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Thema: PSY Callisto

  1. #1
    ME-FRPG only Avatar von Keel'o Vaelsha
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    Standard PSY Callisto

    PSY Callisto – Factsheet

    Die Callisto ist eine modifizierte Luxusyacht einer asarischen Reederei, die sich darauf spezialisiert hat, Komfort und Funktionalität in edlem Design zu vereinen. Auf Kosten der Offensivsysteme hat man diese Yacht mit leistungsstarken Triebwerken, einer eigenen VI, sowie – auf Keel’os Wunsch - einem Clean Room ausgestattet. Da Schiffe wie die Callisto in der Regel dafür ausgelegt sind, hohe Diplomaten oder reiche Geschäftsleute zu beherbergen und zu empfangen, dominiert ein klares, freundliches und doch neutrales Weiß die Inneneinrichtung und in allen Räumen ist der Fokus auf den größtmöglichen Komfort der Insassen gelegt, um jenen die Reise möglichst angenehm zu gestalten.

    Seit Anfang 2179 menschlicher Zeitrechnung ist die PSY Callisto in sämtlichen Schiffsdatenbanken, darunter auch die der Citadel-Behörden, sowie der Ratsvölker, als Besitz des Quarianers Keel’o Vaelsha gelistet.

    Aussehen | Grundriss

  2. #2
    ME-FRPG only Avatar von Keel'o Vaelsha
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    EINSTIEGSPOST
    Andockbuchten Omegas, Landesteg 6, Privatshuttle „Callisto“
    Tag 5
    20:29 Uhr


    Begleitet von einem wutentbrannten Schnauben segelte das Glas gegen die Wand und zerschellte dort unter lautem Klirren. Der kostbare Inhalt – ein hundertdreiundsiebzig Jahre alter asarischer Cognac, der vermutlich ein Vielfaches des monatlichen Einkommens seines Trinkers wert war – rann die strahlend weiße Wand hinunter und Keel’o beobachtete mit stillem Bedauern, wie sich eine kleine Pfütze am Boden ansammelte, in der die Eiswürfel einsame Inseln bildeten, um dann seinen Blick wieder dem Geschäftspartner zuzuwenden. Es war ein Kroganer, wie war es bei diesem temperamentvollem Verhalten auch anders zu erwarten, Angehöriger des Blood Packs, der von zwei Vorcha flankiert im Besucherstuhl saß beziehungsweise gesessen hatte. Mittlerweile hatte sich das Echsenalien erhoben und mit der linken seiner mächtigen Pranken auf den Bürotisch geschlagen, ohne jedoch im massiven Stahl eine Spur zu hinterlassen.
    „Du treibst es zu weit, Keel!“, bebte der tiefe Bass durch das Büro und die Miene der Echse verfinsterte sich weiter. Sichtlich unbeeindruckt beobachtete der Quarianer das Spiel vor sich und innerlich verfluchte er diese elenden Straßengangster. Man sollte doch meinen, dass sogar Ganoven wie sie den Anstand besaßen, einen Turianer oder wenigstens einen Batarianer zu einer Verhandlung zu schicken. Keel war sich sicher, dass sogar die zwei Vorcha bessere Handelsmänner waren als der ungestüme Muskelberg, der sich vor ihm aufgebaut hatte.
    „T-Bone“, begann er schließlich mit einem Seufzen in der Stimme, „meine Konditionen sind euch bekannt und an ihnen werde ich nichts ändern. Jeder auf der Station, der mit mir Geschäfte macht, hält sich daran. Sogar die Blue Suns-“
    „Wir sind aber nicht die Blue Suns!“, schmetterte der Kroganer wutentbrannt und Keel’o hätte ihn am liebsten standrechtlich erschossen. Die Vorchas begannen indes, nervös von einem Fuß auf den anderen zu treten. Augenscheinlich sahen sie ihren Boss ungerne wütend.
    „Natürlich nicht, ihr seid das Blood Pack“, lenkte der Quarianer ein, wobei er sein Bild des Kroganers hinter dem Visier versteckt hielt, und stand auf, um zu dem weiten Panoramafenster zu gehen, das einen einladenden Blick hinaus auf die unendlichen Weiten des Alls bot, durch das Omega, dieser verfluchte und gottverlassene Stein, trieb. „Aber sogar ihr müsst euch an gewisse Regeln halten, wenn ihr mit mir spielen wollt.“ Gedankenverloren strich Keel’o über die Blätter einer Zierpflanze, die dem Büro in Kombination mit einigen Gemälden und ein oder zwei weiteren Pflanzen eine warme und offene Atmosphäre verlieh. „Ihr wisst am besten, dass auf dieser Station nur die Stärksten überleben.“ In der Ferne sah der Quarianer wie hunderte Schiffe waghalsige Flugmanöver durchführten, mit ihren GARDIAN-Lasersystemen eine atemberaubende Lichtshow aufführten und gelegentlich in einem kleinen Feuerball explodierten. Vielleicht war auch das ein Grund für die Laune des Kroganers: seine Spezies war zum Kämpfen geboren, da war es nur verständlich, dass er jetzt lieber einigen dieser Rassisten die Schädel einschlagen würde, anstatt hier mit einem dubiosen und undurchsichtigen Quarianer zu verhandeln. Vielleicht machte er sich auch Sorgen (oder drückte dies zumindest über ein kroganisches Äquivalent aus), dass noch mehr Männer seiner Bande fallen, als es ohnehin schon der Fall war. Gute Männer. Wer weiß, vielleicht hatte er auch jemanden verloren, vielleicht war ein Freund des Schlägers darunter gewesen? Vielleicht, vielleicht, ein Wort, das sich der Quarianer nicht leisten konnte. Nicht in seinem Geschäft, in dem er auch von Zeit zu Zeit mit Leuten zu tun hatten, deren Charakter wohl am ehesten dem einer außer Kontrolle geratenen Dampflock ähnelte. Er wollte diesen hirnlosen Klumpen Fleisch so schnell wie möglich aus seinem Shuttle haben, also fuhr er fort. „Meine Leute haben es auf dieser Station nicht einfach, T-Bone“, begann er und drehte sich zu seinem Gesprächspartner um, der nur ein desinteressiertes Brummen von sich gab, „Eure Schoßhündchen halten sie für reife Früchte, die sie lediglich abernten brauchen, für Kapital, für Beute“, er machte eine Pause, in der er angewidert das Gesicht verzog, ehe er das letzte Wort aussprach, „für Futter.“
    „Sie sind schwach. Wenn sie sich nicht verteidigen können, dann sind sie auch nichts anderes“, erwiderte der Kroganer aufbrausend, doch mit einem einfachen Handzeichen gab Keel’o ihm zu verstehen, dass er sich beruhigen sollte.
    „Dafür bin ich da, T-Bone.“ Der Tonfall des Quarianers war schon die ganze Zeit über ruhig gewesen, aber jetzt hatte sich eine eisige Kälte hineingeschlichen, die einen der Vorchas nervös mit dem Mundwinkel zucken ließ. „Du scheinst deine tollwütigen Köter nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Und du weißt, was man mit räudigen Straßenbastarden macht.“ Ein missgünstiges Knurren erklang, das Keel’o jedoch getrost ignorierte. „Halte deine Hunde in Zukunft von Quarianern fern und ich bin bereit, über den Vorfall, der sich in Stollen 231 vorgetragen hat, hinwegzusehen.“
    Der Kroganer lachte verächtlich auf. „Das war‘s? Einfach so?“
    „Natürlich nicht“, antwortete Keel’o und lehnte sich an der Büroeinheit an, wobei er die Arme vor der Brust verschränkte, „ich verlange natürlich etwas im Gegenzug, wenn sich das Ereignis nicht auf unsere zukünftigen Unterhaltungen auswirken soll. In eurem Besitz befindet sich etwas, das nicht euch gehört. Ich verlange die Aushändigung dieses Gegenstandes.“ Für ein paar Sekunden herrschte absolute Stille im Shuttle, ehe der Kroganer – jetzt endlich die kampfbereite Pose lockernd – mit einer Kopfbewegung dem Fußvolk zu verstehen gab, das verlangte Gerät abzulegen. Der Vorcha tippelte nervös zu Keel’o und deponierte das Omnitool mit zittrigen Händen neben ihm auf dem Tisch. Mit ein paar Knopfdrücken versicherte sich der Quarianer, dass es sich dabei um das richtige Tool handelte, und zufrieden stellte er fest, dass es tatsächlich das Werkzeug der Quarianerin war, die vor kurzem von drei Vorchas getötet wurde.
    „Eine Sache noch“, meinte Keel’o, womit er den Kroganer und seine zwei Schoßhündchen, alle schon im Begriff zu gehen, aufhielt.
    „Was?“, knurrte die Echse ungeduldig.
    Keel’o hob den Kopf, den er bisher leicht gesenkt gehabt hatte, und sah dem Kroganer in die Augen. „Ich verlange die Hinrichtung der drei Vorchas, die daran beteiligt waren.“ Schwer lagen die Worte in der Luft und der Kroganer schien etwas zu brauchen, ehe er realisiert hatte, dass der Quarianer das wirklich gesagt hatte. „So ein Vorfall soll sich doch nicht erneut ereignen und du weißt so gut wie ich, dass diese Biester verdammt lernresistent sind.“ Der Kroganer drehte sich wieder gänzlich zu Keel’o und ging mit schweren Schritten auf ihn zu, während der Infobroker weitersprach. „Ich will mich eines Tages nicht gezwungen sehen, Gegenmaßnahmen einleiten zu müssen.“
    „Versuchst du, mir zu drohen, Keel?“ Das breite Maul, aus dem die brummenden Worte kamen, war nun nicht mehr als eine Handbreit von dem Visier des Quarianers entfernt und ein paar vereinzelte Speicheltropfen landeten auf der peinlich gereinigten Sichtplatte. Bedächtig nahm der Quarianer ein Taschentuch aus seiner Sakkotasche und wischte elegant über das Visier, um das verunreinigte Tuch dann in eine der Vorrichtungen zu werfen, die direkt zu dem Müllverarbeitungs- und –wiederverwertunssystem des Schiffes gehörten.
    „Ich versuche es nicht, ich tue es“, antwortete er schließlich mit einer Schärfe im Tonfall, die sogar auf dem kampferprobten, vernarbten Gesicht des nach einer Steaksorte benannten Kroganers für einen Moment Verwunderung aufblitzen ließ, „legen deine Leute erneut Hand an einen Quarianer, schicke ich die Fotos von dir mit dem Salarianer in den Wohnmodulen an Garm, haben wir uns verstanden?“ Zur Verwunderung im Gesicht des Kroganers gesellte sich Schrecken, wahre Furcht vor der möglichen Entblößung, die nun wie ein Damoklesschwert über ihm hing, und Keel’o genoss es. Es war zwar keine Kompensation für das verlorene Leben, geschweige denn dass es den Mord rückgängig machen würde, aber zumindest erteilte es dem Kroganer und seinen Handlangern die Lektion, dass sie auf dieser Station wohl doch nicht machen durften, was sie wollten. Eine Echse, auf deren Gesicht die pure Angst geschrieben stand, war ein seltener Anblick.
    „Das war-“
    Das ist mir egal“, warf Keel’o kühl ein, um so sofort das nervöse Gehaspel des Kroganers zu unterbrechen, mit dem er die eindeutigen Bilder zu erklären gedachte. Die Echse schluckte, gewann aber dann ihre Selbstsicherheit wieder und musterte den Quarianer mit einem wütenden Gesichtsausdruck, wenn auch jetzt ein beachtlicher Kratzer in der Fassung des Söldners aufgetaucht war.
    „Also gut, wir lassen euch in Ruhe. Ich werde die entsprechenden Schritte einleiten“, knurrte er und marschierte durch die Lounge zur Luftschleuse.
    „Immer wieder eine Freude, mit dir Geschäfte zu machen“, meinte Keel’o wieder in einer freundlicheren Tonlage und komplimentierte die drei Gäste aus seinem Shuttle, „wir sehen uns bei der Übergabe der Wochenstatistik!“ Mit einem lauten Zischen verschloss sich die innere Tür der Schleuse und Keel’o atmete erschöpft aus, während die VI den Dekontaminationsprozess ankündigte. „Arschloch.“

    Der Infobroker ging wieder zu seinem Schreibtisch zurück, wo noch immer das Omnitool lag, und in stiller Andacht betrachtete er es für einige Momente, ehe er es über ein Kabel mit dem Terminal verband. Es waren Familienfotos darauf zu gespeichert, letzte Erinnerungen, die festgehalten worden waren, ehe die Besitzerin in die Weiten der Galaxis aufgebrochen ist, und für einen Moment war Keel’o auch an den Beginn seiner eigenen Pilgerreise zurückversetzt. Damals, als er und Rin noch unbeschwerte Jugendliche waren, die noch keine Ahnung hatten, wie die Welt außerhalb der Flottille aussah. Gewiss, über das Extranet konnte man sich Videos und Bilder anschauen, aber es „live“ zu erleben war mit keiner Aufzeichnung zu vergleichen. Sie hatten damals wie viele andere Quarianer gefühlt, die jedes Jahr in Massen in die Weiten der Galaxis ausströmten. Und so hatte auch diese Quarianerin gefühlt, deren Leben viel zu früh beendet worden war. Keel’o spielte eine Audioaufzeichnung ab, die die junge Frau Momente vor ihrem Tod gemacht hatte.
    „Liebes Tagebuch“, flötete die hohe und fröhliche Stimme, „es ist mein dritter Tag auf Omega und ich kann nur sagen: wow! Das Afterlife, die tausenden von Bars, die ganzen Rassen und Gruppierungen… ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll! Ich habe diesen Elcor kennengelernt, ein verdammt knuffiger Kerl, der mich etwas rumgeführt hat. Seine Arme, meine Güte! Mich hat er damit rumgewirbelt wie einen Strohhalm, aber irgendwie fand ich das witzig.“ Ein verspieltes Kichern erklang, das ein aufrichtiges Lächeln auf Keel’os Lippen zauberte. „Heute Abend treffe ich mich mit ihm in der Effect Zone, von der hab ich auch schon ziemlich viel gehört. Auch bezüglich meines Geschenks für die Flottille habe ich bereits Fortschritte erzielen können: ich überlege, ob ich ein paar Vorchas nicht Gewebeproben entnehmen soll, vielleicht können wir so unser Immunsystem stärken.“ Eine gute Idee, wie Keel’o fand. „Vater hat mir von einem Quarianer erzählt, der hier auf Omega sowas wie ein Geschäft hat und der Pilgerreisenden Hilfe anbietet. Ich denke, ich werde ihn später besuchen, wenn-“ Plötzlich ertönte ein Scheppern und das von Keel’o so verachtete Zischen war zu hören.
    „Quarianer! Zu viel reden, still!“, fauchte ein Vorcha und in die Stimme der Quarianerin schlich sich Verunsicherung, Angst, Furcht.
    „Äh, k-kann ich euch irgendwie helfen?“ Keel’o vergrub den Helm in den Händen und bedeckte mit ihnen das Visier, während die Aufzeichnung fortfuhr. Eine Pistole wurde entsichert.
    „Nein, bitte, ich-“ Ein Schuss. Ein Schrei. Vorchas, die im Blutrausch fauchten. Heilloses Chaos. Keel’o beendete die Aufzeichnung vorzeitig und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
    „Keelah“, stieß er mit einem Seufzen aus und betätigte mehrere Tasten auf der holografischen Tastatur seines Terminals, um so die Daten des Omnitools an die Flottille zu schicken. „Ruhe in Frieden.“ Sobald sich die Migrationsflotte wieder in eine Kommbake einloggen würde, würde man die Dateien empfangen, gemeinsam mit einer Textnachricht, die den Trauerfall bekannt geben würde und das Ableben der jungen Frau mit Ehre, Anstand und Hochachtung bedauern sollte.

