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    Standard Hauptstadt Katherine:

    Allgemein:
    Katherine ist die Hauptstadt Tharkads und der Sitz der Planetaren Regierung, unter der Kanzlerin Katherine Steiner, und der Hauptsitz der planetaren Allianzverwaltung.
    Die Stadt wurde während des ersten Krieges, bevor die Allianz eingriff, schwer beschädigt, ist jedoch zu ca. 90% wieder aufgebaut, kommt jedoch nicht an den alten Glanz heran. Neue Gebäude sind eher Zweckmäßig und praktisch gestaltet und heben sich deutlich von den älteren Gebäuden ab. In den äußeren Stadtgebieten sind die Spuren die der Krieg hinterlassen hat aber noch immer deutlich für alle zu sehen.
    In der Stadt leben die meisten Bewohner Tharkads und versuchen langsam wieder ein alltägliches Leben zu führen was auf Grund des noch immer vorherrschenden Kriegsrechts schwierig ist. Eine Ausganssperre sorgt dafür, dass nach Einbruch der Nacht niemand mehr auf den Straßen unterwegs sein darf, ausgenommen Allianzangehörige und Söldner die sich aber ausweisen müssen. Luxusartikel sind extrem selten geworden und Dinge wie Alkohol und Tabak werden Rationalisiert. Alltägliche Dinge sind vorhanden allerdings ist die Auswahl nicht gerade üppig. Die Nahrungsmittellage ist gut jedoch machen hin und wieder Engpässe in der Energieverteilung den Leuten zusätzlich zu schaffen.
    Söldner und Allianzsoldaten sind aber begierig darauf nach Katherine zu kommen, da sie nur dort Gelegenheit haben quasi `Frei´ zu machen. Es ist für sie auch die Einzige Möglichkeit an harten Alkohol und käufliche Liebe zu kommen. Wenn Soldaten oder Söldner die Gelegenheit bekommen Katherine zu besuchen ist es ihnen Verboten Rüstungen oder Waffen mitzuführen, außer sie befinden sich auf einer Mission, sind also mit einem Auftrag in der Stadt und nicht auf Fronturlaub.
    Die Sicherheitslage wird allgemein hin als sehr gut bezeichnet und die Stadt gilt als `Green Zone´, obwohl man die Gefährdung steigt je weiter man sich vom Stadtkern entfernt.
    Checkpoints und Patrouillen prägen das Stadtbild und nehmen zu wenn man in die Randbereiche der Stadt kommt. In der Stadt findet man nur wenig Allianzmilitär oder Söldner, die Sicherheit wird durch die planetare Armee Tharkads gestellt. Diese Soldaten machen ihren Job gut und haben generell einen besseren Draht zur Bevölkerung als irgendwelche Fremdweltler und können Konflikte in der Regel friedlich lösen lange bevor die Situation zu eskalieren droht. Bisher musste die Armee nur einmal hart gegen die Zivilbevölkerung durchgreifen als es eine gewalttätige Demonstration gegen die Söldner gegeben hatte. Während des Konflikthöhepunkts 2182 gab es eine Kommandoaktion der Warlords mit dem Ziel die planetare Regierung zu eliminieren.
    Einige Minister und Parlamentarier fielen dem Angriff zu Opfer, jedoch konnte die Armee schlimmeres verhindern und schaffte es schließlich die verschanzten Kommandos auszuschalten.


    Wichtige Orte in Katherine:
    -Parlamentsviertel: in diesem, gut geschützten, Gebiet liegt das Parlament, das Kanzleramt, die Ministerien, die Parteigebäude und ein paar Cafés und Restaurants in denen sich die Politiker hin und wieder zusammenfinden.

    -Allianz-Protektoratsverwaltung: Der große Komplex gleicht einer Kaserne und beheimatet die Allianz Verwaltung des Planeten und des Systems. Hier werden die Tatsächlich wichtigen Entscheidungen auf sozialem und ökonomischem Gebiet getroffen.

    -Raumhafen: Der Raumhafen von Katherine ist der größte auf dem Planeten, dennoch ist er nicht der größte militärische Raumhafen auf Tharkad. Der Raumhafen ist völlig unterbelastet was daran liegt, dass der zivile Verkehr eher bescheiden ausfällt

    -"Zum alten Rappen": Eines Einzige, große Hotel das auch über ein Restaurant und eine Bar verfügt. Seine Lage ist ideal, da es zwischen Raumhafen und Parlamentsviertel liegt, in Sichtweite zur Protektoratsverwaltung und für jeden Geldbeutel etwas zu bieten hat. Außerdem hat es den Vorteil, dass man dort auch bis nach Sonnenuntergang trinken kann, wenn man ein Zimmer gemietet hat.

    -„Die Gepanzerte Faust“: Wer es ein wenig gröber mag ist hier richtig, die Auswahl an Alkoholika ist zwar begrenzt dafür fühlt man sich hier wie in einer richtigen Kaschemme in der des Öfteren die Militärpolizei einrücken muss. Wer hier bis nach Sonnenuntergang noch sitzt ist gezwungen bis zum Sonnenaufgang zu bleiben – heißt es.

    -Einkaufspromenade: Hier kann man den alten Glanz Tharkads noch erkennen. Der Krieg hinterließ hier keine physischen Spuren und wenn man über die breite Promenade flaniert und die leeren Geschäfte sieht kann man auch als Fremdweltler erahnen wie es hier früher einmal war. Nicht alle Geschäfte sind leer, man findet hier zwar nicht alles was das Herz begehrt, dafür aber alles was man braucht und hin und wieder findet man auch ein Café das geöffnet hat.
    Do not turn away my friend! Like a willow I can bend. No man calls my name, no man came. So I walked on down away from you, maybe your attention was more than I could do. One man did not call. He asked me for my love and that was all!
    Kunstprojekt falsch zugeordnete Zitate:
    "...Fotzenverein!" - Otto von Bismarck

  2. #2
    ME-FRPG only Avatar von Elias Verhoeven
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    Heimat verblassend / Im Äther des Tharkads

    Einstiegspost

    In der tiefen Nacht des Tharkads, trafen sich im Randgebiet der Hauptstadt zwei Männer, die Ausgangssperre ignorierend und somit bereits ein Risiko eingehend schon alleine durch das Treffen. Im Wald, der mehr einem Schrottplatz ähnelte, mit aufgelassenen Fabriken, ramponierten Makos und Panzern, zerstörtem Equipment, beleuchteten zwei Taschenlampen die Gesichter des jeweils anderen. Ihre Unterhaltung drehte sich weder um persönliche noch politische Belange, es war ein etwas eigenwilliges Gespräch, von Unverständnis geprägt. Einer von ihnen war gemeinhin als das Insekt bekannt, ein etablierter, skrupelloser Gangster, der seit jeher bedacht darauf war nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen. Der andere arbeitete in der Militärpolizei, war keineswegs ein korrupter Allianz-Soldat, aber dafür ein umso verzweifelter. Ihre Vereinbarung, die sie an diesem Abend trafen, beinhaltete weder die üblichen Schmuggeltätigkeiten, Raubüberfälle oder gar unerlaubte Expeditionen ins Gebiet der Warlords, stattdessen war der Militärpolizist überrascht über die Forderung des Insekts. Vor Angst belauscht zu werden, flüsterte der Eine nur, der Andere zischte in gedämpfter Panik; ein toter Private war das zentrale Thema.
    „Nun, da die… Lieferung eingetroffen ist, können wir endlich fortfahren. Wir haben schon zu viel Zeit vergeudet.“
    „Der Absturz hätte zu viele Allianz-Leben gekostet, so etwas…“
    „Schon gut, wir haben es ja eingesehen. Sorgen Sie jetzt zumindest dafür, dass der Private dort ist.“
    „Ich meine, ein Allianz-Shuttle zu kapern, ist eine Sache, aber es dann auch noch direkt in der Ruinenstadt abstürzen zu lassen. Nicht nur die Marines an Bord wären in Lebensgefahr gewesen, wir hätten Rettungstrupps in feindliches Gebiet gesendet und ihr Mann…“
    „Tja, zum Glück konnten Sie sich doch noch beim Zoll durchsetzen.“
    „Und was wird mit dem Anderen passieren?“
    „Leichenhalle; ich fürchte, dass dies ein notwendiges Opfer ist, welches wir erbringen müssen. Aber machen Sie sich um den Mann nicht allzu große Sorgen, er hat es schon verdient, wir sind schließlich keine Unmenschen.“



    Als er damals aus dem Anflugsshuttle seinen Heimatplaneten wieder sah, erschien ihm dieser fremd. Zuerst aus weiter Entfernung hatte das Bild einen unangenehmen surrealen Effekt, ein verzerrtes und verschwommenes Relikt seiner Vergangenheit war zurück in seine Realität zurückgekehrt in Form dieses Gesteins im Weltall und je näher das Shuttle an die Transitstation kam und schlussendlich er auch an den Tharkad, fielen ihm die ganzen Kleinigkeiten auf, die sensiblen Fehler im Landschaftsbild, Makel und Lüge der Architektur in einer überzeitlichen, ewig dauernden Sinnbildbetrachtung seiner Heimat, die näher rückten je besser er die zerstörten oder wieder aufgebauten Gebäude sah und zu erkennen glaubte, war vieles immer noch dasselbe wie vor Jahren, aber dennoch war es anders und das daraus resultierende Gefühl war unverzeihlich.

    Nun hier am Boden, Wochen nach der Landung, kannten ihn auch die Bewohner des Tharkads nicht mehr, wohlgleich er das Gefühl hatte, dass der Planet seine Wiederkunft herbei sehnte und ihn, zerrüttet von seinen inneren Schmerzen, gewisser Maßen erduldete, als eine Form der Heilung, stets erinnernd an die finsteren Tage vor seinem Verlassen. Er war zurückgekehrt, Akt 2 hatte begonnen, die Ouvertüre schon lange verstummt und das Orchester beisammen sitzend, die Spannung aufbauend, ein großer Knall, auf den er wartete, doch genauso sehr blieb er fern. Denn alles was hier war, war nicht mehr seines – und alles was kommen würde, wäre ebenfalls nicht seines. Als Mann des Tharkads, treuer Verteidiger, wollte Elias alte Wunden nicht wieder aufreißen, aber sie, wenn schon nicht heilen, dann doch liebkosen als wären sie seine eigenen; die Narben der Unsrigen im kollektiven Gedächtnis, er eine davon, auch wenn nur eine Randnotiz. Ein winziger Teil der Geschichte des großartigen Planets, einer Kolonie, eines Leuchtfeuer, das moderne Atlantis. Und es drohte im Krieg verschollen zu werden, unter dem Getöse der Piraten und Warlords – und durch die Politik der Allianz, die raffgierigen Firmen, die blutlüsternen Söldner.

    In den Monaten seines Exils las Elias viel über seine ihm teure Heimat, über den Kriegsverlauf, die Verbrechen, die Absichten der Allianz, das Outsourcing, über den Stillstand und die bald beginnende Intifada, sofern die Gerüchte, Unkenrufe und Extranet-Boards recht hatten. Damals als er das erste Mal die Citadel betrat, hatte er gedacht, man würde ihn und seinen Heimatplaneten kennen, nicht wissend welche fast nicht existierende Nebenrolle die Kolonie schon seit Kriegsbeginn spielte in den interstellaren Konflikten der heutigen Zeit, der Tharkad stellte ein leeres Theater dar, dessen vernichtende Kritiken die Zuschauer zu Hause blieben ließ und deren Schauspieler schon längst nicht mehr am Stück interessiert waren, denn der Jedermann wurde einmal zu oft aufgeführt. Ein einzelner Angriff auf Eden Prime schien mehr auszulösen als alles was jemals auf dem Tharkad passiert war und es schien als würden nur einige Admiräle und Politiker der Allianz ein privates Interesse am Tharkad hegen, ihn als seinen Spielplatz auserkoren haben um neue Ideen, Entwicklungen und Absichten zu prüfen und zu verbreiten, Lehren der Kriegsführung- und Propaganda. Es dauerte nicht mehrere Tage der Fassungslosigkeit ehe Elias zurück in die Terminus-Systeme aufbrach um seine baldige Wiederkehr zu organisieren. Diesmal war er als Fremder gekommen, aber genauso wie der Tharkad selbst, offenbarten die Einwohner schon seit jeher nicht alles auf den ersten Blick. Es steckte mehr drin und meistens verbarg es sich sehr geschickt.

    Ungeachtet der aktuellen Weltgeschehnisse schon seit Kindheitstagen an, war für Elias, der hart gesprochen in gewisser Maßen zu einem weltunkundigen Reisemann mutierte in den letzten Monaten, die Heimatsehnsucht sein ureigener Trieb, die einzige spezielle Eigenschaft, die ihn kennzeichnete und durchhalten ließ. Denn wenn er sich überall fremd fühlte, so war die Fremde auf dem Tharkad doch eine alte Bekannte, die zumindest ein wenig seinen Durst nach einem Zugehörigkeitsgefühl linderte. Weder auf der Citadel noch auf der Erde, in Deutschland bei seinen Vorfahren, konnte er etwas Vergleichbares finden. Zugegeben, in ihm schlummerte sicherlich viel Trotzverhalten gegenüber diesen etablierten, historischen Zeugnissen zu denen er keinerlei Verbindung hatte außer ein wenig Blut im besten Fall oder dem ein oder anderen Vorurteil in schlimmeren Varianten. Er hatte gehofft in dem Nebelparder-Regime Eidgenossen zu finden, jedoch stellte sich rasch heraus, dass zwischen ihm und diesem Pack von Rassisten doch keinerlei ähnliches Gedankengut vorhanden war. Und auch das sagenumwobene Syndikat namens Cerberus und die damit verbundene Terra Firma Partei waren Zöglinge von irdischen Idealen, deren einzige Definition und Existenzgrundlage die Kritik gegenüber den herrschenden Rassen und Systemen war; etwas, das in Elias Augen keinen Grund darstellte sich näher mit ihnen auseinanderzusetzen. Er war autonom, genauso wie es der Tharkad sein sollte. Somit war die Reise durch die Galaxie weitaus erfolglos geblieben. Man hatte ihm am letzten Tag gesagt, er solle den Tharkad vergessen und stattdessen einer ehrlichen Arbeit nun nachgehen, lieber im Citadel-Raum als in den Terminus-Gebieten, doch – wie bereits erwähnt – war Elias ein unkundiger Mann in allerlei Gepflogenheiten und Normen, die abseits des Tharkads Priorität besaßen, und neben fehlendem Interesse an den meisten Tätigkeiten, vermisste er auch ernstzunehmende Kontakte, die sein soziales Leben ein wenig vom Tharkad lösen hätten können. Doch wäre und hätte spielten nun kaum eine Rolle mehr und gab es noch viel zu erzählen, so genoss er es jetzt in diesem Augenblick die entspannte Luft des anbrechenden Frühlings, ein Föhn der aus dem Bismarck-Gebirge kam und ihm in der kalten Frische die Nasenlöcher reinigte, während er hier stand in mitten des alten Ratsplatzes von Katherine, wo er einst die Unabhängigkeit als erstes vernahm, an diesem heutigen Tag wo sich Händler schon im Morgentau auf den Tag gefasst machten und ihre Stände aufbauten, während der Nebel leise über Katherine schwebte und zu verschwinden begann. Die Gemäuer noch Erinnerungen weckend und an den öffentlichen Bildschirmen lief gerade ein Informationsspot über das Allianz-Militär, Befreier eines nunmehrigen Protektorats. Doch anders als der Krieg würde die Allianz wohl nie mehr verschwinden.

    „Bisschen kalt hier“, meinte Buzz, ein amerikanischer Infanterist der Allianz, genauen Rang kannte er nicht, er wusste nur dass er in mit Sir ansprechen musste. „Wie in deinem Deutscheland, nicht?“
    „Deutschland“, korrigierte Elias ihn, „Sir. Und an die Tropen kommt es auch nicht ganz heran.“
    „Hmhm, deine paar Einsätze da.“ Buzz zündete sich eine Zigarette an und reichte dann noch eine Elias. „Mich erinnert es an New Gettysburg. Eine kleine Stadt auf einer aufgelassenen Kolonie, mitten im Nirgendwo. Die hatten auch solch einen Mix aus altmodischen Gebäude und Standardbarraken, solche Straßen, wie nennt man die?“
    „Pflasterstraßen.“
    „Genau. Und die Situation war auch ähnlich. Warlords, die entschieden man müsse daraus Kapital schlagen, in dem man einen Bürgerkrieg anzettelt. Alles für ein paar Millionen Credits, einige tausend Tote, Sachschäden, Kriegsverbrechen, die ganze Scheiße eben. Bis wir dann kamen auf unseren Pferden und mit Kanonen, Bajonetten und dem Orbital Air Strike, der Zorn Gottes lichterloh herabregend. Seit dem war keiner mehr da, soll eine Geisterstadt sein, nichts mehr was dort lebt oder wächst, nur Ruinen und Unkraut.“
    „Sir, dann hoffe ich, dass das nicht auch hier passieren wird“, unterbrach Elias seinen Kollegen, denn er merkte wie diese unbändige Zukunftsvision vom Tharkad nicht hören wollte, vielleicht weil er befürchtete, dass ihm schlecht wird oder weil er Angst hatte, dass sie Realität werden würde.
    „Egal, wie tief wir in der Scheiße stecken, Private, wir haben immer noch genügend Feuerkraft im Himmel um alles wegzubrennen, um diesen Klumpen Stein zu verglasen. Die Warlords werden nicht gewinnen.“
    „Und die Zivilisten, was haben die dann noch, Sir?“
    „Tja. Hoffen wir, dass es nicht so weit kommt. Und wenn doch, dann können die Leute immer noch nach Deutscheland zurück. Bis auf die Steiner, die wird wohl mit diesem Planet untergehen, ihrem Baby. Aber jetzt los, die Patrouille wird nicht von alleine gemacht.“

    Stichwort Patrouille, nichts anderes hatte er bis jetzt getan. Patrouillieren rund durch Katherine und ein paar Außengebiete, jedoch hatte sein Trupp noch keinen Einsatz weiter draußen gehabt, also noch keine Chance sich ein wenig abzusetzen, für ein paar Stunden oder gar auf Dauer. Merkwürdigerweise wurde die Patrouille normalerweise der Armee des Tharkads zugeschanzt, die hatten aber wohl heute was anderes zu tun. Dies gewährte ihm andererseits zwar die Möglichkeit die sich verändernde Stadt näher zu begutachten, um zu verstehen was aber wirklich vor sich ging an den Orten, die ihn interessierte, fehlte es ihm an Zeit und vor allem Zugang. Die hohen Kreise der Politik und des Militärs waren auf ewig verschlossen, der Untergrund kaum mehr existent, die Unterwelt verborgen und einem augenscheinlichen Allianz-Soldaten nicht gewillt sich zu offenbaren. Am schlimmsten war es aber seine Familie nur immer für kurze Momente aus der Ferne beobachten zu können, wenn er in ihrem Viertel war. Es waren nicht mehr als einige Monate vergangen, kaum Zeit genug damit er Erinnerungen an sie verloren hätte auf seinen Reisen, kaum Zeit genug, dass sie ihn vergessen hätten können. Doch bis jetzt hatte er weder Mut noch sonderlich große Lust darauf gehabt sich vor ihnen zu enttarnen, zu sagen, er wäre wieder zurück, doch sagt es keinem. Wie ein Straßenhund flüchtend und versteckend vor den Obrigkeiten. Die Zeit würde kommen, war er sich gewiss, da er sie wieder in seine Arme nehmen würde. Bis dahin konnte er warten.
    Zum Rauchen hatte er das Visier des Helms aufgeklappt auch wenn ständig darauf bedacht, dass ihn niemand zu lange ansehen würde, jetzt atmete er noch ein letztes Mal die Morgenluft ein, wie er es schon die letzten Wochen am häufigsten tat, und verabschiedete sich dann wieder für seine Patrouille von seinen inneren Beweggründe, schlüpfte hinter die Maske und den Mantel eines Allianz-Handlangers.
    „Sir, warum genießen Sie eigentlich nicht diese Morgenstille wie alle anderen?“ fragte er seinen Vorgesetzten als sie anfingen durch die Straßen zu gingen, zuerst an den Händlern vorbei, sie manchmal misstrauisch musterten und häufiger ihnen leise Waren anbieten wollten.
    „Keine Ahnung, Private, noch nie darüber nachgedacht, ob es denn auf diesem Planeten überhaupt etwas gebe was man genießen konnte. Außer den Hamburgern vielleicht.“
    „Sir, die sind doch nicht vom-“
    „Jaja, schon klar, aber frag‘ mich nicht wo ich die sonst herkriegen könnte. Wird wohl meine beste Erinnerung an dieses Scheißklo im All sein: Eine Burgerbude. Das und dass mir die Frau zumindest wieder für ein paar Monate nicht so auf den Zeiger geht“, witzelte Buzz und Elias lachte ein wenig aus Höflichkeit, doch den Kommentar über den Tharkad hatte er nicht überhört.
    „Wieso diese Abneigung gegen den Tharkad, Sir?“
    „Abneigung, spezifizieren Sie mal, Private.“
    „Sir… naja, mir kommt es vor als würden sie diesen Planeten teilweise ungerecht behandeln. Sie wissen schon, Sir, die abwertenden Kommentare, das ständige Hänseln von Bewohnern, ihre Briefe an ihre Frau, Sir.“
    „Meine Briefe, schnüffeln Sie mir etwa hinterher, Private?“
    „Sir, nein, Sir.“
    „War ja auch nur ein Spaß. Kann ich ja nichts dafür, wenn Sie so eine schöne leserliche Handschrift haben. Als hätten Sie erst mit 25 oder so das erste Mal ein Terminal gesehen…“
    „Sir, es war etwas früher.“
    „Scheißegal. Aber ehrlich gesagt, ich weiß gar nicht was Sie mit Morgenstille meinen. Für mich erscheint das alles reichlich profan, so als wollten Sie was poetisches im Krieg finden, aber da können Sie eh Ihre Suche abbrechen, sonderlich viel gibt es nicht. Reichlich simpel der ganze Krieg, wir töten die Bösen und gut ist. Auf dem Weg dorthin musst du Opfer bringen, körperlich, geistige, sowohl wegen deinen Feinden als auch Freunden. Viel bleibt da nicht übrig und für Poesie ist dann kein Platz. Diese Sonnenaufgänge- und Untergänge, ein guter Burger und ein gutes Bier, das Leben genießen, eine schöne Frau – für mich erscheint das alles wie so eine Rettungskapsel, ein Schlauchboot, für Leute deren Schiff sinkt. Wissen Sie, Private, was mein Rezept dagegen ist?“
    „Dass Sie das Schiff erst gar nicht sinken lassen?“
    Buzz lachte und nickte zustimmend. Elias hatte diese Aussage schon einige Male von ihm gehört, so als wäre es eine Predigt von ihm, die er immer zu fleißig herunterspulte wenn ihn jemand nach seinem Befinden fragte. Es war wahrscheinlich, dass dies sein Schlauchboot darstellte und er als Kapitän dieses Boots nur nicht erkannte, wie klein es war. Ähnlich wie es für Elias mit dem Tharkad war.

