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    emergency induction port Avatar von Aquarius
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    Standard Westliches Waldgebiet

    Im westlichen Abschnitt des Brecilianwaldes spuken bereits erste Spähtruppen der Dunklen Brut.

  2. #2
    Newbie Avatar von Ceirinn Velaenor
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    < Ostagar

    Westliches Waldgebiet

    Tag 1 – Vormittag


    Ceirinns Lider öffneten sich mit einem zögerlichen Blinzeln. Das erste was sie nach ihrem Erwachen wahrnahm, war die Kälte, die sie nun noch schlimmer als in der vorangegangenen Nacht in ihrem Griff zu haben schien. Der gesamte Körper der Elfe erschien ihr eiskalt und unterkühlt, ihre Glieder waren klamm, ließen sich kaum bewegen und vor allem Finger und Zehen waren kaum noch zu spüren, während die Wirkung der eiskalten Luft auf ihren restlichen Körper durch die noch immer nicht getrockneten Roben nur noch verschlimmert wurde.
    Mit zitterndem Atem, der kleine Atemwolken in die kalte Luft blies, zog sie ihre ebenso zitternden Beine an den Körper, schlang ihre Arme um selbige und versuchte durch Reibung immerhin ein wenig Wärme in ihre klammen Finger zu bekommen. Dabei schmerzte jede einzelne ihrer Bewegungen, ein Nachhall der Strapazen der vergangenen Nacht. Erst jetzt wurde sie sich ihrer Umgebung vollkommen bewusst.

    Ihre Schlafstatt schien nichts weiter gewesen zu sein als der moosbewachsene Waldboden am Fuße eines großen Baumes, dessen Wurzeln den Untergrund durchzogen und der sich einige Meter gen Himmel erstreckte, bis seine Krone schließlich mit dem Blätterdach des restlichen Waldes verschmolz.
    Die Luft war nicht nur kalt, sondern auch noch immer feucht und das leicht gedämpfte Licht, sowie die grauen Wolken, die durch die lichten Stellen im Blätterdach auszumachen waren, boten nur weitere Anzeichen dafür, dass das Wetter es kaum gut mit ihnen meinen würde.

    Ceirinn blickte sich kurz suchend um. Um sie herum herrschte völlige Stille, nur in der Ferne ertönte undeutliches Vogelgezwitscher. Sie war umgeben von weiteren uralten hochgewachsenen Bäumen und einigen Büschen und Sträuchern, die ihre Sicht stark einschränkten. Doch abgesehen von der Natur und ihrer scheinbar so friedlichen Stille war da noch etwas… der Atem eines anderen Lebewesens.
    Ceirinn wandte den Blick ruckartig zur Seite. Darren lag nur einen Meter von ihr entfernt, halb an den Stamm des selben Baumes gelehnt mit geschlossenen Augen und gleichmäßigem Atem. Sein Gesicht wirkte noch immer fahl, erschöpft und das rotblonde Haar des Menschen wirkte nun im Licht des wolkenverhangenen Tages geradezu farblos. Es war erst sein Anblick, der Ceirinn wieder in vollem Ausmaß an die Ereignisse des vergangenen Tages erinnerte.

    Es war ein kalter, harter Stich, mitten in ihr Herz und sie schloss daraufhin geradezu reflexartig die Augen, wollte nicht daran denken, wollte sich nicht erinnern. Es war natürlich vergebens.
    Sie erinnerte sich an den Morgen des vergangenen Tages, den sie mit den anderen Magiern im Lager verbracht hatte. Sie hatten über die bevorstehende Schlacht gesprochen und über die dunkle Brut, aber hatten dabei keine allzu große Ernsthaftigkeit an den Tag gelegt, hatten versucht, die Stimmung nicht unnötig absinken zu lassen, war der Kampf doch so oder so unvermeidbar. Darren hatte einige spitze Bemerkungen über den König und die grauen Wächter gemacht, die ein kurzes Gelächter ausgelöst hatten, bevor einer der anwesenden Oberverzauberer sie an ihre Pflichten erinnert hatte und daran, den nötigen Respekt zu wahren.
    Sie hatten im Verlauf des Tages bei einigen Vorbereitungen für die Schlacht helfen müssen, aber im Grunde war für sie Magier nur wenig Arbeit angefallen. Ceirinn erinnerte sich daran, mit Ivianne, die sie bereits aus ihrer Zeit als Schülerin kannte durch das Lager gewandert war und dass einer der Soldaten des Königs, kaum dass er sie außer Hörweite glaubte vor seinen Kameraden darüber zu sprechen begann, dass man manche Elfen nicht in einen Turm zu stecken hätte, sondern besser ins nächste Freudenhaus. Sie hatten ihn nur ausgelacht und waren weitergegangen.
    Als die Schlacht näher rückte war auch die Anspannung unter den Menschen und Elfen im Lager gestiegen und unzählige von ihnen, darunter auch Ceirinn hatten den Worten der anwesenden Priesterinnen gelauscht und den Segen des Erbauers erbeten. Sie erinnerte sich noch genau daran, neben einem der Templer aus dem Turm gestanden zu haben, sein Name war Tarnas… sie hatte an diesem Abend gesehen, wie eine der Kreaturen ihm eine Axt in den Hals gerammt hatte und sein Blut über den Boden und die Umstehenden verspritzt worden war.

    Sie hatten erst kurz vor dem Beginn der Schlacht erfahren, welche Position sie innehaben würden. Ceirinn selbst war zusammen mit einigen anderen Magiern in den mittleren Reihen gestanden, es war vorrangig ihre Aufgabe gewesen, die Magier der dunklen Brut aufzuspüren und zu erledigen, bevor sie größeren Schaden anrichten konnten. Sie hatten ihre Aufgabe nach Beginn der Schlacht natürlich erfüllt, so gut es ihnen möglich war, bis sich das Blatt irgendwann gewendet hatte. Ceirinn hatte einen der anderen Magier sterben sehen, die anderen aus den Augen verloren, ebenso wie die Templer, die bei ihnen gewesen waren. Sie hatte sich der Brut erwehrt so gut es ging, hatte aber zusammen mit den restlichen Streitkräften des Königs immer weiter zurückweichen müssen. Irgendwann war sie dann auf Alryn und Darren gestoßen, die eben so planlos über das Schlachtfeld geirrt waren wie sie selbst… erst als Angus sie schließlich gefunden und unter sein Kommando gestellt und einige der Soldaten um sich geschart hatte, konnten sie sich wieder geschlossen gegen die Bestien stellen, doch es war ohnehin zu spät gewesen.

    Sie hatten versagt und waren geflohen… doch so viele andere hatten den Tod gefunden.
    Durch ihren Kopf rasten erneut die Bilder derer, die grausam von der dunklen Brut abgeschlachtet worden waren, Männer und Frauen denen man die Köpfe oder andere Gliedmaßen abgeschlagen, den Bauch aufgeschlitzt und sie zum verbluten zurückgelassen hatte… sie hatte gesehen wie die Gesandten der Brut das Leben aus den Leuten saugten, sie in der Luft zerrissen oder auf andere bestialische Art und Weise töteten, wie sie manche einfach verstümmelten und zurückließen… und dann waren da noch die Oger gewesen. Sie hatte wohl das unendliche Glück gehabt keiner dieser Bestien gegenüberstehen zu müssen und hatte ihnen während der Schlacht größtenteils ausweichen können, aber letztendlich hatte einer von ihnen Angus zu fassen bekommen.

    Sie sah wieder vor sich, wie die Bestie auf ihre Gruppe zugestürmt war, wie sie alle geflohen waren außer Angus, der sich dem Feind bis zum bitteren Ende entgegengestellt hatte… und mit seinem Leben bezahlen musste. War es das Wert gewesen? Ceirinn wollte sich gar nicht vorstellen, was diese Kreatur mit ihm gemacht hatte…

    Er war der tapferste unter uns… und hat uns sogar dann noch in den Kampf geführt, als alles verloren schien. Nun kann er Frieden in den Armen des Erbauers finden und dennoch… hätten wir wirklich kämpfen müssen? Die Verderbnis wird sich ausbreiten und wir haben so viele gute Männer und Frauen verloren… Angus und die anderen wären noch am Leben wenn wir sofort geflohen wären.
    Die Trauer der Elfenmagierin vermischte sich augenblicklich mit etwas Bitterem, stechenden.
    Ich hätte ihn nicht davon abhalten können… und ich war zu ängstlich um etwas anderes zu tun, als Befehle zu befolgen. Ich habe meine Pflicht erfüllt, meine Pflicht gegenüber Ferelden und dem König, aber… ich hätte nichts ändern können.

    Unweigerlich drängte sich ihr der Gedanke auf, was wohl geschehen war mit König Cailan, ebenso wie den anderen Köpfen der fereldischen Armee. Sie wusste, dass Loghain der dunklen Brut in den Rücken gefallen war, als man das Signal gegeben hatte, die Verzauberer hatten von diesem Plan erfahren… und dennoch waren sie so einfach überrannt worden. Es war also wahrscheinlich, dass Loghain und der König gefallen waren und Ferelden in diesen schweren Zeiten gleich zwei seiner besten Männer verloren hatte. Es würde dauern, bis man die Streitkräfte Fereldens erneut gegen die dunkle Brut mobilisiert hatte… vielleicht zu lange.

    Ceirinn wusste, dass ihre Vorstellungen wohl nur am wahren Ausmaß der Auswirkungen der verlorenen Schlacht kratzten und dennoch reichten sie aus, um die Elfe augenblicklich mit tiefer Sorge zu erfüllen. Die Niederlage bedeutete einen größeren Verlust als nur den der altbekannten Gesichter und sogar Freunde aus dem Turm und dennoch waren sie es, an die Ceirinn nun wieder unverwandt denken musste.

    Sie wusste nicht, wie viele von ihnen entkommen oder wie viele gestorben waren, doch mit Sicherheit hatte sie mehr von ihnen sterben als entkommen sehen… genaugenommen war der einzige auf dessen Überleben sie sicher hoffen konnte Alryn, den sie in der Nacht in der Wildnis aus den Augen verloren hatten.
    Im Gegensatz zu Angus, den sie nur hin und wieder gesehen, mit dem sie aber vor Ostagar nie gesprochen hatte, kannte sie den Elfen recht gut.
    Alryn war drei Jahre älter als sie und man hatte ihn schon in jungen Jahren aus Denerim zu Zirkel gebracht. Er war schon immer recht ernst und still gewesen, aber ein guter Kerl. Er hatte immer versucht, jedem zu helfen so gut es ging, hatte sich sogar auf heilende Magie spezialisiert…

    Neben ihr ertönte mit einem Mal ein gequältes Stöhnen und ließ die junge Elfe ruckartig zusammenzucken und aus ihren Gedanken aufschrecken. Darren hatte sich soeben aufgerichtet und bedeckte mit einer Hand seine Stirn, als hätte er Kopfschmerzen.
    „Gut geschlafen?“, fragte Ceirinn mit einem schwachen Lächeln nach. Ihre Stimme war noch immer kaum mehr als ein müdes Flüstern.