    Erneut stand Keel’o auf, um gedankenverloren aus dem Panoramafenster seines Büros zu sehen. Aus den Boxen, die unauffällig und vor neugierigen Augen verborgen in den Shuttlewänden und der Decke eingelassen waren, drang der sanfte Auftakt einer Fuge einer asarischen Komponistin, vertont durch ein quarianisches Orchester und vokal begleitet von einer äußerst begabten Sopranistin von Thessia, und der Quarianer schloss entspannt die Augen, um den sanften Tönen der Streicher lauschen zu können. Auch trotz des noch immer währenden Stigmas, das an Keel’os Volk heftete, hatten die Künstler dieses Projekts über kulturelle und geschichtliche Differenzen hinweggesehen – wie so oft in der Geschichte intelligenten Lebens dieser Galaxis waren es die Kunstschaffenden gewesen, die über die Grenzen einer Schuldfrage hinweg die kreative Zusammenarbeit förderten und forderten. Das transkulturelle Projekt, das die Eleganz asarischer Klassik auf die strukturierte quarianische Gegenwartsmusik stoßen ließ, war das Ergebnis solcher Bemühungen und in Keel’os Augen ein Meisterwerk, das seinesgleichen suchte. Er war selbst ein Bewunderer der asarischen Kultur, erkannte er doch darin in gewisser Weise diverse Aspekte seines eigenen Volkes wieder, und plötzlich fühlte er sich zurückversetzt in seine Zeit auf Illium, als er mit Rin gemeinsam aus dem Staunen nicht mehr herauskam. Das Ende der ersten Strophe kam und Keel’o öffnete wieder seine Augen. Ziellos streifte sein Blick über die Raumschlacht, die in vollem Gange war. Jäger zischten aneinander vorbei, Explosionen erhellten den dunklen Himmel und Schatten tänzelten über die Asteroiden, die durch eine unsichtbare Kraft festgehalten wurden in ihrem Ring, mit dem sie Omega umgaben. Plötzlich durchzuckten Lichtblitze den Träger, um den sich die ganze Schlacht abspielte, die Invisible Hand, das Rückgrat in diesem Angriff des Nebelparderclans. Weitere kamen zum Vorschein und plötzlich durchfuhr ein gleißender Lichtstrahl genau die Mitte des Schiffs, um es an dieser Stelle wie einen dörren Ast auseinanderbrechen zu lassen. Gebannt starrte Keel’o auf das Schauspiel, das sich ihm bot und die abstrakte Schönheit von Tod und Zerstörung zog ihn in ihren Bann, ließ den Infobroker nicht mehr los. Wie viele wohl ihr Leben gelassen hatten, alles nur um dieses ohnehin schon verkommene Drecksloch von ausgehölten Asteroiden vor einer weiteren Terrorherrschaft zu bewahren? Wo waren sie alle, die weißen Ritter dieses Universums, wenn die Armen, die Schwachen, die vom Schicksal benachteiligten sie am dringendsten brauchten? Keel’o schnaubte verächtlich. In Sicherheit, dort waren sie. Interessierte doch eh keine Sau, was mit dem Brocken Fels passierte. Für den Infobroker war es noch heute unverständlich, wieso er bei den Vorbereitungen zur Verteidigung dieser Station überhaupt beigetragen hatte. Er hätte sie alle vor die Hunde gehen lassen sollen. Mit der Wut über den Missstand Omega, der sich wie ein Krebsgeschwür vom Rest der Galaxis ernährte, ließ Keel’o seinen Blick von der Schlacht gleiten, verlor sich in der unendlichen Leere des Alls, die ihn schon immer fasziniert hatte, und eine Woge der Beruhigung überkam ihn, begleitet von einem ruhigen Auftakt der Streicher, allen voran Dika’Shak vas Idenna, eine sehr talentierte erste Geige. Irgendwo dort draußen trieb die Migrantenflotte durch das All, immer auf der Suche nach Ressourcen und Gütern, die ihnen das Überleben sichern sollten. Doch er wusste genau, und da war er nicht alleine, dass auf Dauer diese Art zu leben früher oder später den Untergang seines Volkes bedeuten würde. Wie weit die Reformbewegungen seines Volkes fortgeschritten waren, konnte Keel’o nur in Bruchstücken rekonstruieren, schließlich war er nicht in ständigem Kontakt mit der Flottille, abgesehen von den offiziellen Dossiers, die er in regelmäßigen Abständen einzureichen hatte, und seine letzte Mail, die er an seine Familie oder Rin geschickt hatte, lag nun auch schon etwas zurück. Es gab viele, die seine Position als Verschwendung von Ressourcen betrachteten, was er auch verstehen konnte. Auf den ohnehin schon maroden Schiffen der Flottille mangelte es an Ausrüstung, Rohstoffen und Crew. Ein Mitglied der Flotte, das wie ein reisender Diplomat freizügig durch die Galaxis reiste, könnte natürlich unter Umständen das falsche Signal an junge Quarianer senden, das war ihm bewusst. Aber wenn es Keel’o dann mal gelang, eine größere Lieferung Treibstoff, neue Pflanzenkulturen für die Sauerstoffgärten oder gar ein ausgemustertes Schiff für die Flottille zu besorgen, war er plötzlich der gefeierte Retter, der mit beispielloser Selbstlosigkeit das Wohl der Flottille zu seiner obersten Priorität gemacht hatte. Obgleich die normalen Schichten des quarianischen Volkes die Wichtigkeit seiner Position nur bedingt nachvollziehen konnten, ihn jedoch – zumindest in erwähnten Situationen – für einen Helden hielten, hatte der Rat seine Position schon immer mit Argwohn betrachtet, ihn jedoch geduldet, weshalb er bisher auch noch nicht verbannt wurde. Es war schon witzig, dass im Grunde genommen die Flottille nur wenige Knopfdrücke entfernt war, doch trennten sie Lichtjahre voneinander – und Keel’o benutzte absichtlich das Lichtjahr als Maß für galaktische Distanzen und nicht das wissenschaftliche Parsec, denn im Namen der Trivialeinheit war auch die zeitliche Entfernung impliziert, nicht nur die räumliche. Mit etwas Wehmut dachte er an eine herzhafte Diskussion zurück, die er damals mit Rin geführt hatte, als die beiden gerade auf Pilgerreise gegangen waren. Selbstverständlich hatte er damals nachgegeben und – wenn auch mit Ressentiments – der Eichung der VI ihres Shuttles auf Lichtjahre (und eben nicht Parsec) zugestimmt. Melancholie drohte seinen Geist zu überfluten und ihn dabei mit dem Strom der Erinnerungen hilflos mitzureißen (überflüssigerweise hatte sich das musikalische Stück jetzt einem romantischen, beinahe schwärmerischen Höhepunkt genähert, der aus einer Sequenz von Moll-Motiven bestand), also riss sich Keel’o von dem Anblick, der sich ihm bot, ab und der Quarianer entschloss sich, auf einen Drink ins Afterlife zu gehen.
    „Musik aus. Ich gehe aus, verschließ also das Schiff“, wies er seine VI an, die sofort die Wiedergabe des Titels stoppte.
    „Verstanden“, hallte die weibliche, weiche, warme Stimme der Schiffs-VI durch die Gänge, „die Analyse des Massenverhaltens aufgrund der Angriffe des Nebelparderclans hat eine aggressivere Grundstimmung in der Bevölkerung Omegas ergeben. Benötigen Sie eine Eskorte?“ Keel’o schmunzelte. Manchmal war die Fürsorge seiner VI doch fast rührend.
    „Ich werde alleine zurechtkommen“, erwiderte er auf die Frage, „aber ich weiß die Bemühungen zu schätzen. Danke, Eve.“ Mit einem Lächeln auf den Lippen öffnete er die Tür zur Luftschleuse. Er hatte die VI seines Schiffs nach einer bemerkenswerten Frau benannt, die er einst getroffen hatte, eine blinde Biotikerin, die ihn in seiner Faszination nicht mehr losgelassen hatte. Gerne hätte er mehr mit ihr gesprochen, doch die Umstände hatten damals dazu geführt, dass er vorzeitig aufbrechen musste. Danach hatte er nie mehr etwas von ihr gehört. Wer weiß, vielleicht verirrte sie sich auch eines Tages nach Omega und es würde sich die Möglichkeit ergeben, den ethischen Grundsatzdiskurs über die Gethkriege fortzuführen?


    20:57 Uhr
    ---> Omega, Afterlife

  3. #3
    ME-FRPG only Avatar von Keel'o Vaelsha
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    <--- Omega-Andockbuchten
    21:21 Uhr, Privatshuttle „Callisto“


    „Dekontamination eingeleitet, bitte warten.“ Ungeduldig tippte Keel’o mit dem Fuß auf den Boden seines Shuttles, die Hände noch immer in den Hosentaschen, während seine VI, Eve, die Sterilisation der Luftschleuse einleitete und mithilfe modernster chemischer, sowie physikalischer Technologien die Keime auf Keel’os Kleidung und seinem Anzug um einen Faktor von Zehn hoch Siebenundzwanzig – also zu Einhundertprozent – reduzierte. Ein Apparat zauberte eine hellblau strahlende Lichtlinie auf seinen Körper und Keel’o sah desinteressiert auf einen in die Wand eingelassenen Bildschirm, der den Fortschritt des Vorgangs anzeigte. Schließlich erreichte der Apparat mit dem hellblauen Licht das Visier des Quarianers und in einem davonschwebenden Staubstrudel löste sich Megans Lippenstift auf, um in Blättchen zerteilt durch die Kammer zu schweben, ehe er durch die Dekontaminationsanlage auf molekularer Ebene zersetzt wurde. Sein Blick blieb an den zerfallenden, königsblauen Pigmenten hängen und Keel’o griff nach ihnen, hielt dann aber Zentimeter vor den Partikeln inne, die sich direkt vor seinen Augen verflüchtigten. Ein Schmunzeln kam auf sein Gesicht und er ließ die Hand wieder sinken. Megan hatte etwas an sich, das Keel’o nicht loslassen wollte, etwas, das sie zu einer Besonderheit emporhob. Entgegen seiner Erwartungen war seine Laune keinesfalls schlechter geworden, nachdem ihm der menschliche Freelancer unter recht ungewöhnlichen Umständen wieder einmal vor Augen geführt hatte, dass Intimität für Quarianer praktisch nicht existent war. Doch wieso hatte sie sich gerade ihn rausgesucht? Unter normalen Umständen hätten sich die zwei sicher nicht gesehen, geschweige denn kennen gelernt, aber er war auf Omega. Das Wort „normal“ existierte hier nicht. Doch wieso er? Megan hätte sicherlich mit über neunzig Prozent der Männer und vielleicht auch mit zwei Drittel der Asari unter den Gästen im Afterlife einen hemmungslosen One-Night-Stand haben können, doch sie hatte sich den abgestürzten, ausgebrannten und etwas verbitterten Quarianer rausgesucht, der alleine an der Bar saß und seine Sorgen in extravagantem Alkohol ertränkte.
    „Dekontamination abgeschlossen, keimfreie Umwelt eingerichtet. Willkommen Zuhause, Captain.“ Schläfrig betrat Keel’o das Shuttle und ging geradewegs zur Treppe, die hinauf zu seinem Bett führte. Noch während er die Stufen nach oben nahm, lockerte er mit einem Griff seine Krawatte und löste den Knoten auf. Die sanfte, warme und beruhigende Stimme seiner VI hatte nicht gerade dagegen helfen können, dass ihm die Augenlider bereits beim Treppensteigen zufielen. In seinem Schlafzimmer angekommen, hing er den Schlips an einem Kleiderbügel in einem Schrank auf, der sich elegant aus der Wand hervorschob, wo er auch sein Sakko und die restliche Kleidung verstaute. Für einen Moment blieb er vor der reflektierenden Oberfläche des großen Monitors, der beinahe die gesamte Wand einnahm, stehen und betrachtete sich selbst. Es war ungewohnt ihn „nackt“, also ohne die Kleidung über seinem Umweltanzug, zu sehen und mittlerweile war der Anblick für ihn beinahe etwas fremd. Er dachte zurück an Megans Umarmung. Wie es sich wohl angefühlt haben musste, unter dem feinen Sakko plötzlich die harte Schale seiner Rüstung zu spüren?
    Seufzend ließ sich der Infobroker in sein Bett fallen und keine zehn Sekunden später schloss er auch schon die Augen, um unmittelbar einzuschlafen.