    Sie bogen in eine kleine Seitenstraße ab gerade als sie den neu-errichteten Rathausbrunnen passiert hatten. In Deutschland sah er wie Tauben sich stets darum tummelten, begierig auf ein wenig Futter oder den Leuten auf den Kopf scheißend, hier war der Brunnen sauber, gepflegt, offenkundig nicht vom Krieg gezeichnet. Überhaupt deutete vieles nicht auf einen Krieg hin, das Leben schien zwar ein wenig eingeschlafen zu sein, aber viele hatten wieder zu ihrem Alltag gefunden in den letzten Monaten. Als wäre die Front vergessen, der Graben des Krieges zugeschüttet worden. Ein trügerischer Eindruck sicherlich, die Heilkraft solcher Empfindungen konnte dennoch einen durch den Tag retten. Auf einem Hausdach weit über ihnen sah er eine Gestalt, vom Körperbau ein junges Mädchen, blonde Haare, ein Hoodie und sie sah auf sie herab, verschwand. Wissend, dass es sich hierbei um seine Schwester handelte, wandte er rasch den Blick. Nicht, dass sie ihn durch Helm und Rüstung erkannt hätte, aber die nächtlichen Streifzüge seiner Schwester fielen ihm schon in der erste Woche auf und er hatte damals entschieden, sie würden ihn nichts angehen, weshalb er es dabei beließ sie nur immer wieder mit einer kleinen Handbewegung zu grüßen, gerade genug um sie nicht nervös zu machen, hoffte er, still mit dem Wunsch verbunden, sie möge sich nicht in Schwierigkeiten bringen.

    Die kleine Seitenstraße war ebenfalls mit Pflastern bestückt, gehörte zur Altstadt so irgendwie, auch wenn Altstadt ein unpassender Begriff war. Es war nun mal das charmante Viertel dieser Stadt, das traditionsreiche und man hatte sich dazu entschlossen es eben antik zu gestalten, für den touristischen Effekt und das Herz der Bewohner, damals. Ein Viertel mit Geschichte sollte daraus werden und während auf dem ganzen Tharkad große und kleine Geschehnisse des Lebens historisch irgendeine Bedeutung haben konnten, so blieb die Altstadt doch stets herrlich charakterlos, trotz Pflasterstraßen und Unabhängigkeitserklärung. Die Straße durch die sie gingen, hieß Brecht-Allee, wenige Bäume säumten den Pfad, es gab mehr Geschäfte, die einst tatsächlichen Nutzen und Daseinsberechtigung inne hatten, nun mehr aber eher Souvenirläden ähnelten in ihrer Aufmachung. Ein Friseur bot einen der typischen Tharkad-Herrenschnitte an, was beinhaltet, dass jene Person mächtige Koteletten vorzuweisen hatte sowie eine möglichst hohe Stirn, andernfalls würde der Schnitt eher peinlich aussehen. Je männlicher der Kopf, desto besser kam er bei den Ladys an. Elias gefiel der Schnitt, trug ihn aber selbst nur ein paar Tage bis er durch die schnippischen Kommentare seiner damaligen Freundin realisierte, dass er eben nicht den Haarwuchs für mächtige Koteletten besaß. Zu dieser Stunde waren noch die meisten Läden geschlossen, einige machten gerade auf. Durch die Hektik die ihrem Tun eigen war, interessierten sie sich nicht für die beiden Soldaten. Buzz inspizierte hier und da einen Geschäftsmann aus sicherer Entfernung um keinen Unmut zu erzeugen, sie glotzten ein wenig durch die Schaufenster auf der Suche nach verdächtigen Aktivitäten oder einem Schnäppchen, doch auf der Suche nach beiden Dingen waren sie glückslos. Eines der typischen schwarzen Löcher, die durch den Krieg, Umbau oder aus natürlichem Verfall entstanden, war zu sehen vor ihnen.
    „Das war letztes noch nicht hier“, murrte Elias knapp und sah hinein, allerdings kam seine Furcht vor einer blinden Bombe oder Rakete nicht zum Vorschein, sondern es war nur ein Loch, das wohl die Leute für Infrastrukturbelange ausgehoben hatten um die Leitungen zu prüfen. „Könnten es aber ruhig zuschütten“, nörgelte Elias und speicherte das Loch in ihrem Bericht über die Vorkommnisse der Patrouille kurz ab, machte noch einen Schnappschuss davon und dann gingen sie weiter.
    „Vermutlich war gestern schon Feierabend als sie das Ding noch zuschütten wollte.“
    „Sir, vielleicht. Aber diese Löcher ohne scheinbaren Nutzen tauchen vermehrt auf. Die müssen ja mittlerweile ganz schön viel Feierabend machen, wenn sie regelmäßig es verpassen die Löcher zuzuschütten, Sir.“
    „Ach, dir ist sicher nicht entgangen, aber die Leute hier auf’m Tharkad, die neigen dazu was anzufangen und es dann links liegen zu lassen.“
    „Beispiele, Sir?“
    „Ich kann dir ein gutes geben: Der Krieg.“
    „Mag sein, dass es ein gutes Beispiel ist, Sir, es beweist aber noch nicht Ihre These.“
    „Aha, und seit wann sind ausgerechnet Sie, Private, ein Eierkopf, der Hypothesen überprüft und Gegenbeweise liefert?“
    „Noch nicht, aber wenn ich noch ein paar schwarze Löcher finde, Sir, dann schreibe ich vielleicht darüber eine Abhandlung.“
    „Ha, dann erwähnen Sie mich doch bitte in der Danksagung.“
    „Wird gemacht, Sir.“

    Die Brecht-Allee führt über einen Umweg in das eigentliche Einkaufsviertel, auch wenn es per se zu dem Viertel gehörte, das eigentliche Ziel ihrer Patrouille. Der alte Glanz der Hauptstadt kommt hier am deutlichsten zum Vorschein, sagt man stets. Tatsächlich sind die Gebäude wirklich kunstvoll errichtet, ähneln teilweise in ihrer Modernität dennoch angenehm einer Postkarten-Idylle sofern das Wetter mitspielt. Als sie an der Abbiegung links gehen, ist bereits ein reges Treiben zu erkennen. Die Cafés sperren auf, haben aber noch keine Kunden, die stattdessen lieber durch die Straße flanieren. Ein paar Betrunkene, wohl auf dem Heimweg aus der gepanzerten Faust, junge Männer und Frauen auf dem Weg zur Arbeit, einige Straßenkünstler, die sich bereits warm machen für den stressreichen Tag der für sie ansteht. Sonst ist auf den ersten Blick herzlich wenig zu erkennen. Alles ein wenig schleppend wie in einem Stau, und einen Tick nervöser jetzt da Allianz-Soldaten hier sind. Patrouillen von Allianzlern sind nicht gerne gesehen in der Stadt, wenn dann schon eher im Randsektor. Aber durch Umstände, die leider weder in der Hand von Elias noch seinem Vorgesetzten lagen, sind sie nun mal hier und müssen warten bis sie in die Gefechtszonen versetzt werden. Ulkig genug, dass Elias nun mit einem Mann die Straßen patrouilliert der nun während seiner zweiten Tour zum ersten Mal eigentlich Katherine kennen lernt, er hat noch nicht mal sonderliches Interesse daran. Doch Elias weiß um die Qualitäten seiner Heimatstadt und versucht hier und da eine Anekdote zu erzählen und wenn Buzz dann etwas genauer nachfrägt, verweist der Private auf Hören-Sagen, auf Legendenbildung, Mythen die er aufschnappte im Extranet. Elias war es zuerst gar nicht so recht, dass er ausgerechnet seine Heimatstadt auf und ab gehen musste ohne wirklich etwas zu unternehmen, mittlerweile gewöhnte er sich daran, dank dem Effekt der sich damit ergab, eine Mischung aus Nostalgie und dem Neu-Entdecken seiner Heimat. Auch wenn er gerne für sie kämpfen würde, es war nicht schlecht zuerst seine Heimat ein wenig zu genießen, auch wenn dies an manchen Tagen schwer fiel. Heute würde es sich endlich ändern.
    Geändert von Elias Verhoeven (30.05.2013 um 20:35 Uhr)

  3. #3
    ME-FRPG only Avatar von Elias Verhoeven
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    Buzz entschied sich dazu die Betrunkenen kurz in Augenschein zu nehmen. Klassische Fragen, wo sie waren und ob sie denn wüssten, dass sie durch die Ausgangssperre durchgemacht hätten, worauf sie erwiderten sie hätten in der gepanzerten Faust, wie vermutet, gefeiert und sich dazu entschlossen gleich die ganze Nacht durchzumachen, weil es so lustig und unterhaltsam war. Buzz gefiel das nicht, Elias ebenso wenig aber was ein paar betrunkene Leute auf dem Tharkad machten, interessierte ihn schon länger nicht mehr. Seit er dem Militär beigetreten ist, rauchte er zwar wie ein Irrer, aber für Alkohol hatte er kaum mehr was übrig. Er machte sich manchmal Sorgen um seine Schwester, die als er in den Krieg zog, gerade abzudriften schien in den Drogensumpf, der hier und da auf dem Tharkad auftauchte, in gelegentlichen, unregelmäßigen Abständen, immer nur so kurz, dass die Behörden sich kaum darum kümmern wollten, hatten sie doch einen handfesten Krieg in ihrer Stadt damals. Mittlerweile waren die Kontrollen strenger geworden, vernahm Elias, dennoch würden solcherlei lapidaren Aktionen kaum die Verbrecher der Stadt daran hindern den Waren- und Drogenschmuggel freiwillig zu unterlassen, auch wenn eine jede anständige Razzia wohl auf Anhieb alle Kartelle ins Gefängnis gebracht hätte. Da zudem die meisten alteingesessenen Kriminelle durch den Krieg umgebracht wurden, vom Tharkad flohen oder sich den Warlords anschlossen, gab es eine neue Generation, eine zu der kaum jemand mehr eine offizielle Beziehung hatte, munkelt man. Dealer, die Familienväter waren und jetzt ihren Unterhalt durch Schmuggel finanzierten, Söhne, die in den Schlachten Schreckliches erlebt hatten und dadurch versuchten Abstand zu gewinnen, Töchter und Mütter, denen nichts anderes übrig blieb als durch kleine kriminelle Tätigkeiten ihr Geld zusammen zu sparen bis sie genug beisammen hatten um die Heimat zu verlassen und, wichtiger noch, genügend hatten um irgendwo ein neues Leben anfangen konnten. Von abermals stolzen vier Millionen Menschen, blieb nur noch eine knappe Million übrig. Bevölkerungsstatistiker rätselten und diskutieren über die genauen Ursachen dieses Schwunds, denn der Krieg konnte nicht die alleinige Schuld daran haben, womit sie ihn allerdings gehörig unterschätzten.
    „Na gut, aber lasst das nicht zur Gewohnheit werden. Gepanzerte Faust und Durchfeiern, alles schön und gut. Aber es sollte nicht zum Stadtbild werden, dass ständig Betrunkene im Einkaufsviertel rumhängen“, beendete Elias die Diskussion, die Buzz angefangen hatte, damit seinen Platz ein wenig ignorierend, aber die Gepflogenheiten der Allianz ließ er ungern seinen Charakter bestimmen; er sprach in klarem Hochdeutsch, womit er versuchte den leichten Akzent des Tharkads zu verbergen. Dass die Jungs nicht nur ein wenig zu viel getrunken hatten, war beiden wohl klar. Doch Elias musste zeitlich wohin und ein Arrest von ein paar Junkies würde ihn nur unnötig stoppen.

    Bis auf die Junkies, die sich als Betrunkene getarnt hatten, und die nun zu einer Imbissbude spazierten, über die Soldaten lästernd, verhielt sich die Promenade ruhig und man hörte von mancherorts ein Tuscheln als die Soldaten vorbei spazierten, aber das war wohl eben, wie erwähnt, der generellen Abneigung der Leute des Tharkads gegenüber derlei Formalitäten wie Patrouille und Ausgangssperre geschuldet. Es stellt in einer Form eine Freiheitsbeschneidung dar, die durch den Krieg legitimiert schien, auch wenn das viele schon wieder vergessen hatten. In einem Café, welches anders als viele der galaxieweiten Kaffeeketten noch einen bestimmten Charme innehatte, welches trotz des Krieges als ein klassisches Tharkad-Kaffehaus bezeichnet werden konnte durch die rustikale Dekoration und das eigene Flair, welches durch deutschen kolonialen Tabak entstand, selbst auf der Erde verschollenen Klassiker des europäischen Chansons, gewissen Antiquitäten und Trophäen, die gut in das Zimmer eines alternden Wildjägers gepasst hätten, deftigem, süffigen Weißbier und knackigen Würsten. Von dem her konnte das Café eigentlich auch weniger als ein Kaffeehaus bezeichnet werden als vielmehr einen Biergarten, der sich nun mal als Kaffeehaus getarnt hatte. Da Buzz einige Kumpanen durch das Schaufenster erkannte, traten sie ein. Der Ausverkauf der tharkadischen Kultur konnte nicht darüber hinweg täuschen, dass die Umsätze mittlerweile wieder stimmten, wohl zum ersten Mal seit Kriegsbeginn.
    Am Tisch saßen drei Marines; einen davon kannte Elias, ein lustiger Spaßgeselle afrikanischer Herkunft, jedoch kaum trinkfest und ein miserabler Skyllian Five-Pokerspieler. Der andere war sein Cousin und der Dritte irgendein harter Hund, wenn man den Muskeln und dem klassischen Marine-Haarschnitt trauen konnte, beide kannte er jedoch nicht wirklich.
    „Hockt euch ruhig her; Darrell und Zack, das sind meine Jungs aus der irren Kompanie, wo ich stationiert bin. Elias und Buzz. Die müssen patrouillieren, weil sie sonst zu viele Burger verdrücken die verfressenen SOBs.“
    Buzz und Elias nahmen ihre Helme ab, klatschten mit den Soldaten ab und setzten sich dazu. Ein Rosenschlummer-Tee wurde bei der Kellnerin, fesches Mädel, bestellt.
    „Moment, warum säufst du so ein Zeug, das trinken doch nur Leute vom Tharkad, nicht? Nimm lieber ´nen Kaffee, Junge. Das hält dich munter, sonst pennst noch ein bei der Patrouille.“
    „Ach, du Weirdo, spricht doch nichts gegen ein paar Eindrücke der heimischen Cuisine, ein bisschen die einheimischen Gepflogenheiten und Traditionen kennen lernen. Außerdem mach` ich dadurch gleich einen guten Eindruck bei der Kellnerin und wenn ich irgendwann einmal zurückkomme, erinnert sie sich an mich und hm, vielleicht werde ich sogar glücklich“, erwiderte Elias nach einer kurzen Denkpause. Vielleicht sollte er wirklich ein wenig besser aufpassen wie er sich auf dem Tharkad verhielt, kleine Details konnten einen leicht verraten und es hieß bekanntlich auf der Erde, dass der Teufel im Detail liege, ein Sprichwort, dass er nicht unbedingt stets für angemessen hielt, da auf dem Tharkad der Teufel so gut wie überall lungerte. Warlords und Piraten, Allianz, vorrangig aber die Natur selbst und der Planet auch so irgendwie, widerspenstige Geliebte.
    „Ah yeah, ich verstehe. Hast jetzt schon auf die blonde Schönheit abgesehen? Hm, ich will ja nicht irgendwelche veraltete Klischees bedienen, aber das Mädel hat viel zu wenig Arsch für mich… wenn du verstehst was ich meine.“ Die Jungs fingen an zu lachen und Rayman, dessen Rufkennzeichen gemeinhin Weirdo war, wollte mit Elias abklatschten, was dieser zwar tat, auch wenn ihm eine Verbrüderung mit Allianz-Soldaten eigentlich widersprach.
    „Jaja, ich verstehe das.“
    „Ganz hübsch“, warf Buzz ein als die Kellnerin die Getränke brachte und als sie wegtrat gab es von der versammelten Runde erst einmal einen chauvinistischen Blick auf das Hinterteil. Einen verführerischen Rücken hatte die Dame.
    „Yeah, dann stell‘ dich lieber hinten an, mein Bro hat schon Dips angemeldet und du wirst ihm sicher nicht seinen Masterplan verzapfen.“
    „Masterplan, hm? Da müssten wir erst einmal ausrücken und nach paar Monaten zurückkommen und wenn ich ramponiert hier wieder auftauche und einen Rosenschlummer bestelle, dann wird das Ganze erst in Bewegung gesetzt. Ich brauch ja irgendetwas für das es sich lohnt zurückzukommen und wenn ich jetzt mit ihr quatsche, dann kommt nur raus, dass sie hohl in der Birne ist oder einen Ehemann hat, der im Krieg verschollen ist.“
    „Aber Kriegswitmen, hm. Da sind schon paar fesche Hasen dabei. Und außerdem, du machst dir da viel zu viele Gedanken, Elias. Einfach zupacken, in die Abstellkammer, Bro, bisschen fummeln, ein wenig Marvin Gaye um in Stimmung zu kommen und bam!“
    „Quatsch, ihr zwei Schwachköpfe redet doch eh nur den ganzen Tag darüber“, provozierte Buzz, „und macht dann ja doch nichts. Nur höchstens euch im Quartier gegenseitig einen zu schrubbeln.“
    So ging das noch eine ganze Weile bis die beiden ihre Getränke getrunken hatten. Zuerst wurde noch über Quatsch gelabert und dann plötzlich über die Frau, die sie vermissten, dann über die Heimat, dass es jetzt schon merkwürdig wäre, es aber noch viel schlimmer wird und manchen erging es gar so, dass sie ihr Zuhause verdrängt hatten, nicht mehr daran erinnern konnten als wären sie auf dem Tharkad geboren worden und würden dort auch letztendlich sterben nach einem erwartungsvollen, aber doch kurzen Leben. Die zwei Kumpels von Weirdo sprachen nicht viel, schienen jedoch einen Spezialauftrag zugeschanzt bekommen zu haben, denn stets spähte einer der Beiden durch das Schaufenster auf die Promenade hinaus, in das Zentrum des Einkaufsviertels, das mittlerweile umtriebiger erschien, als würden sie auf etwas lauern oder die Atmosphäre des Lokals war mittlerweile reichlich unangenehm geworden seit Elias und Buzz hier aufgekreuzt waren. Es war einerlei. Da Buzz und Elias einen recht engen Zeitplan hatten, verließen sie das Kaffeehaus, oder den Biergarten – eine Definition war unnötig, denn es lief auf dasselbe hinaus und auf dem Tharkad war schließlich immer ein wenig alles anders. Bevor dem Verlassen zahlten sie aber noch und Buzz fragte die Kellnerin charmant, ob sie sich denn nicht treffen wollte. Jene musterte ihn kurz und gab dann schnippisch von sich, „Nein“.
    „Hast denn was vor?“
    „Ja.“
    „Und morgen?“
    „Auch.“
    „Hm, willst irgendwann mal was machen?“
    „Ich habe immer was vor.“ So ungefähr fiel der Dialog aus, jedoch war es durch das Gelächter der Jungs schon kaum mehr zu verstehen und mit einem herzhaften Aufmunterungsklatscher auf die Schulter verschwanden die Beiden. Draußen fragte Elias noch, ob Buzz denn seine Frau vergessen hätte.
    „Wir sind jetzt wieder bei Sir, Private“, rügte Buzz ihn zuerst und fuhr fort: „Nach der ersten Tour, wo ich zurückkam. Da war es anders. Ich konnte den Tharkad nicht aus dem Kopf kriegen, er hat mich irgendwie gefangen genommen, im Geist. Keine geistigen Störungen oder so, fit für den Einsatz. Aber zuhause in Kalifornien schien die Sonne trüber, die Wellen schlugen stumm. Als hätte ich mein Lebensgefühl verloren. Private Zilk, wenn Sie es so wollen, ich bin vielleicht hier um mein… das Gefühl zurück zu erobern von diesem Steinhaufen. Aber das kann auch nur ein auswegloses Gebrabbel meinerseits sein, kann sein, dass ich während der ersten Tour einfach die Liebe zu ihr verloren habe. Und sie die ihrige zu mir. Wer weiß das schon, verstehen Sie das?“
    „Hm, ich denke schon“, und Elias wurde klar, dass es bei ihm eventuell recht ähnlich war und wer wusste das schon, da hatte Buzz Recht.