    Natürlich war da auch noch Darren gewesen, der einzige, von dem sie mit wirklicher Sicherheit wusste, dass er überlebt hatte. Der Mensch warf ihr einen kurzen verwirrten Blick zu und kratzte sich kurz am Kinn, das von einem Dreitagebart bedeckt war, der unter anderen Umständen wohl attraktiv gewesen wäre. Sein müder Blick verlor sich einen Moment in der Ferne und Ceirinn konnte sich sehr gut ausmahlen, was ihm nun durch den Kopf gehen musste.
    Sie war auch Darren bereits mehrmals im Turm begegnet, bevor man sie gemeinsam nach Ostagar geschickt hatte. Er musste wohl ein wenig jünger sein als sie selbst und stammte von irgendwo aus dem Bannorn, das hatte sie ihn einige Tage zuvor im Lager erwähnen hören. Er hatte den Anschein gemacht, ein recht lustiger Kerl zu sein, zu allem einen Kommentar, den man sich auch hätte verkneifen können und schon im Turm hatte sie ein paar Mal mitbekommen, dass er sich wegen dergleichen Ärger mit den Verzauberern oder Templern eingehandelt hatte.
    Nun war davon aber nichts mehr zu sehen, mehr als verständlich nach den vorangegangenen Strapazen…

    „Nein“, krächzte Darren leise, gefolgt von einem kurzen Räuspern, wobei er Ceirinn noch immer nicht ansah.
    „Wo sind wir überhaupt?“, setzte er letztendlich nach einer kurzen Pause nach, lehnte sich wieder erschöpft gegen den Baum, wobei er kurz das Gesicht verzog und starrte anschließend hinauf in die Baumkronen, durch die das schwache Licht jenes Vormittags auf sein aschfahles Gesicht fiel.
    „Ich weiß es nicht“, gab Ceirinn wahrheitsgemäß zurück, zog ihre Beine noch enger an den Körper, um der Kälte so gut es ging zu entgehen und rechtete den Blick ebenfalls kurz gen Himmel.
    „Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr erinnern, wohin wir gelaufen sind oder wie weit… ich weiß nichtmal mehr genau, wie wir hier gelandet sind…“
    Darren erwiderte daraufhin nichts.

    Es entstand eine kurze Pause, bevor Ceirinn letztendlich erneut das Wort ergriff.
    „Wir sollten so bald wie möglich aufbrechen… die Kälte ist unerträglich… und wir wissen nicht, wie weit wir der dunklen Brut noch voraus sind.“
    „Willst du mich umbringen?“, stöhnte Darren augenblicklich, ließ aber zugleich ein kurzes raues Lachen hören.
    „Wie wär’s mit einer Pause? Oder was zu Essen… du hast nicht zufällig was dabei?“
    Der Mensch drehte nun zum ersten Mal den Kopf in Ceirinns Richtung, ein maskenhaftes Lächeln auf den Lippen. Sie brauchte nur in seine Augen zu sehen, um augenblicklich zu erkennen, dass es nur vorgespielt war. Ihn ihnen konnte sie noch immer die Angst und das Grauen sehen, dass ihn bereits am Vorabend gepackt hatte.

    Ceirinn erwiderte ihrerseits ein kraftloses Lächeln.
    „Ich befürchte nicht…“
    Dennoch drehte sie sich kurz auf die andere Seite und griff nach der Ledertasche, die noch immer an einem Ledergurt um ihre Hüfte befestigt war. Ein kurzer Blick hinein verriet ihr allerdings, dass sie richtig gelegen hatte. Es befanden sich nur einige wenige Lyriumtränke darin, die sie für die Schlacht zur Verfügung gestellt bekommen hatte und die Papiere, mit denen sie sich bei Bedarf als Zirkelmagierin ausweisen konnte.
    „Nein, nichts.“
    Darren seufzte hörbar, richtete den Blick wieder geradeaus und schloss für einen kurzen Moment die Augen.
    „Dann hoffen wir wohl besser, dass wir es ohne zu verhungern ins nächstbeste Dorf schaffen… genügend Wasser sollte sich hier ja finden lassen.“

    Wieder entstand eine kurze Pause, in der keiner von beiden Anstalten machte, aufzustehen.
    Ceirinn hatte das unbestimmte Gefühl, dass es falsch gewesen wäre, nun einfach so aufzubrechen, ohne auch nur ein einziges Mal die Vorangegangene Schlacht anzusprechen, doch ihr fehlten zugleich die richtigen Worte, um dem Ausdruck zu verleihen, was ihr durch den Kopf ging. Letztendlich beschränkte sie sich also vorerst darauf, Darren zumindest eines zu sagen, dass sie ihm noch schuldig geblieben war.

    „Danke, Darren… dass du mir gestern das Leben gerettet hast, meine ich“, sagte sie, diesmal mit wesentlich klarerer Stimme, als sie zuvor gesprochen hatte und blickte ihn an, doch der jüngere Magier wich ihrem Blick aus.
    „Das… war nichts, wenn auch nur einer von uns nicht dagewesen wäre, hätten wir es wahrscheinlich nicht überstanden, keiner von uns… abgesehen davon wäre ich wahrscheinlich wirklich dort im Dreck liegen geblieben, wenn du mich nicht mitgezerrt hättest… Wenn Angus nicht aufgetaucht wäre hätten sie uns wahrscheinlich alle abgeschlachtet und ohne Alryn… wie auch immer, das ist inzwischen Vergangenheit und... sie sind tot. Wir müssen weiter.“
    Während er sprach hatte er es auch weiterhin sorgfältig vermieden, der Elfe in die Augen zu sehen und es war deutlich herauszuhören, wie unangenehm es ihm war, über die vergangenen Ereignisse zu sprechen. Er wollte sich ebenso wenig daran erinnern müssen wie Ceirinn selbst.
    „Das kannst du nicht wissen. Alryn war am Leben, als wir ihn zuletzt gesehen haben und er kann sich durchaus alleine durchschlagen“, erwiderte sie eisern, versuchte aber weiterhin vergeblich, Blickkontakt aufzubauen.
    „Selbst wenn er lebt, er ist nur einer unter hunderten, die weniger Glück hatten. Wir haben so viele andere sterben sehen…“
    „Ich bin sicher, der Erbauer wacht über ihn... und auch über uns.“

    „Und warum nur über uns? Warum nicht über den Rest der Armee? Warum nicht über Angus, Marianna und Bargin? Was haben wir für einen Anspruch auf die Gnade des Erbauers, den sie nicht hatten?“, erwiderte Darren barsch, Wut und Trauer schwangen in seiner Stimme mit, die leicht zu zittern begonnen hatte.
    Ceirinn zuckte zurück, überrascht von der heftigen Reaktion des Magiers und zugleich überrumpelt von dem plötzlichen Gedanken daran, dass es womöglich andere gab, die das Leben in irgendeiner Weise mehr verdient hatten als sie beide…
    „Der Erbauer kann nicht jeden retten, nicht ihre Körper…“, begann sie schließlich langsam und hoffte vor allem, Darren auf diese Weise vielleicht ein wenig von dem Trost zu verschaffen, den ihr dieser Gedanke auch selbst bereitete.
    „… aber er nimmt ihre Seelen zu sich und gewährt ihnen den Frieden, den sie in dieser Welt nicht finden können. Letztendlich werden wir alle durch unseren Glauben errettet, egal ob wir plötzlich durch das Schwert sterben oder im hohen Alter friedlich entschlafen. Wir sollten unser Schicksal akzeptieren und es als eine Chance sehen. Den Toten gebührt Ehre und wir sollten sie in Erinnerung behalten, und auch die Trauer hat ihre Zeit, aber sie darf uns jetzt nicht beherrschen.“

    Einen Moment lang herrschte Stille bis Darren ihr schließlich endlich wieder in die Augen sah. Sein Blick wirkte noch immer rastlos, voller Trauer.
    „Ich werde daran denken… aber es fällt einfach schwer, dass alles auf einmal zu schlucken… die Kirche sollte sich besser kräftig in den Allerwertesten beißen, dass sie Magier und Elfen nicht als Priesterinnen zulässt, mit dir ist ihnen was durch die Lappen gegangen“, fügte er scherzhaft hinzu und versuchte dabei wahrscheinlich mit voller Absicht, dem Gespräch etwas von seiner Ernsthaftigkeit zu nehmen.
    „Also dann, wollten wir nicht weitergehen, bevor die dunkle Brut uns doch noch erwischt? Wir werden wahrscheinlich noch genug Zeit zum Reden haben… zumindest vermute ich, dass wir uns jetzt nicht mehr so antreiben müssen, oder?“
    Darren sprach diese Worte mit einer immerhin gekonnt vorgetäuschten Leichtigkeit aus und machte Anstalten, aufzustehen, doch Ceirinns Hand schnellte nach vorne, packte ihn am Arm und zog ihn wieder zurück auf den Boden.
    „Was?“, fragte er verwirrt nach und in seinen Augen zeichnete sich bereits die Befürchtung ab, dass das Thema für die Elfe noch immer nicht erledigt war.

    Ceirinn ergriff beide Hände des Menschen mit den ihren und kniete sich gerade vor ihn auf den Waldboden.
    „Wir sollten für die Gefallenen beten… ich denke, ich würde mich dann besser fühlen und du dich wahrscheinlich auch…“
    Darren öffnete den Mund um etwas zu sagen, ließ es dann aber bleiben und nickte stumm.
    Ceirinn senkte den Blick und schloss ihre Augen. Sie hatte die folgenden Worte aus dem Übergang schon oft gehört und sie hatten sich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Bisher hatte ihr der Gesang in der Trauer immer Trost spenden können und es erschien ihr nur angebracht auf diese Weise nun auch die Toten von Ostagar zu ehren.

    „Viele Sünder wandern umher
    und fürchten, dass sie auf ewig verloren sind,
    doch wer glaubt und bereut,
    ungerührt von der Finsternis der Welt,
    wer weder prahlt noch Häme zeigt
    angesichts des Unglücks der Schwachen, sondern sich erfreut
    an des Erbauers Gesetz und Schöpfung,
    dem wird der Segen des Erbauers Frieden bringen.
    Das Licht wird ihn sicher
    über die Wege dieser Welt bis in die nächste leiten.
    Denn für den, der dem Erbauer vertraut, wird Feuer zu Wasser.
    So wie die Motte das Licht sieht und der Flamme zustrebt,
    sieht er das Feuer und strebt dem Lichte zu.
    Der Schleier bedeutet dann nicht Unklarheit,
    und es gibt keine Angst vor dem Tode mehr, denn der Erbauer
    wird Lichtsignal und Schild sein, Fundament und Schwert.“

    Erbauer, wache über uns und lass uns sicher nach Hause zurückkehren. Lass uns unseren Weg finden und gewähre auch Darren Trost und Hoffnung, ich glaube, er benötigt sie nun dringender als ich. Führe auch alle anderen, die entkommen sind, in Sicherheit und gewähre ihnen Schutz und nimm die Seelen derer zu dir, die wir verloren haben.
    … und wenn er noch immer am Leben ist und nicht zu dir zurückgekehrt ist… dann führe auch Nathanael sicher ans Ende seines Weges und zurück nach Ferelden…


    Ceirinn hatte Darrens Hände bereits losgelassen, verharrte aber selbst noch einen kurzen Moment. Es war vor allem jener letzte Gedanke gewesen, der noch weitere traurige Erinnerungen, die wesentlich weiter zurücklagen als die der Schlacht, in ihr aufkommen ließ und der angesichts ihrer Bitte um die eigene sichere Rückkehr nicht ungedacht hätte bleiben können.
    Einen Moment lang spürte sie Trauer aufwallen, Trauer über all das was in naher oder ferner Vergangenheit geschehen waren, doch es war Darren, der sie wieder an ihre eigenen Vorsätze über Trauer und Verlust erinnerte.