    Dumpfer Bass, der sogar sein Helmvisier im Takt vibrieren ließ, drang durch die Wände an Keel’os Ohren und er atmete mit geschlossenen Augen tief aus, während er das Zischen der Toilette hörte. Gott sei Dank hatten sich quarianerfreundliche WC mittlerweile über weite Teile der Galaxis verbreitet, sodass man nur auf weiten Reisen auf die Kompartimentierung der Umweltanzüge zurückgreifen musste. Der Gedanke, nur durch eine dünne Schicht aus synthetischen Materialien von seinem Unrat getrennt zu sein, widerte den jungen Quarianer an, jagte ihm in regelmäßigen Abständen einen eiskalten Schauer über den Rücken.
    „Was machst du denn da drinnen?“ Die lebhafte Stimme seiner Begleiterin drang durch die geschlossene Tür zu ihm und Keel’o lächelte. Sie konnte es wohl kaum erwarten, wieder auf die Tanzfläche zu springen.
    „Immer mit der Ruhe“, scherzte er, nachdem sich die Schiebetür wieder geöffnet hatte und er Rin erblickte. Sie hatte das sonst königsblaue Textil, welches sie wie alle Quarienerinnen über ihrer Rüstung trug, durch ein tiefschwarzes ersetzt, das über ein paar leuchtend orangene und tiefblaue Akzente verfügte, die ihr zugleich Eleganz wie auch legeren Stil verliehen und sie perfekt mit dem Etablissement in Harmonie versetzten. Keel’o, der sich lediglich mehrere in verschiedenen Farben grell leuchtende Neonbänder um die Arme gebunden hatte, musterte sie für einen Moment, in dem ihm erneut klar wurde, wie bezaubernd seine beste Freundin aussah.
    „Du siehst umwerfend aus“, sprach er seine Gedanken laut aus und Rin lächelte, machte einen kleinen Knicks und legte dabei ihre Hand auf der ebenfalls schwarzen, extrem kleinen Handtasche ab, in der sie auf für Keel’o unbegreifliche Weise ein wahres Sammelsurium verschiedenster Gegenstände verstauen konnte. Handtaschen… manche Dinge sollten sich eben nie ändern, nicht einmal über Rassengrenzen hinweg.
    „Dankeschön!“ Sie hakte sich bei ihm unter und gemeinsam schlenderten sie den Gang entlang, der wieder zurück in den Tanzbereich und zu den Bartresen des Clubs führte. „Du aber auch!“ Das mochte wahr sein – er selbst fand auch, dass diese kabelartigen Neonbänder ihm den Charakter eines Partytiers verliehen – aber im Vergleich zu Rin, die ein wahrer Hingucker war, war er natürlich nichts. Die zwei Quarianer passierten ein Pärchen, ein Turianer und eine menschliche Frau, die hemmungslos herumschmusten und Keel’o senkte etwas seinen Blick.
    „Na komm, ein Drink an der Bar und dann tanzen wir, ja?“ Rin zog leicht an seinem Arm und er stimmte mit einem leisen „Mhm“ zu. Man musste wissen, der eigentliche Grund, weshalb die beiden ausgegangen waren, war eine Asari, die die Avancen des Quarianers abgewiesen hatte, und Rin hatte es sich zur Aufgabe gemacht, ihrem besten Freund aus diesem Tief herauszuhelfen. Eine Geste, für die er sie liebte. Andererseits aber war er wenig in Partystimmung, auf Tanzen hatte er erst recht keine Lust und am liebsten wäre er einfach an der Bar versackt. Er wusste jedoch genau, dass seine Freundin ihm dann die Hölle heiß gemacht hätte, also versuchte er gar nicht erst, sich von ihr zu trennen. Auf der Tanzfläche angekommen, zog sie ihn zu sich heran und tätschelte das Visier, ehe sie sich wieder umdrehte und ihren Körper im Takt der Musik wandte. Keel’o musterte ihre Bewegungen, während er selbst sich nur halbherzig zu den Elektrobeats bewegte. Rin war eine begabte Tänzerin, das Resultat wilder Partynächte auf der Citadel.
    „Was ist? Stell dich nicht so an, du bist doch kein Langweiler!“ Rin schien bemerkt zu haben, dass er nicht mit einem vergleichbaren Temperament das Tanzbein schwang wie sie es tat, und rügte ihn dafür, zog ihn näher zu sich und hüpfte unbekümmert von einem Bein aufs andere.
    „Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich hol mir was zu trinken.“
    „Bring mir was mit!“ Er nickte und ging zur Bar, hastig und eigentlich jeden Tänzer, der ihm in den Weg kam, anrempelnd, um sich dort beinahe erleichtert niederzulassen. Mit einem Handzeichen gab er der Barkeeperin, eine menschliche Frau, deren neongelbes Haar zu einem Millimeterschnitt verkürzt war, zu verstehen, dass er drei Drinks brauchte, und zwar schnell. Drei? Genau. Einen für Rin und zwei für Keel’o. So sehr er auch ihre Geste schätzte, ihm war nicht nach dem Etablissement eines Clubs, schon gar nicht nach dem derzeit wohl angesagtestem Elektroschuppen der Citadel, mit dem er angenehmere Erinnerungen assoziieren wollte als sich den Liebeskummer von der Seele zu saufen. Ganz recht, er wollte nur eines: sich hoffnungslos betrinken, um im Rausch das ihn anwidernde Gefühl einer Niederlage zu vergessen, zumindest temporär.
    „Einen New Yorker, aber mit echtem Bourbon bitte!“ Er sah auf, verlor sich mit seinem Blick in der wilden Laserdeko, die das Äußere der Bar effektvoll verschönerte. Irgendwie hatte er das alles hier anders in Erinnerung. Er sah zur Seite, erkannte menschliche Konturen, doch konnte keine Details ausmachen. Alles begann vor seinem Auge zu verschwimmen und das, was er erkennen konnte, war nur äußerst vage. Grün gefärbtes Haar mit blauen Strähnchen, irgendeine beliebige Augenfarbe, die Haare länger als Schulterlang, ein kokettes Grinsen. Sollte sie nicht eigentlich anders aussehen? War es überhaupt sie? Eine Vorliebe für Bourbon musste noch lange nichts heißen… Irgendwie hatte Keel’o das Gefühl, in einer falschen Szene gefangen zu sein. Der Vibrationsalarm seines Omnitools ließ ihn aufschrecken.
    „Sprich sie an! :-)“ Es war eine Textnachricht von Rin und Keel’o sah sich nach ihr um, konnte sie jedoch nirgends ausmachen. Wieso fühlte sich sein Kopf plötzlich so schwer an?
    „Hallo“, entkam es seiner Kehle, plötzlich ungewohnt trocken.
    „Hi Kleiner.“
    „Toller Laden, hm?“ Wäre er nicht so betrunken gewesen, hätte Keel’o sich einfach rausgehalten, Ruhe gegeben und sich in aller Stille seinem Drink gewidmet. Anscheinend wollte er einfach Rins Bitte nachkommen, damit er im Nachhinein als Alibi angeben konnte, es wenigstens versucht zu haben. Dass ihm gerade die Lust auf Flirten mehr als fehlte, war wohl offensichtlich.
    „Ziemlich, ja“, kam die dementsprechend abweisende Antwort.
    „Hast du Lust zu tanzen?“
    „Sorry, Kleiner, aber du bist nicht mein Typ. Vielleicht ein andermal.“ Die Frau hatte mittlerweile ihren Drink erhalten und entfernte sich sogleich wieder von der Bar, um sofort in der Menge der Tanzenden zu verschwinden.
    „Danke“, flüsterte er kaum hörbar und widmete sich wieder seinem Getränk. Er wollte alleine sein, sich am liebsten in der Wohnung, die er sich mit Rin teilte, bis in die Alkoholvergiftung trinken, aber er konnte seine Freundin jetzt auch nicht mehr hier alleine lassen. Erneut suchte er nach ihr die Tanzfläche ab, um sie dann nur wenige Meter von sich entfernt auszumachen. In den Armen eines Turianers. Ihre Hüfte dabei mehr als eindeutig im Takt bewegend. Er seufzte, drehte sich wieder der Bar zu und exte kurzerhand ihren Drink ebenfalls (sie war ja augenscheinlich zu beschäftigt, um ihn zu trinken) und bestellte sich dann gleich wieder ein Dreierpack bei der Barkeeperin.
    „Das Universum ist eine Schlampe, hm?“ Er sah erschrocken auf. Hatte er das nicht schon einmal gehört? Eine Frau, etwa doppelt so alt wie er, menschlich, nickte ihm zu, zeigte aber mit ihrem Glas in Rins Richtung. „Zeit heilt alle Wunden. Oder Alkohol. Am besten beides.“ Er blinzelte verwirrt, legte seinen Kopf etwas schräg und musterte sie. Sie kam ihm bekannt vor, als hätte er sie vor ein paar Momenten erst getroffen. Aber nicht hier, nicht jetzt. Es fühlte sich irgendwie falsch an, deplatziert. Als wären Dinge zusammengekommen, die eigentlich nicht zusammengehören.
    „Hier… hier stimmt etwas nicht“, murmelte er und ihm kam es irgendwie so vor, als wäre die Musik im Club plötzlich leiser geworden. Oder war er nur zu betrunken, um sich sowohl auf die Frau, als auch auf die Musik gleichzeitig zu konzentrieren? „Wer sind Sie?“
    „Ich?“, antwortete sie scheinheilig und mit einem Mal veränderte sich die Umgebung. Der Elektroclub der Citadel wich dem heruntergekommenen Look Omegas, genauer gesagt dem Afterlife, nur war niemand zu sehen, es war gespenstisch leer. „Ich bin nur eine Problemlöserin, niemand, den man kennen muss.“ Keel’o kam sich plötzlich ausgeliefert vor, als ob ein Raubtier seine Fährte aufgenommen hatte, und seine Muskeln verkrampften sich, entzogen sich dabei völlig seiner Kontrolle. Er fühlte sich festgefroren, wie wenn die Frau, die ihm so seltsam bekannt vorkam, ein komplettes Magazin Kryomunition auf ihn entladen hätte. Sie stand von ihrem Barhocker auf, bewegte sich in tänzelnden Bewegungen auf ihn zu, während sich erneut die Umgebung verwandelte, diesmal zu den Anockbuchten Omegas, die jedoch unnatürlich sauber wirkten. Im Hintergrund vermochte Keel’o sogar eine Skyline auszumachen, die ihm ebenfalls bekannt vorkam. „Aber du, Keel, du bist jemand, den man kennen muss. Jemand, der zu den Großen Omegas gehört.“ Sie tänzelte weiter, schwang ihre Hüften und schnipste zu einem unhörbaren Takt. Die Stille war keine natürliche, es klang tatsächlich… tot. Ein anderes Wort fiel dem Quarianer für den Zustand nicht ein, denn auf Omega war immer etwas zu hören, egal ob Shuttles, Schießereien oder laute Musik, irgendetwas fand sich immer. Doch hier, in den Andockbuchten, herrschte absolute Stille, die in ihm Unbehagen auslöste. Die Frau, sie war mittlerweile nur noch eine Handbreit von ihm entfernt, hob ihre Arme und verschränkte sie hinter seinem Nacken. Er fühlte es zwar nicht, sah es auch nicht, aber er hörte, wie sie mit ihren Fingern an seinem Anzug herumnestelte und mit scheinbar geübten Bewegungen die Verriegelung seines Helms löste. Mit einem Zischen öffnete sich eine Verriegelung und die Frauenfinger strichen sanft über die Visierscheibe, blieben dann bei einem Spalt hängen, in dem sich die Fingernägel, blau lackiert waren sie, vergruben und so die stabile Scheibe entfernten, gemeinsam mit dem restlichen Helm, der durch die andere Hand von seinem Kopf gehoben wurde. Ihm wurde heiß, er wollte sie anschreien, was ihr einfiele, ob sie ihn umbringen wolle, doch kein Wort verließ seinen Mund, bedingt durch den Generalstreik seiner Stimmbänder, die sich ungesund verkrampft hatten. Scheppernd durchbrach das Geräusch des zu Boden fallenden Helms die gespenstische Stille und sie streichelte mit ihren Fingern über seine Haut, was er aber nicht fühlen konnte. Sie berührte ihn im Grunde genommen auch nicht wirklich, sondern schien in ihm zu versinken, als würde sie ihre Finger in schmelzende Butter stecken. Ein Lächeln umspielte die Lippen der Frau, die sein Gesicht musterte. „Ich brauche deine Hilfe, Keel’o.“



    Der Quarianer richtete sich in seinem Bett auf, keuchte dabei tief und japste nach Luft, während ihm sein Herz bis unter das Kinn schlug und Schweiß sich überall auf seiner Haut verteilt hatte. Den Schlaf und vor allem den Restalkohol noch in den Knochen spürend stolperte er aus dem Bett und lehnte sich mit einer Hand an der Wand an. Noch immer hatte er nicht ganz realisiert, wo er war, blickte sich deshalb verwirrt und schlaftrunken blinzelnd um, ehe er begriff, dass er sich in der Realität, im Hier und Jetzt befand und nicht mehr träumte.
    „Was zum Teufel“, stieß er in einem Atemzug aus, wischte sich einem seiner Tics entsprechend über das Visier und richtete sich erst dann wieder zu voller Größe auf, die Hand noch immer als Stütze an die Wand gelehnt. Es war nicht die Erinnerung an Rin, es war nicht die Tatsache, dass in dem Traum sämtliches über den Haufen geschmissen und wild durcheinander gemixt wurde, und es war auch nicht Megan, die er in seinem Traum gesehen hatte, aber irgendetwas hatte den Quarianer extrem mitgenommen, so sehr, dass er noch immer wackelige Knie hatte. Es war nur ein Traum, aber wieso hatte er das Gefühl, dass es eine Art Warnung war? Eine Vorwarnung? In den Tiefen seiner Psyche meldete sich ein ungutes Gefühl, ein leises Flüstern nur, das ihn vor ihr warnte. Warum? Er hatte sie doch erst heute kennengelernt – Keel’o warf einen Blick auf den Wecker, um zu sehen, ob es noch immer vor Mitternacht war, und er lag richtig, es war noch immer der 08. April – und war mit ihr nur mit ein paar Drinks intus auf die Tanzfläche, wieso sollte sie ihm da etwas Böses? War sie angeheuert worden, ihn auszuhorchen? Ihn gar zu töten? Hatte sie auf ihn gewartet? Ihn vielleicht sogar verfolgt? Er schüttelte den Kopf, verwundert, vielleicht sogar etwas erheitert über sich selbst, seinen irrationalen Aberglauben und die Tatsache, dass er für einen Moment wirklich geglaubt hat, in seinem Traum etwas wie eine Nachricht empfangen zu haben. Vielleicht entsprang jener Gedanke auch dem Alkohol, der noch immer in seiner Blutbahn wütete und den Kopf des Quarianers unnatürlich schwer machte, aber er ließ es nicht darauf ankommen. Tief ausatmend ließ er sich wieder in sein Bett fallen, doch diesmal wollte es ihm nicht so leicht fallen, einzuschlafen. Aufgewühlt wälzte er sich auf seiner Matratze hin und her, versuchte eine bequeme Position einzunehmen, doch es wollte ihm nicht gelingen. Er fühlte sich wie im Fieber, denn im Gegensatz zu den meisten Quarianern wusste er, wie sich ein Fieber anfühlte: nachdem seine Mutter ihm das Biotik-Implantat eingesetzt hatte, reagierte sein Körper empfindlich auf den Eingriff, obwohl jener in einem Clean Room, einem sterilisierten und dennoch nicht keimfreien Raum, stattgefunden hatte. Dies hatte man erwartet, man hatte sogar fest damit gerechnet, weshalb ihn das Fieber aufgrund getroffener Gegenmaßnahmen keinesfalls so schwer traf, wie man es wohl von einem Quarianer erwarten konnte, aber es reichte, um ihn körperlich stark zu belasten, ihn aber auch zu sensibilisieren. Auch jetzt fühlte er die unangenehme Wärme in sich aufsteigen wie das lodernde Feuer eines Kamins, das mit seinen Flammen an den Wänden des Schachts leckte, begierig darauf, in die Freiheit entlassen zu werden. Er machte erneut Bekanntschaft mit dem vertrauten Druck, der sich um und in seinem Kopf niederließ, ihn von innen heraus zerbersten ließ, und der Quarianer spürte förmlich, wie seine Körperzellen unter der erhöhten Körpertemperatur zu leiden begannen. Jede Bewegung, mit der er verzweifelt versuchte, eine bequemere Lage in seinem recht luxuriös bemessenem Bett zu finden, schmerzte oder war zumindest derart anstrengend, dass Keel’o Angst hatte, sich zu überfordern, gar einen Muskelkater davonzutragen. Seine Knochen fühlten sich morsch an und die strapazierten Sehnen spannten sich spröde darüber, dass man beinahe meinen konnte, bei Keel’o handle es sich um einen uralten Greis, der gerade ein letztes Mal mit dem Tod rang, jenen tödlich-schönen Tanz dabei zu verlieren schien. Keel’o blinzelte, versuchte durch den milchigen Schleier, der sich über die ausgetrockneten Augen, die ihm extrem angeschwollen vorkamen, gelegt hatte, irgendetwas zu erkennen, doch bis auf bloße Konturen machte er in seinem eigentlich so vertrauten Zimmer nichts aus. Er blinzelte öfter, wischte so den Schleier beiseite wie einen Vorhang, ließ so neues Licht herein, und doch wünschte er sich, es nie getan zu haben. In seinem Zimmer stand Megan, leicht nach vorne gebeugt und die Arme hinter dem Rücken verschränkt.
    „Na?“, fragte sie, legte dabei ihren Kopf etwas schräg und lächelte, „haben wir einen schönen Kater?“ Die Welt um ihn herum verschwamm, Konturen begannen sich aufzulösen und Grenzen vermischten sich. Verschiedene Gegenstände wurden eins, verschluckten sich gegenseitig und wie eine gigantische Kirchturmglocke hallte Megans Stimme in seinem Kopf wider. Er schloss die Augen, raunte irgendetwas, doch als er sie wieder öffnete, erlebte sein Herz, sein armes Herz, den nächsten Schrecken, als er statt Megan nun einen quarianischen Umweltanzug vor sich stehen sah. Er war ihm nur zu bekannt: es war Rin, die eine Hand selbstbewusst in die Hüfte gestemmt hatte, während sie in der anderen mit einem der Neonbänder spielte, das sich Keel’o früher immer umgebunden und mittlerweile irgendwo in seinem Schiff verstaut hatte.
    „Ich hab dir gesagt, dass du sie ansprechen sollst.“ Wieder Glocken, die seinen Kopf zum Explodieren brachten, während er wie angewurzelt, im Schockzustand gefroren, in seinem Bett lag und ungläubig dem Schauspiel zusah, das sich in seiner Wohnung zutrug. „Aber sie hat den ersten Schritt getan.“ Plötzlich hielt sie inne, mit dem Bändchen rumzuspielen, und wandte ihren Kopf zu ihm. Dabei drehte sie sich unnatürlich schnell, beinahe von einem Augenblick auf den nächsten hatte sie ihren Kopf um beinahe 90 Grad gedreht, um im nächsten Moment schon direkt bei seinem Bett zu stehen, die Visiere lediglich eine Handbreit voneinander entfernt. Keel’o war der festen Überzeugung, einen Herzanfall zu erleiden. „Kannst du den nächsten wagen?“
    „Wovon zum Teufel redest du?“ Es war lediglich ein Flüstern, dass Keel’os Lippen verlies, doch zu mehr sah er sich nicht imstande. Nervös benetzte er sie mit seiner Zunge. Ein Lächeln, kurz und ohne jegliche Freude darin, erklang aus dem anderen Umweltanzug.
    „Das weißt du ganz genau.“
    „Nein.“
    „Vielleicht noch nicht jetzt, aber du wirst.“ Sie zog ihren Kopf zurück, schien ihn in seiner ganzen Größe betrachten zu wollen, und brach dabei den Satz ab, den sie begonnen hatte. Keel’o fühlte sich in der Luft hängen gelassen, hilflos.
    „Was? Was werde ich?“ Ein unglaubliches Donnern durchfuhr seine Yacht, der Boden bebte, als wäre die Sovereign selbst gekommen und würde Omega wie die Citadel auseinandernehmen, sodass es Keel’o aus seinem Bett schmiss. Es brummte, die Wände wackelten und er spürte die akustischen Wellen seinen Leib durchdringen. „Was?“, brüllte er, „Was verdammt nochmal?