    Durch die Gassen sah man auch später noch das Etablissement Zu den Sechs Glocken, an dessen Eingang übrigens traditionell nur fünf Glocken hangen, aus Witz oder um besserwisserische Kunden anzulocken war wohl des Wirts Geheimnis, und ebenso spürte Elias die prüfenden Blicke der Geier die im Kaffeehaus zurückgeblieben waren, auf der Lauer, geheimniskrämerisch. Doch sie waren nicht seine Sorgen. Er tippte seinem Vorgesetzten auf die Schulter und schlug vor, sie sollten lieber die andere Straße entlang gehen, was Buzz ungern tat, aber es sollte doch so sein. In der Seitenstraße, die kaum beleuchtet war, obwohl mittlerweile die Sonne des Tharkads deutlich auf sie herab schien und die Frühlingsluft etwas stickiger machen ließ, wobei dies wohl mehr dem Smog geschuldet war der von den Allianzschiffen über ihnen ausging, die gerade hektisch neue Truppen und Waren zum Hauptquartier flogen, wurden sie je von einem Schuss überrascht, Buzz mehr als Elias und auf der Suche nach dem Ursprung tauschten sie einige knappe Sätze und zogen dann, auf Drängen von Elias, in das Gebäude rein, zwar nicht ohne rasche Verstärkung zu verlangen für den Notfall, aber auch nicht wartend, schließlich könnte es dann auch schon zu spät sein. Das verdächtige Gebäude bestand aus nicht viel mehr als aus einem grauen Mantel, antiquierten Türen, die verrostet schienen; da kein eigentlicher Türmechanismus zu erkennen war, entschieden sie sich dazu ein wenig dagegen zu hämmern und ein alter Greis sperrte die Tür auf.
    „Jaja, da oben, da oben! So schnell schon?“ spielte der Mann den verwunderten Gastgeber. Buzz schob den Greis zur Seite und rannte die Treppe hinauf.
    „Private Zilk, geben Sie mir Deckung!“ beorderte Buzz und Elias wusste nicht recht was er denn denken sollte.
    „Zilk, hm, gut gut“, murmelte noch der Greis und verschwand durch die offene Tür aus dem Haus, eine Zigarette anzündend und ein wenig den Kopf schüttelnd ob des ganzen Theaters.
    Die handliche Maschinenpistole vom Bau Hahne-Kedar gezückt, kam auch er die Treppe hinauf.
    „Okay“, murmelte Buzz, „wir gehen von links nach rechts vor.“ Es waren drei Türen und die erste öffneten sie noch ein wenig nervös, jedoch handelte es sich hierbei nur um eine Abstellkammer. Hinter der zweiten Tür verbarg sich ein leeres Schlafzimmer und mittlerweile realisierte Elias dass es sich hierbei wohl um ein heruntergekommenes Hotel handelte, welches allerdings kaum Kundschaft anlockte, was in diesem Zustand auch nichts Verwunderliches war. Die Treppe war morsch, hatte geknarzt, obwohl sie aus guter Tischlerarbeit und ausgezeichnetem Holz vom Tharkad bestand; solcherlei Dinge fielen einem geschulten Bewohner des Planeten auf. Die Wände hatten zig Löcher obwohl sie mit Tapeten bekleidet waren und das ganze Haus erschien den Eindruck zu vermitteln als wäre es mehrere Male weggebombt worden nur um spärlich und unbeholfen wieder aufgebaut worden zu sein aus den Materialien, die man nun mal auf dem Schrottplatz fand. Sollte das Haus heute brennen, wäre es nicht zu schade darum, in Anbetracht der Tatsache, dass das Hotel wohl ein kleines Stück Geschichte vom Tharkad war, schien dies vernachlässigbar zu sein in einem solchen Fall. Als Buzz noch kurz das Zimmer inspizierte, machte sich Elias bereit das nächste zu stürmen. Die Treppe führte noch weiter hinauf, aber er wusste, dass dieses Zimmer es sein würde. Als Buzz die Tür öffnete und rasch mit seiner Pistole den Raum durchsuchte, fiel beiden sofort die Leiche eines Allianz-Soldaten auf in mitten von zwei weiteren Typen, die ausschauten als würden sie zu den Piraten gehören im Süden des Landes, so zumindest die Tätowierungen.
    „Was zum…“ stöhnte Buzz und damit bezog er sich eindeutig auf den Schädel des Allianzlers der mit einer Shotgun auf ewig verunstaltet war. Die zwei Piraten hatten keinerlei Schusswunden, erschienen aber dennoch tot zu sein. Vielleicht hatte das groteske Werk ihrer Shotgun sie entsetzt. Oder aber sie waren schon davor tot. Und von einer Shotgun war auch nichts zu sehen. „Okay…“ murmelte Buzz und ging zur Leiche, sah sie sich genauer an. In ihm stülpte sich zwangsläufig der Magen ein wenig um, ein noch mieseres Gefühl beschlich ihn als er auf die beiden Piraten blickte. „Absonderliche Situation, am besten wir melden das sofort und suchen dann nach dem Greis, dann…“ Buzz stockte in seiner Erklärung der weiteren Vorgehensweise als er den Namen des Privates auf der Rüstung las.
    Private Zilk. „Private“ murmelte Buzz und wurde dann lauter, „Haben Sie zufällig Brüder oder Cousins, die auch auf dem Tharkad sind?“
    „Nein, Sergeant“, Elias verstaute seine Maschinenpistole, nahm die Pistole die einer der Piraten in der Hand hatte.
    „Merkwürdig Private, der Typ hat denselben Namen wie Sie.“
    „Es könnte daran liegen, dass ich es irgendwie auch bin“, antwortete Elias vage ohne Buzz wirklich eine klare Antwort zu geben. „Aber nennen Sie mich doch bitte Major Verhoeven.“ Gerade als sich Buzz mit fragender, verwunderten und übrigens auch leicht verstehenden Mine umdrehte, vom Körper des toten Private Zilks weg zum lebenden Private Zilk, hatte Elias bereits die Pistole des Piraten auf ihn gerichtet und in selben Augenblick als die Realisierung ob des Komplotts Buzz überkam, drückte Elias ab. Das war auch eine Art Antwort.
    Geändert von Elias Verhoeven (30.05.2013 um 20:36 Uhr)

  4. #4
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    Lange blieb Elias nicht Zeit um die Leiche seines Kameraden zu begutachten. Kurz den Puls gecheckt, nichts, und schon kam der alte Greis rein mit einem Kanister voll mit Benzin, der urtümliche Treibstoff schien fast nur noch als Brandstoff verwendet zu werden, von Pyromanen und kleinen Kindern gleichermaßen. Der Greis ließ den Kanister auf den Boden sacken und musterte die Leiche. „Uhu“, murrte er und sah dann Elias an, zurück zur Leiche: „Und dafür soll ich also mein Hotel abfackeln?“
    „Sie werde doch fürstlich entschädigt, nehme ich an.“
    „Jaja, nur erscheint mir das irgendwie als Verschwendung. Komposthaufen täte es doch auch.“
    „Es geht weniger um diesen Allianz-Soldaten, sondern um diesen“, Elias zeigte mit dem Finger auf den ehemaligen Private Zilk, sein Pseudonym während der letzten Wochen.
    „Der Typ mit der Shotgun? Ihr wollt nicht das man den identifiziert oder was, versteckt ihn doch einfach…“
    „Ganz im Gegenteil, er soll gefunden werden.“ Und mehr verriet er dem Greis nicht, sie verabschiedeten sich und er drängte den Greis ein wenig mit Handgesten hinaus als dieser immer noch nicht recht gehen wollte. Die ganze Geschichte rund um Elias magische Rückkehr auf den Tharkad, musste der Greis weder wissen noch sollte er sie wissen. Hätte sonst gefährlich für ihn werden können. Ohne viele Gedanken des Abschieds für Private Zilk oder Buzz, nahm sich Elias den Kanister und schüttete den Kram quer durch den Raum, darauf aufpassend, dass er sich stets näher zur Tür bewegte. Er hätte nun eine Ansprache halten können, eine jener Sorte, die kummervoll, bedauernd war, doch das schien unangemessen und die Wahrheit wohl eher, dass es ihm noch nicht mal sonderlich Leid tat; es handelte sich bei den Zwei um Allianz-Soldaten, zwar nicht per se ein Grund zu sterben, es war jedoch keine Ausrede es nicht zu tun, und um die anderen zwei Idioten, die anscheinend sein Partner irgendwo eingelagert hatte, in einer Gefriertruhe oder Ähnlichem, war es sowieso nicht schade, auch wenn die Piraten, eventuell ein Nebeneffekt des Kühlstadiums und des langsamen Auftauens, durchaus noch blutjung wirkten. Er holte eine der Leuchtfackeln heraus, die zum Standardrepertoire seiner Einheit gehörte, ein moderner, topausgerüsteter Fallschirmjägertrupp, der eigentlich schon längst im Feindesgebiet sein sollte, wobei gewisse Mechanismen innerhalb der hiesigen Politik und Unterwelt des Tharkads dafür sorgten, dass es dazu noch nicht gekommen war. Er entzündete die Fackel, ließ sie nach einem letzten prüfenden Blick fallen und sofort brannte das ganze Zimmer, das Feuer fraß sich durch das spärliche Mobiliar, durch die Piraten in ihren alibihalber angezogenen Trainingsanzügen, durch die Rüstungen der beiden Allianz-Soldaten. Dann fiel ihm ein, dass er noch das Dogtag um seinen Hals hängen hatte und riss es ab, ein letzter Blick darauf: Private Zilk, Blutgruppe AB (seltsamerweise eine der häufigsten auf dem Tharkad, womit der Planet eine eigenartige Außenseiterrolle im Geschäft rund um das Blut beanspruchte und jede Statistik prägte, ein Rätsel, das einige Wissenschaftler sowohl der Heimat als auch der Erde verwunderte), Gruppe ODST, Orbital Drop Shock Trooper, Helljumpers, teuflische Jungs, mit dem ersten Fuß in die Hölle. Sein eigentlicher Plan hatte es vorgesehen direkt über dem Tharkad abzuspringen, in Feindesgebiet, und dann seine Truppe im Stich zu lassen, was zwar wenig rühmlich war aber dennoch einen guten Plan darstellte, und sich in die Ruinenstadt Tatyana aufmachen würde, egal wie weit sie entfernt war. Es kam nicht dazu und im Nachhinein hätte er in jeder Infanteriekompanie Unterschlupf finden können, doch Private Zilk bot sich damals als Identität an, als eine geborgene, jene von der er sich bewusst war dass er sie bald abstreifen würde, die er nur annahm um auf dem Tharkad zu landen, unbemerkt von den wachsamen Augen der Allianz und den paranoiden Wandlungen des Tharkads. Elias Pläne waren seit der Zeit bei der tharkadischen Armee keine ausgefeilten Strategien und Taktiken, sie waren einfach und er dachte stets an das was als nächstes kam. Und für jetzt war es nötig sich vom Dogtag zu trennen, es ins Feuer zu schmeißen. Nun sollte man keinen Akt der Läuterung oder eine transzentale Erkenntnis damit verbinden, auch hängte ihm nicht sonderlich viel am Dogtag oder den wenigen Erinnerungen, die es umgab, jedoch stellte sich der Verlust dieses Dogtags in gewisser Maßen deshalb so schwierig dar, da damit sein Dogtag gemeint war; jenes, welches er in der Ruinenstadt verlor oder das ihm genommen hatten. Er wusste es nicht mehr genau; sein Ausbilder meinte damals, man würde es erst abgeben wenn man tot wäre und Elias war noch am Leben, obwohl nicht sicher was dies genau heißen mochte. Jedenfalls fand nie eine tatsächliche Trennung statt und vielleicht stellte sich deshalb der Abschied so unnötig… nun, nicht schwer, aber doppeldeutig dar.

    Als er durch die Hintertür das Hotel verließ, stand ein Wagen bereit. Einer der alten Sorte, also auf Räder auf dem Boden, was genau genommen schon wieder eigentlich bedeutete, dass der Wagen neu war, einer dieser modischen Trends, die seit einiger Zeit vermehrt anzutreffen waren und auf dem Tharkad war man natürlich von derlei Traditionen auch nie wirklich abbekommen; nannte es Charme oder praktisch, die Wahrheit war wohl eher, dass die meisten sich einfach kein Shuttle leisten konnten oder wollten und deshalb ein Gefährt mit vier simplen Reifen bevorzugten. Hinter ihm brannte das Hotel mittlerweile lichterloh, das Feuer hatte sich durch die maroden Leitungen und die schwachen Wänden rasch verbreitet, stellte jedoch keine Gefahr für angrenzende Gebäude dar. Soweit waren zum Glück mittlerweile die Vorlagen, Richtlinien und Schutzmechanismen gegen Feuer. Den Feueralarm hatte der Greis, wie zuvor vereinbart, bereits deaktiviert. Irgendwo aus der Ferne waren Sirenen zu hören und auch meinte er die Darrell und Zack zu hören, doch das konnte auch eine ungute Vorahnung sein. Mit dem Helmvisier sein Gesicht verdeckend, so wie es sich gehörte, bestieg er den Wagen, wo ein Fremder am Steuer saß und ihn fragend anblickte.
    „Hey, ich bin Gerhard“, murmelte der Typ, hatte einen leicht lallenden Klang in der Stimme, wirkte irgendwie euphorisch und doch weit weg, aber keineswegs besorgt oder nervös. Eher gechillt in Anbetracht der Umstände, so als hätte er sich gerade davor eine Pille reingeschmissen. Bisschen Bartwuchs, eine Trucker-Cap auf dem Kopf und ein herrlich aussagenloses Armaturenbrett. Elias hatte sich auf den durchlöcherten Rücksitz gesetzt und gab nur die knapp die Anweisung wohin er jetzt wollte, dann begutachtete er das brennende Hotel bis sie um die Kurve gebogen waren.

    „Du bist also mein Fahrer für heute?“
    „Für heute? Nee, Mann. Ich hab auch noch andere Aufgaben, nicht nur für dich den Chauffeur spielen. Aber man hat mir gesagt, dass du heute eine schnelle Exfiltration brauchst und da habe ich mich eben freiwillig gemeldet, als gutbürgerlicher Tharkad-Bursche der ich bin, ist es ja quasi meine Pflicht, nicht? Auch wenn ich jetzt nicht gerade mit einem Allianz-Soldaten auf meinem Rücksitz gerechnet habe…“
    „Mhm, kannst mir aber glauben, dass in mir ein echter Bursche vom Tharkad steckt, bei dir Kaugummikauende Labertasche wäre ich mir gar nicht so sicher.“
    „Tja, bist du etwa ein hohes Tier, dass du deine Fresse trotzdem nicht herzeigen willst obwohl unter unser gleichen sind? Sag bloß du bist Katherine Steiner höchstpersönlich, mit Stimmverzerrer ausgestattet und in eine männliche Rüstung gepresst.“
    Fast richtig, Genosse, aber nur fast…“ Elias lehnte sich nach vorne, sodass er direkt über die Schulter des Typen gebeugt war und meinte forsch: „Und nicht dass du mir zu viele Witzeleien über unsere Kanzlerin machst, damit wir uns verstehen.“
    „Aha“ Gerhard schubste den Elias‘ Kopf ein wenig zur Seite, „so einer bist du also, einer von diesen harten Jungs, die für die Kanzlerin in die Hölle gehen und dann wieder mit einem Blumenstrauß zurückkommen.“
    „Tz, Genosse“ Elias lehnte sich wieder zurück auf die Rückenlehne, „Sie sollten sich mehr auf die Straße konzentrieren und nicht so viel versuchen einen müde gewordenen Typen mit einer Maschinenpistole auf ihrem Rücksitz provozieren. Und jetzt mach‘ nicht dieses angsterfüllte Gesicht, ich seh‘ dich doch im Spiegel, ich tu‘ dir doch nichts, schließlich bist du ein Bursche vom Tharkad und solche Jungs brauchen wir auch, nicht? Die die andere rumkutschieren und dann einen auf dicke Hose machen können, weil sie mal eben am Parlament vorbei gefahren sind, gehupt und die Kanzlerin zurück gewunken hat, weil viel mehr kann sie heutzutage ja echt nicht machen.“
    „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir uns auf dem falschen Fuß begegnet sind…“
    „Ja, kann schon sein. Aber das ist nicht direkt deine Schuld, sondern eher meine. Mieser Tag und Dummschwätzer die sich lieber mit Hallex wegdröhnen als ihren Beitrag zu leisten, naja, solche Typen haben mir noch nie sonderlich viel gegeben, du verstehst?“
    „Moment, wie zum Teufel weißt denn du das, gibt es also doch garantiert eine Geheimakte über mich?“
    Das Auto war von alter Bauart, ein Stern einer irgendwann schon lange zugemachten Automarke klebte auf dem Vorderblech und diente als inoffizielle Verzierung, ein Artefakt von der Erde, das wohl irgendwer mal aufgetrieben hatte, es hübsch fand und auf die Motorhaube montiert. Und dann kam das Auto auf den Tharkad, vielleicht schon bei der Erstbesiedelung. Gewisse Indizien wie entfernte Sticker, nun mehr leer stehende Showbühnen für wackelnde Figuren, eingerissene Löcher, Dellen am Kotflügel und anderer Kram deuteten daraufhin. Als Junkie der Gerhard nun mal war, hatte er alles entfernt, um wohl keine Aufmerksamkeit zu erregen bei den Obrigkeiten und Behörden. Aber der Geruch im Auto, die wahllos verteilten und nicht aufgeräumten Imbissbudenverpackungen, schlecht ausgedrückte Kippen und Spliffs, verdrehte Spiegel oder das grüne Marsmenschen Maskottchen neben Elias auf der Rückbank machten den Jungen in Elias Augen zu einem Junkie und da die Art wie er sprach, die dauerhaft großen Pupillen, die zerfurchten Lippen, die Euphorie gepaart mit einer speziellen Mischung aus Größenwahnsinn und Scheiß-Egal ihr übriges taten, handelte es sich in Elias Augen bei Gerhard um einen Hallex-Junkie, die verbreiteste Sorte hier auf dem Tharkad. Eigentlich schluckten das alle Jugendlichen – oder taten dies damals – weshalb Elias Meisterdetektivleistung auch gar keine war, sondern eher einfaches ein-mal-eins. Irgendetwas hatte wohl die Hallex-Droge in ihrer Pillenform, die den Jugendlichen vom Tharkad etwas gab, was Drogen wie Red Sand, Ecstasy, Minagen X3 oder Eximo nicht schafften. Euphorie angesichts des katastrophalen Umfelds, des Kriegs. Das Glücksgefühl obwohl alles mies ist. Die derzeitigen In-Drogen, so Elias vage Gedanken zu dem Thema, schienen doch hauptsächlich eine seltsame Obsession mit Biotik zu verbinden, Hallex war davon entfernt und gerade deshalb so beliebt auf dem Tharkad. Hier wo Biotik eigentlich mehr eine Legende war, die meisten E-Zero für ein Getränk hielten, war der Umschlagplatz für derlei absurde und nutzlose Drogen wie Red Sand nicht gegeben. Aber Hallex eben war anders; die dauerhafte Faszination des Glücks gepaart mit der vollen Aufnahmefähigkeit, die Realisierung, man war wach und alles war okay. Ein Zustand, den man auf dem Tharkad unter normalen Umständen kaum für möglich hielt, wurde erreicht und genossen. Für ein paar Stunden und ehe man sich versah, war man auch schon wie Gerhard hier am Steuer, abhängig, haute sich die Pillen von morgens bis abends rein, weil die Realität so ausweglos war, so fad und trist und gleichzeitig abscheulich, dass man den Witz des Lebens in den runden Dingern suchte und den Instinkt zum Genießen und Leben in intensivierter Form wiederfand. Musste schön sein sich kaum mehr Sorgen zu machen, Augenblicke wahrnehmen und glücklich festhalten.

    Sie kamen an eine Kreuzung und eine Bande von kleinen Kindern, die mit ihren Spielzeugwaffen versuchten Gerhard und Elias Angst zu machen, meinten bei der Ampel sie zu bedrohen. Die Gang war früher größer, doch zu viele Kinder starben in den letzten Jahren durch den Krieg und Verbrecher, durch die eigene Gang oder weil sie nicht mehr länger hungern konnten und verendeten am Bordstein. Ursprünglich hatten diese Kinder, die nur meistens Zwerge genannt wurden, ein Heim – doch der Krieg nahm ihnen Eltern und große Geschwister gleichermaßen. Als dann auch noch das Obdachlosen- und Kinderheim im zweiten Jahr des Kriegs durch blinde Bomben getroffen wurde und seitdem kaum mehr funktionstüchtig ist, hatten sich viele der Kinder dazu entschlossen selbst eine Bande von Kriminellen zu werden. Damit waren sie nicht ganz unähnlich den Straßenkids in Lateinamerika, die in den Städten der Götter und den Straßen der Verwahrlosten ihr Unwesen trieben und über die man vergangene Geschichten und Mythen vernahm, als würden sie als Inspiration dienen für die Schachtratten auf der Citadel oder den Zwergen hier – eine ständig sich wiederholende Peter Pan Geschichte und der Tharkad war der Rattenfänger in diesem umgekehrten Fall, denn er schnappte sich nicht die Kinder von den Eltern, sondern stets systematisch Vater und Mutter, meistens noch gleichzeitig ohne Erbarmen, womit die Kinder alleine zurückblieben, kein Zuhause mehr hatten und niemand konnte oder wollte sie aufnehmen, ja nicht mal das Kinderheim, denn Schwester Ulrike war eine der ersten Opfer des Krieges und keine Dame noch ein Herr hatte solcherlei Güte und Verständnis für die Straßenkinder auf dem Tharkad schien es, wodurch sie nun mal zu einem totgeschwiegenen Kapitel der Stadt wurden bis der Krieg endlich enden würde. Elias holte ein paar Credits hervor und gab sie einem der Jungs durch das geöffnete Fenster in die Hand. „Aufpassen, Kinder – nicht jeder wird euch mögen“, murmelte er und dann fuhren sie weiter, er hörte noch ihre Rufe; „Dummer Sack!“, „Peng! Peng!“, „Wir sind keine Kinder!“.