    „Also, gehen wir?“, fragte er mit scheinbar völlig tonloser Stimme nach, woraufhin Ceirinn rasch die Augen öffnete, ihm einen kurzen bestätigenden Blick zuwarf und sich anschließend ebenfalls erhob.
    Sie fühlte sich nun besser, auch wenn ihre Trauer und die schrecklichen Geschehnisse in Ostagar natürlich nicht vollkommen vergessen waren. Sie hatten den Toten den gebührenden Respekt erwiesen und vielleicht war es ihr sogar gelungen, Darren ein wenig Hoffnung zu geben, auch wenn er sich nichts anmerken ließ.
    „Vergiss deinen Stab nicht“, bemerkte Darren mit einem kurzen Nicken in Richtung der stählern glänzenden Waffe, die ein kleines Stück neben Ceirinn halb im dicht bewachsenen Unterholz verschwand. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, ihn nach der Schlacht überhaupt noch mit sich herumgetragen zu haben und war bei dem vertrauten Anblick daher umso erleichterter. Sie hob den Stab auf, strich kurz mit den Fingern an seiner eiskalten Oberfläche entlang und befestige ihn letztendlich wieder an ihrem Rücken.
    Ein kurzer Blick verriet ihr, dass auch Darren seine Waffe noch immer bei sich trug und sie während ihres kurzen Schlafes wohl ebenfalls beiseite gelegt hatte.

    „Welche Richtung?“, fragte Darren und ließ den Blick dabei kurz über die umstehenden Bäume wandern.
    „Ich weiß es nicht“, gab Ceirinn offen zu und lenkte ihren Blick ein weiteres Mal auf das Blätterdach über ihnen. Der Himmel darüber schien immer noch von Wolken bedeckt zu sein, sodass es schwierig werden würde, die Himmelsrichtungen zu bestimmen.
    „Wir können wohl nur auf gut Glück loslaufen und hoffen, dass es bald aufklart…“
    „Nun gut, besser der dunklen Brut in die Arme laufen als hier festzufrieren, was?“, bemerkte Darren scherzhaft und ließ eines unechtes Lächeln sehen, das wohl allein an der Erwähnung jener schrecklichen Kreaturen gescheitert war. Dennoch wirkte er jetzt wesentlich entschlossener als zuvor, nicht mehr so verloren… doch wenn Ceirinn ehlich zu sich selbst war, konnte dies ebenso gut nur eine weitere Maske sein, die er aufgesetzt hatte um nicht zu zeigen, wie tief ihn die Geschehnisse getroffen hatten.

    Sie nickte ihm aufmunternd zu und ging letztendlich erneut voraus, wobei sie sich die Richtung entschied, in die die ihnen abgewandte Seite des Baumes zeigte, an dem sie in der Nacht wohl vor Erschöpfung zusammengebrochen waren. Es erschien ihr einfach unwahrscheinlich, dass sie sich in ihrem Zustand noch die Mühe gemacht hatten, die von Ostagar abgewandte Seite als Schlafstatt zu wählen.

  3. #3
    Newbie Avatar von Ceirinn Velaenor
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    Westliches Waldgebiet

    Tag 1 – Nachmittag


    Seit sie ihrem Aufbruch am Morgen waren die beiden Magier beinahe ununterbrochen gelaufen, hatten lediglich kurze Verschnaufpausen eingelegt und waren stets darum bemüht gewesen, so schnell wie möglich einen Weg aus den westlichen Ausläufern des Brecilianwaldes zu finden, in denen sie nun schon seit Stunden umherirrten. Zu ihrem Glück hatten sich die Wolken, die noch am Morgen des gesamten Himmel bedeckt hatten gegen Mittag größtenteils verflüchtigt, sodass Darren anhand des Sonnenstandes und einer groben Zeiteinschätzung die ungefähre Richtung bestimmen konnte, in der sie nach Norden kommen und somit zwangsläufig irgendwann auf eine Siedlung oder im Zweifelsfall den kaiserlichen Hochweg stoßen würden.

    Im Verlauf des Tages hatte die unangenehme Kälte, die Ceirinn bei ihrem Erwachen entgegengeschlagen war deutlich abgenommen und sie froren nun immerhin nicht mehr – das Problem war inzwischen viel mehr die Anstrengung des stetig andauernden Marsches, die ihnen den Schweiß über Gesicht und Körper laufen ließ. Sie hatten zwar unterwegs etwas Wasser auftreiben können und somit den schlimmsten Durst gestillt, doch keiner von ihnen hatte ein Behältnis dabei gehabt, um das kühle Nass mit sich zu tragen, sodass sie nur hoffen konnten, bald auf einen anderen Bach oder Fluss zu stoßen, der sich seinen Weg durch den Brecilianwald bahnte. Ihren Hunger hingegen hatten sie nicht stillen können, denn keiner von ihnen wagte es, Beeren oder Pilze anzurühren, die sie nicht kannten, und sie waren beide nicht sonderlich bewandert in Kräuterkunde. Auch die Jagd erschien ihnen kaum als eine mögliche Lösung, wäre doch die einzige Möglichkeit gewesen, Darren Feuerbälle auf jedes möglicherweise essbare Getier schleudern zu lassen und auf einen Glückstreffer zu hoffen.

    Sie waren also schweigend und mit knurrenden Mägen durch die Wälder gewandert, denn abgesehen von Erschöpfung und Hunger, die sie von längeren Unterhaltungen abhielten, hatte jeder von ihnen an seinen eigenen Gedanken zu kauen, die sich wohl größtenteils noch immer um Ostagar drehten. Das einzige Gespräch das kurz aufkam, drehte sich um die Möglichkeit, in den Wäldern ein paar Dalish über den Weg zu laufen, worauf sie beide durchaus verzichten konnten. Darren war zwar der Meinung gewesen, dass Ceirinns Gegenwart sie möglicherweise etwas freundlicher stimmen könnte, sollte es soweit kommen, doch die Elfe wusste aus einigen Büchern, die sich am Rande mit den Clans der Dalish beschäftigt hatten, genug, um zu wissen, dass diese die Elfen der Städte ebenso verachteten wie die Menschen selbst. Letztendlich kamen sie also zu dem Schluss, dass eine Gruppe Dalish wohl gleich nach der dunklen Brut das letzte waren, dem sie nun begegnen wollten.
    Über Ostagar oder die dunkle Brut verloren sie ansonsten kein einziges Wort mehr.

    Es war vermutlich bereits später Nachmittag, als sie sich entschlossen, am Rande einer Waldlichtung, die sie soeben überquert hatten, eine kurze Rast zu machen und ihren wunden Füßen ein wenig Ruhe zu gönnen.
    Ceirinn selbst hatte sich auf einer größeren Wurzel niedergelassen, lehnte halb am rauen Stamm des zugehörigen Baumes und versuchte, ein wenig Erholung zu finden, während Darren schlicht und einfach auf dem moosigen Waldboden Platz genommen hatte und nachdenklich auf die wenige Meter entfernte Lichtung starrte. Ceirinn hatte schon seit einiger Zeit das Gefühl, dass ihn irgendetwas beschäftigte, aber sie hatte nicht gewagt, ihn danach zu fragen. Sie konnte nur vermuten, dass es mit Ostagar zusammenhing und er es dementsprechend wahrscheinlich nicht mit ihr teilen wollte.
    Abgesehen von vereinzeltem Vogelgezwitscher, das den Wald erfüllte, herrschte ein weiteres Mal eine erdrückende Stille.

    Während Darren in seinen ganz eigenen Gedanken versunken zu sein schien machte Ceirinn sich vorwiegend Gedanken darüber, wie lang es wohl noch dauern würde, bis sie erneut bewohntes Gebiet und somit früher oder später auch den Turm erreichten…
    Wir wissen noch nicht einmal, wo genau wir eigentlich sind. Irgendwo im Brecilianwald, das ist inzwischen klar, aber… wie weit können wir in dieser einen Nacht schon gekommen sein? Im Norden müssten wir früher oder später auf den Hochweg oder erste Dörfer stoßen… wer weiß, vielleicht befinden wir uns sogar direkt südlich von Südhang… von dort bräuchten wir etwa zwei Tage bis zum See, wenn wir jemanden finden, der uns mitnimmt… vielleicht… nein, die anderen Magier werden wahrscheinlich nicht so weit nach Osten gegangen sein, falls wir es überhaupt getan haben… wir werden es wohl erst herausfinden, wenn wir angekommen sind, wo auch immer das sein wird.

    Sie warf einen weiteren kurzen Blick auf Darren, der mit sorgenvollem Blick vor sich hinstarrte.
    Wir sollten bald wieder aufbrechen und weitergehen, bis die Dunkelheit hereinbricht… vielleicht finden wir schon morgen einen Ausweg. Wir sind schon so weit gekommen, ich bezweifle, dass uns die dunkle Brut so weit gefolgt wäre. Wenn sich also in der Nacht keine wilden Tiere auf uns stürzen oder wir doch noch von ein paar Dalish aufgegriffen werden, sollten wir das alles lebend überstehen… und wir werden endlich erfahren, was in Ostagar weiter geschehen ist. Wenn der König überlebt hat, kann sich Ferelden vielleicht sogar schnell genug auf weitere Kämpfe gegen die Brut vorbereiten…

    „Sag mal…“, begann Darren schließlich völlig unerwartet und ließ Ceirinn aus ihren Gedanken hochschrecken. Der Magier hatte den Blick immer noch starr auf die Lichtung gerichtet und schien sich nicht ganz sicher zu sein, wie er sein Anliegen formulieren sollte.
    „… hast du schon mal darüber nachgedacht, ob…“
    Er brach ab, besann sich anscheinend kurz darauf, es anders anzugehen und begann von neuem.
    „Angenommen, wir müssten nicht zum Turm zurück und wir könnten hingehen, wohin wir wollten – wo würdest du hingehen?“
    Er stellte die Frage scheinbar völlig beiläufig, sodass es Ceirinn fast ein wenig seltsam vorkam, nachdem er die ganze Zeit über mit so sorgenschwerer Mine dagesessen hatte.
    Er will sich wahrscheinlich nur ablenken…

    „Ich weiß nicht… der Turm war immer meine Heimat, ich wüsste nicht, wo ich sonst hin sollte… ich würde mir vielleicht Denerim ansehen, nur um einmal dort gewesen zu sein…“
    „Und wenn du Ferelden verlassen könntest?“, fragte er weiter und warf ihr dabei einen flüchtigen Blick zu. Er wirkte nervös, was Ceirinn ein wenig wunderte, aber sie dachte dennoch über die Antwort nach.
    Wenn sie wüsste wohin Nathanael gegangen war… sie schob diesen Gedanken barsch beiseite und konzentrierte sich stattdessen lediglich auf kulturelle Aspekte, das war wesentlich einfacher und brachte auf weniger düstere Gedanken.
    „Nicht dass ich Ferelden verlassen wollte, aber wenn doch würde ich mir Orlais ansehen, vor allem Val Royeaux. Ich habe darüber gelesen, es soll dort wirklich beeindruckend sein, vor allem die große Kathedrale… warum fragst du?“, hakte sie schließlich nach und sah Darren forschend an, der ihren Blick nun erwiderte, noch immer nervös, mit einem Schatten der Angst darin, die sie beide seit Ostagar mit sich trugen.