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    Es war das zweite Mal, dass Keel’o mit schwerem Atem in seinem Bett aufwachte, klitschnass von dem Schweiß, den sein Körper abgesondert hatte, doch lag er noch immer unverändert auf dem Rücken. War es wirklich das zweite Mal? Oder war das andere ein Traum im Traum gewesen? Er wagte es nicht, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Still, beinahe wie eine Leiche, lag er unter seiner Decke, starrte stur an die Decke über ihm und lediglich das hektische auf und ab seines Brustkorbs verriet, dass er noch am Leben war und nicht an seinem eigenen Traum gestorben war.
    „An seinem eigenen Traum sterben“, flüsterte er und schnaubte amüsiert, „wie lächerlich ist das denn?“ Der Infobroker richtete sich auf und ließ seinen Blick durch das Zimmer schweifen, in dem er sich befand. Ruhe, Ordnung, keine Megan, keine Rin, keine Halluzinationen, kein gar nichts. Alles war an seinem Platz. Er sah an sich hinab. Gut, fast alles. Die Bettdecke war hoffnungslos verknittert und überall, nur nicht da, wo sie sein sollte: auf seinem Körper. Er hatte keine Ahnung, wieso er überhaupt eine benutzte, schließlich wurde ihm in seinem Anzug ja nicht kalt, aber irgendwie schaffte er es nicht, ohne sie einzuschlafen. Vielleicht eine angeborene Verhaltensweise, von der er sich nicht lösen konnte, wer weiß. Er kannte jedenfalls nur wenige Quarianer, die ohne Bettdecke schliefen. So lächerlich es auf den ersten Blick auch klang, aber das Stück Textil vermittelte Schutz und Geborgenheit. Etwas, das er von seinem Anzug nicht behaupten konnte. Sein Blick trieb zu den dreifingrigen Händen, die er – fast wie bei einem Test, um zu sehen, ob sie noch funktionstüchtig waren – immer wieder zur Faust ballte. Wie lang war es her, dass er zum ersten Mal in die eiserne Hülle eines solchen Anzugs gesteckt wurde? Dreißig Jahre? Zweiunddreißig? Er wusste es nicht mehr. Seine ersten Erinnerungen stammten aus einer Zeit, in der er die Welt bereits durch sein Visier wahrnahm, obwohl er wusste, dass Kinder nicht sofort in Anzüge gesteckt wurden. Wie es wohl für seine Vorfahren gewesen sein muss, ohne Anzüge, ohne Schutzvorrichtungen, ohne Vakuum, ohne… Fesseln auf ihrem Heimatplaneten durch die Megacities zu streifen oder sich einfach mal in eine Wiese zu legen und die Sonne auf der Haut zu spüren? Er schnaubte erneut. Als ob er es je erfahren würde. Vermutlich würde er irgendwo in einer dunklen Ecke des Universums draufgehen, seine Knarre in der einen und eine halbleere Scotchflasche in der anderen Hand. Schlimmstenfalls sogar auf diesem gottverlassenen Stein, der sämtliche üblen Kreaturen dieses Universums anzog, um dort ihre krummen Dinger abzuziehen, die Schwachen zu unterdrücken und die Starken nur noch stärker zu machen. Auf jeden Fall nicht auf Rannoch, Haestrom oder einer anderen der zahlreichen, einst von Quarianern beherrschten Welten, die nun verlassen ihr Zentralgestirn umkreisen oder von abertausenden von Geth befallen waren. Keel’o, noch immer im Schneidersitz in seinem Bett, sah auf und atmete tief aus. Bei dem Gedanken, die Heimat seiner Urahnen würde in diesen Augenblicken durch die Beine eines Geth-Troopers verunreinigt, verzog er angewidert das Gesicht. Die Geth waren in seinen Augen nicht das, zu dem sie die intergalaktische Gemeinschaft machte, nämlich ein eigenes Volk, sondern noch immer Werkzeuge, Soldaten, Schachfiguren, die durch einen unglücklichen Zufall begannen, nachzudenken. Sie waren noch immer Kreationen seiner Rasse, nicht mehr als der bewaffnete Arm einer herrschenden Kaste, welche sich in ihrer utopischen Vision eines Allmachtsanspruchs auf einen zu hohen Thron geschwungen und als Bestrafung miterlebt hat, wie sich der Arm selbst vom restlichen Körper abschnitt, respektive den restlichen Körper von sich. Schließlich waren es die Quarianer, die in diesem Krieg verloren hatten, und zwar gehörig. Doch die Erschaffer sollten es sein, die den Geth wieder die Zügel anlegten, die eine solch überwältigende Kraft benötigt, über die die Synthetischen verfügten. Ähnlich wie es die Salarianer, mithilfe der Turianer, bei den Kroganern gemacht hatten. Es lag an ihnen, den Quarianern, ihren angestammten Platz in der Galaxis, der ihnen durch die Maschinen so jäh entrissen worden war, wieder einzunehmen und die Synthetischen ein für alle Mal in ihren Möglichkeiten zu beschneiden, ihnen ihr Bewusstsein zu rauben und sie zu den gehorchenden Drohnen zurecht zu stutzen, die sie eigentlich waren. Temperamentvoll und sogar etwas wütend schlug Keel’o die Decke, diese vermaledeite Bettdecke, ein Stück Stoff, das ihn auf diese hasserfüllten, pessimistischen Gedanken gebracht hatte, beiseite und stand auf. Er holte einen neuen Satz Anzug hervor und zog diesen sogleich an. Wenn sich nicht bald etwas an der allgemeinen Situation ändern würde, gingen sie alle unter, alle miteinander.

    „Captain, ein eingehender Anruf für Sie: Zak Benzoptus.“
    „Annehmen“, meinte Keel’o, der gerade sein Sakko anzog, während er die Treppe zur unteren Ebene des Schiffs hinunterging.
    „Keel, Hallo“, meldete sich die rauchige Salarianerstimme und der Infobroker musste auch trotz seiner Laune unweigerlich lächeln. Zak war eine der wenigen Personen, zu denen der Quarianer vollstes Vertrauen aufgebaut hatte. Wenn nicht sogar die einzige.
    „Zak, guten Morgen. Was ist los?“
    „Ich habe hier etwas, was du dir anschauen musst.“ Keel’o stockte einen Moment in der Bewegung, ging dann jedoch weiter zielstrebig in sein Bad, um sich dort vor dem Spiegel die Krawatte zu binden.
    „Schieß los“, meinte er und vollendete dabei die letzte Schlaufe.
    „Zwei Tote, Quarianer. Sieh es dir am besten selbst an.“ Keel’o zögerte. Er nestelte mit seinem Zeigefinger grübelnd an dem Stoff der Krawatte herum, ehe er den Knoten vollendete und alles auf seinen Sitz hin überprüfte. Schon wieder tote Quarianer. Ein Dutzend verschiedenster Gedanken strömten durch sein Gehirn, überschlugen sich förmlich, wobei es in seinem Kopf wohl eher zuging wie auf einem Schrotflinten-Schlussverkauf auf Tuchanka, und Keel’o musste für einen Moment die Augen schließen, um wieder gänzlich Kontrolle über sich zu erhalten. Sein Start in den Tag war nicht unbedingt optimal verlaufen, aber das war noch kein Grund, überstürzte Rückschlüsse zu ziehen. Über ein paar Junkies mit Entzugserscheinungen, die sich einfach nur ihr Geld für den nächsten Schuss besorgt hatten, bis zu einer gezielten Racheaktion T-Bones, resultierend aus Keel’os Verhalten jenem gegenüber, war alles möglich.
    „Ist gut, schick mir die Adresse auf mein Omnitool und ich nehme mir einen Transit.“
    „Nicht nötig, einer meiner Männer ist bereits auf dem Weg zu dir.“ Keel’o nickte respektvoll. Zak war nicht nur ein sehr loyaler Partner und erfahren, was Omega anging, sondern er verfügte auch über eine Ressource, die Keel’o fehlte: Arbeitskraft. Es waren nicht viele, die unter Zak arbeiteten, aber doch genügend, um ihm einen gewissen Hauch von Respekt und Unnahbarkeit in Omegas Unterwelt einzubringen, was ihn allein deswegen schon zu einem mächtigen Verbündeten machte.
    „Danke, Zak. Wir sehen uns gleich.“ Mit diesen Worten beendete Eve die Verbindung und Keel’o ging von seinem Bad in die Küche. Er musste etwas trinken, sich ablenken von den Hypothesen und Vermutungen, die durch seinen Verstand spukten, ihn heimsuchten wie ein Virus, wie eine Pest, die – einmal eingeführt – sich hartnäckig durch den Wirt fressen würde. Aus dem Kühlschrank nahm er einen der altbekannten Zylinder, nur war dieser nicht mit Alkohol, sondern einfachem Wasser gefüllt. Zwei weitere steckte er so ein, ehe er die Küche wieder verließ und in die Lounge ging. Eine dunkle Ahnung plagte ihn, machte sich aber nicht weiter bemerkbar als in Form eines abstrakten Gedankens, eine nicht zu greifende Idee, die sich gerade so andeutete, um von ihm bewusst wahrgenommen zu werden, aber doch wieder hinter einem Schleier von Zweifel und Unwissenheit verbarg. Ihn also schlichtweg in den Wahnsinn trieb.
    „Eve, durchsuch die öffentlichen Kanäle Omegas nach Todesfällen. Filter: Quarianer, nicht älter als eine Woche“, ein Signalzeichen ertönte, ließ den Quarianer so wissen, dass jemand draußen wartete und ins Schiff wollte, „und schieb die Ergebnisse dann auf das Terminal in meinem Schlafzimmer!“ Auf dem großen Holobildschirm konnte der Quarianer stets am besten Informationen auswerten und Zusammenhänge erkennen. Eve bestätigte seine Befehle und Keel’o ging über die Lounge zum Ausgang. Über die Luftschleuse verließ er sein Schiff und traf außerhalb einen Menschen an, der die typische Uniform von Zaks Männern trug: schlichtes Schwarz mit einem weißen, abstrakt stilisierten Flügel auf der Brust.
    „Guten Morgen, Sir“, meinte dieser äußerst korrekt, „bitte folgen Sie mir. Mister Benzoptus wünschte, dass ich Sie sofort zu seiner Position bringe.“

    05:21 Uhr
    ---> Omegas Straßen, in der Nähe der Märkte

  5. #5
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    <-- Omegas Straßen, nicht unweit der Märkte
    06:03 Uhr


