Denerim – Marktbezirk
„Nehmt Eure Kapuze ab, damit man Euer Gesicht sehen kann, Magierin“, forderte sie der unschwer zu erkennende Anführer des Trupps ohne zu zögern auf, kaum dass die schwer gepanzerten und bewaffneten Männer den Ort des Geschehens erreicht hatten. Wie erwartet, klang der Mann nicht übermäßig freundlich angesichts der Tatsache, dass er entweder eine unnötige Farce oder eine Abtrünnige vor sich hatte.
Ceirinn verspürte einen gewissen Widerwillen, sich vor der inzwischen unverhohlen gaffenden Masse als Elfe zu erkennen zu geben, doch es machte keinen Sinn, sich den Templern in dieser Angelegenheit zu widersetzen.
Mit einer schnellen Handbewegung schob sie sich die grobe Stoffkapuze zurück und fast augenblicklich ging ein Raunen und Murmeln durch die Menge, aus dem sie unschwer die Worte „Klingenohr“ und „Dalish“ heraushören konnte. Allmählich wurde das alles regelrecht lächerlich.
„Ich hoffe für Euch dass Ihr aus dem Magierturm kommt und einen Grund für Euer hier sein habt, Elfe“, fuhr der Anführer der Templer ungerührt fort.
„Natürlich, Ser. Ich bin Ceirinn Velaenor vom Zirkel der Magi in Ferelden und ich habe die Genehmigung des ersten Verzauberers und des Ritterkommandanten bei mir“, erklärte sie etwas ausführlicher, als gegenüber den Templern nötig gewesen wäre, doch den Schaulustigen wollte sie ebenso klar machen, dass es nicht den geringsten Grund für diesen Aufstand gab.
Bereits während sie gesprochen hatte, hatte Ceirinn in ihre Tasche gegriffen und den Briefumschlag mit den Papieren des Zirkels hervorgeholt, den ihr der Templer prompt aus der Hand schnappte.
Er würde nun jeden Moment feststellen müssen, dass Ceirinn einzig und allein für die Schlacht von Ostagar abgestellt worden war und obwohl sich die Elfe bereits eine Ausrede zurechtgelegt hatte, begannen ihre Hände zu schwitzen. Was wenn die Templer ihr nicht glaubten? Es war ihr nicht entgangen, wie der Templer eben noch das Wort ‚Elfe’ betont hatte…
„Die Papiere sind echt, aber sie erklären nicht Euer Hiersein, Magierin. Laut diesem Dokument solltet ihr lediglich an der Schlacht teilnehmen, ihr hättet längst zum Magierturm zurückkehren sollen“, stellte der Mensch fest, die Augen nun mit strengem Blick auf Ceirinn gerichtet.
„Die Dinge haben sich geändert, Ser. Während des Rückzugs der Armee haben sich anscheinend einige Magier der Streitmacht von Teyrn Loghain angeschlossen und sind ihm bis nach Denerim gefolgt. Ich wurde geschickt, um die verbliebenen Magier des Zirkels zu finden und zum Turm zurückzubringen“, log Ceirinn, vielleicht ein wenig zu hastig und bat den Erbauer im Stillen um Vergebung, dass sie seine treuen Diener derart hinters Licht zu führen versuchte.
Einen Moment lang herrschte zweifelndes Schweigen, bevor der Templer entgegnete: „Wer hat Euch diesen Befehl erteilt?“
„Angus Talsendt, Verzauberer des Zirkels.“
„Ein Verzauberer?“
„Nach der Schlacht brach Chaos aus, er war der höchstrangige Magier, dem ich seitdem begegnet bin und die Templer hatten sich ebenso zerstreut wie der Rest der Armee. Wir hielten es für das beste, einen Magier nach Denerim zu schicken, für den Fall dass kein anderer überlebt hatte…“
„Denkt Ihr nicht, die Templer von Denerim hätten verirrte Magier zurückgeschickt, sobald sie hier eingetroffen wären?“
„Womöglich waren die Magier oder die Befehlshaber der Armee anderer Meinung. Wir hielten es, wie gesagt, für das Beste, jemanden loszuschicken, um sicherzugehen, dass sämtliche Magier zurückkehren.“
„Und wo wolltet Ihr nach ihnen suchen? Ihr hättet sofort zu den Templern kommen sollen.“
Ceirinn musste unweigerlich schlucken und brauchte einen Moment, um eine geeignete Antwort für den misstrauischen Templer zu finden.
„Ich… wollte mir zunächst ein Zimmer in einer der Tavernen suchen. Die Magier laufen mir nicht davon und es war eine lange Reise.“
„Hm“, machte der Templer leicht abfällig. Es klang nicht gerade danach, als wäre er mit ihren Antworten sonderlich zufrieden.
Eine Zeit lang starrte der Anführer des Trupps scheinbar noch zögernd auf die Papiere, die er nach wie vor in der Hand hielt, bevor er letztendlich einen anderen Mann aus der Menge zu sich winkte. Er hob sich mit seiner roten Kleidung von den Templern ab und war Ceirinn bei der Ankunft der Templer zunächst nicht aufgefallen, sodass sie das Auftauchen des fremden Mannes ein wenig beunruhigte.
Der Anführer der Templer neigte dem Mann leicht den Kopf zu und sagte irgendetwas, das Ceirinn nicht verstehen konnte, auch wenn sie glaubte etwas von wegen ‚Deserteurin’ herauszuhören.
Die Hände der Elfe verkrampften sich augenblicklich. War ihre Lüge zu offensichtlich gewesen? Was würde geschehen, wenn die Templer sie wirklich für eine Deserteurin hielten? Und wer war dieser Mann - jemand der wichtig genug war, um über sie zu urteilen, oder doch nur jemand, dessen Meinung es wert war, angehört zu werden?
Ceirinn schluckte und wartete ab, was nun geschehen würde.