    „Ich hatte nur über etwas nachgedacht… ich… ich hatte mich gefragt, ob wir wirklich zum Turm zurückkehren sollten.“
    Seine Stimme war bei diesen Worten fester geworden, ebenso wie sein Blick, nachdem er es letztendlich fertig gebracht hatte, ihr von seinen Überlegungen zu erzählen.
    Ceirinn sah ihn einen Moment lang nur verwirrt an. Was meinte er damit? Wohin sollten sie sonst gehen und vor allem warum?
    „Was soll das heißen, Darren? Wohin denn sonst?“
    „Rivain“, antwortete er augenblicklich und trug damit nur noch mehr zu Ceirinns Verwirrung bei. Er wartete allerdings nicht darauf, dass sie dieser erneut Ausdruck verleihen konnte, sondern fuhr direkt fort, hastig, aber mit fester Stimme, als wäre er überzeugt von der Richtigkeit seiner Worte.
    „In Rivain soll es wunderschön sein und die Leute sind sehr aufgeschlossen. Sie behandeln die Elfen dort genau wie normale Leute und es gibt im Norden sogar Qunari. In Rivain haben sie zwar auch einen Zirkel, aber der Großteil der Bevölkerung glaubt nicht an den Erbauer und die Kirche ist dort kaum vertreten. In Rivain würde man sich um zwei Magier aus Ferelden nicht groß kümmern – sie müssten nichtmal erfahren, dass wir Magier sind…“
    „Darren…“, begann Ceirinn mit einer gewissen Schärfe in der Stimme, die jedoch nur dazu dienen sollte, ihre Verwirrung zu überspielen. Ihr begann allerdings klar zu werden, was Darren ihr soeben vorschlagen wollte und trotz ihres Einwandes fuhr er unverwandt vor, als könnte er nun, da er seine Gedanken laut auszusprechen begonnen hatte nicht einfach wieder aufhören.

    „Hör mir bitte erst zu, in Ordnung? Nach der verlorenen Schlacht wird uns jeder für tot halten, die Templer würden also nicht nach uns suchen und sobald wir diese Roben los sind wird kein Mensch uns mehr als Magier erkennen. Wir könnten völlig unbemerkt bis nach Denerim gelangen und von dort aus ein Schiff nach Rivain nehmen – weder die Kirche noch der Zirkel würden uns vermissen und wir könnten ein vollkommen freies Leben führen.“
    Diesmal legte er von sich aus eine kurze Pause ein, blickte Ceirinn mit erwartungsvollen und dennoch ruhigen Augen an, als wartete er nur auf ihre Reaktion. Seine Augen… Ceirinn glaubte darin mehr zu sehen, als nur die Angst vor ihrer möglichen Reaktion, es war eine viel tiefer sitzendes Grauen und mit einem Mal hatte sie eine Vorstellung davon, warum Darren das tat.

    Er war noch immer in den schrecklichen Erinnerungen an Ostagar gefangen, konnte die Toten und die Grauen des Krieges nicht vergessen und versuchte nun zwanghaft es alles zu verdrängen und zu vergessen. Vermutlich hatte der Magier in seinem Schock einfach damit begonnen an alles Mögliche zu denken, dass er tun konnte, um es hinter sich zu lassen und es war ihm als eine Lösung erschienen, ein vollkommen neues Leben zu beginnen, anstatt die Erinnerungen in seinem jetzigen weiterleben zu lassen. Es war ein verzweifelter Gedanke, den er weitergesponnen hatte und im Moment für eine gute Idee hielt, aber er würde sich früher oder später darauf besinnen, dass ihm das nicht helfen würde. Doch nun schien es vorerst an Ceirinn zu liegen, Darren von diesem närrischen Gedanken abzubringen.

    „Darren, das ist eine verdammt miese Idee. Ich weiß, was in Ostagar geschehen ist, ich habe es genauso miterleben müssen wie du und ich weiß dass es nicht leicht ist, aber… Darren, es wäre einfach dumm, so zu reagieren ohne über die Folgen nachzudenken, ganz abgesehen davon, dass wir noch immer dem Zirkel von Ferelden verpflichtet sind.“
    „Du verstehst nicht, was ich meine“, erwiderte Darren, noch immer mit demonstrativer Ruhe in der Stimme. Es war gerade diese Ruhe, die Ceirinns beunruhigte. Darren hatte anscheinen wirklich lange darüber nachgedacht und dass er dennoch nicht davon abgekommen war…
    „Gerade dass wir dem Zirkel verpflichtet sind ist ja das Problem. Hast du schon mal darüber nachgedacht, was passiert sobald wir wieder im Turm sind? Die Verderbnis hat gerade erst begonnen, wir haben nur den Anfang davon miterlebt und sobald es schlimmer wird, werden sie neue Magier schicken müssen, um gegen die dunkle Brut zu kämpfen. Diese Magier werden früher oder später auch wir sein, egal ob wir wollen oder nicht! Wenn wir zum Zirkel zurückkehren wird es sich irgendwann wiederholen, wir werden wieder gegen diese Kreaturen kämpfen müssen und ich will das um nichts in der Welt ein zweites Mal erleben müssen. Wenn wir jetzt gehen, werden sie uns für tot halten, wir könnten der Brut entkommen, es könnte jetzt zu Ende sein!“

    „Nein!“, erwiderte Ceirinn und die Schärfe war nun wieder in ihre Stimme zurückgekehrt. Diese Überzeugung mit der Darren davon sprach dem Zirkel und der Kirche den Rücken zu kehren beunruhigte sie, ließen für einen winzigen Moment Zweifel in ihr aufkommen, bevor sie sich wieder in Erinnerung rief, was es bedeutete, eine Magierin zu sein und welche Verpflichtungen damit einhergingen.
    „Hör zu Darren, ich will das auch kein zweites Mal durchmachen müssen, aber wir haben eine Verpflichtung, nicht nur gegenüber dem Zirkel, sondern auch gegenüber dem Erbauer und Ferelden. Wir sind Magier und wir müssen unsere Gabe dafür einsetzen, unser Heimat zu schützen und unser Volk. Wir können nicht einfach davonlaufen, um unser eigenes Leben zu retten!“
    „Also gehört mein Leben jetzt nicht mehr mir selbst, sondern der Kirche? Soll ich einfach so hinnehmen, dass ich dem sicheren Tod entgegenlaufe, sobald es von mir erwartet wird?“, entgegnete Darren und dieses Mal mischte sich Wut in seine Stimme. Er versuchte sichtlich, sich zu beherrschen und die Ruhe zu wahren, denn eines war sicher: wenn er Ceirinn nicht überzeugen konnte, war sein Vorhaben bereits zum Scheitern verurteilt.

    „Es geht um mehr als nur dein eigenes Leben! Die Verderbnis wird sich ausbreiten und wir werden wieder kämpfen müssen, aber nicht für uns selbst sondern für Ferelden! Wir können nicht einfach nach Rivain fliehen und all das hier einfach geschehen lassen. Die dunkle Brut muss aufgehalten werden und es ist unsere Pflicht…“
    „Und was glaubst du, können wir ausrichten?! Wir sind nur zwei verdammte Magier – ja, wir sind Magier, aber diese Bestien sind zu tausenden aus dem Boden gekrochen! Selbst zehn Magier mehr oder weniger machen dagegen keinen Unterschied!“, rief er, ohne die Elfe ausreden zu lassen und in seinen Augen zeichnete sich erneut die Angst ab, die ihn dazu trieb, so zu handeln. Darren war aufgestanden, offensichtlich unfähig noch weiter still zu sitzen, während Ceirinn versuchte ihn darüber zu belehren, was er zu tun hatte.
    Die Elfe tat es ihm augenblicklich gleich und machte einen Schritt auf den menschlichen Magier zu, um ihren nächsten Worten, in denen nun ebenfalls Ärger mitschwang, zusätzliches Gewicht zu verleihen.

    „Also hätte es auch keinen Unterschied gemacht, wenn Angus gestern nicht bei uns gewesen wäre? Es hätte keinen Unterschied gemacht, wenn du nicht dort gewesen wärst und mich nicht hättest retten können? Wäre es auch egal gewesen, ob ich…“
    „Angus wäre noch am Leben, wenn er nicht dort gewesen wäre!“
    „Und wir wären allesamt tot – du, ich und Alryn!“
    Darren wirkte einen Moment lang sprachlos, starrte Ceirinn, die fast zwei Köpfe kleiner war als er selbst, mit einer Mischung aus Zorn und Verblüffung an. Einige Sekunden lang herrschte Schweigen, als wüsste er nicht, wie er darauf reagieren sollte, während Ceirinn im eisern in die Augen sah, unter keinen Umständen bereit, von ihrem Standpunkt abzuweichen.
    „Das kannst du nicht wissen“, antwortete er schließlich leise, doch seine Stimme hatte ein wenig von ihrer Kraft, ihrer Überzeugung verloren.
    „Aber ich glaube fest daran, dass es so ist. Ein einzelner kann vielleicht keine ganze Verderbnis beenden, aber wir können immerhin unseren Teil dazu beitragen, selbst wenn der nur darin besteht, einigen wenigen das Leben zu retten, die ohne unser Zutun getötet worden wären.“
    Ihre Stimme hatte, während sie gesprochen hatte, die noch zuvor an den Tag gelegte Härte verloren. Sie wusste, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte und wollte nicht zu hart zu Darren sein.

    Darren sah ihr währenddessen ununterbrochen in die Augen, seine eigenen nun weniger von Zorn erfüllt, aber dennoch rastlos, unglücklich.
    „Ich kann das nicht“, sagte er schließlich und wandte den Blick ab.
    „Ich kann nicht zurück gehen und mir die ganze Zeit über darüber im Klaren sein, was mir bevorsteht… ich kann nicht noch einmal gegen diese Dinger kämpfen, egal zu welchem Zweck, allein der Gedanke daran…“
    „Ich verstehe das, Darren, aber wir müssen zurück, es gibt keinen anderen Weg. Im Turm wird man darauf Rücksicht nehmen, was uns zugestoßen ist und bis wir wieder in den Kampf geschickt werden, werden wir vorbereitet sein.“
    Ceirinn streckte ihre rechte Hand aus und legte sie dem Menschen in einer beschwichtigenden Geste auf die Schulter, doch er entzog sich der Berührung, indem er sich abwandte und sich ein paar Schritte von ihr entfernte, scheinbar erneut völlig mit seinen Gedanken beschäftigt.

    „Ich kann es nicht, Ceirinn. Egal wie gut wir vorbereitet sein werden, es wird doch wieder genauso sein, sie werden die Leute genauso abschlachten… ich bitte dich, ich flehe dich an, sag ihnen wenigstens, dass ich tot wäre, dass du meine Leiche gesehen hättest. Du kannst alleine zum Turm zurückkehren und ich werde damit leben müssen, dass ich meine Pflicht vernachlässigt habe, aber das ist immer noch besser als…“
    Darrens Stimme verebbte und er drehte sich nun wieder um, in seinem Blick ein weiteres stummes Flehen. Er wirkte in diesem Moment unglaublich erschöpft und ausgelaugt, fast schon um Jahre gealtert.