    Keel’o gähnte leise, während das Shuttle bei den Andockbuchten Omegas landete, und innerlich beschloss er, sich einen Kaffee zu gönnen, turianisches Derivat versteht sich. Zwar gab es von anderen Rassen auch ein Äquivalent zum menschlichen Kaffee, doch die schwarze Bohne von der Erde war ein Unikat, etwas, das man so schnell in der Galaxis nicht mehr sehen sollte. Weder asarische Yadat-Trauben, noch salarianischer Olor-Honig, die bis zum Auftreten der Menschheit beliebtesten Genussmittel, welche in ihrem Zweck etwa Kaffee gleichkamen, konnten es schaffen, ihre unangefochtene Position auf dem Markt gegen menschliche Kaffeebohnen zu verteidigen, welche sich schnell immenser Beliebtheit in der Bevölkerung des Universums erfreuten und eines der wichtigsten Exportgüter der Allianz darstellten. Keel’o aktivierte sein Omni-Tool und checkte seinen Posteingang, ehe jemand ihn ansprach und so aus seinen Gedanken holte.
    „Ähm. Mister Vaelsha?“ Es war die quarianische Sprache, fließend und mit einem Hauch Härte versehen, die sich vor allem im Rollen des Diphthongs in seinem Namen äußerte. Ein Dialekt, den er schon lange nicht mehr gehört hatte. Er hob seinen Kopf, neugierig wer ihn da erwartete, und sah sogleich eine Quarianerin, die vor dem Eingang seines Schiffs stand und etwas nervös ihre Finger wrang. Sie war in einen goldblauen, quarianischen Umhang gehüllt und durch ihr schwach goldenes Visier konnte er sogar die Augen erahnen, welche aufgeregt zu blinzeln schienen.
    „Das bin ich“, erwiderte er und ging weiter, fortwährend auf seinem Omnitool herumtippend.
    „Ich bin Amaya’Yato nar…“
    „Sonam?“, erwiderte er und sah auf. Die junge Frau, naja, wohl eher das Mädchen vor ihm blieb verwirrt stehen und zog ihren Kopf etwas zurück, sichtbar überrascht, darüber, dass er ihr Geburtsschiff erraten hatte. „Der Dialekt“, beantwortete er ihre Frage, noch bevor sie sie stellen konnte, „komm rein.“ Mit einem Zischen öffnete sich die Tür zu seiner Yacht und die beiden betraten die Luftschleuse. Still war es, als Keel’o die gewohnte Prozedur über sich ergehen ließ, und er bemerkte, wie sie ihm mehrere Blicke zuwarf, offensichtlich noch etwas verunsichert darüber, was nun geschah. Er lächelte und holte den zweiten Zylinder mit Wasser hervor.
    „Dekonatmination abgeschlossen, keimfreie Umwelt eingerichtet. Willkommen zuhause, Captain“, begrüßte ihn Eve, wie sie es immer tat, begleitet von dem markanten Zischen des Hochdruckzylinders, mit dem sich Keel’o das Wasser über ein Ventil an seinem Helm in den Mund schoss. Er sah wie die Hand der Quarianerin reflexartig zu zucken begann und sie scheinbar die Decke mit ihrem Blick abzusuchen begann.
    „Nur eine VI“, meinte er beschwichtigend und lächelte, „keine Sorge.“ Die Tür vor den zwei Quarianern öffnete sich und Keel’o ging voraus, während seine Begleitung noch etwas zögerte. „Bitte, setz dich“, lud er sie ein und deutete auf die weißen, mit echtem Varrenleder überzogenen Möbel, die in der Lounge der Yacht vorhanden waren, während er in der Küche verschwand, „ich bin gleich bei dir.“ Mit geübten Handgriffen bediente er die Kaffeemaschine und vernahm nur wenige Augenblicke später das leise Surren, das ihm zeigte, dass der Kaffee gleich fertig sei. „Kann ich dir etwas anbieten?“, rief er hinaus in die Lounge, erhielt jedoch nur ein zögerliches, wenn auch etwas bestimmteres „Nein, Danke“ als Antwort. Wie auch immer, sollte sie sich nur den exzellenten Geschmack eines frisch aufgebrühten Kaffees entgehen lassen. Das quarianische Trinkgefäß war gefüllt und er nahm es aus der Maschine heraus, um gleich wieder in die Lounge zu gehen. Schwarz, so trank er ihn immer. Ohne Zucker, weil er etwas auf seine Figur achten wollte und daher Zucker bestmöglich von seiner Einkaufsliste gestrichen hatte, und ohne Milch, weil quarianische Milch nicht zu Kaffee passte und Keel’o vom turianischen Derivat starke… Verdauungsprobleme bekam. Ungern dachte er an den Tag zurück, als er auf der Citadel das erste Mal turianische Milch getrunken hatte. Nach einiger Zeit hatte er damals die gesamte Hausapotheke und einen Fornax mit auf die Toilette genommen, wobei er immer wieder dem Himmel oder welchen spirituellen Wesen auch immer dafür dankte, dass sie Rin an diesem Tag die Nachtschicht bei ihrem Job beschert hatten. Mit einem leichten Kopfschütteln verdrängte er die unangenehmen Erinnerungen wieder und setzte sich mit dem Kaffee in der rechten Hand der Quarianerin gegenüber.
    „Also“, begann er und nippte einmal an dem Getränk (quarianisches Nippen äußert sich darin, dass man nur einen kleinen Schuss in den Helm injizierte), „wie kann ich dir helfen?“
    „Ich suche jemanden“, erwiderte sie, „und dabei brauche ich… dabei brauche ich Hilfe.“ Er runzelte die Stirn. Sie schien sich zu schämen, ihn um Hilfe zu bitten, obwohl er genau dafür da war.
    „Okay und wen suchst du?“
    „Einen Menschen, er heißt Bardan Carter.“
    „Den Kopfgeldjäger?“, fragte er überrascht und lehnte sich in dem Sessel zurück, „Kleines, was willst du von einem Kopfgeldjäger?“
    „Ich suche ihn einfach, okay?“, erwiderte sie etwas gereizt und Kel’o hob beschwichtigend die Hände, „also, können sie mir jetzt sagen, wo er ist oder nicht?“
    „Klar kann ich das, einen Moment“, er öffnete wieder sein Omnitool und startete eine Suchanfrage, „normalerweise hängt er im Afterlife rum, aber ich habe etwas davon gehört, dass er die Station verlassen hat.“ Seinem Gegenüber schien diese Neuigkeit nicht zu gefallen, doch Keel’o konnte ihr diesbezüglich auch nicht weiterhelfen. Er war nur der Überbringer der Botschaft, was sie daraus machte, musste sie selbst entscheiden.
    „Wissen Sie, wohin er ist?“, fragte sie schließlich und Keel’o bedeutete ihr, einen Moment zu warten. Über ein Portal, das Kopfgeldjäger vermittelte, fragte er soeben den Status des Mannes ab.
    „Er ist auf der Citadel. Würde es dort mal im Flux probieren, der Mann scheint auf das Nachtleben zu stehen“, beantwortete er schließlich ihre Frage und sie nickte.
    „Danke, Mister Vaelsha“, meinte sie und wollte gerade aufstehen, als Keel’o sie noch einen Moment zurückhielt.
    „Kind, bist du dir im Klaren darüber, worauf du dich einlässt?“ Ihrem Schweigen nach zu urteilen war sie das nicht. „Dieser Mann ist skrupellos und richtet seine Opfer derart zu, dass man beinahe glauben möchte, er sei geisteskrank. Wenn möglich, dann such dir einen Begleitschutz, wenn du unbedingt mit ihm sprechen willst. Oder ihn umbringen willst oder was auch immer.“
    „U-umbringen?“, kam es verunsichert, doch als die Quarianerin bemerkte, wie nervös sie klang, räusperte sie sich, „ich meine, nein. Es würde mir reichen, ihn zu finden. Vorerst.“ Keel’o grinste.
    „Natürlich“, antwortete er etwas ironisch, „hast du genug Geld für ein Ticket auf die Citadel?“ Amaya schwieg. „Soll ich dir etwas geben?“
    „Nein, nein“, erwiderte sie hastig und hob abwehrend die Hände, „ich lasse mir etwas einfallen, schon gut.“ Er nickte. Mehr als seine Hilfe anbieten konnte er nicht. Wenn sie sie nicht wollte, dann konnte er daran auch nichts ändern.
    „Wie lange bist du schon auf der Pilgerreise?“, fragte er schließlich.
    „Seit ein paar Monaten. Wieso?“
    „Wie gefällt es dir?“
    „Ich… ich muss mich noch etwas zurechtfinden, aber die anderen Rassen faszinieren mich. Und das Leben außerhalb der Flottille ist auch sehr interessant.“
    „Ich nehme an, du hast noch kein Geschenk für deine Rückkehr?“
    „Nein“, sie schüttelte den Kopf, „ich weiß noch nicht, was ich der Flottille präsentieren soll. Hauptsache etwas, das sie genug einschüchtert, damit sie mich in Ruhe lassen.“ Keel’o runzelte die Stirn. Augenscheinlich war das kleine Ding nicht gut auf die gemeinsame Heimat der beiden zu sprechen.
    „Du magst die Flottille nicht?“
    „Man beäugt mich, hält mich klein und jeder spielt Babysitter für mich“, wetterte die Quarianerin und eine ungewöhnliche Schärfe schlich sich in ihre Stimme, „ich wollte einfach nur weg, konnte es kaum erwarten, bis ich die Pilgerreise starten konnte. Das Geschenk bring ich eh nur zurück, damit die alle sehen, dass ich auch alleine was fertig bringe.“
    „Das ist der Zweck der Pilgerreise, Kleines“, erwiderte Keel’o und lächelte, „um zu sehen, ob du auch ohne Fürsorge zurechtkommst.“
    „Sie haben doch keine Ahnung“, erwiderte Amaya beleidigt, „Sie leben hier in Ihrer Yacht und lassen es sich gut gehen, da-“ Mit einem Schlag verfinsterte sich Keel’os Miene und er beugte sich ruckartig vor, pochte mit seinem Zeigefinger auf den Tisch vor ihnen.
    Jetzt hör mir mal zu, Amaya“, fauchte er zwischen den zusammengepressten Zähnen, „du hast nicht den geringsten Schimmer, was ich alles für unser Volk geopfert habe, also wage es nicht noch einmal, mich als einen Lebemann zu bezeichnen, der hier in Saus und Braus lebt.“ Das Mädchen war aufgeschreckt zusammengezuckt und starrte Keel’o ungläubig an, offensichtlich überrascht, dass er auch einen solch autoritären Tonfall an den Tag legen konnte. Unweigerlich musste er an Rin denken, wie sie jetzt reagiert hätte. Vermutlich hätte sie milde gelächelt, ihm ihre Hand auf die Schulter gelegt und leise gemurmelt, es sei schon in Ordnung und er solle mit ihr Geduld haben. Der Infobroker seufzte, versuchte sich zu beruhigen.
    „Komm mit“, meinte er schließlich mit einem Lächeln und wieder freundlicher, „na komm.“ Anfangs zögerte die Kleine, doch dann folgte sie ihm in sein Büro, wo auch das Panoramafenster eingelassen war. Er führte sie zu der überdimensionalen Glasscheibe und deutete auf die unendlichen Weiten des Alls. „Jeder dieser leuchtenden Punkte ist ein Stern. Ein eigenes System, unter Umständen mit mehreren Planeten, von denen sogar einer bewohnt sein könnte. Niemand kann dir sagen, was dort draußen noch auf uns wartet. Eine neue Rasse? Wer weiß, wir sind weit davon entfernt, bereits das gesamte Universum kartographiert zu haben. Im Vergleich dazu sind wir, wir Individuen, ein Klacks. Ein Bakterium, ein Parasit, wertlos. Erst in der Gemeinschaft finden wir unsere Erfüllung und erlangen einen Wert. Es ist dir überlassen, ob du zur Flottille zurückkehrst, und es ist dir genauso überlassen, was du von ihr hältst. Doch denke immer daran, dass wir Quarianer schwierigen Zeiten entgegensehen und nur gemeinsam aus dieser Misere wieder herauskommen.“ Er lachte auf, kurz und leise, sah dann zu ihr. Die Quarianerin blickte aus dem Fenster hinaus auf die Sterne, bemerkte aber erst wegen der Stille, dass sie beobachtet wurde und erwiderte zögerlich seinen Blick. „Vielleicht bist du es ja, die uns eines Tages auf unsere neue Heimatwelt bringt?“ Er wusste, wie wahrscheinlich dieser Gedanke war, nämlich nicht besonders, aber er wusste auch, wie man junge Quarianer dazu anspornen konnte, sich für die Gemeinschaft einzusetzen. Und sei es auch nur die Saat des Zweifels, die er in ihren Verstand pflanzte, einmal gedacht, kann ein Gedanke nie wieder ausradiert werden. Daran, wie sie den Kopf sinken ließ und gedankenverloren auf die Scheibe vor ihr starrte, sah er, wie sie über seine Worte nachdachte und reflektierte. Sie würde es sich noch nicht eingestehen, doch tief in ihrem Inneren wusste sie bereits, dass er Recht hatte oder zumindest ein Teilgehalt an Wahrheit in seinen Worten steckte.
    „Ich sollte jetzt gehen“, meinte sie schließlich und ging zur Tür.
    „Pass auf, wenn du dich auf Omega bewegst. Dein Sturmgewehr könnte dir hier noch nützlicher sein, als es dir lieb ist“, rief er ihr über die Schulter hinterher und lächelte erneut, als er das Zischen der Hydrauliktüren vernahm. Sein Blick glitt jedoch wenige Augenblicke später wieder auf die Schönheit des Alls, die sich vor ihm erstreckte und ihn zu überrollen drohte. Was er gerade zu Amaya gesagt hatte, das entsprang nicht nur dem Willen, ein verlorenes Schäfchen zurück zur Herde zu bringen. Natürlich, ganz ohne diese Intention hatte Keel’o nicht gesprochen, doch es gesellte sich noch ein anderes Motiv zu den Beweggründen für seine kleine Rede: er war dabei, seinem Volk beim Aussterben zuzusehen. So einfach war es, auch wenn viele Quarianer diese Ansicht nicht teilten, so war sich Keel’o dieser Tatsache durchaus bewusst und fest überzeugt davon. Ziellos streiften sie in ihren Schiffen umher, von einer intergalaktischen Müllhalde zur nächsten, um sich dort von Unrat, Abfall und Schrott über Wasser zu halten. Verstoßen und geächtet durch die Citadel-Gemeinschaft dümpelte ein ganzes Volk, nein, eine ganze Rasse durch die Galaxis und vereinte dabei zwei augenscheinliche Gegenteile zu einem ironischen, beinahe sarkastischen Paradoxon: obwohl die Flottille die größte Formation von Schiffen im bekannten Universum darstellte, so war es zeitgleich auch die verwundbarste, zerbrechlichste und empfindlichste Ansammlung von Individuen, die dieses Universum jemals gesehen hat. Ein Schiff nur, eines der Lebensschiffe mit seinen gigantischen Nahrungsfeldern und Sauerstoffgärten, musste ausfallen oder gar zerstört werden und Millionen, wenn nicht Milliarden würden einen qualvollen Hungertod sterben. Wie lange konnte diese Gratwanderung noch gut gehen? Der Gedanke daran, sein Volk untergehen zu sehen und dabei nichts, aber auch gar nichts, unternehmen zu können, machte Keel’o krank. Er sah auf, nahm noch einen Schluck Kaffee und betrachtete sein flüchtiges Spiegelbild in der Glasscheibe des Panoramafensters. Die einzige Möglichkeit war die endgültige Beschneidung der Geth in ihren Möglichkeiten und ihre erneute Unterjochung durch sein Volk. Das oder die völlige Ausrottung. Einen Mittelweg gab es nicht, durfte es nicht geben, denn sonst war die Rasse, die das Universum dann weniger zu verzeichnen hatte, die seinige und soweit würde er es nicht kommen lassen. Dies war vielleicht der einzige Punkt, in dem sowohl der Citadel-Rat, als auch die Quarianer einer Meinung waren: lieber sollte man Keel’os Volk erstarken lassen, als dass die Geth weiter auf ihren beinahe barbarischen Streifzügen das intelligente, und vor allem kultivierte Leben gefährdeten. Denn wie lange sollte es nüchtern betrachtet noch so auf diese Weise gut gehen? Ein Jahrhundert, vielleicht zwei? Wenn sie nicht ihr eigener Lebensstil umbrachte, dann die Citadel-Völker, die in Ermangelung eines weiteren Feindes die Quarianer verspätet für ihren Geth-Frevel bestrafen wollten, wie sie es auch mit den Kroganern getan hatten. Zornig verstärkte Keel’o den Griff um den Trinkzylinder in seiner Hand und seine Kiefermuskulatur versteifte sich. Ein dumpfes Knirschen seiner Zähne erklang.

