So, und um eine Cliffhänger aufzulösen, geht es weiter.
[http://www.youtube.com/watch?v=RkZkekS8NQU]
Als Chrissy die Augen wieder aufschlug spürte sie, dass etwas nicht stimmte. Erster Punkt, sie lag nicht in ihrem Bett, sondern saß auf einem Stuhl. Zweiter Punkt, sie befand sich nicht in Jacksons Zimmer, sondern in einem dunklen Raum. Und dritter Punkt, sie war alleine.
„Nein, nicht schon wieder“, hauchte sie.
Sie blickte sich suchend an. Es war komplett dunkel um sie herum, ihre Augen gewöhnten sich langsam an die Finsternis. Sie begann ihre Gliedmaßen zu bewegen. Ihre Hand- und Fußgelenke waren mit Ketten an dem Stuhl festgebunden.
„Okay, jetzt keine Panik schieben, Chrissy“, versuchte sie sich selbst zu beruhigen.
„Die Panik wird noch früh genug kommen“, erklang eine mechanische Stimme.
Chrissys Kopf wirbelte herum. Neben ihr war eine Gestalt aufgetaucht. Vermummtes Gesicht, langer Mantel, mechanische Stimme: Charon.
„Aber...aber...“
Chrissy bekam kein Wort heraus. Tony und Charon hatten doch das Bündnis geschlossen, sie waren ein Team. Wie konnte dieser Typ nur?
Charon ging um den Stuhl herum, beugte sich zu Chrissy vor und legte seine Hände auf die Armlehnen. Ganz weit nach vorne beugte sich der Attentäter, Chrissy hat fast das Gefühl das Gesicht von Charon sehen zu können.
„Ich will nur ein paar Antworten auf einige Fragen.“
Chrissy sagte nichts, sondern starrte das tiefe Schwarz in der Kapuze einfach nur böse an. Charon schwang sich zurück und begann den Stuhl zu umkreisen.
„Ich habe viele Familien zerbrechen sehen, Christina.“
„Nenn mich nicht so! Mein Name ist Chrissy!“
Mit der flachen Hand schlug Charon ihr auf den Hinterkopf, so hart, dass Chrissy kurz Sterne sah. Der Attentäter drehte weiter seine Runden.
„Nanana, bitte, man soll ältere Leute doch nicht unterbrechen. Wie gesagt, ich habe viele Familien zerbrechen sehen, Christina.“
Diesmal reagierte Chrissy nicht. Konnte auch am Klingeln in ihrem Kopf liegen. Charon fuhr fort.
„Aber meistens war ich es, der die Familien zerbrochen hat. Doch was bringt einen Mann dazu seine eigenen Enkelin zu entführen und zu foltern. Das interessiert mich wirklich.“
Jetzt hielt Charon vor Chrissy an und fixierte sie wieder.
„Kannst du es mir sagen?“
„Nein.“
Die Antwort war ehrlich, Chrissy wusste es nicht. Doch Charon glaubte ihr nicht.
„Aber Christina, sollst du denn lügen.“
„Ich lüge nicht.“
Chrissy versuchte stark zu klingen, sie wollte ihre Angst nicht zeigen. Jedem, aber nicht diesem Kerl. Doch Charon war nicht zu Spielchen aufgelegt. Der Assassine legte wieder die Hände auf die Armlehne, nah an Chrissys Handgelenken und beugte sich vor.
„Ich bin nett zu dir, Christina. Im Moment. Aber dir sollte bewusst sein, dass ich auch anders kann. Also?“
„Aber ich weiß es wirklich nicht.“
Sie bemerkte gar nicht wie er einen Schlagstock zog. Die Existenz von diesem realisierte sie erst, als er sich direkt in ihre Magengrube bohrte und einen Teil des Abendessen wieder nach oben drückte. Chrissy würgte und kniff vor Schmerz die Augen zusammen. Charon richtete sich auf. Noch immer war der Attentäter erstaunlich gelassen.
„Du sollst mich nicht anlügen, Christina.“
„Aber ich lüge nicht.“
Der Schlagstock traf mit der breiten Seite direkt in ihr Gesicht und sie konnte spüren, wie ihr Wangenknochen brach. Sie keuchte auf.
„Du hast noch eine Chance, Christina“, zischte Charon. „Dann beginnt der Spaß.“
„Spaß?“
Chrissy spuckte etwas Blut auf den Boden und schaute Charon fassungslos und fragend an. Der Attentäter drehte den Schlagstock in der Hand und ging vor ihr auf und ab.