    „Das werde ich nicht tun“, erwidert Ceirinn entschlossen, auch wenn es ihr grausam erschien, Darren diesen Wunsch zu verwehren, obwohl sie genau wusste, dass alles andere falsch gewesen wäre.
    „Ich lasse nicht zu, dass du wegen dieser Sache zu einem Abtrünnigen wirst, ohne dir überhaupt darüber im Klaren zu sein, was du da tust! Ich kann es weder mit meinem Gewissen vereinbaren, jeden über deinen Verbleib anzulügen, noch dich zu genau dem werden zu lassen, was die Templer und die Kirche seit jeher verfolgen und zur Strecke bringen. Im Zirkel wird man dir helfen können, Darren, wirf nicht einfach so dein Leben weg, nur um einer falschen Freiheit nachzujagen.“

    „Fragt sich nur, wessen Vorstellung von Freiheit hier falsch ist, was?“, entgegnete Darren, doch in seiner Stimme war klar zu hören, dass er es aufgegeben hatte, mit ihr zu diskutieren. Lediglich seine Augen, das kurze entwaffnende Lächeln das er hatte aufblitzen lassen, bereiteten ihr noch immer Sorge. Er konnte nicht vergessen und er konnte genauso wenig die Angst vor der dunklen Brut verdrängen, die ihn noch immer erfüllte.
    Ceirinn gefiel es nicht, ihre nächsten Worte auszusprechen, doch es erschien ihr notwendig, um Darren von irgendwelchen Dummheiten abzuhalten.
    „Ich will, dass du weißt, dass ich nicht bereit wäre für dich zu lügen. Wenn du wirklich glaubst du müsstest fliehen, werde ich es den Templern mitteilen und dafür sorgen, dass sie dich zum Turm zurückbringen. Denk bitte genau darüber nach, was du tust, Darren, ich will nicht, dass du die falsche Entscheidung triffst und einer von uns beiden sie später bereuen müsste.“

    Sowohl Darren als auch Ceirinn schwiegen für einige Sekunden, bevor er letztendlich die Stille durchbrach.
    „Gehen wir weiter… unterwegs hab ich noch genügend Zeit, mir Gedanken zu machen.“
    Ceirinn nickte nur stumm und setzte sich kurz nach dem Elementarmagier in Bewegung, der nun die Führung übernahm.
    In ihrem Blick, den Darren nun nicht mehr sehen konnte zeichnete sich Besorgnis ab, dennoch sprach sie nicht mehr und ließ Darren mit seinen Überlegungen alleine.

    Erbauer, lass ihn zur Ruhe kommen und hilf ihm, zu sich selbst zurück zu finden… und bitte schenk ihm die nötige Einsicht, um zu erkennen, was er womöglich im Begriff ist zu tun...

  4. #4
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    Westliches Waldgebiet

    Tag 2 – Morgen


    Die beiden Magier hatten die Nacht wie erwartet ein weiteres Mal unter freiem Himmel verbringen müssen, fernab jeglichen Zeichens von Zivilisation. Sie waren am Vortag wie geplant bis zum Einbruch der Dunkelheit durch den Wald gewandert, als sie schließlich einen kleinen Bach entdeckt und ganz in der Nähe ihr Lager aufgeschlagen hatten.
    In dieser Nacht hatte sie vor allem der Hunger geplagt und am Schlaf gehindert, bis die Erschöpfung der letzten Tage letztendlich die Überhand gewonnen hatte und Ceirinn in einen unruhigen Schlaf voller Albträume fallen ließ…

    Es waren die Bilder und Erinnerungen der Schlacht, die sie in jener Nacht in ihren Träumen heimsuchten, eingefangen und ihr von den gehässigen Dämonen jenseits des Schleiers immer und immer wieder vor Augen geführt. Sie spürte ein weiteres Mal das Grauen jenes Abends in ihrem Inneren aufwallen, die Gefühle von Angst, Trauer, Panik. Blutüberströmte Schlachtfelder, grausam entstellte Leichen, manche von ihnen Freunde oder flüchtige Bekanntschaften aus Ostagar oder dem Turm und dunkle Wälder, die Flucht ins Ungewisse und das grässliche Gefühl, verfolgt zu werden, immer tiefer in die Dunkelheit hinein… all diese albtraumhaften Szenarien quälten Ceirinn in jener Nacht und sogar darüber hinaus.

    Als sie in den frühen Morgenstunden erwacht war, hatte sie sich beinahe noch ausgelaugter gefühlt als zuvor und trotz ihrer Gebete an den Erbauer an diesem Morgen ließen sich die Schatten der Nacht nicht aus ihren Gedanken vertreiben. So kam es, dass sie sich noch immer nicht besser fühlte, als sie Darren letztendlich auch aus seinen Träumen erlöste.
    Darren brauchte ein paar Sekunden, um wirklich wach zu werden, nachdem sie ihn wachgerüttelt hatte und es war ihm deutlich anzusehen, dass er ähnliche Albträume gehabt haben musste…

    „Verdammte Geister…“, murmelte er kraftlos mit noch immer aschfahlem Gesicht und fuhr sich träge mit einer Hand durch das kurze rotblonde Haar, den Blick starr auf den Waldboden gerichtet, auf dem er noch immer saß.
    Ceirinn antwortete nicht. Sie wussten wohl beide nur zu gut, was er damit meinte, sodass sie sich nur stumm erhob und ihre müden Glieder streckte. Sie würden vermutlich auch diesen Tag durchmarschieren müssen, doch immerhin bestand nun die Aussicht darauf, bald die Grenzen des Waldes zu erreichen und dort endlich auf eine Siedlung zu stoßen, in der sie ihren Hunger stillen konnten.
    Einen kurzen Moment lang ließ der Gedanke daran, endlich etwas zu Essen zu bekommen, ihre alten Sorgen verblassen, doch jener Moment war ebenso schnell wieder verflogen, wie er gekommen war. Es würde noch ein langer und beschwerlicher Weg werden, auf dem sie neben Darren wohl auch die schrecklichen Erinnerungen an Ostagar als Begleiter haben würde.

    Es frustrierte sie regelrecht, wie sehr die Träume dieser Nacht sie mitgenommen hatten und wie schwer es ihr nun fiel, einen klaren Gedanken zu fassen, nachdem sie am Vortag noch so selbstbewusst und zielgerichtet vor Darren getreten war und ihm erklärt hatte, dass es nun nicht an der Zeit sei, sich von den Grauen der Vergangenheit mitreißen zu lassen. Sie hatte sich vorgenommen, ihm in dieser Angelegenheit ein Vorbild zu sein, wenn auch im Grunde um ihrer selbst Willen, doch wie so oft stellten sich diese Vorsätze nun als schwerer zu halten heraus, als sie es angenommen hatte.
    Doch der Gedanke an Darren rief ihr auch eine weitere Angelegenheit ins Gedächtnis, über die sie seit dem vorigen Tag nicht mehr gesprochen hatten: Darrens vorschnelle Idee, sich vom Zirkel abzuwenden und in den Norden zu fliehen…

    Sie wandte sich um und warf dem menschlichen Magier einen kurzen prüfenden Blick zu. Er wirkte noch immer so ausgelaugt und verzweifelt wie schon am Vortag und auch die Rastlosigkeit in seinen Augen war nicht geschwunden. Er wirkte sogar ein wenig blasser als am Vortag und schien von einer merkwürdigen Nervosität geplagt. Darrens Hände zitterten leicht, sein Blick huschte unruhig über den sie umgebenden Wald und er schien in Gedanken vollkommen mit etwas beschäftigt zu sein.

    Ob es die Träume sind? Sie waren schrecklich diese Nacht… seltsam, dass ich direkt nach der Schlacht keine solchen Träume hatte… das war wohl der Erschöpfung zu verdanken.
    Oder beschäftigt ihn noch immer der Gedanke an eine Flucht nach Rivain? Er wäre wohl kaum so töricht, sein Glück zu versuchen, obwohl ich ihm gesagt habe, dass ich die Templer informieren würde… er muss wissen, dass er kaum eine Chance hat… und dass womöglich sogar die Gefahr besteht, dass die Templer ihn töten würden, sollte er sich wehren oder sie die Situation falsch einschätzen. Und selbst wenn sie ihn nicht töten, könnten sie entscheiden, ihn zu besänftigen. Ist er deshalb so nervös? Ihm muss das alles bewusst sein… Würde er das riskieren? Egal was er tut, er hätte kaum eine Chance, solange… solange ich tatsächlich noch die Templer rufen könnte… Nein. Darren würde mich nicht angreifen, nur um sich selbst zu retten, genauso wenig, wie ich ihm nach alledem etwas zuleide tun könnte.
    Ich hatte das Gefühl, dass er gestern verstanden hatte, dass es das Beste wäre zum Turm zurückzukehren, aber warum ist er dann so nervös?


    Sie hatte Darren während all dieser Überlegungen ununterbrochen angestarrt, sodass er ihren Blick letztendlich bemerken musste und sie mit einer hastigen Bemerkung versuchte, ihr Interesse zu überspielen.
    „Wir sollten den Waldrand heute erreichen… das bedeutet, das wir wohl bald etwas Essbares auftreiben werden“, fügte sie mit einem kurzen erschöpften Lächeln hinzu.
    Darren nickte und erwiderte seinerseits ein halbherziges Lächeln, das von seinen Überlegungen allerdings jäh zum Erlischen gebracht wurde, zumindest hatte es diesen Anschein.
    Auch er richtete sich nun hastig auf, streckte sich kurz und las letztendlich seinen metallenen Magierstab vom Boden auf, ebenso wie Ceirinn, die den ihren sofort wieder an ihrem Rücken befestigte, die sorgenvollen Gedanken nun nicht mehr nur auf die vergangene Schlacht, sondern auch auf Darrens Zustand gerichtet.
    Sie war sich nicht sicher, ob sie ihn darauf ansprechen oder es vorerst auf sich beruhen lassen sollte, schließlich hatte sie ihm bereits einmal ausführlich vorgehalten, was er ihrer Meinung nach tun sollte und wollte ihn nicht unnötig bevormunden oder gar gegen sich aufbringen. Er kannte ihre Meinung und auch die Risiken, die sich daraus für ihn ergaben.

    Ich sollte aufhören, so zu denken… er ist nicht mein Feind, es geht nicht darum, ob ich ein Risiko für ihn bin, sondern darum, dass ich die einzige bin, die ihn jetzt davon abhalten kann, etwas Dummes zu tun. Ich kann ihn ja sogar verstehen, aber… ich könnte nicht zu einer Abtrünnigen werden, niemals. Und ich würde das auch bei niemand anderem zulassen. Darren glaubt vielleicht, dass es eine Lösung wäre, aber er ist von der Freiheit geblendet, die dieses Leben anscheinend verspricht. Er erkennt die Gefahren nicht oder hält die der dunklen Brut einfach für zu groß… aber ich werde nicht zulassen, dass er sich davon verleiten lässt, der Kirche den Rücken zuzukehren. Falls das überhaupt nötig ist, Darren wird nicht so dumm sein, sein gesamtes Leben wegzuwerfen, nur aufgrund einer fixen Idee. Aber warum mache ich mir dann solche Sorgen? Als hätte ich nicht selbst genug mit dem zu kämpfen, was geschehen ist… Darren sollte wissen, was er tut.

    „Ceirinn.“
    Die Elfe wirbelte überrascht herum, als Darren sie so unerwartet aus ihren eigenen Überlegungen riss und blickte dem anderen Magier fragend in die ruhelosen Augen. Darren hatte eine Hand auf seinen Magierstab gelegt und drehte die Waffe unruhig zwischen den Fingern hin und her während er anscheinend versuchte, die richtigen Worte für sein Anliegen zu finden.
    „Ich… wollte mich nur bedanken. Für alles, was du seit Ostagar getan hast, ich wüsste nicht, wo ich ohne dich jetzt wäre und… du hättest dir die ganze Mühe ja nicht machen müssen.“
    Einen Moment lang wusste die Elfe nicht ganz, wie sie auf Darrens Worte reagieren sollte. Sie hätte sich geschmeichelt gefühlt und erwidert, dass sie ihm ebenso viel zu verdanken hatte, wie sie es schon am Vortag getan hatte, doch etwas hielt sie diesmal davon ab. Die Worte des Menschen klangen für sie auf Besorgnis erregende Weise nicht nach einem Dank, sondern viel mehr… nach einem Abschied. Oder einer Entschuldigung für etwas, das noch nicht geschehen war.