    Ruckartig löste er sich schließlich wieder von dem Anblick, der sich ihm bot. Durch Herumstehen und Lamentieren war der Untergang seines Volkes auch nicht abzuwenden. Er musste etwas unternehmen, etwas machen, doch im Moment war er an Omega gefesselt. Zum einen aufgrund dieser einen besagten Klausel in seinem Vertrag (oder dem quarianischen Äquivalent davon), zum anderen aufgrund der zwei toten Frauen, die er vor circa einer halben Stunde betrachtet hatte. Ungern wollte er diesen Fels verlassen, ohne in diesem Fall weitergekommen zu sein, weshalb er zügig die Treppe in seinem Shuttle nach oben stieg und den letzten Schluck Kaffee aus dem Zylinder nahm.
    „Eve, sag mir, dass du etwas gefunden hast.“
    „In den letzten sieben Standardtagen sind fünfzehn tote Quarianer aufgetaucht, zwölf davon weiblichen Geschlechts.“ Während Eve die Fakten präsentierte, öffnete sich eine Präsentation auf dem großen Bildschirm seines Schlafzimmers und dutzende Artikel und Tabellen wurden aufgerufen.
    „Wieso Frauen?“, fragte er ohne Adressaten in den Raum hinein und runzelte die Stirn.
    „Quarianische Weibchen verfügen über eine grazilere Anatomie und sind im Durchschnitt weniger wehrhaft als ihr männlicher Konterpart“, erwiderte die VI ungefragt auf seine laut ausgesprochenen Gedanken, „dadurch werden sie für Gewaltverbrecher ein einfacheres und bevorzugtes Ziel. In Kombination mit der mangelnden Erfahrung junger Pilgerreisender-“
    „Ist gut, Eve“, unterbrach er sie und seufzte, ersparte sich aber dann – auch in Hinblick auf seine Nerven – weiter darauf einzugehen, „Es waren also allesamt Pilgerreisende?“ Sie verneinte, erwiderte jedoch, dass es sich um die statistisch wahrscheinlichste Schlussfolgerung handelte, eine eindeutige Identifikation jedoch aufgrund fehlender Dokumente nicht möglich war. „Todesursachen?“
    „Schusswunden, zugefügt aus nächster Nähe.“ Keel’o schnaubte nachdenklich. Ein Opfer aus nächster Nähe erschießen, das bedeutete, dass Emotionen im Spiel waren. Angst. Wut. Rachegelüste. Kurz gesagt: T-Bones Gefühlspektrum ihm gegenüber. Oder aber es deutete auf eine Exekution hin, nach einem Verhör vielleicht, was wiederum für einen oder mehrere Unbekannte sprach. Doch warum sollte jemand Quarianer umbringen, ihnen ihre Omnitools und sonstige Dokumente entwenden und die Credits zurücklassen? Auf Omega. Das Schlimme war, Keel’o hatte keine Ahnung und verdrängte den Gedanken, tat ihn als Unsinn ab, als er sich wieder seinen Überlegungen bezüglich T-Bone widmete, der für ihn viel eher als Täter in Frage kam. Natürlich, ein letztes Korn des Zweifels blieb in ihm übrig, wie es vermutlich auch bei Amaya und ihrer Haltung zur Flottille der Fall sein würde, aber er wusste zu gut über seine Psyche Bescheid, als dass er es nicht als einen simplen Trick seines Geistes abtat. Ohne den Beweis für das Gegenteil nicht direkt vor der eigenen Nase zu haben, gab kein intelligentes Wesen eine einmal gedachte Idee auf. Doch für den Quarianer ergaben sich schlussendlich mehr Argumente, die für T-Bone sprachen, der es, seiner kroganischen Natur gleich, nicht auf die Reihe bekommen hatte, die Drohung Keel’os ernst zu nehmen. Der einzige Grund, warum noch nicht das halbe Blood Pack von seinen Neigungen erfahren hatte, war schlicht, dass sich Keel’o noch nicht ganz sicher war und seinen Kontakt lieber stellen wollte, bevor er eine doch recht wertvolle Quelle unter Umständen unnötig verbraten würde. Allerdings hatte er nicht vor, das ohne Feuerkraft zu erledigen, also wählte er Zaks Nummer. Von dem Vorschlag, mit seinen Männern das Haus – denn T-Bones Wohnung war für die Verhältnisse Omegas sehr geräumig und vor allem sauber – des Kroganers zu stürmen, war der Salarianer nicht begeistert.
    „Auf keinen Fall, Keel‘o“, erwiderte er ruhig, aber bestimmt auf die Forderung des Quarianers. Zak sprach ihn mit seinem vollen Vornamen an, ohne den Alias zu benutzen, was bedeuten musste, dass er es wirklich ernst meinte und nicht allein deshalb ablehnte, weil er um seine eigenen Ressourcen besorgt war.
    „Wenn ich dort alleine aufkreuze, dann wird das blutig enden. Ich bin zwar gut, aber ein Kroganer bleibt ein Kroganer, egal ob schwul oder nicht“, erklärte sich Keel’o, doch er stieß auf Ablehnung.
    „Und wenn du dort mit einer Kompanie auftauchst, dann kommt das einer Kriegserklärung gleich. Dann hast du nicht nur einen Kroganer als Sorge, sondern zwei Dutzend. Nach einer Stunde bist du Vorchafutter.“
    „Ich brauche doch nur etwas Geleitschutz. Du musst mir nicht gleich deine gesamte Crew-“
    „Wenn ich dir Männer mitgebe, dann einen ganzen Trupp. Risiken gehe ich nicht ein, aber ich werde auch keinen Krieg vom Zaun brechen. Du weißt, dass wir uns bisher von direkter Intervention distanziert haben und diese Politik will ich auch fortführen.“
    „Zak.“
    „Such dir jemand anderen. Es tut mir Leid.“
    „Aber ich habe-“, begann Keel’o, stoppte dann sofort mitten im Satz. Das gelassene „Was?“ des Salarianers ignorierte er, auch als dieser seinen Namen nannte, und ein erfreutes Lächeln zierte seine Lippen, während er die nächsten Worte formte. „ist okay. Danke, Zak. Wir hören uns, wenn es Neuigkeiten gibt.“ Der Infobroker legte auf, hörte dabei nur Bruchstücke des gemurmelten Salarianisch, ehe er die Leitung unterbrochen hatte, und sah wieder auf den großen Bildschirm vor sich. Seine Augen huschten von einem Bericht zum nächsten, von Daten zu Daten, von Leiche zu Leiche. Die meisten waren übel zugerichtet, was T-Bones Handschrift entsprach, also musste er Vorsicht walten lassen. Rückendeckung war da bestimmt nicht verkehrt und er hatte auch genau den richtigen Mann für den Job. So mehr oder weniger.
    „Eve, finde heraus, in welcher Bucht eine gewisse Megan Armstrong vor Anker liegt.“

    06:42 Uhr
    ---> Omega – Andockbuchten
    Geändert von Keel'o Vaelsha (30.04.2011 um 19:12 Uhr)

  6. #6
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    <--- Kreuzer „Progress“
    23:10 Uhr



    „Dekontamination abgeschlossen, keimfreie Umwelt eingerichtet. Willkommen zuhause, Captain.“
    Die neutrale Stimme Eves säuselte aus den Lautsprechern, als sich die Türen zu Keel’os Yacht zischend öffneten. Er sah auf, noch etwas in Gedanken versunken und darüber nachdenkend, ob es sich wirklich so zugetragen hatte oder ob sich beide unter gänzlich anderen Umständen kennengelernt hatten, doch was änderte es jetzt? Sie waren tot, wie so viele andere auch, die vor dem Altar der Raffgier Corefields geopfert wurden, um mit ihrem Blut noch mehr Profit zu erkaufen.
    „Eve, Abdockvorgang einleiten. Setze Kurs Sahrabarik-Massenrelais.“ Die VI bestätigte seinen Befehl und ein kaum spürbares Brummen durchfuhr das Schiff, gefolgt von einem leisen Surren. Er machte sich auf den Weg ins Bad, um die Zeit zu nutzen, sich etwas zu erfrischen. Die letzten Stunden, vor allem die Schießerei in den Wohngebieten, hatten an ihm gezehrt und am liebsten hätte Keel’o nun den Anzug, den richtigen, den quarianischen Anzug, von sich gestreift, um sich im Clean Room ein Bad zu gönnen, doch die Zeit hatte er nicht. Er streifte sich das Sakko von den Schultern, warf es achtlos auf die Couch der Lounge, und ging schließlich zum Waschbecken ins Bad. Keel’o krempelte die Ärmel seines Hemds zurück und wusch sich etwas das Visier, um anschließend einen Schlauch hervorzuziehen, der an die zentrale Wasserversorgung des Schiffes angeschlossen war. Am anderen Ende war ein Verschluss, welcher kompatibel mit allen gängigen Anzugmodellen der Quarianer war und Keel’o wollte ihn gerade anschließen, als sein Blick auf dem Monitor hängen blieb, der auf der gesamten Wand eine Aufnahme der Flottille zeigte. Die Schiffe zogen durch ein System dessen Zentralgestirn sich markant vor einer eisblauen Gaswolke hervortat und das strahlend weiße Licht seiner Strahlen blitzte zwischen den Konturen der Flottille hervor. Keel’o zögerte, senkte gar seinen Arm etwas, während sein Blick an dem bewegten Bild vor ihm hängen blieb. Sein Brustkorb wurde von einem merkwürdigen Gefühl durchfahren, beinahe so, als würden seine Lungen leichter werden und für einen Moment musste er seinen Atem beruhigen. Das war es also, wofür er kämpfte. Das war es, was auf dem Spiel stand. Wenn Corefields Bestrebungen schon zu fortgeschritten waren, wenn sie schon in der Endphase ihrer Planungen waren oder gar bereits erste Schiffe losgeschickt hatten… Er hob wieder den Arm, diesmal deutlich langsamer, schloss den Schlauch an seinen Anzug an und schloss beruhigt die Augen, als die erfrischende Nässe seine Haut bedeckte. Sein Anzug hatte automatisch den Kopfteil versiegelt, sodass nur das Gesicht gewaschen wurde, doch für den Moment musste das ausreichen. Nach einigen kurzen Momenten deaktivierte Keel’o den Zufluss und entfernte den Schlauch wieder, um das gebrauchte Wasser in die Wiederaufbereitung seines Schiffs zurückzuleiten. Dabei warf er einen letzten Blick auf den Bildschirm, der noch immer zeigte, wie die Flottille langsam, ja wahrhaft majestätisch an dem Stern vorbeischob, und sich schließlich abwenden wollte, als ein Knirschen ihn aufhorchen ließ, welches das gesamte Schiff durchfuhr. Einen Lidschlag später fiel die gesamte Beleuchtung aus und Keel’o verharrte in seiner Bewegung.
    „Eve?“
    „Hauptstromversorgung gestört, Notstromaggregat aktiviert“, surrte die Stimme, als die Schwärze verschwand, gleichzeitig jedoch das normalerweise helle Weiß der Innenbeleuchtung durch ein kühles, dunkles Blau ersetzt wurde.
    „Was geht hier vor?“ Keel’o bewegte sich zügig aus dem Bad heraus, beziehungsweise versuchte dies, um dann jedoch an der Türverriegelung zu scheitern. Er vergaß: bei Versorgung durch den Notstrom schalteten die Türen um auf manuellen Betrieb.
    „Zwei Eindringlinge. Kroganer, mittlere Bewaffnung. Sie versuchen, die Hauptschleuse zu öffnen.“
    Keel’o schluckte schwer, unterdrückte dabei einen Fluch und joggte über die Lounge zu der Treppe, die hinauf in sein Schlafzimmer führte. Pekat war also doch nicht dumm genug, seine Männer gegen die Progress zu schleudern und in einer Materialschlacht zu verheizen, sondern der Schlange direkt den Kopf abzuhacken…
    „Gegenmaßnahmen einleiten!“
    „Bitte warten… Fehler: Verbindung zur Steuereinheit blockiert. Versiegelung eingeleitet.“
    „Verdammte Scheiße!“, rief Keel’o aus und lockerte seine Krawatte. Die Kroganer hatten sich ein Virus besorgt und es zum Knacken der Zugangskonsole benutzt. Eve konnte sie jetzt nur noch vom Hauptsystem abschotten, doch das würde sie gewiss nicht lange aufhalten. Ein Klimpern war auf der anderen Seite zu hören und sogleich blitzte ein weißes Licht zwischen den beiden Schiebetüren auf. Ein Schweißbrenner… wer sagte es denn?
    „Strukturelle Integrität der Hauptschleuse beeinträchtigt, Kontamination bevorstehend“, meldete Eve, während Keel’o mit der Faust auf einen Schalter an der Wand schlug. Zischend flog eine kleine Platte von einer Stütze der Treppe, um dahinter eine Maschinenpistole vom Format Locust zum Vorschein zu bringen. Keel’o zog die Waffe aus der Vorrichtung, kontrollierte hastig ihren Ladezustand und steckte sich ein paar Thermoclips in die Hosentaschen, als ein gefährliches Zischen hinter ihm sein Herz gefrieren ließ. Er drehte sich um und sah, wie zwei kroganische Hände in dem kleinen Spalt zum Vorschein kamen und die beiden Stahlplatten gefährlich schnell zur Seite schoben. Ohne lange zu zögern hastete Keel’o in die Küche, wo er sich hinter dem Tresen versteckte und vorsichtig hervorlugte. Mit einem lauten Knallen rasteten die zwei Teile der Tür ein und die beiden Kroganer betraten die Lounge. Der Vordere der beiden aktivierte das Licht an seinem Helm und schwenkte mit dem Leuchtkegel durch den Raum, wobei er das Sturmgewehr stets im Anschlag hatte, während sein Weggefährte hinter ihm ganz unruhig zu sein schien. Zehn nautische Meilen gegen den Wind, hätten sie denn noch eine Relevanz gehabt in der Entfernungsmessung seiner Zeit, hätte Keel’o sagen können, dass es sich bei dem Ungeduldigen um Pekat handelte, der es wohl kaum erwarten konnte, den Quarianer zu häuten – und zwar zweimal.
    „Nun beweg schon deinen fetten Arsch“, raunte er und schob den anderen beiseite. Markant trat das Abzeichen des Blood Pack auf ihren Schultern zum Vorschein und der Quarianer schluckte erneut. Der Griff um seine MP versteifte sich, doch der Infobroker zwang sich zur Ruhe. Ein Plan musste her und zwar schnell.
    „Pekat, wir können hier nicht einfach reinrennen, ohne-“
    „Was soll die Ratte schon machen? Der ist doch eine halbe Portion, die ohne seine Soldaten keine halbe Minute durchhält. Hab ich Recht, Keel? Komm endlich raus und zeig dich, du Feigling!“
    „Ich sehe in der Küche nach“, brummte der Geduldigere und Keel’o fluchte innerlich. Hastig zog er sich hinter den Tresen zurück. In seinem Kopf rasten die Gedanken wie auf den Highways Illiums. Im direkten Kampf gegen die zwei Kroganer hatte der Quarianer keine Chance. Innerhalb von Sekunden hätten sie ihn erledigt. Nein, er musste es geschickter anstellen… ein Plan begann zu reifen und Keel’o sah hinab auf seinen Schoß, schloss die Augen, um besser horchen zu können. Das Licht hatten sie ja praktischerweise schon für ihn abgeschaltet.
    „Er muss hier irgendwo sein. Schließlich hat er seinen Zwirn hier rumliegen lassen.“ Wütend biss Keel’o die Zähne zusammen. Das ist feinstes Leinen von Thessia, du Barbar, waren Keel’os Gedanken, die er jedoch nicht aussprach.
    Plötzlich klimperte es neben ihm und erschrocken sah er zur Seite: die Zylinder, aus denen er am Morgen noch Wasser getrunken hatte, waren durch seine Bewegungen ins Rollen geraten und vom Tresen gefallen. Der Kroganer, mittlerweile im Türrahmen angekommen, grunzte und entsicherte hörbar sein Gewehr.
    „Komm raus“, murmelte er, bekam jedoch keine Reaktion, „komm endlich raus, du verdammte Anzugratte.“
    Keine Reaktion. Der Kroganer machte zwei langsame Schritte nach vorne, hielt dabei mit seiner Helmlampe stets auf den Tresen und das Gewehr im Anschlag. Zwei weitere Schritte, doch noch immer konnte er nichts sehen. Gerade als er wieder nach vorne gehen wollte, kam Keel’o hinter seinem Versteck hervorgeschossen. Eine Bewegung seiner linken Hand ließ das Echsenalien die Kontrolle über seinen Waffenarm verlieren und erbarmungslos wurde er samt Sturmgewehr von der biotischen Energie brachial nach hinten gerissen. Zu den aus Reflex gelösten Schüssen, die jetzt irgendwo hinter ihm einschlugen und Pekat einen herben Fluch entlockten, gesellte sich ein kroganischer Schmerzensschrei. Die unnatürliche Verdrehung seines Armes raubte dem Kroganer Stabilität an der Waffe und so konnte ihm der entstandene Rückstoß mühelos das Handgelenk brechen. Keel’o drehte sich aber bereits auf dem Absatz zur Seite, aktivierte in der Drehung seine Omniklinge und nutzte den Schwung seiner Bewegung, um mit der Nahkampfwaffe den Helm des kroganischen Söldners zu durchtrennen. Ein feuchtes Blubbern bestätigte ihm, auch noch den Hals erwischt zu haben und die freie Hand des Echsenaliens schoss sogleich an die in regelmäßigen Abständen herausspritzende Fontäne. Keel’o, der mit seiner Bewegung neben dem Türrahmen zum Stehen gekommen war und somit den Kroganer von der Seite angreifen konnte, wusste jedoch, dass dies nicht genügen würde und löste aus nächster Nähe einige Salven aus seiner MP. Zusammen mit Pekats Schrotflintensalven, die der Gangboss ungezielt und mehr aus Wut, denn aus taktischer Weitsicht in Richtung Küche abgab, zerfetzte es den Kroganer regelrecht, dessen Schilde gegen die Nähe Keel’os und das Kaliber Pekats keine Chance hatten. Nummer Eins hatte er erledigt, doch lange freuen konnte sich der Quarianer über seinen Sieg nicht, denn das wütende Schnauben und Brüllen des zweiten Kroganers kam immer näher und das bedrohlich schnell. In seiner blinden Wut stieß Pekat den noch stehenden, aber bereits wankenden Leichnam seines Lakaien um, riss dabei Keel’o mit, der wie ein weggeworfenes Spielzeug über den Boden polterte. Pekat seinerseits unterschätzte den mitgenommenen Schwung, sodass er direkt in eines der Regale gekracht war. Die Sekunden, die der Kroganer benötigte, um sich selbst wieder zu orientieren und von den Glasscherben zu befreien, nutzte Keel’o, um sich wieder aufzurichten und gen Lounge zu flüchten. Pekat schaffte es noch, ihn am Kragen festzuhalten und zurück zu werfen, Keel’o den Boden unter den Füßen wegzureißen und ihn mit einem ohrenbetäubenden Schrei irgendwo zwischen Herd und Kühlschrank aufschlagen zu lassen. Sterne tanzten vor seinen Augen und der flache Atem des bewusstlos werdenden Quarianers beschlug von der Innenseite sein Visier. Zum zweiten Mal an diesem Tag flackerten etliche Fehlermeldungen über die Scheibe und zum zweiten Mal stellte er erleichtert fest, dass zumindest kein Riss im Anzug vorhanden war. Pekat stampfte jedoch noch weiter auf ihn zu, dabei durch die Enge der Küche und seine eigene Größe stark eingeschränkt, wobei er eine ganze Fülle von kroganischen Flüchen auf den Infobroker niederließ.
    „Von dem Tag an, als wir uns das erste Mal gesehen hatten, wusste ich schon, dass du Ärger bedeuten würdest, du schleimiges Arschloch“, keifte der Gangboss und schleuderte einen Stuhl beiseite, der ihm im Weg stand. Bei Keel’o angekommen, zog er diesen an seinem Kragen in die Höhe und funkelte ihm direkt in die Augen. Da der Kroganer den Helm abgelegt hatte, konnte Keel’o direkt in die goldgelben Reptilienaugen blicken, die ihn voller Hass und Wut anblitzten.
    „Ich werde dich hängen lassen. Nackt und völlig ausgeblutet, sollten meine Viecher noch etwas von dir übrig lassen, wirst du an Omegas höchster Laterne baumeln, nachdem ich dich persönlich über die Straßen geschliffen habe.“
    Keel’o antwortete nichts. Er fühlte sich matt, kraftlos und besiegt. Keine seiner Extremitäten schien noch auf einen seiner Befehle hören zu wollen, die aus seinem Gehirn gefeuert wurden und zu den Sternen vor seinen Augen gesellte sich eine hartnäckige Schwärze, die sein Sichtfeld vernebelte. Er sträubte sich dagegen, aufzugeben oder einzuknicken, doch sein Körper wollte und konnte nicht mehr. Dann machte Pekat einen Fehler: er sprach weiter.
    „Und wenn du erst einmal weg bist, dann werde ich jeden Quarianer einzeln jagen und zur Strecke bringen, die hier auf Omega auch nur einen Fetzen ihres Umhangs zeigen. Deine Zeiten sind vorbei, Q. Es wurde Zeit, dich endlich zu beseitigen.“
    Keel’o knirschte die Zähne in seiner Wut und erwiderte jetzt den hasserfüllten Blick, anstatt einfach nur in seinem Glanz zu versinken. Nein, er konnte nicht sterben. Nicht jetzt und nicht hier, erst recht nicht so. Das würde er diesem Penner nicht gönnen, niemals. Keel’o zog den Abzug seiner MP bis zum Anschlag durch und innerhalb weniger Sekunden ertönte das markante Piepen des Thermoclips, der nach den unzähligen Schüssen, die wirkungslos im Boden eingeschlagen waren, völlig überfordert gewesen war. Pekat hatte kurz zur Seite gesehen und lächelte Keel’o jetzt kalt an.
    „Du kleines Häufchen Elend, sieh dich an… erbärmlich.“
    Der Quarianer ließ sich nicht großartig ablenken und aktivierte sein Omnitool. Mit einem lauten Knistern überluden die Schilde Pekats, doch anstatt zurück zu torkeln, hielt dieser den Griff um Keel’o fest gedrückt, verstärkte ihn sogar noch, um gegen die elektrischen Schocks ankämpfen zu können. Durch den Kontakt übertrugen sich die Schocks auch auf Keel’o, dessen Muskeln verkrampften und sich hoffnungslos versteiften. Ein rauer Schmerzensschrei war das einzige, was der Infobroker noch hervorbekam, als er gegen die Bewusstlosigkeit ankämpfte, den Schmerz zu unterdrücken versuchte, doch dabei hoffnungslos scheiterte. Er spürte jede Ader in seinem Körper und es fühlte sich an, als würden sie mit Eiswasser gefüllt einzeln herausgezogen werden. Eine einzelne Träne kullerte über Keel’os Wangen, der vor den ganzen Fehlermeldungen auf seinem Display die Augen zusammenkniff, doch selbst die Schwärze seiner Lider half nicht. Bilder von Freunden tauchten vor seinem inneren Auge auf; von Rin neben Zak, der sich lässig eine Zigarette anzündete und ihm zulächelte; von Megan, die mit zwei Fingern einen lässigen Salut andeutete; von Yviela, die erwartungsvoll und beinahe flehend ihren Kopf hob.
    Entschlossen riss Keel’o die Augen wieder auf, verstärkte den Stromstoß über sein Omnitool noch einmal, was Pekat endlich den Griff lösen ließ. Keel’o fiel zu Boden, schaffte es jedoch, auf den Beinen zu bleiben – genau wie sein kroganisches Gegenüber. Der Gangboss funkelte ihn an, lachte dann zwar sichtlich erschöpft, jedoch höhnisch.
    „Niedlich. Ich werde dich zerquetschen wie eine Fliege.“
    „Du bist noch immer so blöd wie damals“, erwiderte Keel’o verächtlich und hob seine Locust. Pekat hatte gerade genug Zeit, seine Augen beim Anblick des glühend heißgeschossenen Laufs erschrocken zu weiten, ehe Keel’o das Rohr mit einem Zischen im rechten Echsenauge versenkte. Ein schmerzerfülltes Jaulen durchdrang die Küche und Keel’o nutzte den Moment, als Pekat seine Hände erschrocken auf sein völlig zerfetztes Auge drückte und quasi blind umherstolperte. Der quarianische Infobroker duckte sich unter einem Arm weg und flüchtete aus der Küche, weg von den Flüchen und Schreien des Kroganers und nach vorne zum Cockpit, wo die Steuerungseinheiten des Schiffs untergebracht waren. Blind torkelte der Kroganer ihm hinterher, vor Wut brüllend und die Schrotflinte in einer Hand haltend auf den Quarianer richtend, doch die ungenau abgefeuerte Salve schlug wirkungslos neben Keel’o in der Wandverkleidung ein. Der Quarianer konzentrierte sich auf eine Couch der Lounge, bündelte seine biotische Energie um sie herum und riss seinen Arm rabiat zur Seite. Angestrengt schrie er auf, den Schweiß auf der Stirn spürend, doch viel mehr, als das Möbelstück kraftlos über den Boden zu schieben, brachte der Quarianer nicht zustande. Pekat rempelte es an, verlor das Gleichgewicht und fiel auf die Knie, was Keel’o wiederum Zeit verschaffte, durch sein Büro ins Cockpit zu flüchten. Hektisch riss er die Tür wieder zu, wobei er gerade noch erkennen konnte, wie sich Pekat aufrichtete, dabei die Schrotflinte in den Boden rammte, um sich darauf abzustützen. Diese Tür würde ihn nicht lange aufhalten, also musste sich Keel’o beeilen. Hektisch nahm er vor der Kontrollkonsole Platz, legte dabei die Locust neben sich auf dem Tisch ab und begann schließlich damit, ein Diagnoseprogramm zu starten.
    „Eve, Statusbericht! Wie kann ich die Energieversorgung wieder herstellen?“
    „Ich habe die Schadsoftware bereits aus dem System entfernt. Um jedoch die Energieversorgung wiederherstellen zu können, müssen meine Sicherheitsroutinen neugestartet werden. Dieser Vorgang kann einige Minuten dauern.“
    „Bosh’tets“, raunte Keel’o wütend und tippte die entsprechenden Befehle über die Benutzeroberfläche ein, als ein Krachen an der Tür zu hören war.
    „Komm raus, Keel“, tönte es von der anderen Seite, ehe Pekat erneut gegen die Tür schlug, „oder ich komme rein!“
    Erschrocken blickte der Quarianer auf, warf einen hastigen Blick zur Tür, ehe er sich wieder der Diagnose widmete.
    „Beende Hintergrundprogramme“, las er leise die Meldung auf dem Bildschirm vor, „Neustart initialisiert.“ Die Anzeige wechselte zu einem Ladebalken und Keel’o seufzte. Jetzt musste er nur noch durchhalten, doch Pekat machte mit einem weiteren Schlag deutlich, dass dieser ihm wohl nicht die benötigte Zeit geben würde. Die Anzeige auf dem Bildschirm beruhigte den Quarianer auch nicht gerade.

