Kathleen fühlte wie sich Henrietta bewegte und riss sie aus ihren Gedanken. Mit unglaublich viel Gefühl, hob sie den kleinen Menschen an und setzte die kleine aufrecht vor sich auf ihren Schoß.
"Wach, Princessa?"
"Hmmmmm..."
Kam es gemurmelt zurück und das Mädchen rieb sich verträumt die Augen. Verschlafen, wohl eher und gähnte herzhaft - mal wieder - und sah sich um. Sie realisierte schnell das sie nicht mehr an Bord des Schiffes war, aber auch nicht Privat. Zur Überraschung ihrer Mutter, reagierte sie prompt und lächelte dann, nickte und sagte nichts. Auch wenn Kathleen es ihr nie versucht hatte ein zu impfen. Das Mädchen war klug, sie verstand, das ihre Mutter viele Dinge wusste und hörte. Und das es besser war wenn sie still war und so wenig davon wusste wie möglich.
Neska respektierte diese stille Übereinkunft die ihre Tochter mit sich selbst getroffen hatte. Auch wenn sie es nicht gut fand. Vorauseilender Gehorsam war nichts das Kathleen mochte - außer von ihre Untergebenen bei ihr. Sie schmunzelte und streichelte die Haare ihrer Tochter zu recht.
"Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt, junge Dame." flüsterte sie um die anderen nicht zu stören.
"Ich weiß." hauchte Henrietta als Antwort und neigte leicht den Kopf. Kuckte verlegen über die Schulter und wackelte mit der Nase, während sie den Mann fokusierte der sie an sah. Legte den Kopf schief wie eine Katze die ein Spielzeug beobachtete. Ihr Ausdruck war nicht frech, oder verlegen. Selbstbewusst und offen. Dann sah sie ihre Mutter an und hob eine Augenbraue. Noch etwas das sie sich schon früh abgeschaut hatte.
"Der Mann beobachtet mich."
Kathleen musste nicht hin sehen um zu wissen wen sie meinte. Ihr war es schon vor ein paar Minuten aufgefallen. Statt dessen sah sie über die Schulter von Henrietta und somit zu Sarah und John. Sie lächelte, als sie den Blick erwiderte, den ihre Freundin herüber warf. Es war etwas mildes, fast fragendes darin. Und Kathleen ließ ihre Augen ein paar Millimeter hinüber wandern zu John und dann zurück. Nickte nur eine Spur.
Vermutlich hätte sie meilenweit schlechtere Männer und Frauen finden können für die Rolle. John machte einen guten kompetenten Eindruck. Einzig der Einfluss von Helen musste noch klar werden. Wie viel Erwartung setzte sie in den Mann. Was wollte sie von ihm. Wo lag dann seine Loyalität. Kathleen hoffte das sie bei Sarah liegen und bleiben würde. Helen war ein Miststück - nicht das Kathleen besser war - aber John würde mit ihr zu Grunde gehen. Höchstwahrscheinlich.
"Mami." protestierte die junge Dame und tippte ihr wieder auf die Schulter. Unterbrach dann den Blickkontakt mit Sarah, in dem sie ihren Kopf dazwischen schob. Machte dann ein paar deutenden Bewegungen in die Richtung des Mannes.
"Der Mann..." Kathleen sah ihre Tochter an und lächelte. Henrietta zwinkerte mit dem linken so das sie ihre Mutter nur aus dem blauen Auge heraus betrachtete, um zu verstärken in welche Richtung der Mann saß. "..jetzt kuck doch."
"Ich weiß wen du meinst, mein Schatz." sagte sie ruhig und löste eine der Haarklammern von Henrietta um sie dann neu zu befestigen. "Er beobachtete uns schon länger. Ein kleines Mädchen ist in so eine Besprechung eher selten anwesend, musst du wissen."
"Ah." machte Henrietta und sah den Mann wieder an. Zuckte mit der Schulter als wollte sie sagen 'Pech gehabt - Mama interessiert sich nicht für dich.' Dann schnappte sie nach dem Hasen, der ihr erst jetzt wieder in den Sinn kam und presste ihn fest gegen sich. Streichelte ihn und lächelte zufrieden. Überglücklich.
"Müssen wir noch lange hier sein?"
"Nein, Schatz. Mein Fahrer müsste bald hier sein."
"Na gut." sagte sie fröhlich und hielt einen Moment inne. "Ich hab Hunger."
Kathleen beäugte ihre Tochter und schmunzelte. Streichelte ihr über den Kopf, um sich dann zurück zu lehnen. "Dann besorgen wir dir was zum Essen."
"Ich mag Pommes." kam es wie aus der Pistole geschossen.
Kathleen hätte ihr sofort widersprechen müssen. Aber sie wusste, das so gerne Henrietta auch erwachsen tat, das es unweigerlich zu einem Disput führen würde. Und das musste nicht hier sein. Dafür kannte sie ihre Tochter zu gut. Also entschloss sie sich es auf die Fahrt zu verschieben.