    Es erfüllte sie augenblicklich mit noch größerer Sorge, dass Darren sich ihr gegenüber in dieser Weise geäußert hatte, vor allem in seinem Zustand.
    Da war etwas in seinem Blick, dass sie beunruhigte, ihr regelrecht Angst einjagte. Entschlossenheit. Er hatte offensichtlich eine Entscheidung getroffen und angesichts des Klangs seiner Worte war Ceirinn unweigerlich überzeugt davon, dass er wohl nicht länger vorhatte, mit ihr gemeinsam zum Turm zurückzukehren.

    „Keine Ursache… in solchen Zeiten müssen wir zusammenhalten. Schließlich ist der Zirkel die einzige Familie, die wir haben“, antwortete sie schließlich zögerlich, doch dieses Mal brachte sie schlicht und einfach kein Lächeln mehr zustande.
    Was hast du vor, Darren? Dir muss doch klar sein… beim Erbauer, ich werde dich nicht einfach so gehen lassen. Ich lasse nicht zu, dass du zu einem Abtrünnigen wirst, und wenn ich Gewalt anwenden muss, um dich davon abzuhalten. Das sollte ich ihm sagen… ich sollte ihn davon abhalten, auch nur einen Versuch zu unternehmen…

    „Ja… stimmt wohl. Tut mir Leid, dass ich gestern… solchen Unsinn geredet habe. Ich habe darüber nachgedacht und es war wirklich ein dämlicher Einfall, also…“, sagte Darren schließlich und wirkte dabei ebenso durcheinander und unruhig wie schon zuvor.
    Ceirinn glaubte ihm kein Wort, sie konnte es nicht, schien doch sein gesamter Körper nur so zu schreien, dass er all ihren Warnungen zum Trotz etwas vorhatte.
    Dennoch nickte sie stumm und erwiderte nichts weiter als ein kühles „Ich konnte es sogar verstehen… bis zu einem gewissen Punkt. Mach dir nichts draus.“
    Darren nickte ihr ebenfalls zu und seine Mundwinkel zuckten kurz, womöglich im erneuten versuch eines Lächelns, aber es gelang auch ihm nicht.

    Es war eine außerordentlich unbehagliche Situation für Ceirinn. Sie wusste, dass er etwas vorhatte, dass er entschlossen war und dennoch von Angst erfüllt. Sie wollte etwas sagen, hatte das unbestimmte Gefühl, dass es falsch wäre, nun einfach zu schweigen und hinzunehmen, dass Darren sich unter Umständen gegen sie wenden und versuchen würde, zu fliehen. Doch andererseits hatte sie Zweifel daran, ob es nicht besser war, Darren nicht weiter damit zu konfrontieren, ihn in dem Glauben zu lassen, sie ahnte nichts, damit sie es leichter haben würde, ihn aufzuhalten, sollte er tatsächlich versuchen zu fliehen. Es konnte schließlich sein, dass er gar nicht den Mut aufbringen würde, es tatsächlich zu tun oder dass sie sein Verhalten falsch interpretiert hatte. Diese Gedanken erschienen ihr selbst wie billige Ausreden, doch etwas hielt sie unvermindert davon ab, Darren mit ihren Vermutungen zu konfrontieren, fast als fürchtete sie seine Reaktion. Tatsächlich war da diese unbestimmte Angst, seit sie Darrens Blick bemerkt hatte, als wolle er sich nun durch nichts mehr aufhalten lassen.

    Wusste er vielleicht sogar, dass sie etwas ahnte? Es kam ihr tatsächlich fast so vor, als hätte ihre kühle Reaktion sie verraten müssen… als würden sie sich beide im stillen Einverständnis darüber im Klaren sein, was der andere dachte.
    Eine seltsame Spannung schien in der Luft zu liegen und mit einem Mal spürte Ceirinn Darrens Unruhe auch in sich selbst aufsteigen. Sie wusste nicht genau, was er tun würde, sie konnte nicht sagen, vor was sie sich eigentlich fürchtete, aber es war wohl unvermeidlich, dass sie es herausfinden würde. Und wenn es erforderlich sein sollte, musste sie bereit sein, Darren aufzuhalten.

    „Wir sollten weitergehen, je schneller wir vorankommen, desto früher erreichen wir das nächste Fleckchen Zivilisation“, verkündete sie schließlich in die soeben entstehende angespannte Stille hinein. Darren nickte nur ein weiteres Mal stumm und schluckte schwer. Er schien sogar leicht zu schwitzen und das trotz der kalten Morgenluft. Man konnte ihm seine Angst ansehen und zugleich auch die Entschlossenheit, mit der er schließlich losging.
    Ceirinn selbst übernahm nun die Führung, trotz ihrer wachsenden Anspannung. Es musste Darren weniger verdächtig erscheinen als wenn sie darauf bestanden hätte, ihn im Auge zu behalten. Für sie machte es ohnehin keinen allzu großen Unterschied, denn solange der Weg vor ihr nicht an Eintönigkeit verlor konnte sie ihre gesamte Konzentration auf den ihr folgenden Magier richten. Sie würde jeden Funken Magie spüren, den er anwendete und es in jedem Fall hören können, wenn er versuchte, Abstand zu gewinnen oder ihr zu nahe kam.

    Dennoch beunruhigte sie das alles zunehmend. So kurz vor dem Ziel schienen sich die Dämonen der Vergangenheit und Darrens fehlgeleitete Ambitionen regelrecht verbündet zu haben, um sie mir ihrer unmöglich zu ignorierenden Gegenwart zu quälen, wobei ihr vor allem Darren Sorgen bereitete. Sie konnte noch immer kaum glauben, dass er versuchen würde, sie anzugreifen, sondern hoffte viel mehr darauf, dass er einfach versuchen würde, zu entkommen, doch auch in diesem Fall war sie gezwungen, ihn aufzuhalten. In einer Auseinandersetzung wäre sie ihm zwar deutlich überlegen, aber dennoch fiel es ihr schwer ernsthaft mit einem Kampf zwischen ihr und Darren zu rechnen. Sie wollte sich nicht gegen ihn wenden müssen, nachdem sie bereits so viel gemeinsam überstanden hatten.

    Aber irgendetwas wird geschehen, wenn ich so weitermache… ich muss mit ihm sprechen und ihn davon überzeugen, dass wir zurückkehren müssen. Es ist einzig und allein die Angst vor der dunklen Brut, die ihn zu so etwas treibt, was auch immer er vorhat, aber wie soll ich ihn davon befreien? Ich sehe es ja selbst in jedem unaufmerksamen Moment wieder vor mir… aber es bringt nichts, noch weiter zu schweigen, er ist nicht mein Feind und er ist allein offensichtlich nicht in der Lage, darüber hinwegzukommen. Ich kann nicht länger einfach warten bis etwas geschieht und darauf hoffen, dass ich damit fertig werde.

    Hätte sie diesen Gedanken nur früher gehabt. Hätte sie sich nur nicht von ihren Ängsten dazu verleiten lassen, die drohende Gefahr zu ignorieren und auf einen glücklichen Ausgang zu warten, sie hätte vielleicht noch etwas bewirken können. Doch nun war es zu spät, denn bereits während sie den Entschluss gefasst hatte, sich endlich an Darren zu richten, spürte sie mit einem Mal ein Aufwallen magischer Energie in ihrem Rücken, die sich innerhalb kürzester Zeit manifestierte, Gestalt annahm und zu einem Brodeln anwuchs.
    Was zum…?! Was tust du da, Darren?!
    Bereits im nächsten Moment spürte sie die Hitze in ihrem Rücken, die sengend heiße Verstofflichung von Darrens Magie und in jenem Moment wäre sie um ein Haar zu geschockt von seiner wahren Absicht gewesen, um zu reagieren.

    Er will mich töten.
    Ceirinn wirbelte herum, bündelte augenblicklich das ihr zur Verfügung stehende Mana und errichtete in einer einzigen fließenden Bewegung ihrer magischen Energie ein unsichtbares Schild zwischen sich selbst und Darren, kaum eine Sekunde bevor die gewaltige Wucht des Feuerballs gegen die eben errichtete Schutzmauer prallte und dort von Ceirinns eigener Magie aufgelöst wurde. Wäre sie nicht vorbereitet gewesen hätte sie dieser Angriff vermutlich augenblicklich getötet und nichts als Asche zurückgelassen.
    Doch die Elfe war noch am Leben und das wurde nun auch Darren klar, der einige Meter vor ihr stand, die Hände geradezu krampfhaft um seinen Magierstab geschlossen, mit schweißnassem, aschfahlem Gesicht und bei Ceirinns Anblick vor Entsetzen hervorquellenden Augen.

    Einen Moment standen sie beide einfach nur da, stummes Entsetzen hatte beide gepackt und hinderte sie für diese kurze Zeit an jeglicher Reaktion. Ceirinn konnte es nicht glauben. Darren hatte ihr das Leben gerettet, sie hatten sich gemeinsam bis hierher durchgeschlagen und trotz allem, was sie für ihn getan hatte… dass er versuchte zu entkommen, vielleicht sogar, sie zu betäuben, das hätte sie ihn in seiner panischen Angst vor der dunklen Brut zugetraut, aber nicht dass er sie dermaßen kaltblütig zu töten versuchte. Wie hatte er das tun können?

    „Bist du vollkommen wahnsinnig geworden?!“, schrie sie ihn schließlich an, noch immer ungläubig und kaum fähig, ihrer Enttäuschung, dem Entsetzen und der Wut Ausdruck zu verleihen, die sie nun überkamen.
    Darren öffnete den Mund, fast als wolle er etwas sagen und Ceirinn glaubte für einen Moment, Tränen in seinen Augen glänzen zu sehen, bevor er ohne ein weiteres Wort erneut seine Magie bündelte, in seiner Verzweiflung offenbar unfähig, sein Vorhaben aufzugeben oder auch nur darüber nachzudenken was er da tat.
    Doch nun hatte er Ceirinns vollkommene Aufmerksamkeit und es war ihr ein Leichtes, ein weiteres Mal seinen Zauber zu zerstreuen, diesmal indem sie ohne jede Umschweife ihre magische Energie gegen ihn richtete, den Zauber eigenhändig zersetzte und letztendlich ihre gesamte Konzentration auf das Mana richtete, das sie in Darrens Innerem pulsieren spürte. Sie formte einen Käfig aus ihrer eigenen Energie und umschloss die Quelle der seinen vollständig, trennte sein Mana für die Dauer ihrer Kontrolle vollständig von ihm ab und verhinderte so jeglichen weiteren Angriff, den er im Sinn gehabt hatte.
    Es war ein komplexer Zauber und sie würde ihn nicht sonderlich lange halten können, doch zumindest würde sie dadurch Zeit haben, Darren zur Rede zu stellen, solange er nicht angreifen konnte.

