UWG
Assault Shuttle Nebiros (AS Nebiros), Anflug auf Nos Astra
Uhrzeit: 00:07 Uhr
Schläfrigkeit. Musik pulsierte durch die Muschelkopfhörer, elektronisch verzerrte Stimmen, futuristische, chillige Töne. Nein, das kannte Claire doch schon. Es war schon längst vorbei, fausse reconnaissance, déjà-écouté, französisches Zeug halt. Aschehaufen, Zigarettenreste. Eine zweite Kippe täte bestimmt gut, doch wo steckte nur die Packung? Claire tastete ihre Lederjacke ab, fühlte, wie ihre erschöpften Augen gegen die Müdigkeit ankämpften, ihr Kopf ständig nach vorne knickte, die Realität sich verschleierte, alle Geräusche verstummten. Sie stöberte die halb zerknüllte Zigarettenpackung in ihrer Seitentasche auf, ihr fehlte allerdings ein Feuerzeug, also stopfte die Schmugglerin die Schachtel wieder zurück. Schläfrigkeit...
'Oh...scheiße...ich habe...die falsche Tablette...geschluckt...'
Claire schlief schließlich ein.
Fantasie. Erinnerungen. Vergangenheit. Abstrakte Begriffe, die sich nachts verflochten, eine neue Realität gestalteten, die Claire seit zwanzig rastlosen Jahren quälte. Nein, das kannte Claire doch schon. Es war schon längst vorbei, fausse reconnaissance, déjà-écouté.
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Arvuna, Mirage Isle, Claires Zuhause
Datum: 14.07.2164, 20:47 Uhr
"Nikki, du schummelst", knurrte Claire, "ich seh's dir doch an."
Sie saßen am Esszimmertisch und spielten Karten, die simplifizierte Version des asarischen Pokers. So sehr Claire sich auch anstrengen mochte, so perfekt ihr Pokergesicht eigentlich wirken sollte, Nicole zockte ihr Credit für Credit ab und lächelte dabei verdächtig schelmisch.
Sie konnte den faulen Braten förmlich riechen.
"Ich bin einfach nur gut", konterte die Naturblondine zuckersüß und verdoppelte dabei ihren Einsatz, "was kann ich dafür, dass du so eine schlechte Verliererin bist?", führte das Wasserglas an die Lippen und trank den letzten Schluck aus.
"Mach ruhig so weiter, du erhälst deine gerechte Strafe schon noch."
Claire überlegte keine Sekunde, sondern zahlte den nötigen Creditbeitrag in den Pot ein. Sie wollte diese Partie unbedingt gewinnen.
"War das ein Angebot?", lächelte Nikki verspielt, "es hörte sich verdächtig danach an."
Sie schob das Glas beiseite und legte danach die Karten verdeckt auf die Tischplatte, solange ihre Freundin sich den nächsten Zug überlegte. Ihr Ziel war die Wasserflasche, die sich in der Mitte befand, also beugte Nikki sich tief über den Esszimmertisch, bis das hauchdünne Spaghettishirt so verrutschte, dass Claire ihre nackten, sonnengebräunten Brüste sehen konnte.
Claire schluckte hart. Keine Spucke. Sie senkte hastig den Blick, kannte die manipulativen Spielchen, die Nikki gerne spielte. 'Sie will dir in Karten spinksen.' Staubtrockene Kehle. 'Nein. Sie will, dass du ihr an die Wäsche gehst.' Sie erkannte das hinterhältige Lächeln auf Nikkis Lippen. 'Miststück.' Sinnliche, feuchte Lippen, die Claire küssen wollte. Game Over.
Nikki füllte das leere Glas auf, "Willst du auch was?", doch Claire schüttelte nur den Kopf. Sie blickte in ihre silbergrauen Augen, flüsterte hilflos "Ich will stattdessen dich", doch da unterbrach das Klingeln an der Haustüre das sinnliche Knistern zwischen den beiden.
"Claire! Geh bitte an die Tür!", rief ihre Mutter quer durch den Wohnbereich, wo ihr fünfjähriger Schützling die ganze Zeit über das Klavier malträtierte, "das müssen die Wainwrights sein!"
Claire seufzte resigniert, erhob sich und bat Nikki darum, die Karten zu stapeln und zurück in die Plastikschale zu sortieren. Sie selbst marschierte zur Eingangstür des gemütlich dekorierten Containerhauses, betätigte die innere Schalttafel und wartete, bis sich die Tür beiseite schob und den Blick auf Miss Wainwright freigab, die ihr nun ein freundliches Lächeln schenkte.
"Hallo, Claire", grüßte die gebürtige Argentinierin herzlich.
"Guten Abend, Miss Wainwright."
Claire drehte sich in Richtung des Wohnbereichs.
"Diego, deine Mom ist da!", lächelte die attraktive, elegant gekleidete Frau an, als das qualvolle Klimpern endlich stoppte, "er hat sich übrigens sehr artig benommen."
Miss Wainwright seufzte erleichtert auf. Diego konnte gelegentlich sehr launisch und widerspenstig sein, weshalb Miss Wainwright sich mittlerweile regelmäßig nach seinem Verhalten erkundigte.
"Danke, dass du heute auf ihn aufgepasst hast."