  5. #5
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    Sie kamen nach einer halben Stunde Fahrtzeit in ein abgelegenes Randgebiet, ein aufgelassener Industrie-Sektor, wo einst mächtige Firmen eine glorreiche Zukunft postulierten und nun mehr aufgelassene Fabrikhallen das Stadtbild formten. Blechhütten wurden errichtet und einige Penner sammelten sich um die brennenden Fässer, die von der Armee gesponsert wurden um die kalten Nächte zu überstehen. Eingeschlagene Fenster, wurzelndes, sich festsetzendes Unkraut, bröckelnde Steinmauern, defekte Laternen, Grau in Grau. Nicht viel Grünes zu sehen, ein paar Bäume am Horizont waren zu erahnen, aber die asphaltierten Straßen waren dafür mit Müll geschmückt, machte auch irgendwie was her.

    Nach einer Kreuzung verschwanden sie in einer dieser Fabrikhallen, die außen unscheinbar wirkten, so als würden sich höchstens ein paar Penner dort eingenistet haben, doch tatsächlich handelte es sich hierbei um die geheime Operationsbasis des Insekts. Ein bizarrer Unterweltboss, wenn auch das Wort Boss in Bezug auf den Tharkad übertrieben schien. Die Kriminalitätsrate hielt sich wohl aus Solidarität unter den Bewohnern vergleichsweise gering im Vergleich zu anderen Kriegsgebieten, stellte sich Elias vor, und die Kriegsverbrechen der Warlords und Piraten stellten die Tätigkeiten des Insekts und anderer selbstdeklarierter Gangster in Katherine bei weitem in den Schatten. Dennoch war das Insekt wohl so etwas wie einer der führenden Psychopathen und hätte es einen Touristenführer quer durch die Stadt gegeben, wäre er sicherlich als einer der größeren Unruhestifter abseits des Kriegs bezeichnet worden. Seine Interesse lagen hauptsächlich auf dem Gebiet des atomaren Kriegs, sein Tätigkeitsbereich war allerdings natürlich ein ganz ein anderer; Diebstahl, Raub, ein bisschen Erpressung, aber hauptsächlich Schmuggel und Drogenhandel. Er verkaufte Waren die im Allianz-Sektor anscheinend verboten wurde, erhielt die Dinge von Kontakten, die er angeblich aus seiner Zeit beim Handelsministerium noch hatte, aber alles illegal oder irgendwie zumindest grenzwertig legal. Auch einfachere Dinge beschaffte er, Medikamente, Alkohol und so ein Zeugs. Aber das notwendige Geld um seine Operation am Laufen zu halten, verdiente er natürlich mit Waffen und Drogen und seit neuerstem auch damit, dass er gebrandmarkten Exilanten wieder Zugang auf den Tharkad verschaffte. Das Insekt war generell ein mysteriöser Zeitgeselle und genauso wie viele andere bedeutende Figuren des interstellaren Verbrechens und Informationshandel bevorzugte auch er es möglichst unbekannt zu bleiben, auch wenn natürlich jeder auf dem Tharkad von dem Typen mehr oder weniger schon mal gehört hatte, wussten eben doch reichlich wenige Leute über die Ursprünge des Mannes Bescheid, geschweige denn wer er genau war.
    Dieser Umstand verdankte er zum Einen natürlich seiner ultrageheimen Operationsbasis zu der Gerhard ihn gerade chauffiert hatte, zum anderen aber hauptsächlich aus der Rüstung, die er im Laufe der Zeit anfertigte im Geheimen, und so kam es das eines Tages, nach einem Angriff in der Stadt Tatyana noch relativ am Anfang des Kriegs, ein Typ in eben jener Rüstung, die einem Insekt glich, in Katherine auftauchte, für einen Tag Angst und Schrecken wie ein Irrer verbreitete und dann spurlos wieder verschwand bis man wenige Wochen oder Monate später herausfand, dass der Irre in der Rüstung das mittlerweile sagenumwobene Insekt war. So konnte man nämlich seine eigene Legende auch aufbauen; ein paar Plappermäuler die zu viel tratschen, bisschen Einschüchterung und ein paar Handlanger, die mächtig viel Lärm machen und Dinge an der Straßenkreuzung verticken und sich als größere Nummer aufspielen als dass sie nun mal tatsächlich sind. Alles in allem hatte der Plan des Insekts gefruchtet, Katherine hatte eine neuen Gangster, um den sich keiner scherte und der den meisten herzlich egal war, gab es doch weitaus dringendere Angelegenheiten um die man sich kümmern musste.

    Gerhard öffnete die Tür des Autos und sie betraten das Fabrikgelände, welches innen genauso unscheinbar schien wie noch von außen, ehe sein Chauffeur ihn kurz bat zu warten. Der Junge verschwand und Elias sah sich ein wenig um; gerostete Ketten hingen von den Balken, Pfützen hatten sich durch den Regen gebildet, ein wenig Öl trat hier und da aus den Leitungen, zerbrochene Fenstersplitter konnten als Spiegel, Tretminen oder Alarmsignale am Boden dienen. Ziemlich normales Gebäude. Aus der Ferne bekam der neue Unruhestifter des Tharkads mit wie Gerhard telefonierte, den genauen Wortlaut ignorierend handelte es sich dabei um die Ankündigung, dass Er endlich da sei, frei sein. Als Gerhard zurück kam, nahm er Elias ohne groß rum zu diskutieren die Waffen ab, klassische Sicherheitsvorkehrung, die eigentlich ziemlich unangebracht war, denn Elias hätte dem Jungen in ein paar schnellen Bewegungen mühelos das Genick brechen können, was aber natürlich nicht tat.

    Anders als erwartet erschien das Insekt nicht über eine geheime Falltür, aus dem Nichts oder von oben, sondern reichlich unspektakulär durch dieselbe Tür, durch die schon Elias und Gerhard das Gebäude betreten hatten. Neben dem Insekt war ein junger, nervös-tickender Mann mit etwas zu langem Bartwuchs als das man das Gewächs als drei Tage Bart entschuldigen hätte können in sportlichem Outfit, Cap und rot unterlaufenen Augen, als wäre er gerade – wie die Junkies im Einkaufsviertel – von einer nächtlichen Tour zurückgekehrt, die von Exzess und Lust geprägt war. Das Insekt selbst war herrlich unscheinbar; ein hautenger, braun-blau gemischter Anzug, der Helm bestand aus einer langen Schnute aus der röchelnde und zirpende Geräusche automatisch zu kamen schienen und zwei großen Glubschaugen, die in ihrer Form an die Augen einer Fliege erinnerten und sogar ähnliche Muster in der Verzierung aufwiesen, er hatte einen Pistolengürtel umgeschnallt, keine weiteren Accessoires, wurzellange, dürre Finger… Im Endeffekt wirkte das Insekt wie eine etwas futuristischere Fassung einer menschlichen Fliege ohne die Flügel, womit das Insekt wohl besser auf einer Comicbuchmesse aufgehoben gewesen wäre als tatsächlich in einem Kriegsgebiet.
    „Mister Verhoeven“, schlug das Insekt das Gespräch an nach dem er Elias ein wenig gemustert hatte, „endlich, die letzten Wochen waren bestimmt sehr strapaziös.“
    „Major Verhoeven“, korrigierte Elias das Insekt und drehte seinen Kopf ein wenig um alle drei Typen noch mal in Augenschein zu nehmen. Der Junkie blieb an der Stelle vom Insekt, während Gerhard ein wenig von Elias abgerückt war und sich hinter ihm positioniert hatte. „Diese Verzögerungen sind ärgerlich gewesen, Herr Gangsterboss.“
    „Aber leider notwendig. Als sie ankamen, war der Code noch nicht ansatzweise fertiggestellt. Und dann erst die dramatische geplante Ankunft; Shuttleabsturz, Helljumper, Lagerhallenexplosionen. Alles viel zu viel Aufwand für ein relativ einfaches Ziel; sie unbeschadet auf den Tharkad zu bringen.“
    „Soll das jetzt irgendwie eine höfliche formulierte Preiserhöhung signalisieren?“
    „Lassen Sie das mal die Sorge Ihrer Gönner sein. An Ihrer Aufgabe wird sich nichts ändern, haben Sie mir versichert.“
    „Ich würde auch keine Änderung zulassen... Der Virus?“
    „Ist leider nicht bei mir, denn müssen Sie sich selbst besorgen. Einige unglückliche Umstände im Immigranten-Viertel.“
    „Existiert dieses Drecksloch etwa immer noch?“
    „Es blüht regelrecht auf.“

    Schien ganz so als müsste sich Elias den erwünschten Code eigenhändig beschaffen, es wäre auch zu viel verlangt, dass diese inkompetenten Insekten wirklich etwas selbstständig zu Ende gebracht hätten.
    „Die Tharkadian Armee“, und Elias glaubte seinen Ohren nicht als der Junkie das gerade sagt, „hat einen der Jungs hops gehen lassen.“
    „Genau, Jesse, allerdings wissen wir leider nicht ob die Armee hinter dem Virus her ist. Wir denken es nicht, schließlich sind diese Männer und Frauen nicht gerade die Hellsten, das dürfte jedoch so oder so nichts sein was sie beängstigt oder hindert, nehme ich an, Major Verhoeven?“
    „Natürlich beunruhigt mich das. Sie stellen sich scheinbar die Tharkadische Armee – und nicht Tharkadian, Junkie, wir sind hier nicht in fucking England… Jedenfalls, sie scheinen die fehlgeleitete, absurde Meinung zu haben die Tharkadische Armee würde mit Mistgabeln und Spaten hier durch die Gegend stolpern und Nase bohren, als sei die Armee so etwas wie ein Verein von lauter Lausbuben und Strichern, aber eines kann ich Ihnen sagen, Herr Insekt, wenn sie erst einmal aufgeräumt hat mit der Pest vor den Toren der Kolonie, werden zu aller erst ein paar UV-Lichter angebracht werden.“
    „UV-Licht?“ Haufen von Nichtswissern.

    Als das Insekt merkte, dass Elias nicht gewillt war zu antworten, war er schon gewillt ihn wegzuschicken, hin zur Mission, so als wäre Elias einer seiner Handlanger, doch dann fragte: „Aha, und das war es? Wie wäre es mit ein paar Details zu dem Virus, zu den Deppen, die ihn gestohlen… entwendet haben, zu der geballten Idiotie Ihrer Puppen die den Code überhaupt verloren haben?“
    „Nun, zu allen drei Fragen kann ich Ihnen, mein geehrter Major Verhoeven, leider keine Auskunft geben. Entweder weil ich es nicht will oder weil ich es nicht kann.“
    „Sie sind verdammt höflich für einen Typen, der seine Handlanger durch Drogenabhängigkeit loyal hält.“
    „Das ist eine ganz schön gewagte Unterstellung“, schallte es aus dem Trichter des Insekts heraus. War es nicht. Auch wenn die verdutzten Gesichter des Junkies und Gerhards etwas anderes erzählten, aber die Jungs hatten keine Ahnung vom System ihres Boss und waren wohl selbst seine liebsten, gefangen gehaltenen Schäfchen. Batarianer verwendeten ein ähnliches System, perverse Dealer auf der Erde – beide hatten es aber eher auf Sklaven und Huren abgesehen, seine Handlanger so zu formen, dazu brauchte es einen schon ziemlich verkehren Kopf. „Man sollte sie vielleicht ein wenig daran erinnern mit wem Sie reden und wen Sie brauchen.“
    „Schwachsinn. Wenn ich sterbe, bekommen sie keinen einzigen Cent. Der ganze Lohn eines Jahres, der große Jackpot, weg. All die Spesen, all die Sorgen und schlaflosen, feuchten Nächte die sie wegen mir hatten, wären umsonst – puff! Weg wäre alles. Man könnte also sagen,“ Elias ging drei provokante Schritte auf seinen Gegenüber zu, „Sie sind meine Schlampe. Und da können Sie noch so viele Waffen auf mich richten, Sie Gangster, Sie Prostatageschwür des Tharkads, Sie sind und bleiben meine Bitch. Und das ist, mein lieber verwirrter Junkie“ Er wandte seinen Blick zu dem immer nervöser werdenden Typen im Sportanzug, der seine Pistole auf ihn gerichtet hatte, die direkt aus einem Kaugummiautomaten zu stammen schien, „wie man die englische Sprache verwendet.“
    „Nicht nur voreingenommen, sondern auch herrlich herablassend, Major Verhoeven. Doch was wird mit Ihnen passieren, wenn ich das Geld habe – sind Sie dann Freiwild?“
    „Für Ihr Mückenheer, das mich in der Nacht stechen will, besorge ich mir ein Moskito-Netz.“
    „Und ganz wie Sie uns vorwerfen die Tharkadische Armee zu unterschätzen, machen Sie es mit uns. Wir sind keine Bande, sondern ein Syndikat, treffsicher und flexibel. Und wir haben unsere Finger überall.“ Leere Phrasen, gähn. „Deshalb finde ich es höchst besorgniserregend, dass wir uns am Anfang unserer langanhaltenden Zusammenarbeit so anfeinden. Aber überschätzen Sie ihren Nutzen nicht, denn vergessen Sie eines nicht, wenn es darauf ankommt, bedeutet mir Geld rein gar nichts…“
    „Starke Worte für einen Verbrecher und Piraten.“
    „Pirat? Mitnichten. Ich sehe Sie sollten Ihre Dossiers etwas genauer zu studieren, sofern Sie denn überhaupt welche haben, Herr Major.“
    Für Elias hingegen war die Rolle des Insekts relativ klar, ein Pirat der sich als Tharkader tarnte und von innen die Gesellschaft vergiftete. Um ehrlich zu sein, hätte er in an dieser Stelle schon töten sollen, zwei schnelle Schritte und das Jagdmesser wäre in dem Hals des Insekts, während die Junkies noch an ihren Pimmeln rumfummeln und realisieren was vor sich geht, wäre er schon weg. Aber dann bemerkte er es am Körper des Insekts, hell auf leuchtende Linien, die an Blutadern erinnerten, Paletten an der dünn anmutenden Rüstung, Verschlüsse und Nuancen am Helm. Entweder der Typ war nanotechnisch aufgemotzt worden und damit um einiges gefährlicher als man anhand seiner klapprigen, bizarren Erscheinung annehmen konnte oder er war todkrank, schon halb am Verrecken und der Anzug das Einzige was ihn am Leben hielt. Vielleicht war es beides. Oder auch nur ein Modeeffekt für diesen perfiden Stümper.
    „Ich kenne den Tharkad im Gegensatz zu Schlawinern wie Ihnen und ich brauche kein einziges Dossier dafür um zu erkennen, dass Sie ein klassischer kleiner Wicht sind, der sich als Kriegsprofiteur aufspielen will.“
    „Der Tharkad hat sich aber verändert, Major.“
    „Nein, hat er nicht. Immer noch meine Heimat. Die Fronten haben sich nur ein wenig verschoben. Betrachten Sie mich ab sofort als neuen Sheriff.“

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    Entgegen seiner Lust den drei Verbrechern eine Kopfnuss zu verpassen und damit ganz im Sinne einer glorreichen kooperativen Zukunft, verließ Elias das alte Fabrikgelände. Da er das Angebot von Gerhard ihn rum zu chauffieren ablehnte, machte er sich auf den Füßen auf. Allerdings nicht zum Immigrantenviertel, dessen Namen wohl eine gewisse Fehlinformationen inne hat; manche nannten es Chinatown, manche Echsentreff, aufgrund der vielen Turianer und Kroganer die als Söldner dort die Zeit verbrachten, für andere war es der Jugotreff und ganz ausgefuchste bezeichneten es als den Abschaum oder die ungeputzten Finger der Kolonie. Alles war irgendwie falsch und ein paar Ewig-Gestrige versuchten schon länger gegen die vermeintlichen Einwanderer zu hetzen, gegen jene die eben nicht deutsch sprachen und somit auch nichts auf dem Tharkad zu suchen hatten, die Namen für das Viertel hingen dann meistens von der jeweiligen Präferenz ab, was man denn am meiste hasste.

    An den Bettlern und Obdachlosen vorbei gehend, einer davon schien dabei besonders demütig in einer Gebetspose um Almosen zu bitten und Elias warf ihm ein paar Credits in die Hand, entschloss sich Elias dazu, dass es nicht vorteilhaft war mit der Allianz-Rüstung dort nach dem begehrten Virus zu suchen. Ein Virus, dessen Effekt eigentlich nur ihm ersichtlich war, war er doch für ein einzigartiges Sicherheitssystem entwickelt worden; die weit verbreiteten Bunker in der Ruinenstadt Tatyana, die, so hoffte man, weitgehend unbeschädigt den Krieg überstanden hatten. Für alle anderen Sicherheitskonfigurationen, seien dies Türen, Kameras, Abwehranlagen und Ähnliches war der Virus herrlich wirkungslos, und da er bezweifelte, dass irgendwer außer ihm die genauen Aufgaben des Virus kannte, schien es ihm als hätte man den Code gestohlen einfach nur um etwas zu stehlen, für den Spaß oder die Gier. Jedoch war dies eine nur allzu typische Eigenschaft der Gangster des Tharkads: Sie nahmen Dinge für diese keine Verwendung hatten und nicht einmal gebrauchen konnte, Hauptsache niemand anders hat den Kram und man wusste schließlich nie, wenn es denn mal für etwas gut sei. Nun, der Virus wäre in diesem speziellen Fall nur gut um gehängt zu werden, eine willkommene Erlaubnis von der jedoch einzig Elias wusste zu diesem Zeitpunkt.

    In den Anfangsjahren des Kriegs, als die Allianz noch nicht beteiligt war, schien es lange Zeit so, dass Katherine, die Hauptstadt, fallen würde. Die Warlords rückten beängstigend nah an die Tore der Stadt vor und einige Wochen lang rechnete man fest mit dem endgültigen Untergang der Kolonie. In dieser Zeit hatte Elias ein gewagtes Experiment unternommen und die Kanalisation sich ausgesucht. Er war damals als auch heute nicht gewillt die Kolonie aufzugeben und errichtete deshalb in den verschlungenen Gängen und Winkel der Abwasser ein Geheimversteck, von dem er gedachte zu operieren sobald die Tharkadische Armee zerfallen war und kaum jemand mehr übrig war um zu kämpfen – außer ihm eben. Man verteidigte allerdings die Kolonie und erst als er in Ungnade gefallen war, entschied er sich dazu in der Kanalisation Unterschlupf zu suchen, das Versteck tatsächlich zu verwenden, allerdings nur für ein paar Tage, denn dann hatten ihn Spezialkommandos aufgegriffen auf offener Straße und er verschwand aus der Öffentlichkeit.
    Manche Kanaldeckel der Stadt waren schon früh mit diversen Sicherheitsmechanismen ausgestattet worden, da man dadurch das Verbrechen unterbinden wollte. Die Armee hatte damals ganze Arbeit geleistet und den Dorfhackern der Kolonie schien es unmöglich in das System einzudringen. Dabei war es für einen professionellen und erfahrenen Hacker natürlich im Gegensatz ein Kinderspiel sich Eingang zu gewähren, aber davon gab es damals auf dem Tharkad kaum welche. Elias war bei der Konzeption ein wenig beteiligt und verstand die Mechanismen und Sicherheitsabläufe des Systems um die Kanaldeckel ohne größere Probleme aufzusperren. Er hatte damals auch einige Schlupflöcher eingebaut, sodass im Falle einer Aktualisierung seine Abläufe immer noch funktionieren würden. Er wollte schließlich kein Geheimversteck haben, welches ihm selbst auf Dauer versperrt war.

    Als ihn eine Truppe Obdachloser passierte, wartete er noch ein paar Minuten. Dann öffnete er den Kanaldeckel via den üblichen Mechanismen; es wurde ein Code verlangt, den nur Mitarbeiter der Stadtverwaltung in der Regel besitzen, aber mittels dem Allianz-Omni-Tool und dem darauf installierten Programm konnte er sich mühelos Zugriff auf das System beschaffen und automatisch wurde der richtige Code ermittelt, ehe ein Klicken das erfolgreiche Öffnen des Gullis signalisierte und langsam automatisch nach oben geklappt wurde. Die Leiter stieg er hinab und war nun mit seinen Stiefeln in einem ekelhaften Becken, der Kanalisationen nur allzu eigen war und dessen Herkunft man nicht näher erläutern musste. Er hatte keine große Lust durch die Abwässer zu spazieren, aber die Gefahr von Pöbel angemotzt zu werden oder enttarnt zu werden, nur weil er in der Rüstung eines offiziell gerade eben Verstorbenen herumspazierte, wollte er sich nicht aussetzen. Die Tharkader waren nun natürlich nicht feindlich eingestellt gegenüber den Soldaten, das traf dann wohl schon eher auf die Söldner zu, aber ihnen war doch eigen, dass sie im Unterbewusstsein einen gewisse Abneigung spürten, so das kollektive Urteil von Elias über sie, und würden sie einen Soldaten alleine durch ihre Stadt streifen sehen in Dienstuniform, nun – wer konnte da schon garantieren was passieren würde.

