leute herausfinden können, da sie sehr versiert im Umgang mit der Thematik des Datenschutzes zu sein scheinen und sich bewusst bedeckt halten, doch in einem Chatroom, von dem bekannt ist, dass Mitglieder des Widerstands diesen häufig frequentieren, konnte ich erfahren, wo man hier Stammtische antreffen kann. Wenn wir Unterstützung für unser Unternehmen gewinnen möchten, und diese werden wir brauchen, dann sollten wir dort anfangen, Kapitän.“
    „Und was ist mit Kapitel Drei?“, fragte Zak und hielt das Dossier hoch, „das sind hauptsächlich Codes hier drinnen.“
    „Richtig, Codes, die ich über den Funk auffangen konnte.“
    „Und was ist daran so besonders?“
    „Sie wurden über alte Frequenzen des Netzwerks gesendet.“
    Für einige Augenblicke herrschte eine eisige Stille in Kratts Unterschlupf. Keel’o sah zu Zak, doch der Salarianer sah nur mit gerunzelter Stirn in das Dossier.
    „Das muss noch nichts heißen“, brach Kratt das Schweigen, „vielleicht ist das jetzt das neue Sendespektrum der Behörden Nos Astras.“
    „Keine Pressemitteilung lässt eine solche Vermutung zu, Kratt“, antwortete Velas wie aus der Pistole geschossen, fast so, als ob er diesen Einwand erwartet hatte.
    „Dann lass es Amateurfunker sein, wir haben die Frequenzen schließlich nicht gepachtet!“
    „Habe ich auch schon geprüft“, kam ein weiteres Gegenargument mit einer ähnlichen Geschwindigkeit, „das ist definitiv jemand anderes, der sich da zu schaffen macht.“
    „Aber wer sollte denn plötzlich anfangen, verschlüsselte Botschaften über diese Frequenzen zu senden? Ist es nur Zufall?“
    „Funktionieren deine Empfänger, Velas?“
    „Daran liegt-“
    „Was ist“, schaltete sich plötzlich der bis dahin still gebliebene Zak ein, wobei er nachdenklich ein Loch in den Boden zu starren versuchte, ehe er den Kopf hob und in die Runde blickte, „wenn das unsere Leute sind, die da senden?“
    „Wie denn? Weder Kratts, noch meine Zelle nutzen diese Frequenz.“
    „Ich rede auch nicht von euren Zellen“, erwiderte Zak, „wir haben das Netzwerk offiziell schließlich nie aufgelöst…“
    „Du denkst, das sind noch Zellen aus der Zeit vor Omega?“, fragte Keel’o. Zak nickte.
    „Unmöglich“, warf Kratt ein und schüttelte dabei heftig mit dem Kopf, „das ist mehr als sieben Jahre her!“
    „Na und? Ihr habt schließlich auch nicht aufgehört. Ein Extranet-Artikel, ein Foto, ein verdammtes Gerücht pro Jahr!“, Zak machte eine rhetorische Pause, in der er jedem einen Moment lang intensiv in die Augen sah, „Das würde schon reichen, um die Leute im System zu halten.“
    „Das ist sehr gewagt“, brummte Kratt skeptisch.
    „Dann erkläre mir eine Sache: als ich heute auf dem Raumhafen gelandet bin, wurde ich grundlos aus der extrem langen Warteschlange geholt, in das Büro einer Zollbeamten gebracht und dort gebeten, ein Einreiseformular zu unterschreiben – mit einer Briefkastenadresse im salarianischen Konsulat darauf! Ehe ich mich versehe, bin ich an sämtlichen Sicherheitskontrollen vorbei geschleust und stehe auf der Landseite des Raumhafens. Einfach so. Erst dachte ich, das war ein Willkommensgeschenk von euch, aber es hat niemand angesprochen, also…“
    „Ohne Scheiß?“, fragte Kratt nach einigen Augenschlägen des Schweigens und Zak nickte.
    „Dann müssten wir die Codes mit unseren Logarithmen doch knacken können, richtig? Velas?“
    „Richtig, Kapitän, aber ich benutze die alten Mittel schon lange nicht mehr. Ich werde mich quasi manuell ransetzen und das Gesendete im Nachhinein dekodieren müssen. Unseren eigenen Code knacken, sozusagen.“
    „Dann mach das direkt im Anschluss, denn das hat Priorität. Umso mehr Leute wir haben, umso härter wird unsere Schlagkraft. Zak, wie sieht es mit der Progress aus? Können wir sie als Operationszentrale beziehen?“
    „Die Progress ist außer Gefecht.“
    Keel’o zog die Augenbrauen nach oben und Kratt stieß einen erstaunten Pfiff aus. Im Gegensatz zu ihm wussten weder Velas, noch Kratt von der Schießerei, die sich die beiden auf Omega geliefert hatten.