"Keine Ursache, ich mach's wirklich gern", antwortete Claire aufrichtig und fühlte sich ein wenig schuldig, dass ihre Aufmerksamkeit heute eher Nicole als Diego gegolten hatte.
"Mama!", rief der fünfjährige Knabe fröhlich, hüpfte an Claire vorbei und titschte gegen die schlanken Beine seiner Mutter, die fürsorglich über seinen Kopf streichelte und ihn gleich fragte, ob er heute Spaß gehabt hatte.
"Klar! Ich hab Klavier gespielt!"
Claire lächelte nur schief, '...du hast eher das Haus terrorisiert...', aber da es ihre Eltern wenig störte, solange es nur einige Minuten dauerte, sah die Schülerin für heute darüber hinweg.
"Ich wünsche dir und deiner Familie noch einen schönen Abend", verabschiedete sich Miss Wainwright daraufhin, "Ich Ihnen auch", und spazierte durch die Abenddämmerung zurück in das Nachbarhaus, den quirligen Diego im Schlepptau.
Claire tippte die Schalttafel an, damit sich die Haustüre wieder schloss, machte kehrt, zurück in das Esszimmer, doch dort angelangt erblickten ihre blauen Augen nur das aufgestapelte Kartendeck, das befüllte Wasserglas und die falschen Creditchips, die sorgfältig in das Pokerset sortiert waren. Nikki hingegen fehlte.
'Sie ist bestimmt schon oben.'
"Mom, ich geh ins Zimmer, falls was ist!"
"Gut, Liebling!"
Sie schnappte sich die Wasserflasche, stieg die Treppe hinauf in das erste Stockwerk und durchquerte den ganzen Flur, bis sich ihre Zimmertür automatisch öffnete und Nicole an die Türschwelle trat. Sie packte wortlos ihren Arm, "Ah, Nik-", zerrte die überrumpelte Claire in die stockfinstere Kabine und drückte die brünette Frau gegen den Kleiderschrank, sodass ihr die Wasserflasche aus den Fingern glitt.
Stille.
Ein erregtes Seufzen.
Claire inhalierte die stickige Luft.
Sie fühlte, wie Nikkis feuchte Lippen ihren Hals liebkosten, ihr Ohrläppchen ganz zärtlich anknabberten, bis ihre Zunge es sanft massierte. Gänsehaut kribbelte durch ihren Körper, feinste Härchen stellten sich auf. Verrücktes Herzrasen. Nikki löste das Haargummi, das ihre blonden Haare gebunden hielt, schüttelte ihren Kopf, bis die Locken auf ihre Schultern fielen. Es duftete nach Kirschblüten. Claire vergrub ihre Nase in den blonden Haaren, küsste zärtlich Nikkis Schläfe und ihre geschlossenen Augen, die sonst so neckisch, so hinterhältig grinsten. Stupste sanft ihre Nase an und entlockte ihr so ein verspieltes Lächeln.
"Ich liebe dich."
Sie raubte Nikki einen feuchten, leidenschaftlichen Zungenkuss, ehe sich die Arme ihrer Freundin gierig um ihre Schultern wickelten. Ihre verschwitzten Fingerkuppen glitten unter das hauchdünne Spaghettishirt, liebkosten die seidigzarte, sonnengebräunte Haut, krallten sich darin fest. Erregung pulsierte durch ihren Körper. Wackelige Puddingbeine. Zittrige Fingerspitzen. Flaues Kribbeln in der Magengrube. Sie exhalierte die sauerstoffarme Luft in hungrige Küsse hinein.
"Zieh mich aus...", seufzte Nikki atemlos.
Claire riss das Shirt über den blonden Kopf und pfefferte es auf den Teppichboden. Lippen tänzelten über die weiche Haut, küssten sich gierig ihren Weg hinab, zogen einen feuchten Speichelfilm hinter sich. Sie beide stolperten rückwärts gegen den Schreibtisch, bis es lautstark krachte. Verharrten. Lauschten. Sekunden vergingen, doch keine Schritte folgten. Verspieltes Kichern. Claire drängte ihre Liebste zum Bett, drückte Nikki auf das Laken hinab, nagelte ihre Arme auf der Matratze fest. Sie konnte es kaum noch aushalten. Sie wollte Nikki.
"Ich will dich so sehr..."
Claire vergrub das Gesicht zwischen den nackten Brüsten, führte ihre feuchten Lippen an die Knospen, knabberte sanft daran. Nikki biss sich auf die Lippe, seufzte erregt auf.
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"Claire? Claire!"
Coop packte ihre linke Schulter und rüttelte die Schmugglerin wach.
"Wach auf, wir haben Nos Astra erreicht", er schaltete die Flugsysteme aus, die für die Zeit des Aufenthaltes überflüssig waren, wie beispielsweise den Antriebskern oder die Tragflächen, die sich nun automatisch hoch klappten, "das Paket muss raus."
"Äh, ja...klar..."
Claire rieb sich die Augen. Orientierungslosigkeit. Schläfrigkeit. Richtig. In ihrer Müdigkeit hatte die 37-Jährige versehentlich Schlaftabletten statt Aspirin geschluckt, so musste es gewesen sein. Sie blickte auf die digitale Displayuhr.
Es war 00:27 Uhr.