    An der Mischung aus Ziegelmauern und Stahl entlang trottend, immer wieder darauf bedacht von dem schmalen, zaghaften Steg runter in die Sülze zu fliegen, tastete sich Elias vor; er kannte noch die Route in- und auswendig, musste aber dennoch hier und da auf seine dreh- und zoombare Karte des Kanalisationssystem schauen, welche er auf dem Omni-Tool gespeichert hatte. Einige Rattenbiester hörte man aus der Ferne, Kreaturen die dem Tharkad eigen waren und in der Anatomie, dem Sozialverhalten und Ekel Ratten in nichts nachstanden, nur sie waren größer, hässlicher, gefräßiger und generell abstoßender und seltsamerweise gab es relativ wenig Ähnlichkeiten mit den Ratten von der Erde, rein von der Physis abgesehen, denn im Grunde genommen waren es zwei vollkommen verschiedene Gattungen, die sich nur parallel reichlich ähnlich entwickelt hatten, meinten berühmte Ungeziefer-Forscher einst. Dennoch waren diese im Volksmund als Rattenbiester verschrien und der einzige Grund warum man sie nicht komplett ausrottete, war eben das sie so etwas wie ein kulturelles Gut des Tharkads darstellten und somit auch irgendwie beschützt werden musste, selbst wenn ihr Nutzen herrlich bedeutungslos und gering war. Immer wieder vernahm er zudem Geräusche von oben, nie klar deutlich als dass er es hätte identifizieren können, doch es bestand ein feiner Unterschied zwischen einfachem Tratsch, bedeutungsvollen Unterhaltungen und grundsätzlichem Lärm und dergleichen, woraus er schließ, dass er noch eine Stufe weiter hinunter musste und alsbald fand er eine weitere Leiter die ihn ein Stück tiefer in die Kanalisation brachte, dort wo die Strömung des Kanals mitreißender war, das braune Schmutzwasser sich von einem lahmenden Bach in ein wildes Gewässer entwickelte, frei plätscherte als wäre es eine Quelle im Bismarck-Gebirge. Weit musste er nicht gehen und mittlerweile spürte er deutlich die Anstrengung, die durch das konstante Aufpassen und Balancieren sowie die relativ unbequeme Rüstung entstand, die für Drahtseilartige Übungen nicht gebaut wrude. Auch wenn der Helm ihn vor dem Gestank ein wenig schützte, konnte er es doch kaum abwarten ihn endlich los zu werden.

    Später wurden die Gefahren deutlicher. Elias hatte in der Vergangenheit zahlreiche Fallen und Sicherheitsapparate aufgestellt und aktiviert, bevor er den Tharkad verließ und war sich nun den drohenden Fehlschritten bewusst, deren positivster Effekt ein Fallen in das Gewässer bedeuten könnte und dem vermeintlichen Untergehen durch die schwere Rüstung, oder im schlimmsten Fall gleich den direkten Tod herbeiführte. Er passierte als erstes einige Fäden, wobei einige von ihnen mittlerweile gerissen wurden und er vermutete, dass hierbei ein paar Rattenbiester wohl zu tief in die Kanalisation vorgedrungen waren. Normalerweise besuchen Menschen diese Orte nämlich nicht, nicht mal die wenigen verbliebenden Kanalarbeiter oder die Wartungsteams der Allianz. Ebenfalls hörte er schon das Surren von Kameras und Geschützen gleichermaßen durch das tosende Gewässer hindurch und wusste nun, dass es an der Zeit war kleinere Spielereien vornehmen musste, ehe er die Freund/Feind-Erkennung wieder einigermaßen aktualisiert hätte. Er kontrollierte die zwei Blendgranaten, die man den Allianz-Soldaten regelmäßig in die Hand drückte, und balancierte nun weiter auf dem schmalen Steg, der ein paar Meter über dem Gewässer war. Eine der Kameras sah er um die Ecke aufblicken, es war nicht mehr weit. Gerade als sie sich ein wenig drehte um den anderen Winkel der Kreuzung zu beobachten, sprang er von einer Seite des Korridors und auf die andere – ein ziemlich riskantes Vorhaben und er schaffte es gerade sich noch festzuhalten am Geländer. Als er realisierte, dass er nicht mehr rechtzeitig raufklettern könne, da sich die Kamera bereits wieder zu ihm drehte, ließ er sich einfach ins Gewässer fallen und wurde sofort von der Strömung mitgerissen, vom Schmutzwasser verunreinigt und ertränkt. Sein Körper befand sich wilden Drehungen, er spürte wie er langsam die Kontrolle verlor und nichts mehr durch die braune Suppe sah außer vereinzelt zusammen pappenden Müll – Plastik, verfaultes Obst und derlei Kram, alles was nicht wirklich in der Kanalisation sein sollte, aber sei’s drum. Von oben herab kam kein Licht, doch die merkwürdigen Reflektionen des Gesteins von oben gaben ihm zumindest ansatzweise eine Ahnung wo oben und unten war. Sein Arm knallte gegen das Gemäuer und es tat höllisch weh. Jedoch wusste er jetzt mehr, ehe er wieder die Orientierung verlor, sich drehte und purzelte im reißenden Strom… Nur durch den Helm war er noch nicht ertrunken und im Unterbewusstsein betete er dafür, dass dieser nicht brechen würde, sein eigentliches Denken war zwischen funktionsunfähig und dem Wunsch schnellstmöglich wieder heraus zu gelangen. Der Kanalisationsfluss schien schon im nächsten Moment flacher zu werden, weniger reißend und noch ehe Elias es geschafft hatte, wieder an die Oberfläche zu kommen, entwickelte sich das Gewässer plötzlich in einen Wildwasserstrom, auf und ab mit den Wellen und er wurde nach oben geschlagen nur um wieder von einer Wassermasse nach unten gedrückt zu werden. Doch dieser Wasserfallartige Absturz endete in einem sanften, ruhenden Becken und Elias schafft es endlich wieder seinen Kopf aus dem Schmutzwasser zu erheben und schwamm alsbald zu einer provisorischen Leiter, die dort strategisch klug positioniert wurde, und durch die er wieder auf den Steg klomm. Nächstes Mal würde er die Kamera einfach abschießen, dachte er sich.

    Durch gezielte Sprengungen hatten einige der Warlords damals in der ersten Intifada, als Katherine belagert wurde, versucht die Kanalisation zu sprengen, die moderne Variante davon. Die unzähligen steril gebauten Standardrohre, die knapp unter der Erde verliefen, Zweck dieses Unterfangens war es Katherine unbewohnbar zu machen. Das Ganze war Teil eines Plans zur Lahmlegung der Infrastruktur, der innerhalb eines Tages scheinbar erdacht wurde und dann flugs in die Tat umgesetzt. Als man die ersten drei Sprengungen wahrnahm, reagierte die Tharkadische Armee prompt, folterte die zuständigen Piraten, da man manche erwischt hatte und die Schwächlinge gaben die weiteren Ziele bekannt. Seit dem vertrauten viele der Tharkader diesen multifunktionalen Rohren nicht mehr, die manchmal sichtbar durch die Stadt ihre Wege ziehen. Es war eine glückliche Fügung, dass die Kolonie generell traditionell eingestellt war und man sich für den Bau von Katakomben entschied, damals mehr aus Mode- sowie Tourismusgründen als das tatsächlich weil mein eine altertümliche Kanalisation in der Stadt haben wollte. Fakt nun mal ist aber, dass das jetzige Kanalisationssystem nicht durch ein paar Lecks sofort irreparabel beschädigt ist, sondern durch Standhaftigkeit und Dauer besticht. Außerdem waren die Wassermenge, sobald die Fluten geöffnet wurden, massiv, wie Elias gerade bemerkte. Damalige Gedanken bezüglich einer Infiltration der Piraten durch die Kanalisation hatte man schnell ad acta gelegt, und zur Sicherheit doch die geschützten Kanaldeckel angebracht.

    Er kontrollierte bedächtig ob noch alles da war – war es – und machte sich auf weiteren Weg. Da er die Orientierung verloren hatte, wollte er das Omni-Tool verwenden, doch jenes war wohl durch das Schmutzwasser funktionsunfähig geworden oder hatte bei einem der zahlreichen Aufprälle im Wasser gar schlimmeren Schaden davon getragen. Ohne Karte war das natürlich jetzt ziemlich mies, weshalb er nun doppelt zaghaft voran schritt und versuchte sich anhand von kleinen Indizien zu ordnen; wo das Wasser herkam und wohin es floss, die Farben des Gesteins und das verwendete Metall im Gemäuer, die Abbiegungen der Rohre, die Häufigkeit von Sicherheitsapparaten. Wenn er von sich überzeugt war, dass er den Tharkad kannte, so wäre es ein peinliches Eingeständnis gewesen, würde er irgendwo die Leiter hinaufklettern und durch das anschließende Stadtbild sich Gewissheit verschaffen. Im Grunde hatte es ein wenig seinen Ehrgeiz herausgefordert das Versteck alleine ohne Hilfsmittel zu finden. Die trugvolle Erkenntnis ob der Tharkad immer noch dasselbe war wie einst, ging damit einher; ein eigenständig auferlegter Test um zu sehen wer denn Recht hatte, das Insekt oder der Major.

    Immer wieder kehrte er um, ging andere Pfade entlang, wo er ein besseres Gefühl hatte. Auch wenn nur ein paar Meter unter der Oberfläche, so schien die Kanalisation teilweise zu einer anderen Welt zu mutieren. Fieberhafte Gestalten schienen durch die Abwässer zu pilgern, tarnten sich als leuchtendes Ungeziefer und verschlafene Schreie der Inbrunst. Im Dunkeln des Gewässers und dem sanfter werdenden Geplätscher aus der Ferne vernahm er die Richtigkeit seiner Schritte und tatsächlich, schon weit entfernt von so manch Logik des Tharkads, kam er in die Ebbe der Kanalisation. Als wollte kein Wasser dort hin, war an der Stelle leichte Erde zu erkennen, nur kleine Pfützen, die sich durch das tröpfelnde Wasser durch die Decke gebildet hatten, und ein Staudamm-artiges Gebilde, welche den Platz von den Flutmassen trennte, aber nicht vom Gestank. Die Stelle war relativ klein, führte aber durch einen Kanalisationskorridor weiter ins Tiefere von Katherine, in die Randgebiete der Stadt, das andere Ende.

    Es war nicht zufällig, dass damals, als man die Kanalisation freigab, diese Korridore nicht geflutet wurden. Keinesfalls weil sie schön oder nicht gebraucht wurden, nein – man hatte zu viel Angst sie würden bröckeln und Katherine verschlingen. Seit Kriegsbeginn hatte man kein Geld und noch weniger Zeit für eine Renovierung, das Gemäuer war fast komplett aus bröckelndem Stein von miserabler Qualität. Sah man in anderen Teilen der Kanalisation noch liebevolle Verzierungen, Wandfresken die mythologische Wesen des Tharkads zeigten… Tiere und Kreaturen, von denen sein Vater berichtet hatte und von denen er bis heute noch begeistert und überzeugt war. Närrisch. Aber genauso merkwürdig war es die Katakomben so auszuschmücken, ein unterirdisches Museum, einen Pilgerort und Tourismusmagneten in einem zu bauen, nur um ihn dann mit Schmutzwasser zu zerstören. Der Mann, der damals das ehrgeizige Projekt vorantrieb, ein Herzogssohn, der keinen Anspruch mehr auf Adel auf der Erde hatte und deshalb den Tharkad kolonialisierte, war schockiert und verschwand in die Wildnis. Man sagte, er wollte sich von den Mythen des Tharkads fressen lassen. Andere sprachen davon, er hätte an den Katakomben seinen Verstand verloren. Beides bedeutete wohl das Gleiche. Ausweglosere und weniger romantikverseuchte Theorien waren, dass die Piraten ihn entführt hatten und splitternackt aufhängten, oder dass die Kanzlerin ihn verbannt hätte weil er zu viel genörgelt hat. Diese beide Theorien jedoch waren grundsätzlicher Bestandteil einer jeden Legende, wenn es um Leute ging, die vom Tharkad plötzlich verschwanden, was gar nicht so selten war. Die Wahrheit war wohl einfach, dass er die Schnauze voll hatte und zurück zur Erde flog. Wenn man heute jedoch Katherine sah, so schien es wie ein provisorisch eingerichtetes Militärcamp auf einer Ruinenstadt, die man langsam wieder errichtet. Die Kanalisation – so bizarr es auch klingen mag – in ihrer naturgebundenen Kraft und ihrem Geistergetränkten, altmodischen Flair und den modernen Pipelines, die Hälfte derer brach im Sumpf lagen, erinnerte daran, dass die Hauptstadt einst blühte, so etwas wie wirkliches Leben inne hatte anstatt nur der kriegsmüden Nostalgie die heutzutage die Straßen prägt

    Dass einzige Zugeständnis, welches die gemeinhin als „leere Korridore“ bekannten Gänge der leicht gruseligen und verwahrlosten Atmosphäre der restlichen früheren Katakomben zugestand, waren die gelegentlichen Skelette, die immer wieder quer verteilt und durchgenagt herumlagen. Früher waren die leeren Korridore ein beliebtes Entsorgungsmittel der Gangster gewesen, heute schert sich darum keiner mehr, wenn jemand mal urplötzlich vom Antlitz des Tharkads verschluckt wird. Doch die Zeugnisse ihrer Taten ruhen noch heute dort unten. Über mehrere Passagen hinweg wechselte Elias die Richtung; es gab unzählige dieser Staudämme, die die leeren Korridore von der Kanalisation trennten, es war einfach sich zu verlieren im Labyrinth. Aber hier waren wieder die Sicherheitsapparate und alte Andenken ein nützliches Hilfsmittel. Kameras entging er durch Timing, die Geschütze umging er mit Cleverness und die traditionelleren Fallen entdeckte er stets gerade noch in der rechten Sekunde. Früher als erhofft, aber mit mehr Schwierigkeiten als erwünscht gelang er schlussendlich in einen Seitenkorridor und von dort eine Stiege hinauf in einen scheinbar verlassenen Raum, der einst als Aufsichtsbüro fungierte. Verstaubte und altmodische Gerätschaften und Equipment zur Überwachung der Kanalisation, zum Regulieren der Staudämme und zum damals gelegentlichen sofortigen Exekutieren von Piraten, die es gewagt hatten Katherine unterirdisch zu betreten. Damals, es hörte sich so lange an, dabei waren nur ein paar Jahre ins Land gezogen – doch Elias musste sich eingestehen, so sich der Tharkad nicht geändert hatte, so schliefen auch die gefürchtete Praktiken ein und wurden bedeutungslos. Was man einst noch Kindern beibrachte, war heute obsolet. Der Feind war auf der anderen Seite des Planeten und beutete den Tharkad aus. Dasselbe tat man auch hier, nur mit Legitimation.

    Er schaltete das einzige noch funktionsfähige Terminal ein und hörte zu, wenn es langsam startete, irgendwie woher seine Energie stahl. Über ein Untermenü tippte er seinen Geheimcode ein und die verstaubten Lampen an der Decke fingen an zu flackern, wenig später öffnete sich – ganz klassisch – eine Geheimtür zu einem einst luftverschlossenen Raum und der Sog der Luft zog hinein. Er schloss die Tür zum Überwachungsbüro, drehte den Schlüssel in dem klapprigen Schlüssel zweimal um bevor er sich sicher war, dass sie auch verschlossen war. So als würde jemand hier her kommen. Die Belüftung setzte langsam ein und er betrat durch die wankenden Lichtkegel und den sich langsam setzenden Wind sein Geheimversteck… Niemand war dort gewesen, kaum einer wusste davon und wenn doch waren die meisten von ihnen tot, von ihm gebaut und nun endlich wieder in Verwendung. Sein Geheimversteck, sein Zuhause.

    Es hatte sich nicht verändert, nur dass du durch den plötzlichen Luftzug ein wenig Staub herein schwebte, doch das war einerlei. Er nahm den Helm ab und betrachtete es für einen Moment. An der Wand hing sein Jagdgewehr, schön ausstaffiert und darunter ein paar Werkzeuge, Schraubenzieher und Hammer. Die Werkbank aus Tharkadischen Holz, auf einem Flohmarkt gekauft. Unter einer Planke stand sein ATV, einsatzbereit. Getrocknete Matschspuren und das damals provisorische geflickte Öl-Leck noch deutlich zu erkennen. Ein effizienter Mini-Boiler versorgte ihn mit leidlich warmem Wasser. In der Vorratskammer waren noch die Reserven, die er im Bulk eingekauft hatte, hauptsächlich Bohnen, tharkadischer Speck und Speck und Bohnen Gerichte, dazu paar Säcke Kartoffel und zig Packungen Rosenschlummer-Tee. Er hatte einen harten Winter erwartet. Er aktivierte die Reserven des Stromaggregat und die billigen Turbinen, entwendet aus der einst nahezu zerstörten Kläranlage einige hundert Meter entfernt begannen zu rotieren, und das flackernde Licht wurde wieder stärker. Dann fuhr er die Terminals hoch und sofort war der Allianz-Informationsservice nun auf dem Kanal wo einst der Staatliche Rundfunk Tharkad war, denn es scheinbar gar nicht mehr gab, ein provinzieller Sender, der aber stets über das Tagesgeschehen und die Politik konsequent, ehrlich und kritisch berichtete. Jetzt liefen Durchhalteparolen und Sendungen über Planeten und Galaxien, die ihn weder interessierten noch langweilten, nur Gleichgültigkeit, er fühlte nichts wenn er Namen wie Eden Prime, Illium, Citadel, Omega oder gar die Erde hörte. Hohle Phrasen. Er rollte den persischen Teppich, ebenfalls auf dem Flohmarkt einst gekauft, und den Bärenteppich, vom Tharkad, selbst erlegt, aus. Dann nahm er die Rüstung ab und sprühte sie mit etwas Wasser und Waschmittel ab. Das Geheimversteck war nicht groß, aber man hätte es kleine Wohnung bezeichnen können, in dem alles etwas ungemütlich zusammen gepfercht war, aber alles hat seinen angestammten Platz. Für mehr hatte damals die Zeit nicht gereicht, als er innerhalb einiger Wochen es errichtete, die Wand zuerst einschlug und dann Stück für Stück die Mauern abtrug. Hier und da sah man noch den Verputz und alles war immer noch provisorisch eingerichtet. Vielleicht war es doch nicht sein Zuhause, aber es war das nächste was dieses Ideal erreichen konnte. Als er fertig war, ließ er das Wasser abrinnen, trocknete Rüstung und legte sich kurz nieder. Die Ruhe genießen. Sein Blick auf das Jagdgewehr, süße Erinnerungen daran, auf das ATV, rasante Erinnerungen, auf die Vorratskammer, Hunger. Nicht recht gewillt aufzustehen, tat er es doch, nahm sich eine Dose und einen Löffel und fraß den Kram einfach kalt, in Unterhosen die Nachrichten gaffend. Ein einzelnes Poster war angebracht im Versteck; Flucht vom Tharkad hieß der Film und wurde damals von einem anscheinend namenhaften Regisseur und Schriftsteller namens Louis Vigo gemacht und geschrieben. Er handelte von einem verkappten Wissenschaftler, der in der Kolonialisierungsphase von Gangster erpresst wurde eine Atombombe zu erschaffen. Ziemlicher Trash eigentlich, bot er doch nur altmodische Effekte, untalentierte Schauspieler und ein herrlich merkwürdiges Drehbuch voller Logikfehler. Elias gefiel der Streifen. Hauptsächlich weil er auf dem Tharkad spielte und in Katherine gedreht wurde und er seinem Dad damals stets im Gemeindezentrum sagte, wo der Film uraufgeführt wurde, dass er diesen Fleck auf der Landkarte kenne und dass das doch gar nicht der Parlamentsplatz von Katherine sei und die Gasse kannte er auch. Damals als Zehnjähriger war er sich auch nicht darüber bewusst wie er sehr damit die anderen Zuschauer nervte und war verwundert über die lauten Aufforderungen still zu sein - Pssst, pssst. Die Bohnen schmeckten übrigens mies, das taten sie jedoch schon damals.

  7. #7
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    Innerhalb weniger Stunden konnte man so einiges machen, wenn man alleine war. Das beschädigte Omni-Tool wurde ausgetauscht, so wie es von Anfang an vorgesehen war, mit dem vertrauten Modell aus der Armee-Zeit. Leistungsfähig, optimiert und doch etwas rustikal, ein treuer Gefährte, wenn man es so nennen wollte. Er entfernte den Kommunikationschip des Allianz-Tools und fügte ihn dem Alten bei, man wusste nie wenn es nützlich werden würde und um mit etwas Glück ein wenig den Allianz-Funk abzuhören. Und die Gefahr durch das Omni-Tool eines Toten geortet zu werden, entging er damit ebenfalls, als er das Equipment der Allianz kurzerhand zerstörte. Leichte Paranoia. Rührt vom Krieg her. Er reparierte den ATV und fixte das Leck. Immer wieder kontrollierte auf den Bildschirmen der Videokameras wie es in der Kanalisation stand, ein paar Biester gifteten sich gegenseitig an, keine Menschenseele sonst. Dann zog er los mit ein paar Brettern in der Hand und nagelte sich schmale Brücke in den Boden. Nicht, dass er schon wieder zwei Stunden herumirren würde durch die Kanalisation, das war nicht sonderlich effizient und für mehrere Duschen am Tag hatte er das Wasser keinesfalls. Er ging noch einmal zurück, aß die restlichen Bohnen in der offenen Dose, band sich den Schal um und setzte sein Cap auf. Das verwaschene, nur noch dezent erkennbare Symbol war jenes der Tharkadischen Armee. Bevor er schlussendlich aufbrach, aktualisierte er noch einige der Parameter seiner Karten, packte sich altes Gepäck ein und nahm die Carnifex von der Werkbank, die er mal von einem turianischen Waffenhändler gekauft hatte kurz nach dem Vorfall.