    „Ich habe mehrere Männer bei einem heftigen Feuergefecht auf Omega verloren, genau gesagt waren es fünf, sieben weitere sind verwundet und ans Bett gefesselt, darunter mein fähigster Lieutenant. Desweiteren ist ein Shuttle völlig unbrauchbar und das andere schwer beschädigt, sodass die Reperaturen längere Zeit in Anspruch nehmen können. Zu guter letzt hat auch die Progress selbst bei der Flucht von Omega einige Treffer abbekommen, deren Instandsetzung erst zu noch unbekannter Zeit abgeschlossen sein wird. Kurzum: auf absehbare Zeit wird die Progress nicht einsatzbereit sein und höchstens als Unterschlupf in Notzeiten herhalten können.“
    „Dann bleiben wir hier“, schloss Kratt konsequent und breitete die Arme aus, „das sollte absolut kein Problem sein. Die Bullen haben mich hier noch nie gestört und um uns herum ist so viel Äther, da wird uns kein Schwein orten.“
    Der Batarianer spielte auf die vielen Stromleitungen, Funkschüsseln und dergleichen an, die nicht nur auf dem Gebäude seiner Spedition, sondern auch rings um sie herum angebracht waren und so ein derartiges Funkfeuer verursachen mussten, dass sie mit ihren Signaleln vermutlich untergehen würden.
    „Gut, dann gehen wir jetzt folgendermaßen vor“, ergriff sogleich Keel’o das Wort, „Velas, du versuchst, diese Codes zu knacken und herauszufinden, wer dahinter steckt. Kratt, ich möchte, dass du dich über den Visconti-Clan schlau machst, im Schwerpunkt die drei Brüder unter die Lupe nimmst und siehst, ob du nicht deren Leichen im Keller finden kannst. Zak, Megan und ich werden uns den Stammtisch des Widerstands vornehmen und sehen, ob wir uns mit denen austauschen können.“
    Der Quarianer blickte jedem in die Augen und alle nickten.
    „Wir treffen uns abends wieder hier, die genaue Uhrzeit folgt noch, sobald wir mit dem Widerstand gesprochen haben. Alles klar soweit?“
    Die Anwesenden nickten wieder. Velas war – wie konnte es nicht anders sein – bereits mit einem Stift an seiner Ausgabe des Dossiers zu Werke, vermutlich um irgendwelche Eigenheiten im Code zu markieren, während Kratt einfach nur mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihm stand und breit grinste. Es waren zwei Haudegen, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten, doch Keel’o wollte sie im Moment gegen niemanden in diesem Universum tauschen. Es tat gut, sich mit Zak wieder unter alten Freunden zu wissen. Der Salarianer indes notierte sich die Adresse und rief dem Trio ein Taxi.
    „Wir gehen also jetzt ein Bier trinken, habe ich das richtig verstanden?“, fragte Megan, die den Liegestuhl dort stehen ließ, wo sie ihn aufgebaut hatte, also augenscheinlich in der festen Absicht, sich noch öfter in diesem niederzulassen.