„Ich will doch nur verstehen, Christina. Ich möchte Xerxes verstehen, seine Beweggründe erkennen. So kann ich euch helfen. Also, warum ist er so hinter dir her?“
„Ich weiß es nicht, verdammt! Ich hatte doch bis vor einigen Wochen keine Ahnung, dass er mein Großvater ist, geschweige denn was er meiner Familie angetan hat! Ich habe keine Ahnung!“
„Die hast du wirklich nicht.“
Wieder traf der Schlagstock ihren Körper, diesmal direkt an ihre Rippen und sie glaubte eine brechen zu spüren. Danach ließ Charon den Stock ließ, der in einer Raumecke landete, und zog etwas anderes hervor. Es war ein Messer. Ein langes Messer, in dessen Klinge sich Chrissys Gesicht spiegelte. Charon hielt die Klinge nah an ihr Gesicht heran, beugte sich selbst weit nach vorne.
„Das ist Hades, meine Lieblingsklinge. Eine wunderschöne Waffe, nicht wahr? Sie hat schon den ein oder anderen zum Reden gebracht.“
„Hades? Wie der Hades, griechischer Gott der Unterwelt beziehungsweise die Unterwelt selbst? Der Ort des Tantalus und des Sisyhpos?“, fragte Chrissy atemlos.
„Erstaunlich. Dein Vater interessiert sich sehr für die griechische Mythologie, nicht wahr? Er hat dir viel beigebracht.“
„Lass meinen Vater aus dem Spiel, Arschloch.“
Jetzt konnte Chrissy nicht mehr an sich halten. Sie knurrte und zeigte Charon die Zähne. Doch der Assassine schwang sich unbeeindruckt zurück, drehte Hades in der Hand.
„Meine Geduld ist nicht unendlich, Christina. Und sie wird nicht mehr, wenn du mich beleidigst.“
Bevor Chrissy antworten konnte, wirbelte Charon herum und warf ihr einen Warb direkt ins Gesicht. Die biotische Kraft schleuderte sie nach hinten, der Stuhl kippte und schlug hart auf dem Boden auf. Schon war Charon über ihr, packte sie am Kragen, zog sie hoch und schlug ihr mehrere Male direkt mit der geballten Faust ins Gesicht. Ihre Unterlippe sprang auf, ein Zahn wurde in ihre Speiseröhre gedrückt und ihre Nase brach. Charon hielt sie am Kragen fest.
„Jetzt sag mir was ich wissen will. Was will Xerxes von dir?“
„Ich... ich weiß es nicht.“
Ihre Stimme war nasal, leise und schwach. Sie spuckte wieder Blut und einen weiteren Zahn auf den Boden. Doch Charon hielt sie weiterhin fest.
„Letzte Warnung, lüg mich nicht an.“
„Ich lüge nicht.“
Charon lockerte kurz den Griff um ihr Handgelenk, packte dann aber ihr Kinn und drehte ihren Kopf so, dass sie auf ihre rechte Hand sehen musste. Mit der Spitze von Hades deutete er auf ihren Ringfinger.
„Willst du heiraten, Chrissy? Eines Tages einen netten Jungen finden und ihn heiraten?“
'Gefunden habe ich ihn schon', fuhr es Chrissy durch den Kopf, doch sie blieb ruhig. Charon umfasste die Klinge fester und stieß sie dann nach unten. Sie drang wie Butter durch Haut, Fleisch und Knochen von Chrissys Ringfinger und trennte ihn sauber am Gelenk ab. Der Teenager schrie vor Schmerzen auf, Tränen standen in ihren Augen. Charon hielt ihr die blutige Klinge an ihre Kehle.
„Schrei so viel du willst, dich hört niemand! Was will Xerxes von dir?!“
Chrissy konnte nicht antworten, nur schreien. Die Schmerzen waren kaum zu ertragen. Charon hielt sie am Kragen fest, die Spitze des Messers an ihre Kehle gedrückt.
„Du kommst hier nicht raus bis ich weiß, was ich wissen will!“
[http://www.youtube.com/watch?v=CHtcPy29bdE]
„Das reicht“, erklang eine feste Männerstimme von hinten.
Charon fuhr herum und auch Chrissy wandte den Kopf. Aus der Dunkelheit kristallisierte sich eine neue Gestalt heraus. Ein Mann, gut zwei Meter groß und breitschultrig. Er trug einen langen Mantel, die Hose steckte in den Stiefeln. Mit langsamen, festen Schritte kam der Mann auf sie zu. In der linken Hand hielt er einen Pistole, in der rechten ein langes, gezacktes Messer, an dem die Spitze fehlte. Und genau dieses richtete er jetzt auf Charon.
„Lass die Finger von meiner Nichte, Assassine.“
„Onkel Neal“, keuchte Chrissy.