    Während er durch die Zonen unterhalb der Stadt streifte, war er teilweise selbst überrascht von der wechselnden Szenerie, die Katakomben gingen eins zu eins über in moderne, sterile Korridoren aus Stahl und Palladium mit den obligatorischen, nutzlosen selbst aufschiebenden Türen und den zahlreichen, von der Stadtverwaltung mittlerweile deaktivierten Kameras nur um dann wiederum von Impressionen eines pestgebeutelten Landes abgelöst zu werden, wo der Schmutz den falschen Marmor versteckt; die Abwässer waren dennoch überall verdreckt. Er wunderte sich dennoch über diese scheinbar beliebigen Wechsel, als wäre noch mehr hier unten, etwas das er nie sah oder suchte und dessen Geheimnis nur von einigen wenigen Seelen behütet wurde. Es konnte andererseits aber auch einfach nur mieses Planungsmanagement sein.

    Es war mittlerweile später Nachmittag und die verpassten Schneeflocken des Frühlings kamen herunter gesegelt, aber verschwanden stets sofort im Boden. Verrücktes Wetter auf dem Tharkad war nichts Neues. Er streckte kurz die Hand aus und sammelte ein paar in der Hand. Der Gulli hinter ihm schloss sich. Eine bedeutungslose Sackgasse, eine Gosse war sein Ausgangspunkt. Ein paar Blocks weiter hinten befand sich eine Kneipe, kaum besucht weil kaum einer genug Credits übrig hatte. Normalerweise wurde in den dunklen Nischen der Kneipe gelegentlich etwas verhökert und wenn nicht dann meist doch eine Information wer denn sonst das Gesuchte feilbot. Als er aus der Gasse kam und die winterliche Atmosphäre des Himmels sich in den leeren Straßen spiegelte und ein vager Wind ihm entgegen blies, hielten sich die meisten Aliens relativ bedeckt. Ein Typ versuchte Hallex zu dealen, aber weil er nicht aufpasste schaffte ein kleines Kind ihm ein paar Pillendosen zu klauen. Mehrere Turianer standen in einem Kreis und fluchten über die fehlende Arbeit, Elias meinte sie würden sich auf verbrecherische Tätigkeiten beziehen, wohingegen ihre eigentliche Frustration den aufgelassenen Minen im Bismarck Gebirge geschuldet war, die je nach Laune des Krieges auf- und wieder zugesperrt wurden. Die Barracken des Immigrantenviertels waren klassischer Standardbau; karg und kalt und so als hätte man sie einfach aus einem Raumschiff runter geschmissen ohne zu schauen wo sie landen würden, wodurch sie vermeintlich gut in das sich bietende Schauspiel des Viertels einfügten, eine Kombination aus sperrigen Bauten, deren Türen allesamt rot leuchteten, versteckten Kämmerchen und gelegentlichen Geschäften, die zwar 24 Stunden offen hat, aber kaum Ware anboten und deren einziges wirkliches stetiges Geldeinkommen der Handel mit der Vergangenheit war. Irgendwoher hörte man einen Chor, nicht sicher ob es sich hierbei um eine Aufnahme oder Menschen handelte die hier auf dem Tharkad sangen, blieb er stehen und sah sich um, doch die Herkunft der grellen Töne der lieblichen Frauenstimmen konnte er nicht ausmachen. Im Gehen verschwanden langsam die Melodien, doch die Worte summte er nun mit. Ein Kriegerlied vom Tharkad. Junge Memoiren, erlöscht im Bismarck. Etwas blutig wie alle. Es handelte von der fiktiven Bismarck-Schlacht; einer Legende in die Welt gesetzt von Freischärlern, dreht sich um den eisigen Tod der dort oben in den Bergen auf einen warten soll, ein nicht näher definiertes Etwas. Manchmal gar der Tharkad selbst. ... sssh, sprich nicht mehr. Er hält deine Hand. Und eure Gesichter im Schnee verwehen im Wind…

    Die Bar war anders in seiner Erinnerung, etwas hübscher, besser besucht. Ein kalter Lufthauch trat mit ein in die Bar als die automatische Tür sich öffnete, und war draußen trotz der Wolken noch eine gewisse ruhende Glückseligkeit mit dem Licht verbunden, so erstreckte sich in dieser Bar ein rotes und blaues Fegefeuer, welches die markanten Gesichter der Bar nicht so sehr erhellte, als dass es sich vielmehr in ihrem eigenen Antlitz quälte. Er griff instinktiv zu seiner Waffe und passierte einige Tische hin zur Bar. Abgewrackte Turianer ergötzten sich an Holo-Vids von asarischen Stripperinnen, einige Typen spielten Karten, schienen sich aber nicht weiter zu kennen und in den dunkelsten Plätze der Bar waren auf den ersten Blick die Verstoßenen des Viertels zu sehen; Leute, die sich versteckten und vor denen man sich versteckte, kein großer Unterschied auf dem Tharkad, im scheinbar einzigen Platz dieses Viertels wo man ein wenig Kontakt knüpfen konnte, hier im Randgebiet, wo die Allianz nur mit Makos und Gleitern patrouilliert, man es selten Fußsoldaten zumutet. Die Tharkadische Armee selbst war nicht daran interessiert, dass manchmal unerwünschte Immigrantenviertel zu schützen. Die meisten dieser Arbeiter und Verbrecher kamen erst als der Tharkad zum Protektorat verkam. Davor sah man hier und da einen vermögenden Salarianer, einen ehrgeizigen Kroganer oder malochende Turianer in den Straßen, aber die Eindrücke waren so vereinzelt, dass es teilweise einer Sensation gleich kam wenn man einen Außerirdischen in einer Woche sah. Jetzt waren sie da, wieso auch immer. Vielleicht weil das Elend des Tharkads die Verlorenen und Hoffnungslosen anzog. Oder weil sie selbst alle im Exil waren, gleich wie Elias. Die Heimatliebe verschollen und zu müßig danach zu suchen. Sicherlich hatte jeder seine Geschichten, doch derzeit interessiert ihn nur eine.

    Der Barkeeper schaute ihn kurz fragend an und Elias kaufte zuerst eine Packung Zigaretten, nur um dann danach zu fragen, wer sich denn hier im Viertel auskenne und wo man Informationen darüber kaufen könnte. Der Turianer an der Theke verwies auf einen Salarianer in der Ecke, der nervös in seinem Mini-Terminal herumtippte, Eingabebefehle, begleitet von schockierten und zufriedenen Gesichtsausdrücken. War wohl gerade in einer Verhandlung. Er zündete sich eine Zigarette an und ging zum Alien, nahm sich ohne zu fragen den Stuhl neben ihm, sodass er mit dem Rücken zur Wand saß und so zumindest den Raum im Auge behalten konnte. Der Salarianer blickte ihn nicht mal war, sondern hatte nur Augen für seinen Schirm. Wired..
    Nach dem sich Elias einige Minuten das Schauspiel angesehen hatte, sprach er ihn, schon leicht angekotzt angesichts der maßlosen Ignoranz die der Salarianer aufgrund der konsequenten Missachtung von Elias ausstrahlte: „Ich glaube etwas das mir gehört, befindet sich hier im Viertel. Und entweder Sie haben es oder Sie wissen etwas darüber, Sie Computerfreak. Also, raus damit – und ich werde Sie dafür auch entlohnen. Sofern Sie mir das nicht schwerer machen als nötig. Also, bitte?“ Der Salarianer machte keine Regung, weil er gar nicht erst zugehört hatte oder antworten wollte. Er starrte weiterhin nur auf den Bildschirm, auf die blinkenden Programme, die sich in seinen riesigen Glubschaugen ein wenig spiegelten. „Hören Sie mich… natürlich nicht.“ Elias schob seinen Schal ein wenig über den Mund, schlug das Terminal zu und steckte zeitgleich seinen brennenden Zigarettenstummel auf die gerade freie Hand des Salarianers, drückte rein.
    „Au, scheiße Mann!“
    „Wird schon verheilen. Hättest mal lieber zuhören sollen du Extranet-Junkie.“
    „Scheiße, Mann. Bist du ein Psychopath, davon gibt es schon genügend auf dem Tharkad. Da kannst dich gleich wieder rausverziehen.“ Er hatte eine wehleidige Stimme, jammernd und unterwürfig. „Total unnötig.“ Mit seinen Lippen versuchte er ein wenig den Schmerz raus zu lutschen, vergeblich.
    „Es wurde etwas von mir entwendet. Ein Virus. Er ist herrlich nutzlos für euch hier, deshalb wäre es schlichtweg famos wenn ihr mir das Teil ohne große Schwierigkeiten wieder gebt. Hast du ihn oder irgendein anderer Hacker… was auch immer?“
    „Nach dem du mich so nett angesprochen hast, werde ich dir natürlich alles erzählen. Spasti.“
    „Also – weißt du etwas darüber?“
    „Ich habe nur gesagt, dass du ein Spasti bist. Und mich lieber in Ruhe lassen solltest.“
    „Wieso, willst du andernfalls auf mein Netzwerk zu greifen und alle Pornos runterlöschen, du böser Hacker?“
    „Nein, aber ich kann machen dass dir deine Pornos dir nutzlos erscheinen.“
    „Lustig. Da du der einzige Typ hier in der Bar bist, der lieber in sein Terminal Kram eintippt anstatt sich am späten Nachmittag zu betrinken, nehme ich mal nonchalant an, dass deine Ware ziemlich heiß ist, was auch immer das genau ist.“
    „Vielleicht chatte ich auch einfach nur mit einer heißen Asari-Schnecke.“
    „Für so gestört halte ich dich sogar. Dürfte wohl eher ein pubertierender Quarianer sein, der dich gerade ganz schön verarscht.“
    „Oh, jetzt beleidigst du sogar noch meine Geliebte. Wieso sollte man dir Unhold überhaupt irgendetwas verraten? Zeig‘ erst einmal dein Gesicht.“
    „Scheiße kalt draußen, kein Bedarf wegen dir die herrliche Wärme aufzugeben, die ich unter dem Schal angesammelt habe.“
    „Man, du hast aber auch auf alles einen doppelt so nervigen Spruch parat, Blödmann.“
    „Gar nicht so leicht, wenn man mit einem sozialbeeinträchtigten Genie labert. Hast bestimmt auch paar Tricks auf Lager, nicht? Blitze aus deinem Omni-Tool, eine kleine Drohne, die paar Kugeln spuckt. Auf jeden Fall hast du aber keinen Handschuh für deine zarten Hände, solltest dir überlegen, ist recht praktisch gegen Zigarettenstummel – und fettige Hände auf der Tastatur.“
    Die Atmosphäre in der Bar war unverändert, die Typen spielten Karten, tranken oder gafften auf virtuelle Hintern. Aber keiner belauschte das Gespräch, was Elias nicht gerade gefiel. Deutete darauf hin, dass der Typ doch kein Mitglied der Gang war, die den Virus geklaut hat. Schade. Darum schaute er so verdammt aus nach dem Mittelsmann oder zumindest derjenige, der den Virus analysieren sollte, sodass sie wissen würde was sie überhaupt verkauften. Naja. Bei den Programmen handelte es sich hauptsächlich von Codes, die er versuchte umzuschreiben, aber das konnte auf den ersten Blick alles sein, ein paar Extranet-Seiten in einem Tab aufbewahrt, ein Video von einem Varrenbaby und dazu tatsächlich ein Chatprogramm sowie ein Skyllian Five Poker-Programm. Der Typ schien mehr ein armer Bürohengst zu sein als tatsächlich ein Dealer.
    „Hm, jedenfalls – da du so aussiehst als hättest du nichts gegen ein paar Credits. Hör‘ dich um und wenn du was Nützliches hast, komm‘ ich in paar Stunden wieder und naja, vielleicht wirst du sogar reich.“
    Er stand gerade auf, sah keinen Nutzen darin nach einem mageren Fischen sein Netz auszuwerfen, wenn er den Magen nicht füllen würde. Er würde wohl paar Minuten vor der Bar warten und sehen ob der Typ irgendetwas machen würde.
    „Warte, warte... ich bin ja so etwas wie ein Inform…“
    „Ja, schon klar. Du bist der einzige Typ mit dem mobilen Terminal in der einzigen Bar in diesem Viertel wo man Informationen ansatzweise kaufen kann. Du bist so was wie der Shadowbroker, die Pinkertons oder dieser Quarianer auf Omega, nur in einem mickrigen Maßstab, schön angepasst auf den Tharkad. Du wolltest sagen?“
    „Jaja, genau. Also, du kannst zahlen? Wie viel denn?“
    „Na sonderlich viel Erfahrung mit derlei üblen Geschäften kannst du ja gar nicht haben, wenn du mir so eine Frage stellst. 300 Credits, wenn sie brauchbar erscheint. Doppelt so viel für den Virus innerhalb einer Stunde. Und wenn dir das nicht genug ist, solltest du die Bar am besten gar nicht mehr verlassen, weil ich andernfalls dir einfach die Information rausprügle. Bin schließlich kein Samariter, der mal eben tausend Credits an paar Diebe verschenkt, nur um sich die Finger nicht schmutzig zu machen. Und jetzt weißt du sogar, wer ich bin. Immer überraschend wie schnell man Freundschaften auf dem Tharkad schließt.“

  8. #8
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    Ganz so einfach war es dann leider auch nicht. Er drückte dem Salarianer letztendlich immerhin doch 500 Mücken in die Hand, der daraufhin lächelnd und zufrieden, ob seiner scheinbar doch vorhandenen Fähigkeiten des Feilschens, Elias schön die Geschichte des gestohlenen Virus erzählte, plauderte ein wenig zu ausführlich. So als wären sie tatsächlich schon Freunde oder zumindest Kriegskameraden, nicht im Krieg des Tharkads, aber doch im Bandenkrieg, der hier zu herrschen oder anzubrechen schien. Anscheinend arbeitete Cayzel, so sein Rufname, für die Wolfssöhne, eine Gang bestehend aus Turianern aus allen Schichten die schon relativ früh ankamen und anfangs rechtschaffender Arbeit nachgingen, alsbald jedoch, aber besonders nach dem Krieg, immer gefährlicher wurden, Rituale und damit verbundene Verbrechen. Die Gang huldigte einem turianischen Brüderpaar welches der Legende nach schon mehrere Jahrhunderte vor den Menschen den Tharkad gefunden und erobert hatten. Dabei die Bestien zähmten, die mittlerweile ausgestorben waren, und deren einzige brauchbare Übersetzung das Wort Wolf war. Merkwürdige Gestalten also. Als gebe es von diesen Spinnern nicht schon genug auf dem Tharkad, hatten die Wolfssöhne tatsächlich den Anspruch eine religiöse Beziehung zu dem Planet zu haben, durch das Opfer der Brüder und des verschlingenden Geistes des Tharkads, basierend auf dem turianischen Glauben, womit der Tharkad zu einem überirdischen Wesen wurde, zu einer legitimen turianischen Kolonie. Doch das war noch gar nicht das gefährliche. Anscheinend stand Cayzel tatsächlich mit einer Asari in Kontakt, wie er stolz preisgab. Der Name ließ Elias aufhorchen, gefolgt von einem Schauder. Die Falsche Matriarchin. Eine eigentlich noch junge Asari, keine vier- bis fünfhundert Jahre alt, aber gefürchtet auf dem Tharkad. Eine Kriegsfürstin. Von der anderen Seite des Tharkads. Woher sie vom Virus wusste und was er konnte, war nicht mal sonderlich wichtig. Nur, so dramatisch es auch klingen mochte, sie durfte ihn nicht haben. Dass die Wolfssöhne tatsächlich den Virus innerhalb dieser kurzen Zeit entschlüsselt hatten, bezweifelte es Elias, doch was wenn das Insekt mal wieder seinem falschen Image gerecht wurde, seiner fragwürdigen Geschäftspolitik frönte. Andere die Drecksarbeit machen lassen und dennoch mit dem höchsten Gewinn aussteigen. Wobei, zugegeben – in Cayzels Beschreibung klang das alles wirr und zusammenhanglos, Elias musste sich schon die meisten Lücken selbst einfüllen. Jetzt hatte er zumindest einen Anhaltspunkt.

    Das Wetter war gleich geblieben. Nach einer Zigarette, verbunden mit den weiteren Überlegungen, sträubte er sich den Schal wieder über und brach auf. Nicht weit. Nur ein paar Schritte die Straße runter, irgendwann hörte dann die okkulten Gesänge mit denen er gerechnet hatte. Das gute an religiösen Fanatikern war, dass sie einen nie enttäuschten und immer schön Lärm machten, ja jedem zeigen wollten, dass sie auch ja hier waren. Genauso wie alles andere mochte Elias die Typen natürlich nicht besonders, aber doch musste er zugeben, dass er ihre Ansichten verstand, es sogar die ein oder andere Verbindung geben konnte. Aber was auch immer. Wenn sie den Virus nicht rausrücken würden, wären die Wolfssöhne alsbald ebenfalls eine Legende auf dem Tharkad – ganz so wie ihre Vorfahren.

    Im sehr leichten Schneefall zogen die Geister der Söhne ihre Kreise um ihr Anwesen, während brennende Benzinfässer als Ritualstätten und Wärmekörper galten. Das reinigende Feuer war quer über dem Gelände verteilt, welches aus mehreren Barracken zu einem Wohnblock zusammen geschustert war. Gelegentliche Drahtzäune versuchten Eindringlinge heraus zu halten, aber sie waren zu sporadisch aufgestellt als dass sie mehr als einen Abschreckungseffekt innehatten. Das Anwesen versuchte einladend auf seine eigene Art zu wirken, durch rustikalen Stil, ominöse spirituelle Vorgänge, Riten und Ausstrahlung, umherstreifende, (hoffentlich) gezähmte wolfsartige Hunde, rot aufgetragene Emblems von wolfsgeformten Turianerköpfen auf den kargen Stahl- und Steinmauern. Aus den Fenstern sah man hier und da einen Kopf vorbei huschen, den wartenden Elias inspizierend.

    Nach ein paar Minuten in denen er die Anlage von außen aus musterte, entschloss er sich einfach rein zu spazieren. Es war nicht das erste Mal, dass er mit diesen Vögeln zu tun hatte. Damals war er aber noch Soldat der Tharkadischen Armee und hatte eine ganze Einheit bei sich. Vergleichsweise friedliche Verhandlungen nannte man das scherzhaft. Alleine war jetzt zwar anfälliger, aber durch den Status als Revanchist des malträtierten Tharkads unberechenbarer. Und irgendwann musste er seine selbsterkorene Position als Sheriff des Tharkads ja auch anfangen zu legitimieren. Warum also nicht heute, jetzt gleich – heute war ein guter Tag dafür.

    Die Hunde witterten ihn nur, sprangen aber nicht auf ihn. Knurrten nicht einmal. Ganz wie sie wollten. Alle auf einmal, die Carnifex hatte, im Falle von je einem Volltreffer, genau genügend Schuss im Magazin. Das Zielen hatte er schon nicht verlernt. Na, wollten wir das mal hoffen. Die Blechdächer, die als provisorische Hundehütten dienten, schienen bei diesem Wetter verlockender sein, die Benzinfässer ließen die Kälte erträglicher werden – oder war es doch eher die, von den Turianern auf die Tiere übergegangene, spirituelle Pflicht, die sie an die Fässer bahnte. Beschützer von eigenwilligen, lodernden Schreinen. Besonders effektive Wachehunde waren das nicht, wohl doch mehr Ziertiere. Er blieb vor der Eingangstür stehen, groß und technisch mit dem heutigen Firlefanz ausgestattet. Es gab auch andere Eingänge - normale Türen, mannsgroße Fenster – das hatte jedoch seine Richtigkeit. Keine Lust verspürend auf einen Bandenkrieg, angezettelt durch Elias aufgrund einer List des Insekts, zog er den offiziellen Weg vor. Das Klopfen auf die Tür war obligatorisch. Im alten Klopfrhythmus noch, als Zeichen dienend, das man hier war um zu verhandeln, nicht um sich zu bekriegen. Oder war es andersrum?

    Sie öffneten die Tür mit Gewehren auf ihn gerichtet. Er hob die Arme. Sie ließen ihn rein. Leicht. Alle hatten Wolfsköpfe über ihre Hörner gestülpt - aus Tradition, Fanatismus, Stil oder Scham, das erkannte man recht gut mit der Art und dem Stolz wie sie ihre Köpfe trugen. Manche schwenkten damit stolz herum, andere vergruben ihr Gesicht darin. Manche hatten große Wolfsköpfe auf, die meisten nur vergleichsweise kleine, die nur die Hörner verbargen.
    „Na, wenn das nicht mal der Herr Major ist“, preschte einer der Turianer hervor als die Tür hinter ihnen geschlossen war, die Gewehre noch auf ihn gewandt. Sie erinnerten sich an ihn also, oder jemand hatte ihnen eine Warnung, Tipp gegeben. Einerlei, vielleicht wäre es doch klüger gewesen direkt die Hauswand weg zu sprengen und dann aufzuräumen. Friedliche Verhandlungen waren auf dem Tharkad seit jeher überschätzt.

    Ihr Quartier, welches sich vor Elias offenbarte, war nicht besonders einladend, beeindruckend noch ehrfürchtig. Ein langer, breiter Korridor führte in einen Raum, dessen einziges Gemälde das Brüderpaar zeigte. Der [i]Krieger[i] und der Entdecker. Heute würde man sie als Pilot und Navigator beschreiben, das Gemälde hatte aber diesen altmodischen Zeichenstil der Turianer, Ikonengraphie mit wenigen deutlichen Hand- und Pinselstrichen. Die wenigen Turianer, nicht mehr als ein Dutzend, waren alle im Raum. Ein paar Türen deuteten nur schimmernd an wohin der Weg führen konnte, jener zur spirituellen, wölfischen Reinigung des Tharkads. Ein Kaminfeuer loderte so als stark als meinte man der ganze, riesige, dezent eingerichtete Raum würde brennen. Auf Kisten, in Stühlen und einer sogar in einem ausgebrannten, desgeformten Fass saßen die Turianer und beobachten ungläubig Elias, den Major, den Steinbock. Alte Bekannten. Einer der Wolfssöhne hielt seine Waffe auf respektablen Distanzabstand auf seinen Kopf gerichtete, das spürte er von hinten. Von weiteren Waffen witterte er nichts. War auch besser so.