    Der Magier keuchte und versuchte offenbar mit mehreren kurzen Bewegungen seines Stabes, einen weiteren Zauber zu wirken, doch er sollte keinen Erfolg haben. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, als ihm dies klar wurde.
    „Ceirinn, i-ich wollte das nicht, ich wollte dir nichts tun, aber es musste sein, ich konnte nicht…“
    „Es musste sein?! Du hättest mich beinahe getötet, verdammt! Wie kannst du es wagen mir nach all dem so ins Gesicht zu lügen und mir dann in den Rücken zu fallen?!“
    „Ich kann nicht zurück, ich habe es dir doch gesagt!“, schrie er nun ebenfalls zurück, wobei erste Tränen über seine Wangen strömten.
    „Du hättest doch nur sagen müssen, ich wäre tot, du hättest es doch selbst verhindern können! Aber nein, du kannst natürlich nicht lügen, du würdest dich doch niemals gegen die verdammte Kirche wenden, du würdest eher sterben, als vor deinen geliebten Templern zu lügen und deshalb musste ich so handeln!“
    „Ich habe versucht dich zu schützen, du Narr! Ich dachte, es wäre noch nicht zu spät, dich vor einem Leben als Abtrünniger zu bewahren, aber du erkennst scheinbar einfach nicht, was es bedeuten würde…“, begann Ceirinn und ihre Stimme war nun voller Wut darüber, dass dieser Mistkerl es nun sogar wagte, ihr die Schuld an seinen hinterhältigen Taten zu geben.

    „Frei zu sein!? Sich nicht vor der Kirche und den Templern beugen zu müssen, wie es ihnen gefällt?! Selbst entscheiden zu können, was ich mit meinem Leben anfangen will und mich nicht der dunklen Brut zum Fraß vorwerfen zu lassen?!“
    „Nein, ich spreche davon, dass du dein ganzes Leben in Angst verbringen würdest, ob nun vor der Brut oder der Kirche, dass du die Kontrolle über dich selbst verlierst! Sieh dich doch an! Siehst du, wozu deine Angst dich getrieben hat? Wer sagt mir, dass du als nächstes nicht auch noch Blutmagie als einen Ausweg siehst und zu einem Maleficar wirst oder einer Abscheulichkeit, die über Ferelden oder Rivain oder was auch immer herfällt? In deiner sogenannten Freiheit lässt man sich zu leicht zu solchen Dingen verleiten, aber du willst das anschienend einfach nicht erkennen!“

    „Und jetzt?! Was bringt mir das jetzt?“, heulte Darren und seine Worte begannen unter Tränen und Schluchzern undeutlich zu werden.
    „Was machst du jetzt mit mir? Schleifst du mich zum Turm zurück, damit sie mich zu einem Besänftigten machen oder übergibst du mich gleich den Templern, damit sie es beenden? Oder willst du es nicht lieber selbst tun, wenn ich so eine große Gefahr bin?!“
    „Halt den Mund!“, schrie sie ihm als einzige Antwort entgegen, denn sie wusste nicht, was sie nun tun sollte. Doch letztendlich war die einzige Möglichkeit, die ihr sinnvoll erschien, ihn irgendwie zum Turm zurückzubringen und dort dem Ersten Verzauberer die Entscheidung zu überlassen. Es würde ihr wohl kaum selbstständig gelingen, Darren zu einer friedlichen Rückkehr zu überreden und seinen Angriff anschließend zu verschweigen. Jemand musste früher oder später eine Entscheidung treffen, was mit ihm zu geschehen hatte, aber das war nicht Ceirinns Aufgabe.

    „Ich bringe dich zurück zum Turm, dann sollen Irving und Greagoir entscheiden, was mit dir geschieht. Ich hatte nur gehofft, es müsste nicht so weit kommen.“
    Ihre Stimme war wieder ruhiger geworden, beständiger und dieses Mal überwog eine gewisse Enttäuschung darüber, was Darren getan hatte. Sie hatte ihn für niemanden gehalten, der sich so schnell zu einem hinterhältigen Mord verleiten ließ, nur um seine eigenen unüberdachten Pläne durchzusetzen, egal ob ihn nun die Angst dazu getrieben hatte oder nicht.
    „Dann darf ich mich wahrscheinlich darauf freuen, dass mir bald meine Magie und meine Gefühle ausgesaugt werden, wie? Hältst du das für richtig?!“
    „Es ist nicht meine Entscheidung, Darren, aber du hast selbst bewiesen, dass es zumindest eine Überlegung wert wäre. Sie können nicht riskieren, dass du im Turm vielleicht das Gleiche noch einmal versuchst!“
    „Also würdest du mich einfach so töten, nur weil ich womöglich gefährlich bin? Genau das ist es doch, wenn man aufhört, man selbst zu sein, wenn man alles verliert, was einen ausmacht…“
    „Ich kann nun mal nicht ändern, dass Magie eine enorme Verantwortung bedeutet! Wenn du sie für solche Zwecke missbrauchst, musst du mit Konsequenzen rechnen!“

    „Ich lasse mich nicht einfach so zu meiner Hinrichtung führen!“, schrie Darren noch immer unter Tränen und allmählich begann auch Ceirinn eine wachsende Verzweiflung zu spüren. Wenn Darren sich tatsächlich mit allen Mitteln wehren würde, war es unmöglich, ihn alleine bis zum Turm zu bringen. Sie wollte ihn auf keinen Fall töten, sie konnte es vermutlich gar nicht, aber es war ebenso wenig eine Option, ihn einfach gehen zu lassen.
    „Beruhige dich! Wenn du nicht langsam anfängst, über das nachzudenken, was du da tust, wird das kein gutes Ende nehmen, Darren. Ich bitte dich…“
    „Ich kann nicht zurück, versteh das doch endlich! Ob sie mich nun besänftigen oder umbringen oder wieder gegen diese Kreaturen kämpfen lassen, es ist doch alles das gleiche! Lass mich einfach gehen, ich flehe dich an, von mir aus sag es den Templern, aber gib mir bitte nur ein wenig Zeit!“
    „Nein“, antwortete Ceirinn und in ihrer Stimme lag etwas so endgültiges, bestimmendes, dass Darren für einen Moment sprachlos schien. Sie würde ihn nicht zu einem Abtrünnigen werden lassen, unter keinen Umständen.
    Einen Moment lang herrschte eine erdrückende Stille, in der die Elfe nichts weiter tun konnte, als weiterhin fieberhaft zu überlegen, was sie mit Darren machen sollte, wenn er sich nicht beruhigen ließ.

    „Ich will leben, Ceirinn… es tut mir Leid, verdammt, aber ich werde mich nicht einfach von der Kirche hinrichten lassen! Ich kann es nicht!“
    Und mit einem Mal sprang er nach vorne, verkürzte die Distanz von einigen wenigen Metern, die zwischen ihnen bestanden hatte, erheblich und holte mit dem etwa zwei Meter langen im Licht der Morgendämmerung metallisch glänzenden Magierstab aus, den er zu keiner Sekunde aus den Händen gegeben hatte.
    Ceirinn war schlicht und einfach zu überrascht, um zu reagieren, sie hatte vollkommen ignoriert, dass Darren auch ohne seine Magie noch angreifen konnte und nun musste sie den Preis für dieses Versäumnis bezahlen.

    Das stahlharte Ende des Stabes traf sie einem Donnerschlag gleich seitlich am Kopf und ließ für einen kurzen Moment ihr gesamtes Sichtfeld Dunkel werden. Es war ein unglaublich harter und unerwarteter Schmerz, der sie überkam und sei war unfähig etwas anderes zu tun, als zu schreien, einen hohen, schmerzerfüllten Schrei, bevor sie schließlich auf dem Boden aufschlug.
    Einen Moment lang wurde ihr sämtliche Luft aus den Lungen gepresst und Sterne schienen vor ihren Augen zu tanzen, während sie zugleich versuchte, sich in irgendeiner Weise auf dem Boden abzustützen und wieder nach oben zu kommen. Sie war kaum fähig zu begreifen, was überhaupt gerade geschah und noch nicht einmal halb aufgerichtet, als sie der nächste Schlag traf, der Schmerz ein weiteres Mal in ihrem Kopf explodierte und sie sich mit einem erneuten Schrei ruckartig zurück auf den Boden sinken ließ.

    Ceirinn lag nun auf dem Rücken, Darren mit noch immer tränenüberströmtem und vor Panik verzerrtem Gesicht über sich, den Stab bereits zum nächsten Schlag erhoben.
    „Darren, nicht…“, keuchte sie, doch der Schmerz schien ihre Stimme beinahe zu ersticken. Und mit einem Mal wallte die Panik endgültig in ihrer Brust auf, als sie ein letztes Mal in seine Augen sah und erkannte, dass er sie nicht verschonen würde. Sie würde sterben, unfähig sich noch weiter zu wehren oder sich trotz der Schmerzen auch nur einen Moment soweit zu konzentrieren, dass sie ihre Magie hätte anwenden können.
    Dies war ihr Ende.

    „Es tut mir Leid…“, presste Darren unter Tränen hervor und bereits im nächsten Moment schlug er zu. Ceirinn schloss ihre Augen und die nächste Welle aus Schmerz durchflutete ihren Schädel. Mit einem schmerzerfüllte Stöhnen krümmte sich ihr ganzer Körper und sie unternahm einen letzten sinnlosen Versuch, sich wegzudrehen, seinem nächsten Schlag auf irgendeine Weise zu entkommen. Sie konnte warmes Blut über ihre Stirn laufen spüren, das einzige was sie neben den Schmerzen noch wahrnahm, denn ihr Sichtfeld war vollend zu einer verschwommenen undeutlichen Schattenwelt geworden.
    Sie hatte Angst. Schreckliche Angst vor dem, was jetzt kommen würde. Unter anderen Umständen hätte sie sich auf den Erbauer und den Gesang besinnen können, sie hätte den Tod vielleicht akzeptieren können, doch nun, da alles so urplötzlich geschah verspürte sie nichts als eine schreckliche Angst vor der Dunkelheit. Sie wollte nicht gehen, sie wollte nicht sterben… genauso wenig wie Darren, doch dieses seltsame Verständnis für ihren Mörder konnte sie nun auch nicht mehr retten. Es kam zu spät.

    „Es tut mir so schrecklich Leid“, hörte sie Darren ein letztes Mal wimmern, scheinbar viel weiter entfernt als zuvor. Sie glaubte es ihm sogar, sie hatte ihm schon zuvor geglaubt, aber das spielte jetzt keine Rolle mehr.
    Sie spürte den letzten Schlag kaum noch, bevor ihre gesamte Welt in Dunkelheit versank.

  5. #5
    Newbie Avatar von Ceirinn Velaenor
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    Westliches Waldgebiet

    Tag 2 – gegen Mittag


    Kälte und Schmerz waren das erste, das sie spürte. Ein Kalter Wind wehte durch das Geäst der Bäume, brachte die Blätter dazu ein unheilvolles Rascheln durch den gesamten Wald jagen zu lassen. Der Wind streichelte ihr Gesicht und jagte ihr einen kalten Schauer über die Haut, noch bevor sie die ersten winzigen Regentropfen auf ihrer Haut spürte. Es war nur ein leichter Nieselregen und dennoch brachte jeder einzelne Tropfen, der ihr Gesicht berührte neue Kälte mit sich, einen neuen sachten Aufschlag, der sie drängte, wieder aus ihrer Bewusstlosigkeit zu erwachen.