Hinter ihr kam, leise Bewegung in den Raum, als sich eine Gruppe von Menschen ihrer Position nach kurzem Zögern näherte. Kathleen blickte sich nicht um. Aber Henrietta hatte ihre Aufmerksamkeit voll den Leuten zu gewandt. Sie wackelte mit dem Mund, während sie darüber nachdachte ob sie die Leute kannte, oder was die von ihnen wollen konnten. Aber die Tatsache das sie vollkommen entspannt, war ließ Kathleen ruhig bleiben, was ihrer Tochter keine Angst machte, machte auch ihr keine Angst.
Neben ihr ging dann - nicht überraschend - aber plötzlich jemand in die Knie. Es war Tim.
"Ma'am. Können wir?" er sprach so leise, das maximal sie ihn hören konnte.
Neska blickte den Mann von oben herab an, da sie im sitzen größer war und hob eine Augenbraue. Er kommentierte weder ihre Tochter, noch ging er auf sie ein. Er blickte sie an und nickte ihr freundlich zu, lächelte wie man bei einem Kind lächeln musste. Aber er war konzentriert und schien auch nicht davon abzubringen zu sein, professionell sein zu wollen. Kathleen nickte.
"Sicher." sie blickte über die Schulter und sah die weiteren zwei Männer die unter ihren Achseln, zwei MPs trugen, als wären sie darauf gefasst das es Ärger geben könnte.
Kathleen hob Henrietta hoch bevor sie aufstand und sah die beiden an, dann wieder Tim. "Will ich es wissen?"
"Nun, Ma'am. Nach dem Vorfall, hat die Botschaft für die leitenden Mitarbeiter eine höhere Sicherheitsstufe ausgerufen. Wir sind ihr Begleitschutz für die nächsten Tage."
"Herrlich." sie war nicht begeistert. Gar nicht. Henrietta störte das wenig. Sie hielt den Hasen in einer Hand und streckte dem Fremden die andere Hand hin. "Henrietta Benedict."
Er starrte sie irritiert an und zögerte einen Moment. Verblüfft von dem Mädchen. "Tim. Hi. Ich.. ähm.. Ma'am." er winkte hinter den beiden Männer eine junge Frau heran. Kurze blonde Haare, blaue Augen. Schlank, fast dürr, aber schneidig in ihrer Uniform der Allianz. Ein Staff Lieutenant.
"Darf ich ihnen Kassandra Kreuz vorstellen, ihre neue Ordonanz."
Die junge Frau trat vor und lächelte auf eine sympathische, aber trockene Weise. Die Deutsche stand ihr quer über das Gesicht geschrieben. Kathleen fand das gut. Deutsche waren verlässlich, pünktlich und pflichtbewusst. Da Kassandra wohl hauptsächlich erst mal Kindermädchen spielen würde, war ihr das ganz recht.
Als die Frau dann vor ihr salutierte, kicherte Henrietta und ahmte die Bewegung nach, um dann die Zungenspitze aus dem Mund zu strecken um zu verdeutlichen das sie nur Spaß machte. Kathleen nickte der Frau zu.
"Kassandra also. Ich bin Kathleen oder Boss." sie wartete keine Erwiderung ab, sonder reichte ihre Henrietta. "Halten Sie mal bitte kurz." dann sah sie Henrietta an, die etwas überrascht sich überreichen ließ.
"Bin gleich wieder da." stupste ihr auf die Nase und drehte sich um. Tim hielt sie dabei aber mit einer Berührung am Oberarm auf. Stellte sich so in den Raum das er für die meisten Verbarg was er dann tat - aber vor allem schirmte er Henriettas Blick ab.
"Ma'am. Ich muss darauf bestehen das Sie die hier nehmen." er hielt ihr eine Dienstwaffe der Allianz hin, das kleine Format, aber immer hin eine mit Halfter für den Gürtel. Kathleen sah die Waffe an und dann ihn. Verengte die Augen und schnalzte mit der Zunge.
"Wenn Sie sie nicht nehmen, bin ich gezwungen dem Botschafter Bericht zu erstatten."
Kathleen riss ihm die Waffe aus der Hand und kontrollierte mit einem geübten Blick das Magazin, in dem sie den Schlitten ein kurzer Stück zurück zog. Sicherte sie dann und steckte sie samt Halfter an ihren Gürtel, um dann die Jacke darüber zu drapieren.
"Gleich losrennen und petzen?"
"Ja Ma'am."
"Sie sind mir ja einer, Tim." sie legte ihm die Hand auf die Schulter um ihn zu beruhigen, das es schon in Ordnung war und ging dann ein paar Schritte weg zu einem der Verwaltungsoffiziere die im Raum waren. Winkte ihn mit einem Finger zu sich und drückte ihm eine kleine Karte in die Hand.
"Geben Sie das Captain Farnsworth später. Sie soll mich anrufen, wenn Sie Zeit hat."
"Äh.. sicher.. äh.." der Mann drehte die Karte mehrfach in der Hand hin und her und las was darauf stand. Kathleen wartete nicht auf ihn.
"Danke, Kleiner."
Dann machte sie auf der Ferse kehrt und ging zu der Gruppe zurück. Nahm ihrer neuen rechten Hand ihre Tochter wieder ab und setzte sie sich auf die Hüfte um sie zu tragen. Achtete dabei aber darauf das Henrietta so weit wie möglich von der Waffe entfernt war.
"Na dann wollen wir mal."
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