    Vor dem Kamin stand er. Der Häuptling, nein, das war falsch. Rudelführer des Wolfpacks. Der Leitwolf. Ja, das klang richtig. Als er sich umdrehte, fiel sofort sein ausgebranntes Auge auf. Es war nicht einfach weg oder verwundet, deutliche Brandnarben zeugten von der Ausräucherung seines infizierten, giftigen Geistes. Selbst hinzugefügt, Ehrfurcht einflößend, stolz tragend. Anders als die anderen war er vollkommen in Pelz eingehüllt, der schwarze Wolf auf seinem Kopf war nur das letzte vollkommene Detail um ihn im brodelnden Feuer des Kamins von hinten als einen irregeleiteten, von den normalen Wegen abgekommenen Psychopathen darzustellen. Manchmal konnte die Erscheinung täuschen, manchmal. Der Leitwolf war mindestens einen Kopf größer als die anderen Turianer, fast drei Köpfe größer als Elias und von deutlich beeindruckender, kämpferischerer Statur als er. Er wetzte die Klauen, chirurgisch verlängert, dennoch gefährlich real vor Elias Augen.
    „So, Major. Die Gerüchte über Ihren Tod wären auch zu schön gewesen als dass sie je stimmen hätten können. Verbannung hätte Ihnen gut getan. Das Exil als fundamentale Odyssee. Reise durch die Galaxie. Den Geist reinigen. Von der Pest, die in Ihnen rottet. Der Allmachtsanspruch.“
    „Habe die Galaxie ein wenig durchforstet und dann doch für mich entschieden, dass Heimat nun mal doch dort ist, wo man am späten Nachmittag sich eine Predigt und eine Beichte anhören muss anstatt sich mit irgendwelchen interstellaren politischen Debatten wach halten zu müssen um nicht vor Langeweile einzuschlafen und es dann doch tut. Geht doch nichts über ein paar Verrückte, die einem noch vor dem Abendmahl nach dem Leben trachten, nicht?“
    „Ich hätte Sie schon damals töten können. Doch – Major. Respekt. Vor ihrem törichten Glaubensbekenntnis.“
    „Naja, ich bin zwar Katholik, aber den aktuellen Papst habe ich noch nie gesehen. Nicht mal im Fernsehen. Und dann denkt man sich, der Papst passt auf alle seine Schäfchen auf. Schade. Einen armen Major auf dem Tharkad kann man aber schon mal übersehen, denke ich mir da als willkommene Ausrede.“
    „Ihre Konfession ist nur Tarnung, verborgen unter Zwang, Furcht. Wir sind dieselben. Erkennen im Tharkad unser Potenzial, unsere Vollkommenheit. Ich habe versucht zu fliehen, schon früh. Doch die Propheten unseres Kreises. Der Krieger und der Entdecker“ – ein Murmeln ging durch die turianische Menge, es erinnerte in seiner Verehrung an ein Amen, nur wölfischer, wie konnte es auch anders sein – „zeigten uns den Geist des Tharkads und das Innere. Das Antlitz unserer Zeugung -“
    „Dachte das wäre ein Übersetzungsfehler“, fuhr Elias dem Leitwolf ins Wort, doch der schwafelte unbeirrt weiter.
    „- geborgen im Wesen des Tharkads, frohlockend. Der Wolf als Totem unserer irdischen Sehnsucht und Sinnsuche. Auf dem Tharkad im Einklang. Im All verstreut und irrgeführt. Von Habgier, Gefräßigkeit, Streitlust, Heimtücke und Verschlagenheit gefoltert. Wir erkennen hier unser wahres Wesen. Deshalb sind Sie zurück. Weil Sie nirgendwo anders Sie sind. Weil der Tharkad für Sie alles ist. Weil die Galaxien dort draußen nicht der Tharkad sind.“
    „Geschätzter Leitwolf. Sie argumentieren ja ganz schön clever. Weil das so ist, ist es so. Erinnert mich doch ein wenig an eine Papyrusrolle mit Hieroglyphen, die aus Versehen für einen Joint missbraucht wurde. An die Bibel kommen sie noch nicht ganz ran, nichts für ungut.“
    „Natürlich würden Sie dies niemals vor mir zugeben. Ihr Wesen als Soldat -“, er fuhr mit seiner linken Pranke über das Gesicht von Elias, „schafft es noch ihr wahres Herz des Tharkads zu verbergen. Doch tief innen drin spüren Sie… spürst du die Ausweglosigkeit dieses Kampfes. Wie er enden wird, zeigen die Geister des Feuers, des Wolfes und der wahre allmächtige Tharkad.“ Kam jetzt etwa der Moment in dem seine Augen schwarz wurden und er was von Umarme die Ewigkeit faselte.
    „Mein einziger Wunsch ist es eigentlich nur den Virus zu finden. Dann kann ich mich vielleicht um spirituelle Reinigung bemühen – so wenn ich mal fertig bin und im Ruhestand ihren Zotten mir gerne anhören kann. So als Freizeitbeschäftigung.“
    „Hohn und Spott wirfst du mir entgegen, Maj… Elias. Doch die nach außen geschlossenen Augen, der Unwille sich zu ändern, den Tharkad in unseren Pfaden zu erkennen, kann nicht über die Sehnsucht hinwegtäuschen, die in deinem Herzen brennte. So wie das nie erlöschende Feuer unseres Kamins, das Rudelfeuer. Doch – vernimmst du das Knurren meines Rudels?“ Tat er nicht, er war zu sehr auf den Leitwolf fokussiert, der nun bedrohlich nahe an ihn herangepirscht war, nicht mal eine Schnauze trennte sie mehr voneinander. Er überragte Elias und seine Klauen waren ausgefahren. „Sie rufen nach Vergeltung für gefallene Brüder!“ Dann packte er zu, rasant und Elias war stocksteif, wie gelähmt, als die Klaue sich plötzlich tief in sein Fleisch reinbohrte, ihn zusammen sacken ließ, würde nicht die Klaue selbst ihn aufrecht halten.
    „Bei allem was heilig ist…“ stöhnte und spuckte Elias heraus. Die Klaue war in seinen Magen gebohrt, es fühlte sich an als würden die Gedärme gleich herausquellen. Irgendetwas hielt die Klaue umarmt, zog es fester. Es war wohl nur Fleisch, aber es fühlte sich an als hätte sie jedes Körperteil von Elias in Gewahrsam und könnte ihn wie eine Puppe kontrollieren. An den Schmerz konnte er sich nicht gewöhnen, sein Stöhnen verkam zu einem ewigen Ächzen bis der Leitwolf die Klaue rauszog und an dem Blut triumphierend roch. „Vergesst nicht, Major, wir haben nun Ihre Fährte gewittert. Also seid vorsichtig.“
    „Ja – halb verblutend vorsichtig zu sein… ist irgendwie nicht gerade meine Spezialität, du Verrückter“, ätzte er das Ungetüm vor ihn an und war bereit seine Pistole zu ziehen um den ungeschützten Arschloch ein paar Treffer direkt in seinen geliebten Wolfskopf zu verpassen. Doch gerade als er die Waffe umschlang, lächelte der Turianer ihn sanftmütig an und flüsterte ihm ins Ohr, er könne den Virus haben. Elias war irgendwie erleichtert und es war schwer den Jähzorn zu unterdrücken, die Lust dem Turianer das Maul zu stopfen, ihn stattdessen bluten zu lassen… aber er konnte es nicht.
    „Also, der Virus?“
    „Wir hatten nie Interesse daran. Das Insekt hat ihn uns gegeben.“
    Seine Mission hatte Vorrang, nicht irgendwelche Spielereien des Insekts, die Hoffnungen einen Berserker loszulassen auf den Tharkad den man durch ein paar geschickte Manöver zum Ausrotten seiner Gegner missbrauchen konnte – der Tharkad war die einzige Priorität. Und dieses Wolfsrudel, so abgehoben, bescheuert oder transzendental sie auch immer sein mochten – auch er sah darin Heimat auf verquere Weise.
    „Elendiger Hosenscheißer, lässt einen wohl gerne in Fallen tappen. Leute gegeneinander ausspielen.“
    „Das Insekt ist nicht der Unhold für den du es hältst. Genauso wie wir vegetiert es auf dem Tharkad. Zum Vollmond wird es sich erheben und sein wahres Gesicht zeigen.“
    „Vollmond? Klingt wie ein Codewort für… irgendwas.“
    „Es wird eine Nacht kommen.“ Und da der Leitwolf nicht gewillt war weiter zu sprechen, legte Elias einfach seine Hand dar, auf den Virus wartend. Das Ungetüm vor ihm schien noch ein wenig abzuwiegen, er hatte wohl keinen besonders guten Eindruck gemacht, dachte sich Elias, doch schlussendlich landete der mit lederüberzogenen Stick in seiner Hand. Nahezu gierig entfernte er das Etui – und da war er, nur war es nicht wirklich. Durch die schindenden Wochen exakt verbogen, dieselben Nuancen in der Verarbeitung, gleichen Schnittstellen und die wenigen erkennbaren Drähte. Doch das Gewicht passte nicht. Sichergehend nahm er den Stick in die andere Hand, nochmal abwiegend. Nein, das stimmte nicht. Er zog sofort die Waffe und hielt sie dem Turianer vor die Nase.
    „Das ist nicht der Virus, du elendiges Welpenvieh. Wo ist der echte?“ Schlechter Zug. Der Turianer kam diesmal mit der anderen Pranke daher und schlitzte quer seines Handgelenks die Haut durch. Kratzspuren, tief drinnen. Er hätte es besser wissen müssen.
    „Das ist das… Datending das wir vom Insekt erhalten haben. Stell uns nicht in unserem eigenen Heiligtum als Lügner dar.“
    „Dann… was soll der Scheiß überhaupt, ihn zu verkaufen und was weiß ich?“ Er hielt sich seine neue Wunde fest, wusste gar nicht mehr wo er seine Hände anbringen sollte und entschloss sich dann dazu die Wunde mit der anderen Wunde in gewisser Hinsicht zu verbinden umso zumindest eine Hand frei zu haben. „Ach, vergiss es, ich finde es schon selber raus. Scheiß Insekt.“
    „Es scheint als wären selbst wir aufmerksame Wölfe Teil seines Komplotts geworden.“
    „Fühlt sich gut an, nicht?“ Ohne ein weiteres Wort zu wechseln, machte sich Elias bereit zu gehen. Kurz vor der Tür, die die Wölfe schon für ihn geöffnet hatten, fauchte er dem Leitwolf noch zurück: „Wenn du das nächste Mal so einen Scheiß mit mir abziehst, dann puste ich dir aus ein paar Metern sichern Entfernung eine Kugel rein mit meinem Jagdgewehr. Schließlich wurde es dafür gemacht wilde Tiere zu erlegen.“

  9. #9
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    Durch das Haupttor kam er also durchgestolpert, die eine heile Hand ringend nach Medi-Gel suchend, aber er hatte keines dabei. Dummer Anfängerfehler. So wie alles bis jetzt. Das Insekt zu treffen, Buzz umzunieten, den Wölfen Stunk machen – schien nicht sein Tag zu sein, war wohl auch nicht mal mehr wirklich seine Heimat, kam es ihm als er sich ausgerechnet mit der blutenden Hand im Matsch abstützen musste, irgendwoher die Kräfte zusammen kratzend um wieder aufzustehen und die Hunde abzuwimmeln, die sich schon neugierig ihm näherten, die leichte Beute witternd. „Verschwindet lieber, Herrchen hat… euch nicht zum Essen eingeladen“, zischte er an einen vorbeipirschenden, auffällig kleinen, wolfsartigen Hund. Dass schien den Hund jedoch nicht abzuschrecken und zaghaft kam er näher, Elias wollte schon nach seiner Waffe greifen als der Hund anfing das Blut abzuschlecken und er sah ihn mitleidserregend an und Elias war kurz reichlich perplex angesichts des leicht zur Seite geneigten, neckischen Gesichtsausdrucks des Hundes, wenn man denn derlei Emotionen bei einem Tier ausmachen konnte. Jetzt machten sich also auch noch Hunde um ihn Sorgen, herrlich tragisch musste er hier im nieselnden Schnee wirken – kaum ein bisschen auf sich alleine gestellt, ein bisschen Renegade, schon bekam man aufs Maul. Da half kein Rosenschlummer, da brachten auch keine harten Worte mehr was oder irgendwelche spezifischen Stärken und Charakteristiken – wenn man erst mal so zerpflückt wurde von einem solch überragenden Turianer, so spielend leicht, so nebenbei… dann wurde man nun mal verdroschen und brauchte zumindest einen Hauch von Mitgefühl, mehr als man auf dem Tharkad je kriegen würde, hätte er eh nicht verdient. Und so, riss er sich wieder am Riemen, trotz seinem Verlangen liegen zu bleiben, siegte doch der Kämpferinstinkt und er erhob sich, raus aus dem Schlamassel.

    Sein Plan war es zurück in die Bar zu gelangen. Paar Schritte würden ihm „gut“ tun, redete er sich ein. Medizinische Versorgung, das würde ihm wirklich gut tun. Die Hunde gafften ihm noch hinterher als er um die Ecke bog und kurz rührselig ihnen zum Abschied winkte. „Keine Angst“, murmelte er, „wir treffen uns schon wieder.“ Der Weg zurück schien länger zu sein als der Hinweg. Obwohl er sich primär mit seiner heilen Hand abstützte, blieben dennoch überall Blutflecken an den Wänden und den Laternenmasten zurück, stets dort wo er nach Halt suchte, oftmals eine kurze Pause einlegte. Tat ganz schön weh. Und auch die Bluttropfen wissen die Richtung in die er sich begab, doch die verschwanden rasch unter den nun mehr selten werdenden Schneeflocken. Aus einer Seitengasse hatte er kurz einen guten letzten Blick auf das Anwesen der Wölfe, dann verschwand auch dieses hinter einer Steinmauer und er pirschte sich durch die umgefallenen Mülltonnen, durch eine Gruppe von Männern, die gerade Wetten auf einen Überlebenskampf einer Maus gegen eine Katze abschlossen und die ihm – trotz seines Zustandes – nur mindere Aufmerksamkeit schenkten in der Gefahr hin, sie könnten sich durch zu waghalsige Blicke Ärger einhandeln oder, was noch viel schlimmer war, sie würden die entscheidende Sekunde verpassen, er passierte auch wieder den Chor, der jetzt ein anderes Lied trällerte. Ihm fehlte allerdings die Konzentration dem Gesäusel näher zuzuhören. Das war vielleicht auch besser.

    Die Tür der Bar öffnete sich, im Eingang stand Elias, blutend, verwundet. Keiner reagierte im ersten Moment. Er hatte den Knopf zum Türöffnen wesentlich dramatischer angeschlagen als dass sich die Tür je aufgeschlossen hätte. Dann kam der Barkeeper doch her, es war derselbe von vorher und er sah nicht gerade glücklich aus Elias wieder zu sehen. „Hättest hier nicht herkommen sollen, aber…“ Der Turianer war wirklich nicht glücklich darüber, rückte aber dann doch das nötige Medi-Gel heraus und paar Bandagen heraus aus dem Erste-Hilfe Kasten, als er ihn zur Theke brachte. Elias übernahm den Hauptanteil der Versorgung und da der Barkeeper dadurch kaum was zu tun hatte, fragte er erst, „Wie ist denn das passiert?“ Doch dafür gab es von Elias schlicht einen knappen, missgünstigen Blick, in der Art von du musst nicht alles wissen. Und da der Turianer verstand, wollte er zumindest noch ein wenig dazu verdienen und fragte salopp: „Einen Drink?“
    „Rosenschlummer.“
    „Ich hätte an eher was härteres gedacht, aber… hey.“ Er setzte Wasser auf.
    „Weißt du was ich nicht verstehe“, fing Elias dann an nach dem er sich um seine Wunden gekümmert hatte und die nötige Menge an Credits auf den Tresen legte für Medi-Gel und den Tee, „wie kommt es, dass ein Tee fast genau denselben Preis hat hier auf dem Tharkad wie auf dieser als Raumstation getarnten Luxusinsel namens Citadel. Liegt das bloß an diesem aussagelosen Währungssystem oder steckt da tieferer Sinn dahinter alles überteuert zu verkaufen. Befürchten die man würde in dieses scheiß Kriegsgebiet fliegen für eine Tasse Tee oder sind die einfach alle so gierig nach dem Schotter, dass sie auf die heimische Wirtschaft pfeifen und eine verdammte Tasse Tee, nicht nur im Restaurant oder dieser Kneipe in einem Randgebiet einer Stadt, die ja selbst schon ein ländliches Kuriosum darstellt, sondern sogar die Tee Packungen, so elendig überteuern, dass man ernsthaft darüber nachdenkt in Zukunft Bier anstatt Rosenschlummer zu trinken, da man dann zumindest keinen Sinn mehr darin sieht sich über Preisänderungen aufzuregen und sich stattdessen lieber dem fügt und zufrieden heimtorkelt…“
    Erst später fiel ihm der Salarianer wieder auf, Cayzel hieß er. Wegen des Blutverlusts war er sich nicht mehr so sicher. Der Typ schien nicht mal wieder erkannt zu haben, vielleicht noch nicht mal gesehen. Der Barkeeper stellte den Tee stumm vor Elias hin und kratzte die Credits zusammen. „Ich mache mir da nicht so Gedanken darüber“, murmelte der Turianer und wischte ein wenig am blitzeblanken Tresen herum, was wenig sinnvoll erschien, „Hauptsache die Zeche wird bezahlt.“
    „Hm, und irgendwann kann keiner mehr die Zeche bezahlen.“ Elias griff mit der bandagierten Hand nach der Teetasse, sie war angenehm warm, wobei die Bandagen die Hitze übertünchten. Das fühlte sich angenehm gut an und er blies um ihn zu kühlen, dann genoss er den ersten, seligen Schluck.

    Einige Minuten verstrichen in denen er Cayzel beobachtete aus den Augenwinkeln, dann entschloss er sich rüber zu gehen. Er stellte die Tasse ab und Cayzel schaute diesmal sogar auf. „Na, lief wohl nicht so gut“, stichelte der Salarianer als er die Bandagen erblickte. Elias hockte sich nieder, zündete eine Zigarette an und ließ sie an zwei Fingern bedrohlich blind durch die Luft schweben, wodurch Cayzel ganz von alleine und wissend verstummte. Für ein paar Augenblicke saßen sie nur da und Elias riss noch eine Honigpackung auf und quetschte das zähe Zeug in seinen Tee hinein, der Zucker in der Kneipe war mies. Dann noch eine, und schließlich rührte er mit dem kleinen Löffel gemächlich um.
    „Nein“, sagte er als Cayzel schon wieder ganz vertieft in seinen Welten verschwunden war, „das war wohl eher ein Fehlschlag. Und den Tipp habe ich von dir bekommen…“ Er inspizierte Cayzel, der allerdings ganz normal wirkte, nicht mal nervös – was für Salarianer doch, seinem Verständnis nach, schon mal eine Leistung war. „Da muss ich mir natürlich die Frage stellen ob du nicht ein doppeltes Spiel mit mir getrieben hast, aber dann wiederrum. So einer bist du nicht, du chaotisch-gute Frohnatur. Wie liegen denn auch bitte die Chancen, dass ich ausgerechnet in diese Kneipe reinkomme – nach dem das Insekt meinte, es sei im Immigrantenviertel – und dann bist nun mal du da, in der einzigen Bruchbude dieses Viertels, wo man Informationen ansatzweise erhalten kann. Jedenfalls du erzählst mir da die nette Geschichte, von den Wölfen und der falschen Matriarchin. Aber doch kein Wort über das Insekt…“
    „Ich wusste nicht mal, dass der Virus von ihm…“
    „Jaja, schon klar. Aber trotzdem, in einer Geschichte das Insekt hier auf dem Tharkad nicht erwähnen. Dann bist du entweder töricht und naiv oder ein sagenhaft miserabler Informationshändler oder… hm.“
    „Moment, Moment... ich arbeite ganz sicher nicht mit dem Insekt zusammen, das, auf das beziehst du dich doch, oder nicht?
    „Dürfte man meinen, nicht?“ Cayzel schluckte, jetzt war er nervös. „Man könnte meinen, du hättest vielleicht paar tausend Mücken vom Insekt bekommen um mich in eine Falle laufen zu lassen. Weiß der Teufel wieso. Das Insekt muss man ja schließlich nicht verstehen, will man auch gar nicht. Andererseits, wäre dies der Fall, so müsstest du wohl eher ein treuer Lakai von ihm sein. Genügend Kompetenz dafür dürftest selbst du haben. Jedoch ist es kaum zu glauben, dass das Insekt mal eben rasch so etwas Wichtiges einem dahergelaufenen Streuner überträgt, schließlich muss man das ja mir erfolgreich verkaufen. Und da ist noch so ein springender Punkt: Die Idioten, die ich bis jetzt getroffen habe, sind allesamt Junkies. Scheint so ein Tick von dem Insekt sein, und jetzt bist du – vorerst – aus dem Schneider, denn das letzte Mal als ich nachgesehen habe, galt es noch nicht offiziell als Sucht mit Asari darüber zu chatten wie potent man doch ist.“
    Cayzel atmete tief aus und lächelte dann ungewohnt erleichtert; „Ja, die sind aber auch ganz…“
    „Jaja“, unterbrach ihn Elias sofort wieder, „lassen wir es erst gar nicht zu solch einem Smalltalk kommen, denn du bist immer noch nicht ganz sauber. So wie ich es sehe, sind die Wölfe so ziemlich die altmodischsten Typen hier, ernsthaft – selbst elendige Pensionisten, die damals in ihren Jugendjahren das erste Häuschen hier mit ihren Händen gebaut haben, sind modernen als die. Also weshalb zum Teufel bräuchten die etwas wie den Virus überhaupt – und noch viel wichtiger, warum sollten sie einen Informationshändler wenn nicht schon fest angestellt haben, so doch zumindest regelmäßig mit ihm in Kontakt stehen. Die einzige Art von Händler, die die interessiert, ist wohl ein Schafspelzhändler, damit sie die ihren Opfern drüber stülpen können… und da sicherlich auch nicht gerade der Mann bist der Informationen über die Zeit vor der Besiedlung des Tharkads verhökerst, also so eine Art Dorfschamane bist, dann frage ich mich doch ernsthaft, was beim Herz des Tharkads du jetzt eigentlich genau bist?!“
    „Ich… bin Informationshändler.“
    „Hör auf mit diesem Schwachsinn. Kein Idiot würde je was von dir kaufen und ich habe dir sogar 500 Credits reingedrückt, aus Mitleid möchte ich jetzt schon fast sagen.“ Elias Mimik und Gestik war außerordentlich ruhig, die Worte klangen nur härter, wie ein einziger Schwall aus Beleidigungen, Beschimpfungen, Hohn und Spott; vielleicht würde Cayzel ja so aus der Haut fahren. Aber diesmal war er viel konzentrierter. Elias selbst brodelte innerlich nicht, langsam nervte es aber.
    „Vielleicht – war gerade dass das Dumme? Du hast nach jemanden gesucht und ich war der Einzige der, jetzt kommt der Witz, kompetent genug schien. Das war ganz schön inkompetent von dir im Gegenzug“, witzelte der Salarianer und versuchte sich wieder seinem tragbaren Terminal zuzuwenden.
    „Vergiss es, so leicht kommst du diesmal nicht davon. Du hast die falsche Matriarchin erwähnt, also musst du irgendetwas wissen. Selbst von den Wölfen wusstest du Bescheid und die sind nun wirklich nicht die Sehenswürdigkeit oder der Stadttratsch schlechthin.“ Ein Schluck Rosenschlummer für die Gedanken. „Also, spuck es schon aus. Notfalls nimm ich mir dein Terminal und finde es einfach selbst heraus.“
    „Das... das ist doch Diebstahl. Und so etwas wie Erpressung obendrein.“
    „Tz, ich bezweifle mal ganz stark, dass du das Teil überhaupt legal erworben hast.“
    „Okay, okay… ich bin... STG-Agent.“
    Elias sah ihn kurz fragend an, STG? Was sollte das denn schon wieder sein, dann kam es ihm, Salarianischer Geheimdienst. Ja, ne, ist klar. Er fing an breit zu grinsen.
    „Und jetzt die Wahrheit, wir nähern uns ihr schon.“
    „Nein, ernsthaft, ich bin…“
    „Du bist so ziemlich das Unagentigste das mir je untergekommen ist, also rück schon endlich raus, spar uns die Zeit und die Nerven, komm schon, sei so gut…“
    „Aber bitte nicht lachen“, seufzte Cayzel und meinte dann ernst, „ich bin Schriftsteller.“