    Systemneustart
    |----------
    Bitte warten.

    Ein weiterer Schlag gegen die Tür. Keel’o biss sich auf die Lippe, griff nach seiner Locust und gab ein paar Schüsse durch den bisher entstandenen Spalt ab, welche jedoch nur in höhnischem Gelächter und sehr unangenehm klingenden Drohungen von der anderen Seite resultierten.

    Systemneustart
    ||---------
    Bitte warten.

    Keel’o konnte hier nicht bleiben, er hatte einfach nicht genug Zeit. Doch wohin? Durch die Tür konnte er nicht, denn um Pekat in die Arme zu laufen, war er noch nicht suizidgefährdet genug. Keel’o fasste einen Entschluss, der jedoch ähnlich waghalsig war: er ging zu einer Luke, die eigentlich nur für den Notausstieg gedacht war. Dass es sich in diesem Fall jedoch um eine Notsituation handelte, wagte wohl niemand zu bestreiten, doch Keel’o schien diese Maßnahme doch etwas verzweifelt. Er griff nach dem Hebel direkt neben der Luke, ein markant rot-gelber Kunststoffverbund, der mit Warnzeichen und Anweisungen in sämtlichen Sprachen versehen war. Mit einem Ruck riss er ihn zur Seite und die Hydraulikschlösser, die einzigen Türvorrichtungen, die selbst bei Notstromversorgung noch funktionierten, schoben die schwere Luke mit Mühelosigkeit innerhalb eines Lidschlags zur Seite. Sofort wurde sämtliche Luft hinaus in das Vakuum des Alls gesaugt und Keel’o ergriff, dabei gegen den Sog ankämpfend, die Streben, über welche er nach draußen klettern konnte.

    Erschöpft zog sich Keel’o aus dem kleinen Schacht heraus, der an der Außenhülle seiner Yacht auf Höhe des Cockpits mündete. Er aktivierte die Magnetisierung seiner Stiefel und setzte erst den rechten, dann den linken auf, welche sich mit einem seichten Klicken an der Hülle quasi festsaugten. Keel’o sah sich für einen Moment um. Die Yacht war bereits abgedockt und von den Haltehaken gelöst, sodass sie quasi hilflos durch das All trieb. Die Kroganer mussten den richtigen Zeitpunkt abgewartet haben, ehe sie eindrangen, damit das Schiff zwar vom Rest der Station abgeschnitten, jedoch noch nicht außer Reichweite war. Über Keel’os Kopf erstreckte sich der Sternenhimmel, während sich Omega auf der einen Seite Meter um Meter von der Yacht entfernte.
    „Eve… Eve!“, funkte Keel’o über die Kommunikationssysteme seines Helms, doch die VI antwortete nicht. Natürlich tat sie das nicht, schließlich wurde sie gerade neugestartet. Keel’o fluchte leise und humpelte Richtung Heck des Schiffes, weg von dem Notausstieg, den die Asari in ihrer Umsicht und Rücksicht auf andere Kulturen auch für Kroganer breit genug gemacht hatten. Seine Krawatte schwebte dabei schwerelos vor seinem Visier und durch die magnetisierten Stiefel fielen dem ohnehin schon angeschlagenen Quarianer sämtliche Bewegungen noch schwerer. Er strauchelte, stützte sich mit der Hand auf der silber-glatten Oberfläche des Schiffes ab und übergab sich in seinen Anzug. Eine gelbliche Anzeige leuchtete auf, die die Konturen eines quarianischen Männerkörpers zeigte und daneben eine Schnelldiagnose auflistete. Sein Puls war erhöht, genau wie der Blutdruck. Er hasste es, Biotik einzusetzen, denn schon bei der geringsten Anstrengung machte sein Körper schlapp – und eine Couch durch die Lobby zu fetzen war für ihn schon ein halber Marathon. Völlig entkräftet sah Keel’o zur Seite, in Richtung des Asteroidenfeldes, in welches die Yacht stürzen würde, wenn nicht bald etwas geschehen würde Als wäre das nicht schon schlimm genug, kletterte auch noch Pekat aus der Luke auf Höhe des Cockpits. Der Kroganer hatte sich eine Atemschutzmaske über das Gesicht gespannt, sodass Keel’o ohne Probleme das hämische Grinsen der Echse sehen konnte, als jene mit der Schrotflinte auf der Schulter auf ihn zugeschlendert kam.
    „Eins muss man dir lassen, Keel. Du bist ein ziemlich zähes Bürschchen“, der Kroganer lud seine Schrotflinte durch und legte auf den Quarianer an, „aber du bleibst ein Schwächling.“
    Keel’o sah für einige Augenblicke, die ihm selbst wie eine Ewigkeit vorkamen, beinahe etwas verträumt dem ausgeworfenen Thermoclip nach, der neben Pekat ins All hinaus schwebte, ehe er geradewegs in den Lauf vor ihm starrte und in seinem Hirn sofort der Ausnahmezustand auszubrechen begann. Tausende Gedanken schossen ihm durch den Kopf, doch keiner wollte so wirklich zur Lösung des Problems beitragen. Er senkte den Blick. Im Gegenteil, er begann über völlig banale Dinge nachzudenken, die ihm kein Stück weiterhalfen. Wird Zak ihn rächen wollen? Selbstverständlich würde er das. Doch dann? Ihn beisetzen? Hatte er mit ihm überhaupt schon einmal darüber gesprochen, wie er bestattet werden wollte?
    „Willst du mir noch etwas sagen, bevor ich dir das Visier zertrümmere?“
    Keel’o sah erschrocken auf. Pekat stand noch unverändert vor ihm und das anfängliche Stimmengewusel im Kopf des Quarianers wich einem Gebrüll, einem Schrei, der unisono erklang, jedoch aus tausenden von Stimmen bestand. So schlagartig wie er kam, verstummte dieser Schrei aber auch wieder, als Keel’o seine Rettung erblickte. Ein Ausweg aus dieser Situation. Die Lösung seiner Probleme. Er lächelte.
    „Guten Flug.“
    Der Kroganer runzelte die Stirn und legte seinen Kopf schief. Erst als der Schatten der Bolter sich über ihm abzeichnete, dämmerte es der Echse und sie drehte sich langsam um, nur um geradewegs in den Lauf der Bordkanone des kleinen Jägers zu starren, der sich nun zwischen das Zentralgestirn und Keel’os Yacht geschoben hatte. Der Blickkontakt hielt nur für eine kurze Sekunde, ehe ein gleißender, eisblauer Strahl aus der Waffe abgeschossen wurde und den monströsen Kroganerkörper regelrecht zerfetzte. Das Geschoss hingegen flog ungebremst weiter und schlug einige hundert Meter entfernt in einen Asteroiden ein, der in dutzende kleinere Fragmente gesprengt wurde. Keel’os Atem bebte und nur langsam senkte der Quarianer den zum Schutz erhobenen Arm. Das einzige, was noch von dem Eindringling zeugte, war ein Paar kroganischer Füße, die von den Knien aufwärts vom Körper gerissen waren, unverändert dastanden und aus den Wunden leicht rauchten.
    „Nie kann ich dich mit den anderen Kindern spielen lassen“, kam es aus dem Jäger, als Keel’o die Fußstumpen wegkickte und damit dem restlichen Körper in Richtung Asteroidenfeld hinterherschickte.
    „Ab zur Progress, Megan. Jetzt“, der Jäger drehte ab und Keel’o seufzte, „und… gute Arbeit.“
    Mit einem Ächzen hob er wieder seine Locust auf, die er in seinem kopflosen Umhertorkeln auf seiner Yacht fallen gelassen hatte, um sich unter ähnlichen Lauten wieder durch den Notausstieg zu zwängen. Ihm selbst kam dieser schon sehr eng vor, also wollte er gar nicht erst wissen, wie sich ein Kroganer wohl darin fühlen würde; geschweige denn, wie diese sperrigen Viecher überhaupt durch die Luke passen sollten, doch der Quarianer verschwendete keinen weiteren Gedanken daran. Wieder im Cockpit verschloss er die Luke und sah auf den Bildschirm, der ihm die frohe Kunde brachte, der Neustart der VI sei abgeschlossen. Er gab sein Masterpasswort ein und reintialisierte Eve, was zeitgleich zur Folge hatte, dass die bläuliche Notbeleuchtung dem normalen Weiß wich.
    „Neustart abgeschlossen, Sicherheitsroutinen überprüft. Die Systeme der Callisto sind sauber und voll funktionsfähig, Captain. Warnung: Innenraumkontamination festgestellt.“
    „Bring uns zum Sahrabarik-Relais, Eve“, seufzte Keel’o und glitt durch den Spalt, den Pekat durch die Cockpittüre gedroschen hatte, „und lüfte mal das Schiff. Ich will gar nicht erst wissen, was dieser Barbar alles auf seiner Rüstung mit sich herumgeschleppt hat.“
    Geändert von Keel'o Vaelsha (29.07.2012 um 18:39 Uhr)

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    Und so ließ Keel’o Omega hinter sich. Noch auf dem Weg zum Sahrabarik-Relais schloss er mit der Raumstation ab, wie wir nun mit dem Prolog dieser Geschichte abschließen können, wenn man so wollte. Zu schade eigentlich, dass Keel’o die Ironie hinter dieser Formulierung zu jenem Zeitpunkt nicht sehen konnte, wenn man bedachte, wie die Geschehnisse auf Omega seinen Weg noch weit jenseits des Massenportals beeinflussen sollten.