    „Das ist richtig“, erwiderte Keel’o und lächelte sie an, „wir trinken jetzt ein Bier mit dem Feind unseres Feindes.“

    Tag 7, 17:00 Uhr Ortszeit
    ---> Nos Astra – Untere Ebenen

  4. #4
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    <--- Nos Astra – Untere Ebenen
    Tag 7, spät nachts


    Der Himmel über Nos Astra war pechschwarz, während unter ihm die Stadt grell erleuchtet war. Der völlig überbevölkerte Handelsnexus der asarischen Republiken litt unter einer derartigen Lichtverschmutzung, dass die Sterne mit bloßem Auge überhaupt nicht mehr zu erkennen waren, selbst bei einer wolkenlosen Nacht, wie sie sich nun über die Megametropole gelegt hatte. Einzig größere Raumstationen im Orbit oder den nächtlichen Flugverkehr konnte man ohne Hilfsmittel noch ausmachen, für alles andere benötigte man spezielle Ausrüstung. Diese Besonderheit verlieh den Nächten auf Illium stets etwas depressives, wie Zak fand. Der Salarianer stand auf dem Dach von Kratts Firma, wie so oft mit einer Zigarette im Mund und einem Whiskeyglas in der Hand. Hinter ihm befand sich das kleine Dachbüro Kratts, wo der Batarianer gerade arbeitete, während Megan sich wieder in ihren Liegestuhl zurückgezogen hatte. Velas war in seine Buchhandlung zurückgekehrt. Er könne sich dort besser konzentrieren, wie er gesagt hatte. Zak selbst gönnte ich eine Pause und war vor die Tür gegangen, um die laue Sommerluft zu genießen. Er atmete tief ein, ausnahmsweise ohne dabei die Luft durch die Zigarette einzusaugen. Milliardenmolloch hin oder her, die Luft auf Illium war bedeutend erfrischender und angenehmer als auf Omega. Eine leichte Brise strich Zak über die Haut und er nahm einen Schluck von seinem Drink. Keel'o war nun schon eine ganze Zeit lang weg gewesen und hatte sich noch nicht gemeldet. Nicht, dass sich der Salarianer Sorgen um seinen Freund machte. Dazu gab es keinen Grund, das war für ihn völlig klar. Es war vielmehr das Unwissen, in welchem er sich befand, was ihn umtrieb. Eine alte Berufskrankheit, schätzte er. Er musste auch feststellen, dass sie alle ihre Arbeit gerade nicht in Gänze zu Zaks Zufriedenheit erledigten. Etwas zu wenig Systematik, etwas zu viel Hauruck und allgemein zu schnell – so kam ihm das alles vor. Vielleicht lag es aber nur an den turbulenten Tagen, die er mit Keel'o gemeinsam erlebt hatte. Gleichwohl es ihm manchmal vorkam, als würden sie schon seit Jahren diesen Leuten hinterherlaufen, waren es doch nur Tage gewesen, die sie vom jetzigen Moment und jenem Schicksalstag in der Seitengasse Omegas trennten. Schließlich war es aber auch so, und das konnte Zak nicht leugnen, dass die Rückkehr nach Illium und dieser Komplott im Allgemeinen alte Wunden aufzureißen begann. Zuerst all die Quarianer, dann das Gespräch mit Rin und jetzt wieder Illiums Boden unter den Füßen... Zak ertappte sich dabei, nun öfter zurück zu denken an jene wunderschöne Zeit mit seiner Ex-Frau und der Adoptivtochter. Gemeinsam mit den Erinnerungen kündigte sich ein finsteres Gefühl in der Magengegend an, das sich Zak jedoch gleich wieder anschickte zu ersticken. Im Hintergrund konnte er hören, wie Keel'o zurückkam, den Gesprächen nach zu urteilen in guter Laune, und mit einem letzten Zug beendete der Salarianer die Zigarette. Aus dem Handgelenk heraus warf er den Stummel die Gebäudekante hinunter und drehte sich um, erblickte tatsächlich seinen quarianischen Freund und wollte gerade zu ihm gehen, als ihn ein Anruf erreichte.
    „Wurde auch Zeit“, murmelte Zak und hob ab.

    Kratt und Megan waren beide in ihre Unterlagen vertieft, als Keel'o beschwingten Schrittes das sommerliche Büro betrat.
    „Ich hoffe, ihr seid weitergekommen“, flötete er seine Euphorie keineswegs verschleiernd und nahm sich sofort einen gekühlten Softdrink aus dem Kühlschrank, „denn es gibt viel zu tun.“
    Während Kratt bei diesen Worten sofort zu grinsen begann, sah Megan aus, als ob man sie gerade aufgeweckt hatte. Da sie allerdings noch immer in das Manifest vertieft war und Keel'o erkannt hatte, dass sie sich auf dem Papier Notizen gemacht hatte, war sie wohl geistig noch immer in diese Lektüre vertieft. Ohne sich selbst über Gebühr zu loben, musste Keel'o sagen, dass es auch nicht gerade einfacher Stoff war, den sie sich da zu Gemüte führte. Nun war aber nicht der Moment, derart ins Philosophieren zu geraten.