    Nun, das war halb so richtig. Eigentlich war er Dokumentarfilmer, sah sich aber mehr als Schriftsteller. Reality-Fiction, nannte er sein Metier. Das Vermischen von Fiktion in realen Szenarien, hier und da ein bisschen lügen für die Geschichte, für die Spannung. Also eigentlich ein Autobiograph. „Und worüber schreibst du dann, über den Tharkad?“
    „Unter anderem. Über Katherine, die Gangs in der Stadt, die Kriminalität… hier und da auch über die Warlords und die Piraten, aber da gibt es ja nicht so viel zu erzählen. Die sind böse und so, das war es auch schon was ich weiß. Irgendwie mangelt es an Material.“ Seltsamerweise - oder vielleicht auch ganz verständlicherweise – fand Elias das äußerst interessant. Geschichten vom Tharkad zu erzählen, das schien doch mal nach einem Buch zu klingen, welches auch er sich zulegen würde. Doch sei es drum, Cayzel schien derzeit herrlich nutzlos zu sein. Ein sich quälender Schriftsteller in der Schreibblockade, der um die paar hundert Credits als Dankeschön erfreut war, aber mehr noch glücklich darüber war das jemand ihm tatsächlich seine Version der Geschehnisse rund um den Virus, den er nicht mal ansatzweise kannte, glaubte und für plausibel hielt. Und sieh an, Cayzel hatte wirklich ein Schreibprogramm offen, so ulkig oder klischeebeladen sich für Elias das jetzt anfühlte, er hoffte nur er würde nicht mit Namen erwähnt werden, aber dann wiederrum – wer würde schon von glorreichen Abenteuern des Major Verhoeven je lesen...
    Etwas Gutes war an der ganzen Sache dran. Er wusste jetzt, dass die Wölfe tatsächlich den Virus hatten, nur es war der falsche. Was das Insekt vorhatte, wusste er nicht. Vielleicht hatte er mehrere Kopien anfertigen lassen, da er ahnte, dass seine Konkurrenten Wind davon bekommen hätten. Eher war es wahrscheinlich, dass er einfach jeden verarschte, Elias eingeschlossen. Er musste darüber schmunzeln, über dieses Kleinkind, das einem Gangster-Ideal hinterher hechelte, dieser übermütige, geistig verwirrte, nebulöse Kinderschreck. Er schlürfte den letzten Tropfen Rosenschlummer und grübelte über seinen nächsten Schritt nach. Dann stand er auf und ignorierte Cayzels Handschlagversuch – er hatte ihn immer noch um 500 Credits betrogen, aber Geld war ihm ehrlich gesagt nie ansatzweise wichtig gewesen und wer weiß, vielleicht steckte hinter diesem Salarianer doch mehr als nur ein armseliger Tropf und wenn dem doch so war, so würden die beiden auf lange Sicht keine erfreuliche Freundschaft verbinden.

  10. #10
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    Draußen zündete er sich eine Kippe an. Er war also angekommen; der Tharkad verarschte ihn und das bekam auch er jetzt mit; ein Treppenwitz der Zivilisation und Geschichte war eben doch nur ein kindisches Schlamassel. Die Wunden dank des Medi-Gels schon verheilt, war er zumindest halbwegs rasch wieder fit. Rasten musste er nimmer mehr und ein drängendes Willensgefühl ließ ihn lieber stehen und ziellos an den Blocks vorbei trappen anstatt dass er nur dastand und seinen nächsten Schritt überlegte. Ein, vielleicht ein halbes Dutzend falsche Viren in der Kolonie und alles nur Attrappen für etwas, das ihm nicht recht bewusst war, ein Zweck der ihm suspekt und obskur erschien. Dass das Insekt gut daran tat ihn nicht unnötig zu provozieren, schien dem Kleingangster noch nicht recht in den Kopf gekommen zu sein. Er rief ein vorbeifahrendes Taxi zu sich und stieg ein, Destination war wiederrum nicht das altbekannte Randgebiet. Die Chancen, dass das Insekt dumm genug war dort zu sein, hielt er für gering. Stattdessen entschied er sich der nächsten Bande einen Besuch abzustatten. Einfach nur um alle falschen Viren einzusammeln. Denn was Besseres hätte er denn überhaupt jetzt noch tun können, wenn man die dunkle Unwissenheit um sich spürte, dann musste man schon mal mit einer Fackel anstatt einer Taschenlampe für Erleuchtung sorgen.

    Er drückte dem Taxifahrer in seiner Karosse schon das Geld in die Hand. „Zum Benson-Casino“, murrte er nur. Die Credits passten so, inklusive ein wenig Trinkgeld. Elias gestand sich ein, dass er Katherine viel zu gut kannte und es schon etwas bizarr war, dass er den genauen Rechnungsbetrag kannte bevor sie überhaupt losfuhren. Der Taxifahrer nickte stumm, aber doch beeindruckt und fuhr los. Das Benson-Casino war es eines von drei und galt gemeinhin als jenes für den Abschaum des Tharkads. Hier verirrten sich sogar gestrandeten Piraten und aufgelassene Warlords hin, und trotzdem war, kurz bevor Elias Aufbruch in den Weltraum, alles Funkel und Glitzer dort zu finden. Goldene Statuten und geldfressende Automaten, üppige Buffets und raffgierige, hungernde Mäuler. Vielleicht gab es jetzt sogar mehr als drei Casinos. Möglicherweise stand aber auch nur noch das Benson. Er war einmal kurz drinnen seit er zurückgekommen war und verschwand sofort wieder raus, weil er dachte jemand hätte ihn erkannt an seinen eigenen Bewegungen. Kein bloßes Auge einer Sicherheitskraft oder eines Glücksspielsüchtigen, sondern eines der tausend elektronischen Überwachungssysteme, welches seinen Körper analysierte, ihn rechnerisch durchleuchtete und nur zum Schluss kommen würde, dass der Major wieder da war. Deshalb verzog er sich und jetzt hieß es einen erneuten Besuch dem Benson abzustatten, gerade mit dem Ziel, dass jeder dieser Kleinkriminellen wusste, dass er zurück war. Mit den Plänen des Insekts konfrontiert, würden sie ihm zuhören. Genauso wie es die Wölfe taten. Aber anders als die, war Friedrich Benson kein brabbelnder, weltfremder Ghul, sondern mehr ein quasselnder Alleswisser, nun – zumindest behauptete er dies.

    Vor dem Casino in einem der besseren Viertel der Stadt hausten einige Obdachlose in ihren Kartons und wurden mit Blicken gemieden. Elias schritt an ihnen vorbei, von außen her machte das Benson-Casino, obwohl es doch sehr auf das Image aufpassen musste, einen schäbigen Eindruck. Karges Gemäuer, das kalt anmutete, verschrammte Fensterläden weiter oben, Dreck an Tür, Wand und Boden, Stufen, die eingerissen waren und ein Wind aus der Apokalypse entsprungen, wehte die flackernden Buchstaben des Casinos durch den Wind, stets probierend einen von ihnen von der Wand zu reißen. Elias trat ein und wurde augenblicklich angehalten. Ein Typ in einem ranzigen Anzug, der durch zahlreiche Risse im Stoff selbst schon obdachlos wirkte, bat ihn zu untersuchen. Auf seine Waffe konnte er sich also nicht mehr verlassen, wusste er, als der Mann sie aus ihm herauszog und am Tisch in einer Schublade ablegte. „Major“, grüßte der Mann Elias anschließend. Durch seinen Kopfhörer entnahm Elias keine speziellen Worte, aber er ahnte dass jemand gerade dem armen Lakai Anweisungen lautstark ins Ohr brüllte. Scheinbar war wohl noch immer der trottelige Bruder von Friedrich der Chef für alle Dinge die Sicherheit und Gewalt miteinbezogen. Ihm kam das ganz gelegen, der ältere Benson war ein Schwachmatt und seine Aktionen waren leicht vorhersehbar. Damit würde er im schlimmsten Fall zurechtkommen.

    Ein zweiter Mann, ebenso schäbig gekleidet, kam zu ihnen und führte Elias durch das Erdgeschoss hin zu einem Lift. Dort unten standen Automaten, wenige Tische, einige Croupiers die gelangweilt herum standen und wenige Gäste, die aber derzeit mehr daran interessiert waren über eine Schlägerei vor wenigen Minuten zu quatschen. „Nee, ich sag dir, normalerweise macht Zahnlos-Peter jeden fertig… schließlich, der Junge hat fast jeden seinen Zahn verloren. Ständig jedem die Ohren abgebissen.“
    „Tja, er hat jetzt nun mal seinen Biss verloren, unser Zahnlos Peter. Du schuldest mir aber trotzdem jetzt 20 Credits. Und ich sag dir, Murphy, dieser neue Ire, der wird nochmal ganz schön für Schlagzeilen sorgen. Das ist ein Kasten von Mann. Mehr Durchschlagskraft als verdammte YMIR-Mechs.“
    Am Boden lagen zahlreiche Getränkedosen, Essensreste (besonders Chips schienen hier beliebt zu sein) und sogar einige Jetons. Manche der Automaten blitzten nur kurz auf, so als waren sie bemüht zu funktionieren, aber bald mussten sie sich ihrer Funktionslosigkeit fügen und schlummerten wieder ein. Andere waren schlichtweg ein Trümmerhaufen; Faustschläge in den Bildschirmen, geschmückt mit Blutspuren rund um das eingebrochene Glas, manchmal sogar auf der Maschine an sich. Einem der Roulettetische fehlte ein Bein und so stand ein doch kräftiger Mann in jämmerlich zusammen getuckerten Outfit dort, bemüht wie ein Angestellter des Casinos zu wirken trotz seines Gestanks, auf seine Suppe als Lohn wartend, den Tisch haltend. Augenblick öffnete der Lift sein Tor für Elias und seinen Begleiter und sie fuhren hinauf. Durch den raschen Durchmarsch durch das Erdgeschoß entgingen Elias einige Impressionen, doch in ihm bestätigte sich der Verdacht, dass selbst das Benson-Casino kämpfen musste um die letzten Profitgewinne, der Krieg nicht spurlos an ihnen vorbei ging und die zunehmende aggressivere Kundschaft weniger daließ als einst die fleißigen Bienchen des Tharkads. Zusehends war das Casino verwildert, ein Zustand der kleinen, chaotischen, kurzfristigen Jagd nach Credits, das Schaubecken der Wenigen die noch an eine Wende ihres Glücks glaubten. Elias gehörte auch dazu, nur würde er sein Glück nie von dem Münzwurf eines Handlangers abhängig machen.

    Der Lift fuhr drei Stockwerke höher, dann machte es ein absonderliches Bling-Geräusch und hielt an. Das Gebäude schien von außen größer, fern von Wolkenkratzer-Maßen, aber immerhin ein nettes, monumentales Gebäude von außen betrachtet. Innen drin waren die Räume aber immer groß, die Decken schienen in den Himmel zu ragen. Sicherlich nicht vorteilhaft gebaut, aber solcherlei Geschmäcker für Prunk fand man selten auf dem Tharkad vor, wo vieles nur funktionell und zweckmäßig gebaut wurde. Das Casino hob sich dadurch ab, gemeinsam mit manchen Regierungsgebäuden und anderen verrückten architektonischen Sonderlichkeiten. Dass es nicht sonderlich breit war hingegen, fiel auch auf. Anstatt einen langen Korridor entlang zu gehen oder ähnliches, befanden sie sich schon mitten in Friedrichs Büro. Der saß in einem weißen, schick gestrichelten Anzug vor seinem Tisch, die Füße darauf abgelagert. Schäbiges Grinsen, perfekt frisierte Frisur, Mittelscheitel, rasiert, sogar gebräunt. Benson sprang auf, lachte den Major willkommen an und klatschte in die Hände.
    „Verhoeven – das man ausgerechnet dich in diesen Tage sieht. Wusste doch, dass du irgendwann mal hier wieder reinschneist. Na, ein Drink?“
    „Nein, danke, Benson.“
    „Ganz wie du willst, ich werde mir einen genehmigen. Zur Feier des Tages. Die größte Plage der Regierung ist schließlich wieder da. Auf geheimer Mission?“
    „So ungefähr.“
    „Aha, die Verbannung also noch nicht aufgehoben?“ Er hob den Zeigefinger in die Höhe und trank genüsslich, seine Lippen tief in das Weinglas gestülpt.
    „So weit wird es auch wohl nicht mehr kommen, leider. Willst mich jetzt verpetzen?“
    „Ach, was würde mir denn das bringen, jetzt wo du nicht mal mehr offizielle Bevollmächtigungen hast. Nein, nein, keineswegs. Wer weiß, möglicherweise bist du mein nächster Großkunde, lässt schön Geld am Tisch liegen. Mir würde es gefallen, die Ironie. Wie sich das Schicksalsblatt zu meinen Gunsten wendet. Aber keine Sorge, ich habe diesmal nicht betrogen.“ Er tippte mit seinem berüchtigten Zeigefinger auf seine Nase. Immer wieder fuhr er die Arme aus, machte großausschweifende Gesten, steppte mit seinen Schuhen wahrlich auf seinem Parkettboden. Hier im Raum glänzte alles. Kronleuchter, Ritterstatuten, ein riesiger Bildschirm am anderen Ende des Raumes auf dem die Kameras alles anzeigten, egal ob wichtig oder unwichtig, eine eigene Bar an der Seite des Raums und zwei Türen auf der anderen zu den Privatgemächern der Bensons.
    „Na, da bin ich aber erleichtert. Wo ist denn dein Bruder?“
    „Ah, der traut dir natürlich noch nicht. Will lieber abwarten was du zu erzählen hast und wenn es ihm nicht gefällt, dann wird er schon durch diese Tür hier stürmen, mit einem Schrotflinte selbstverständlich und hm, ah – unliebsamer Ausgang für einen von euch beiden auf jeden Fall.“
    „Tja, ich schätze mal ich habe die schlechteren Karten in diesem Fall.“ Elias war bedacht diesmal wirklich niemand allzu sehr zu provozieren. Ein wenig vielleicht, aber auf keinen Fall wollte er nach den vorherigen Wunden jetzt eine Ladung Thermo-Schrott in seinen Eingeweiden für die restlichen Sekunden seines glorreichen Lebens spüren. „Ich bin hier wegen dem hier.“ Er holte den falschen Virus hervor und hielt ihn vor Friedrichs Augen.
    „Aha, das Ding. Jaja, das wollte mir ein gewisses Insektchen auch schon anhängen. Also, einer seiner Handlanger kam vorbei. Aber ich habe das natürlich sofort durchschaut. Meinte es würde sich hierbei um Koordinaten für nukleare Waffen handeln, ha! Wer ist denn bitte auch so närrisch das zu glauben?“
    „Das entspricht durchaus der Wahrheit.“
    „Oh? Tja. Jammerschade. Aber er erzählte auch, ich bräuchte dafür noch andere Codes. Die Wölfe hätten einen. Die anderen lägen entweder bei M.o.M.I. oder den Falkländern.“
    „M.o.M.I. Klar das die alte Allianz-Sprengstoffschnüfflerin an Atombomben interessiert ist; ich bin nicht mal mehr überrascht. Aber die Falkländer, was sollten die denn damit anfangen wollen?“
    „Ich hab den werten Vermittler nicht gefragt, sondern den Virus nur dankend an mich genommen und alsbald die M.o.M.I. kontaktiert. Sagen wir so, ich traue unserer werten Expertin weit aus einen zivilisierteren und verantwortungsbewussteren Umgang mit derlei Material zu als den Wölfen oder… mir.“
    „Clevere Entscheidung. Ich bezweifle, dass das Insekt euch den falschen Virus als ein Geschenk überreicht hat. Wohl eher hat er auf einen Bandenkrieg spekuliert. Und außerdem, nun, dann wäre ich wohl ich hinter euch her“, grinste Elias übermütig.
    „Oh, ja. Nochmal Glück gehabt, den mächtigen Major mit seiner Heilsarmee wollen wir natürlich nicht erzürnen. Ein kleines Späßchen. Nun denn, äh – wenn du nicht zufällig eine Runde Skyllian Five Poker spielen willst, dann auf Wieder…“
    „Moment noch“, Elias hob die Hand und steckte mit der anderen den Virus wieder ein. „Ich würde gerne etwas sehen, eure Überwachungskameras haben doch bestimmt den… Botschafter aufgezeichnet, nicht wahr?“
    „Natürlich, unsere Server und Kameras sind stets im Einsatz.“
    „Na dann, brauche ich zwei Gefallen.“
    „Die da wären?“
    „Erstens, möchte ich den Typen sehen. Damit ich ein Gesicht für ihn habe, und so. Zweitens, lösch mal bitte die Aufnahmen auf denen ich zu sehen bin. Ihr seid so ziemlich die Letzten denen ich zutraue, dass sie mit dem Beweismaterial nicht zu Steiner höchstpersönlich petzen gehen ob meiner Rückkehr.“

    Friedrich Benson haderte, aber gab schlussendlich nach. Er war zwar Geschäftsmann, aber niemand der alle Kleinigkeiten dachte. Und außerdem war er viel zu vorsichtig, weshalb er wohl auch stets Kameras überall laufen ließ. Sein Interesse Elias zu erzürnen war genauso gering wie sich mit irgendeinem Obdachlosen anzulegen, und im gewissen Sinn mochte er es wenn er gebraucht war, vorausgesetzt man schmeichelte ihm und dem Casino etwas. So zu sagen war es etwas selbstverliebt, doch weit davon entfernt jemand zu sein der sich gerne Feinde auf dem Tharkad machte. Das zeigte schon die Übergabe an M.o.M.I. und das bewies auch nun sein vorkommendes Verhalten.
    Friedrich suchte in seinem virtuellen Ordner nach dem richtigen Tag und spulte anschließend zur ungefähren Stunde hin. Dann im Schnelldurchlauf ließ er es laufen, bemerkte dann aber mitten drin, dass es der falsche Tag. Solcherlei Stümpereien schienen auf Tollpatschigkeit hinzuweisen, doch Friedrich mochte es seine Gesprächspartner mit derlei banalen Verzögerungen aufzuhalten, sie zu testen. Also blieb Elias ruhig.
    Friedrich schien auf dem Überwachungsmaterial sehr abgeneigt zu sein, aber belustigt von dem Mann der vor ihm stand. Sie unterhielten sich über den Virus, dass es ein Geschenk des Insekts sei. Der Mann aber hatte keine wässrige Augen, keine raschen Bewegungsabläufe, wirkte bei Sinnen und stand kerzengerade, direkt nobel gekleidet, sogar mit einem scharlachroten Umhang und einem dunkelbraunen Zylinder, darunter ein Rüschenhemd, wie aus einer anderen Zeit. „Er stellte sich als Tony vor, neue rechte Hand des Insekts“, kommentierte Friedrich die Bilder und für Elias war klar, dass das keiner vom Insektenschwarm war.
    Geändert von Elias Verhoeven (30.05.2013 um 20:35 Uhr)

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