"Natürlich, eine Katzenfrau ist ja auch sehr unauffällig, keiner wird etwas bemerken.", zischte Karàsvina zurück, aber Melina schien ihr schon gar nicht mehr zuzuhören. Die Hexe hob empört die Arme und ließ sie mit nachdruck wieder fallen, dann drehte sie den Oberkörper und erst zuletzt die Beine. Zu zwei Seiten konnte sie niemand sehen: einmal war da die Stadtmauer und es würde wohl kaum jemand übers Meer gerudert kommen, zumal Melina noch hinter dem Stapel aus Säcken kauerte, welche unweit des Wassers aufgetürmt lagen. Doch auf der anderen Seite war, unweit ihres Standortes, ein schmaler Durchgang. Dieser lag einen kurzen Abhang hinab und Tagelöhner schleppten Kisten hinein und hinaus. Karàsvina glitt zunächst auf die Knie, dann senkte sich ihr Oberkörper langsam auf den Wiesengrund und sie spähte hinab. Im Moment bestand keine unmittelbare Gefahr, dass sie entdeckt worden, aber was dann?
Sie musste dem vorbeugen. Und sie verfügte sogar über die richtige Magie dazu, doch in ihrem jetzigen Zustand war es vielleicht nicht die beste Idee: Zum Hexen musste sie durch den Schleier reichen, die Essenz des Jenseits dahinter hervorholen und in diese Welt strömen lassen. Doch es hingen Fäden der Magie an ihr, sie war leicht zu erkennen für alles, was sich auf der anderen Seite umher trieb. Geister wie Dämonen. Sie schaute noch unschlüssig hinab.
Fünf Männer, die immer wieder hin und -her laufen, aber keiner guckt auch nur in unsere Richtung. Sie versuchte zu lauschen, aber ihre übergroßen, fellbedeckten Ohren vernahmen der Geräusche viel zu viele: Da waren die Geräusche vom Hafen und die Stimmen, manche lauter manche leiser und immer wieder zerrissen schreie von Möwen alles. Unmöglich, einige wenige Worte daraus heraus zu hören. Sie warf einen Blick über die Schulter, Melina kniet, ihr den Rücken zugewandt, über der Elfe. Karàsvina spürte ein Kribbeln, als sie die Heilerin so ansah und wusste, dass diese Magie wirkte. Und die Hexe nahm an, dass sie damit noch eine ganze Weile beschäftigt sein würde. Mit wachsender Besorgnis wandte sie wieder das Haupt, derweil ihre Schultern unbewegt auf dem Boden ruhten. Drei der Kistenschlepper standen beieinander und schauten immer mal wieder den Hang hinauf, die Gefahr entdeckt zu werden wurde immer bedrohlicher und die Hexe sah keine andere Möglichkeit mehr. Sie robbte zwei Schritt zurück, ließ ein Bein auf dem Boden ruhen und zog das andere an, streckte die Hände nach hinten.
Ihre Finger begannen, nach dem Schleier zu fühlen, doch etwas war anders als sonst: anstatt nur einen hauchdünnen Vorhang zu erfühlen war es, als hätte jemand eine dicke Filzdecke zwischen die Welten gehängt. Sie fühlte mit mehr Nachdruck, bohrte ihre krallenbewährten Hände in den Stoff und durchstieß diesen. Ihren Unterarm entlang strömte die Essenz der Magie, die Hexe fühlte danach, doch das Mana floss nicht so ruhig und regelmäßig wie sonst, es glich einem mit Felsen durchsetzten Bach, dessen Strömung sich ständig änderte. Karàsvina fuhr fort in ihrem Tun und hoffte inständig, dass ein freundlicher Geist lauschte:
"Komm und fließ,
du unstet' Ding.
Komm und forme dich,
mein Wille gibt dir Gestalt." murmelte sie leise.
Überall an den Armen und ihrem Rücken, dem ganzen Oberkörper spannten sich ihre verformten Muskeln an und entspannten sich, das Mana verzweigte sich dort wo noch Reste der Schleierfäden an ihrem Körper klebten und sich in Form von Fellbüscheln, Krallen oder Schnurrbarthaaren manifestiert hatten. Doch es würde kühler, feuchter. Nebel keimte auf, sie wiegte den Körper in langsahmen Kreisen vor und zurück, ihre Hände drehten und die dünnen Arme wandten sich.
"Forme dich zu kreisen,
Wasser werde zu Dunst,
verschleiere der Beobachter Sicht."
Nebelschwaden breiteten sich, ähnlich dem Dampf über einem Kessel in den sie beständig rührte, aus. Sie öffnete die Augen und versuchte, den Riss im Schleier mit nach hinten gestreckten Armen und sanftem Fingerspiel zu schließen, doch es war so anstrengend, Schweiß klebte in Fellbüscheln am ganzen Körper und ihr Atem wurde schwerer.
Das Denken fiel schwerer, doch sie schaffte es, von Dämonen wohl unbemerkt, dem Schicksal sei dank, den Schleier zu schließen. Doch als nun legte sich, zusätzlich zu den hervorgerufenen Nebelschwaden, auch über ihr Denken ein Schleier, alle Gedanken wurden langsamer und sie selbst müde, so unglaublich müde.
Sie drehte den Kopf, verdrehte dabei den Oberkörper, beide Knie blieben auf dem Boden. sie konnte Melinas Rücken gerade ncoh erahnen, die kaum einen Schritt entfernt kniete.
Das muss verschleiert genug sein., bahnte sich ein Gedanke zäh wie ein Siebenschläfer den Weg durch ihren Kopf.