    Es wäre ein wesentlich angenehmeres Erwachen gewesen, hätte es da nicht noch den entsetzlichen pochenden Schmerz in ihrem Schädel gegeben. Sie wollte nicht aufstehen, denn sie verspürte die unbestimmte Angst, dass der Schmerz dadurch nur noch schlimmer werden würde, als er es ohnehin schon war und dass sie sich dann daran erinnern würde, was geschehen war. Es war etwas schreckliches, das wusste sie und in letzter Zeit war bereits genug Schreckliches geschehen als dass sie noch mehr davon hätte gebrauchen können.
    Also lag sie einfach da, ließ Regen, Wind und Wellen des Schmerzes über sich ergehen und hoffte darauf, dass es irgendwann von selbst enden würde. Sie wollte sich nicht erinnern und sie wollte nicht aufstehen und irgendetwas tun müssen, doch letztendlich musste das natürlich geschehen.

    Ceirinn öffnete mit einem zaghaften Blinzeln ihre Augen und musste augenblicklich ein kleines Stück beiseite rollen um zu verhindern, dass die wenigen Regentropfen, die das Blätterdach durchdrangen ihr in die Augen fielen. Ihr Kopf protestierte, indem er für einen Moment lang fast überzuquellen schien vor Schmerz und der Elfe ein gequältes Stöhnen entlockte. Sie stützte sich mit einem Unterarm auf dem unebenen Waldboden ab und legte die andere Hand unter Schmerzen an ihren malträtierten Kopf, nur um augenblicklich die Ursache ihrer Qualen zu spüren. Klebriges, halb getrocknetes Blut klebte an ihrer Schläfe und auch ein Stück weiter hinten am Kopf, dort wo die Schläge sie getroffen hatten. Darrens Schläge.
    Wie erwartet kehrten nun auch die Erinnerungen an ihre Konfrontation zurück und sie waren tatsächlich so unangenehm, wie die Elfe bei ihrem zögerlichen Erwachen bereits vermutet hatte.

    Es war Darren gewesen, der ihr das angetan hatte. Darren, den sie seit Kindertagen kannte, mit dem sie in Ostagar gedient hatte, der ihr das Leben gerettet hatte… dem sie dort im Wald aufgeholfen hatte und mit dem sie stundenlang durch diese Wälder geirrt war, froh darüber, nicht allein zu sein, jemanden bei sich zu haben, der das gleiche Schicksal erlitten hatte wie sie selbst. Darren, der versucht hatte, sie zu ermorden, der so lange auf sie eingeschlagen hatte bis er von seinem Erfolg überzeugt gewesen war und sich nun auf dem Weg nach Denerim und anschließend Rivain befinden musste. Ein Abtrünniger und gescheiterter Mörder.

    Die Erinnerung an diese grausame Realität, Schmerz und Kälte ließen sie einen langgezogenen wimmernden Laut ausstoßen, gefolgt von einem leisen Schluchzen. Sie spürte wie ihr die Tränen in die Augen stiegen, doch sie hielt sie nicht davon ab, sich letztendlich ihren Weg über ihre Wangen zu bahnen, wo sie sich mit den Überresten der zuvor gefallenen Regentropfen vermischten.
    Ceirinn richtete sich lediglich ungeschickt auf, stolperte über ein paar Wurzeln und schaffte es gerade noch, sich an einem der Baumstämme abzustützen, gegen den sie mit einem weiteren Wimmern ihren noch immer höllisch schmerzenden Kopf lehnte.

    Ich könnte tot sein… beim Erbauer, wenn ich Pech gehabt hätte, dann wäre ich jetzt nicht mehr hier… aber es tut so weh…

    Der Schmerz trieb ihr noch weitere Tränen in die Augen und bald ließen ihr erneut aufkommender Hunger und die Einsamkeit einen regelrechten Strom daraus werden. Sie ließ sich entkräftet am Stamm des Baumes herabsinken und presste sich zwischen seinen Wurzeln letztendlich die Hände gegen den noch immer Pochenden Schädel. Sie hatte das Gefühl, dass der Schmerz es ihr einfach unmöglich machte, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Sie wollte nur, dass er aufhörte, doch sie beherrschte die Kunst der Heilung lediglich bruchstückhaft und glaubte kaum, dass sie nun die nötige Konzentration dafür aufbringen konnte.

    Dennoch versuchte sie es mithilfe der Grundlagen, die man ihr vor langer Zeit gelehrt hatte und nach einigen scheinbar endlosen Minuten schien der Schmerz tatsächlich gelindert und es war ihr gelungen, die aufgeplatzte Kopfhaut wieder zu schließen, sodass lediglich das viele Blut noch immer von ihren Wunden zeugte.
    Erschöpft ließ sie letztendlich den Kopf zurücksinken und ließ die Stille des Waldes und den Wind auf sich wirken, während ihre Tränen allmählich versiegten und sie erstmals fähig war, sich vollständige Gedanken über das Geschehene zu machen.

    Ich kann es immer noch nicht fassen… Darren. Er wollte mich töten und ich Närrin hatte es nicht realisiert. Ich hatte es ihm nicht zugetraut, aber ich hätte doch etwas bemerken müssen… ich hätte ihn darauf ansprechen und nicht einfach nur schweigen sollen, aber dafür ist es jetzt zu spät.
    Ein Abtrünniger. Erbauer, ich hatte mir doch geschworen, das zu verhindern, warum konnte ich es nicht? Ich konnte ihm nicht helfen und vielleicht habe ich ihn sogar noch angestachelt mit meinen Einwänden und Moralpredigten… nein, das ist nicht meine Schuld. Ich habe ihn gewarnt, er war sich darüber im Klaren, was es bedeutete und es hat ihn nicht gekümmert… er war so fixiert darauf, sein eigenes Leben zu retten, dass ihm alles andere egal war, auch mein Leben. Ostagar hat ihn dazu getrieben… diese Kreaturen haben ihn zu einem Mörder gemacht, zu einem Abtrünnigen, als hätten sie nicht bereits genug angerichtet!


    Einen Moment lang ballten sich ihre Hände zu Fäusten, als sie eine tief empfundene Wut überkam, ebenso wie eine noch größere Besorgnis bezüglich der wahren Ausmaße der Verderbnis. Die Begegnung mit diesen Kreaturen veränderte die Menschen, sie veränderten ihr gesamtes Denken, sobald sie sich darüber im Klaren waren, was die Verderbnis bedeutete und dass es kein Entrinnen vor ihren Auswirkungen gab… oder vor dem Kampf gegen sie, den Darren wohl mehr gefürchtet hatte als den Tod selbst.

    Aber das führt zu nichts. Was auch immer die Gründe gewesen sein mögen und wer die Schuld an dem trägt, was geschehen ist, ich kann es nicht mehr ändern.
    Wenn Darren mich tatsächlich für tot hält, hat er keinen Grund, seinen Plan zu ändern und ist jetzt auf dem Weg nach Denerim, um einen Weg nach Rivain zu finden… und es liegt an mir, ihn aufzuhalten. Das bedeutet, ich muss ihm nach Denerim folgen. Wenn ich nur die Templer im nächsten Ort hinter ihm her schicke brauchen sie womöglich zu lange, um ihn aufzuhalten, ganz abgesehen davon, dass auch schon vor der Schlacht zahllose Menschen aus dem Süden geflohen sind... es muss jetzt noch viel schlimmer sein und die Templer werden alle Hände voll zu tun haben, die Ordnung aufrecht zu erhalten.
    Ich muss also selbst nach Denerim gehen und die Templer dort informieren…

    Ich hatte mir nur gewünscht, einfach zum Turm zurückkehren zu können. Aber es scheint als hätte der Erbauer andere Pläne mit mir. Vielleicht war es kein Zufall, dass ich überlebt habe. Vielleicht ist es meine Aufgabe, Darren zu finden… aber wenn ich tatsächlich die Templer rufe, werden sie ihn töten, sobald sie wissen, was er getan hat.
    Ist das der Wunsch des Erbauers? Darrens Leben zu nehmen, bevor er anderen Schaden zufügen kann? Oder ist es meine Aufgabe, ihn zur Vernunft zu bringen, bevor alles zu spät ist? Nur wie, wenn ich schon jetzt versagt habe?


    Die Elfe stieß einen langgezogenen ratlosen Seufzer aus und wandte ihren Blick für einen Moment nach oben auf das noch immer im sanften Nieselregen vor sich hinraschelnde Blätterdach, als könnte ihr dort oben jemand eine Antwort geben.
    Sie fühlte sich nach wie vor völlig erschöpft, ausgelaugt, hungrig… aber es war ihr nun mal einfach nicht möglich, sich nun die ersehnte Ruhe zu gönnen und somit ihre Pflicht zu vernachlässigen.
    Denn sie nahm es gewissermaßen als ihre Pflicht gegenüber dem Erbauer an, Darren nun aufzuhalten. Sie hatte ihre Pflichten bei Ostagar nicht erfüllen können, sodass ihr diese Begebenheit geradezu als eine zweite Chance erschien. Sie hatte während der Schlacht vielleicht weder Angus noch einen der anderen Gefallenen retten können, doch immerhin konnte sie nun versuchen, Darren zu retten.

    Es war ein seltsamer Gedanke und genaugenommen gab es nicht den geringsten Anhaltspunkt für diesen Glauben… aber trotz der Tatsache, dass Darren versucht hatte, sie zu töten und obwohl sie ihn dafür in gewisser Weise nach wie vor verachtete, erschien ihr ihr Überleben wie ein Zeichen dafür, dass Darren trotz allem kein Mörder war… dass es für ihn noch eine letzte Chance gab, bevor er auch in den Augen des Erbauers verloren war. Es war zugleich Ceirinns Chance etwas zu bewirken, ihre zweite Chance und ihre Möglichkeit, sich zu beweisen, wenn auch auf andere Art und Weise als sie es sich vor Ostagar immer erhofft hatte.
    Sie hatte sich im Kampf bewiesen, sie hatte im Namen Fereldens und des Königs getötet und es hatte sie im Grunde nicht im Geringsten vorangebracht. Es war nicht das gewesen, was sie sich immer erhofft hatte, aber nun bestand die Möglichkeit, tatsächlich etwas Gutes zu bewirken.

    Ceirinn erhob sich, richtete den Blick wieder klar nach vorne und begann, ihre nächsten Schritte zu planen. Der Erbauer hatte ihr ein neues Ziel gegeben, eine Aufgabe, die es zu erfüllen galt und der sie nun ihre gesamte Aufmerksamkeit widmen musste.
    Sie würde Darren nach Denerim folgen und ihn aufhalten, bevor er Ferelden verlassen konnte. Sie würde versuchen, ihn zum Turm zurückzubringen, ihn als einzigen zu retten, den sie nun noch retten konnte… und sollte sie auch hierbei versagen, war es ihre Pflicht, ihn zu töten oder es den Templern zu überlassen, wenn es die Situation zuließ.
    Hunger, Schmerz und Erinnerung mochten sie immer noch quälen, doch nun hatte sie ein Ziel vor Augen, das von größerer Bedeutung war als ihre persönlichen Bedürfnisse.

    Erbauer, gib mir die nötige Kraft, die ich hierfür brauchen werde… wenn es dein Wille war, dass ich überlebt habe, dann muss mein weiteres Leben auch einen Zweck haben und wenn dieser vorerst darin besteht, Darren vor sich selbst zu retten… oder dein Volk vor Darren… dann werde ich das annehmen. Ich werde ihn finden… und auf die ein oder andere Weise muss ihm Gerechtigkeit widerfahren. Ich bin die einzige, die weiß, was er getan hat und was ihn quält… und ich werde ihn in Denerim finden.

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