Neal Bishop stand mitten in diesem Raum. Sein blindes Augen war wie üblich milchig, doch das noch funktionierende hatte er auf Charon gerichtet. Der Assassine richtete sich auf.
„Der Killer von Omega, was machst du auf meinem Schiff?“
„Du hast Hand an meine Familie gelegt. Außerdem hast du dein Schiff unbeaufsichtigt gelassen. Ein großer Fehler, mein lieber Charon. Und jetzt lass Chrissy gehen.“
„Oder?“
Neal grinste nur. Dabei zuckten die Narben in seinem Gesicht. Seine dunklen Haare trug er kurz, der Pony nach oben gegeelt. Er sah jünger aus als er eigentlich war. Chrissy kannte den älteren Brüder ihrer Mutter kaum, doch sie war so froh ihn zu sehen. Langsam ging er auf ihren Stuhl zu und legte ihr seine Hand väterlich auf die Schulter.
„Lass die Kleine laufen, Charon, und ich sage dir, was du wissen willst.“
„Ich höre.“
„Zuerst Chrissy.“
Mit dem Messer deutete Neal auf seine Nichte, dann wieder auf Charon. Doch der Assassine schüttelte den Kopf.
„Erst die Infos.“
Neal seufzte.
„Gut. Aber wenn du noch einmal Hand an das Mädchen legst, dann schlitze ich dir die Kehle auf.“
Die Drohung stand im Raum. Neal zog ein Stofftaschentuch aus seiner Manteltasche und legte es um Chrissys rechte Hand. Genau an die Stelle, wo ihr jetzt der Finger fehlte.
„Xerxes will ihr Blut. Er hat mit mir und meinen Geschwistern Genexperiemente betrieben, um uns zu perfekten Menschen zu machen. Er hat uns verändert, uns zu besonderen Soldaten gemacht, doch er konnte unsere Einstellung, unsere Moral nicht ändern. Deswegen stellten wir uns gegen ihn. Nun sind wir für ihn unrein geworden, doch Chrissy...“
Er strich seine Nichte mit seiner prankenartigen Hand sanft über den Kopf.
„Sie ist rein, unbescholten. Und blutsverwandt mit ihm. Ideal für das, was er vorhat.“
„Was hat er vor?“, fragte Charon.
Neal schwieg nur und schaute Charon herausfordernd an. Wieder deutete er auf mit dem Messer auf Chrissy. Diesmal gab Charon nach. Er drückte einen Knopf auf seinem Universalwerkzeug und die Fesseln fielen von Chrissy auf. Sofort packte Neal seine Nichte und hob sie auf seinen Arm. Es war erstaunlich mit was für einer Leichtigkeit er sie hochhob und festhielt. So als wäre sie ein kleines Kind. Schützend legte er die Hände auf ihren Rücken, schaute Charon weiterhin an.
„Er will einen Dämon beschwören. Einen uralten Dämon, älter als die Reaper und Leviathan und viel schlimmer als sie. Und jeder Dämon braucht einen Wirt.“
Damit ließ Neal es auf sich beruhen. Er trat den Stuhl um und schaute Charon ein letztes Mal böse an.
„Fass noch einmal ein Familienmitglied von mir an und du bist tot, Assassine.“
Mit diesen Worten wandte sich Neal ab und verschwand in der Dunkelheit. Charon dachte über das eben Erzählte nach, doch Chrissy beschäftigten ganz andere Dinge.
„Onkel Neal, wie kommst du hier her? “, fragte sie leise.
„Erkläre ich dir alles auf dem Schiff, Kleines. Jetzt bringe ich dich erstmal in Sicherheit.“
Er ging mit festen Schritten durch einige Gänge der Invisible und wurde erstaunlicherweise nicht entdeckt. Durch eine Luftschleuse betraten sie die Iron Fist. Dort war die Aufregung groß, gerade war das Verschwinden von Chrissy bekannt geworden. Sie hörten Jackson aufgeregt brüllen:
„Das war dieser Charon, ganz sicher! Ich geh das jetzt rüber!“
„Immer langsam mit den jungen Pferden, euer Retter in der Not ist das.“
Die Gruppe, die im Kreis nahe der Luftschleuse stand, wirbelte herum. Neal grinste, doch Tony sah seinen großen Bruder fassungslos an.
„Neal, aber du...“
„Später. Kümmert euch erst um Chrissy. Und das schnell.“
Sofort kam Jackson angerollt und nahm den Teenager auf seinen Schoß. Noel und Sam halfen ihm bei seinem Weg runter zu Klinik. Neal steckte derweil sein Messer weg, schaute dann zu Tony.
„Und wir beide müssen uns dringend unterhalten.“
Tony nickte nur.
„Allerdings.“