    „Dann hör mal her“, sagte Kratt, der einen Schluck Bier aus der Flasche genommen hatte und sich dann vor seinen Bildschirm beugte, was aus orthopädischer Sicht ziemlich ungesund aussah, „Ich hab‘ was über diese Hyden rausfinden können. Das Mädchen ist auf der Citadel untergetaucht und mit einem ziemlich großen Feuerwerk aus einer Klinik entführt worden. Mein Mann auf der Citadel ist gerade dran, die Hintermänner zu identifizieren und es sieht wohl ganz gut aus. Zuletzt hat man sie mit einer Quarianerin gesehen, aber ob sie mit der zusammenarbeitet oder was da sonst genau los ist, das kann ich dir jetzt noch nicht sagen. Wenn ich dich so anschaue, dann liege ich wohl richtig mit der Vermutung, dass wir diese Hyden lieber jetzt als später brauchen oder?“
    „Völlig richtig“, erwiderte Keel'o, noch immer bestens gelaunt, und ließ sich elegant auf die bequeme Couch fallen, während Zak nun ebenfalls das Büro betreten hatte. Keel'o sah, dass sein Freund angespannt war und entschloss sich dazu, ihn ein wenig auf den Arm zu nehmen.
    „Ah, Zak. Wir werden eine Bank überfallen.“
    „Was?“, stießen der Salarianer und Megan beinahe gleichzeitig aus, während sich Kratt am Bier verschluckte, etwas davon auch noch über sein Hemd verschüttete und einen herben batarianischen Fluch ausstieß.
    „Du verarscht uns“, stellte Megan fest, noch immer fassungslos.
    „Okay, okay. Keine Bank, sondern ein Kontor.“
    „Also wieder wie in den alten Zeiten, ja?“, Kratt stieß ein emotionsloses Lachen aus und nippte an seinem Bier, „kaum ist die Gang wieder zusammen, zünden wir die Stadt an.“
    Keel'o beschwichtigte seinen alten Freund, verstand aber worauf er hinauswollte. Die Gang, wie Kratt den aus ihm, Keel'o, Zak, Slesh und Velas bestehenden Inneren Zirkel des Netzwerks stets nannte, hatte zu ihren Hochzeiten fürwahr Aktionen durchgezogen, die retrospektiv betrachtet Gänsehaut bei allen Beteiligten auslösten. Nicht nur, weil man mit einer gewissen romantisch-melancholischen Art an die guten alten Zeiten zurück dachte, sondern auch, weil es sich um zum Teil waghalsige Verbrechen gehandelt hatte, die einem jeden von ihnen den Kopf hätten kosten können. Dass sie alle damit davongekommen waren, das lag in manchen Fällen an der einfachen Kombination aus Dreistigkeit und Glück.
    „Das ist diesmal nicht nur unsere Show“, wand Keel'o ein, wobei er sich nach vorne lehnte und die Ellenbogen auf den Knien abstützte, „das können wir in diesem Fall eindeutig zu unserem Vorteil nutzen. Die schwierigsten Dinge in der Vorbereitung sind bereits erledigt und wir müssen nur noch den Feinschliff übernehmen. Schließlich sind wir die Profis und die machen sowas zum ersten Mal. In diesem Rahmen zumindest.“
    „Wovon genau reden wir, wenn du die, sowas und in diesem Rahmen sagst?“
    Keel'o führte die Pläne des Widerstands in aller Breite aus und ließ dabei kein Detail aus. Er beschrieb das Hauptquartier, die logistischen Vorbereitungen, die für den Plan bereits getroffen worden waren und schließlich die Ziele, die die revolucionista mit ihrem Überfall erreichen wollte.
    „Die haben also den Plan, die logistischen Mittel und sie geben den Ton an“, stellte Kratt fest, „kommt mir also nicht so vor, als ob wir hier die Key Player wären… Wie verhindern wir, dass die uns über den Tisch ziehen?“
    Keel’o lächelte kalt. Er wusste, dass Kratt als durchtriebener Geschäftsmann und geborener Unternehmer, der nebenbei über eine gehörige Portion Erfahrung in Form krimineller Umtriebe gesammelt hatte, das scheinbare Minusgeschäft nicht akzeptieren würde. Auch Zak machte mit seinem Gesichtsausdruck klar, dass er von der ganzen Geschichte bisher nicht wirklich überzeugt war. Doch der Quarianer hatte einen Plan und zwar einen recht gewieften, wie er fand. Eine Einschätzung, die seine Mitstreiter auch später noch teilen sollten. Zumindest was dieses krumme Ding anging.

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