    Vor einem Panoramafenster stand Keel’o, noch immer ohne Sakko, dafür jedoch in frischer Wäsche, und sah mit einer Hand in der Hosentasche hinaus auf das Sternensystem Omegas, das er gerade dabei war, zu verlassen. Das gesamte Schiff umgab eine friedliche Stille, die auch der einzige Passagier nicht gedachte zu brechen, als er das Getränk mit der freien Hand zum Mund führte und einen kräftigen Schluck daraus nahm. Es war ein fruchtiger Longdrink, der seinen Ursprung auf Illium hatte und dort relativ rasch an Popularität gewonnen hatte, bis er sich als ein wahres Markenzeichen der Handelswelt etabliert hat. Besonders angetan hatte es ihm dabei eine Variation, die überwiegend im Solaris, einer Lounge, dessen Besitzer im Übrigen ebenfalls das Eternity betrieb, ausgeschenkt wurde und dabei von den örtlichen Bardamen um einen Schuss Zitronensaft, Rohrzucker und einem minzähnlichen Kraut, dessen salarianischen Namen Keel’o bis heute nicht korrekt aussprechen konnte, erweitert wurde – alles natürlich als gespiegeltes Derivat, verträglich für Quarianer und Turianer. Leider hatte er die entsprechenden Zutaten nicht an Bord, weshalb er sich mit der Standard-Version begnügen musste; eine Schande, wenn man seine Verfassung – geistig, wie körperlich – in Betracht zog: geschunden von der Auseinandersetzung mit Pekat und seinem Handlanger, dessen letzte Überreste nur noch in Form von halbtrockenen Blutlachen in Keel’os Küche von seinem Aufkreuzen hier zeugten, und in Aufruhr ob der Unverschämtheit, mit der Corefield seinem Volk quasi den Krieg erklärt hatte. Die sonst so omnipräsente Ruhe in seinem Geist war vertrieben worden durch ein Gefühl der Entrüstung, das von dem Infobroker Besitz ergriffen hatte; ein Zustand, der es Keel’o schwer machte, klare Gedanken zu fassen. Er wollte Corefield schaden, ihnen wirklich weh tun und wenn es nur das bloße in die Luft jagen eines unbedeutenden Lagerhauses war. Tief atmete der Quarianer ein, umso tiefer wieder aus, doch es half nicht viel, verschleppte den drohenden Wutanfall nur in die Zukunft, anstatt seine emotionale Kühle wieder die Oberhand gewinnen zu lassen. Langsam und beinahe majestätisch baute sich das Massenportal im Panoramafenster auf und Keel’o nahm einen weiteren Schluck seines Drinks. Nicht unweit des Portals, durch das gerade ein großer Transporter ins System gesprungen war, lag eines der Tankdepots, die wie gigantische Raststätten entlang der Massenportale und anderer, stärker besuchter Systeme verstreut lagen und den Fahrern gigantischer Frachtzüge, wie ebenjener, der gerade das Sahrabarik-System betreten hatte, eine Verschnaufpause auf ihren monatelangen Touren gönnten. Auch der Güterzug vor ihm, im Grunde genommen nur eine nicht enden wollende Aneinanderreihung von Frachtraummodulen, an deren Spitze das Cockpit und die Mannschaftsmodule angebracht waren, drehte in Richtung des Rastplatzes ab, um sich zu seinen Kollegen und Leidensgenossen zu gesellen, die ihrerseits bereits an entsprechenden Halteankern geparkt hatten und vermutlich jetzt im Diner saßen und ihren batarianischen Kaffee tranken. So automatisiert und autonomisiert man diese gigantischen, bis unter die Decke mit Waren aller Form und Farbe vollgestopften Frachtzüge auch hatte, ständig auf Tour zu sein, „on the road“ sozusagen, und dabei nur die Gesellschaft einer Hand voll Crewmitglieder (wenn überhaupt) zu haben, das zehrte an Jedermanns Nerven – sogar an jenen der Quarianer, die aber wiederum über den „großen Luxus“ verfügten, in Form der Flottille doch irgendwie stets in Gemeinschaft zu reisen.
    „Zielkoordinaten übermittelt, Annäherungssequenz hat begonnen“, kommentierte Eve den Beginn des Sprungvorgangs, als sich die Yacht noch vor der Progress dem Portal näherte, „Sprung in drei, zwei, eins.“ Dann kam der Lichtblitz.
    Es war immer wieder ein Erlebnis für Keel’o, über Massenportale zu springen. Obgleich er in seinem Leben bereits öfter mit den mysteriösen und gigantischen Überresten protheanischer Technologie gereist war, ergriff ihn stets aufs Neue das Gefühl des Staunens und der kindlichen Freude, wenn er das Tanzen der Lichter um sein Schiff herum beobachten konnte, das eingebettet in eine blau-rötliche Blase wie ein unsichtbarer Lichtblitz jenseits der lange Zeit für unüberwindbar gehaltenen Grenze von c, der Lichtgeschwindigkeit, durch die Galaxis schoss. Der Sprung dauerte keine zwei Sekunden und doch kam es Keel’o wie eine Ewigkeit vor. Die Lichtspiele um den Rumpf seines Schiffes, welche elegante Schweifen wie gigantische Weltraumschwalben hinter sich herzogen, nur um sich dann wie der Staub im Schweif eines Kometen rieselnd zu verlieren, zogen ihn in ihren Bann; es war sein ganz persönlicher 4. Juli, mit dem er schließlich in Illium ankam.

    Es war ein Unterschied wie Tag und Nacht. Während im Sahrabarik-System hier und da sporadisch das ein oder andere Schiff umherflog, meist nur ein einzelnes und mit Kurs auf Omega, florierte der Orbit um Illium geradezu. Die Triebwerke und Leitstrahler gigantischer Frachter, umschwirrt von kleineren Jägern und Yachten, erhellten den Orbit um den Planeten und tauchten ihn in ein Licht, das wie die Milchstraße am sternenklaren Himmel eher wie ein Sternenhaufen aussah, als das Verkehrskreuz einer vergleichsweise kleinen Handelswelt. Dutzende Shuttles zischten an Keel‘o auf dem Äquivalent einer Überholspur vorbei und seine Yacht näherte sich dem ersten Checkpoint, einer kleinen Raumstation, die sich in etwa dort im Orbit des Planeten befand, wo in der Regel ein Mond kreiste. Eve begann automatisch mit dem Übersenden seiner Daten, mit deren Hilfe die Hafenbehörde der Yacht einen geeigneten Anlegeplatz geben konnte.
    Langsam schob sich die Progress an Keel’os Yacht vorbei und der im Vergleich zu Keel’os Yacht gigantisch wirkende Kreuzer tauchte das Schiff des Quarianers in tiefen Schatten, als er sich zwischen die Yacht und den Fixstern des Systems, Tasale, schob. Er fühlte sich wie ein kleiner Fisch in einem Meer voller größerer Ungeheuer wie etwa diesem Wal namens Progress, die geschäftig um ihn herum trieben und das Wasser so mit Leben füllten. Keel’o hatte ganz vergessen, was für ein Gefühl es war, am Puls der Zivilisation zu leben.
    „Wie willst du weitermachen?“, meldete sich Zak über Funk und Keel’o nahm nachdenklich einen Schluck aus seinem Getränk.
    „Wir legen vorerst in einem Trockendock an und ich komme zu dir hinüber, um die Flottille zu kontaktieren. Alles weiter regeln wir dann.“
    Zak war einverstanden damit. Sein Kreuzer war zu groß, um auf einer Welt wie Illium landen zu können, weshalb er auf besagtes Trockendock im Orbit des Planeten angewiesen war. Von dort war es ein leichtes, mit Shuttles auf Illium zu landen, doch es bedeutete trotzdem einen Umstand für beide. Wenn jedoch erst die quarianische Mission im Tasale-System ankommen würde, so würden sie wohl ohnehin die meiste Zeit auf einer quarianischen Diplomatenfregatte verbringen, um dort die Situation zu analysieren. Keel’o straffte seine Haltung und richtete die Krawatte. Es lag viel Arbeit vor ihnen und noch dazu alles andere als einfache. Es würde eine Zerreißprobe für ihrer aller Nerven sein, doch Keel’o war gewillt, sich dieser Probe zu stellen – und sie zu bestehen. Vielleicht würde dann der entscheidende Ruck durch die Geister seines Volkes gehen, um diese zum Umdenken zu bewegen, sie in eine sichere Zukunft zu bringen. Unter Umständen war Keel’o gerade an einem Hebel, an einem sehr, sehr mächtigen Hebel, der seine gesamte Zivilisation auf entscheidende Weise lenken konnte – er begann erst jetzt und das auch nur in sehr kleinen Schritten sich dieser Verantwortung, aber auch der daraus resultierenden Macht bewusst zu werden. Es war ein erhabenes, gar majestätisches Gefühl, doch schlich sich dazu die gewohnte Nervosität, das mulmige Gefühl im Magen, welches er immer vor großen Deals hatte, egal, wie kühl und kalkuliert seine Gedanken auch seien mögen. Er grinste. Es war ein gutes Zeichen, vor allem dafür, dass er den Boden nicht unter den Füßen verloren hatte. Oh, wie sehr er sich doch irren sollte.

    „PSY Callisto, hier Flight Control Dry Bay Yankee Niner. Vorsicht, wir erfassen Sie nun mit unserem Leitstrahl zur automatischen Landeunterstützung. Übermitteln Sie bitte Ihre persönliche Kennung, um den Vorgang fortzusetzen.“
    „Guten Tag, Flight Control“, antwortete Keel’o, der sich mit einem letzten Schluck aus seinem Getränk an jenes Terminal setzte, an welchem er noch vor ein paar Momenten verzweifelt versucht hatte, Eve neuzustarten und von diesem aus seine Kennung übermittelte. Den alkoholischen Drink stellte er dabei in sicherer Entfernung ab, nicht dass eine ungeschickte Bewegung noch das ganze Terminal vollsaute. Don’t drink and drive, ja ja. In Zeiten von Autopiloten und VIs war dies kaum mehr als eine Floskel, auch wenn noch immer drakonische Strafen auf das betrunkene Fahren eines Shuttles im Straßenverkehr ausgesetzt waren. Keel’o juckte es nicht großartig, da er ohnehin eher der Typ Person war, die sich fahren ließ.
    „Haben Ihre Kennung erhalten, PSY Callisto, Sie haben Landefreigabe. Willkommen im Tasale-System, Mister Vaelsha, und einen angenehmen Aufenthalt.“
    Zufrieden lehnte sich der Quarianer in dem Stuhl zurück, wobei ihm die eingedroschene Tür zwar auffiel, er jedoch bis auf einen leicht angefressenen Kommentar gedanklich nichts weiter hinzufügte, sondern die Minuten genoss, die ihm bis zum Andocken an das Trockendock blieben. Im Schiff selbst hatte man nichts von dem begonnenen Landemanöver bemerkt und man würde es wohl auch nicht, abgesehen von einem seichten Brummen und einem einzelnen, kaum merklichen Ruck, wenn die Yacht das Effektfeld der Station betreten und von den Landehaken erfasst werden würde, doch für Keel’o zählte im Moment nur, dort anzukommen und den Kopf etwas frei zu kriegen. Vorerst hatte er sein Schiff nur für einen kurzen Verbleib im System angemeldet, um im Falle eines weiteren Systemsprungs bei Ankunft der quarianischen Diplomaten flexibel zu bleiben, weshalb der ganze Papierkram über seine persönliche Kennung abgewickelt wurde. Ein Segen für den Quarianer, da er wohl weitaus wichtigeres im Sinn hatte, als einer asarischen Zollbeamtin vier Ausfertigungen ein- und desselben Formulars vorzulegen, in welchem er bestätigte, keine salarianischen Lebern an Bord zu haben. Manchmal fragte sich Keel’o ernsthaft, was in den Führungsriegen dieser Leute los war, dass man einen solchen Nonsens hervorbringen konnte. Andererseits stellte er dann immer wieder ernüchtert fest, dass es bei jeder anderen Regierungsorganisation exakt gleich ablief. Ein beruhigender Gedanke, teilweise zumindest.
    Schließlich erfassten die Haltehaken des Trockendocks die Yacht und obwohl Keel’o extra darauf geachtet hatte, ihm war der seichte Ruck nicht aufgefallen, während sich Zak per Funk meldete und seinem quarianischen Freund die Docknummer durchgab. Das Trockendock war sehr zweckdienlich aufgebaut und entsprach so gar nicht dem usus Illiums, dem Kommerz oder dem Kleinhandel großartigen Spielraum zu geben, sondern setzte in seiner Architektur vielmehr darauf, das Verladen von Waren und Personen schnellstmöglich und effizient durchzusetzen. Wo man sonst Geschäfte und Ladenketten, Eisdielen und Burgerstände, Wartehallen mit überteuerten Duty-Free-Shops oder weiträumige Sitzgelegenheiten erwartete, befanden sich in diesem Trockendock nur Lastenaufzüge, Stege, die von einem Dock zum nächsten führten und allerhand Büros, über welche die Logistik geregelt wurde. Man kam sich nicht wirklich wie in einem Trockendock für Privatpersonen vor, sondern eher wie in einer Spedition, einer Hafenbehörde, die an- und abreisende Piloten wie Container voll mit salarianischem Feigentabak verwaltete, sie also zu nicht mehr als einem Handelsgut degradierte, um der Effizienz und damit des Profits willen, versteht sich. Dieser Liebe zur Effizienz war es dann auch gedankt, dass Keel’o augenblicklich zur Anlegestelle der Progress fand und diese über eine große Luftschleuse sogleich betrat.

    ---> UWG – Kreuzer „Progress“

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