<--- Nos Astra – Gewerbegebiete

Unter anderen Umständen hätte es Keel’o gestört, dass das Trio ausgerechnet jetzt dorthin fuhr, was man mehr oder weniger als Stadtzentrum bezeichnen konnte, gleichwohl ja eigentlich ganz Illium eine einzige Stadt war. Es war viel auf den Straßen und den Flugtrassen los, hier und da entstanden Staus und Hupkonzerte, die Fußgängersteige waren ebenfalls recht voll und das ohnehin schon laute Nos Astra krachte und tobte noch mehr um sie herum. Es war Feierabendszeit. Das merkte man nicht nur in den noblen Vierteln der Stadt, sondern auch in den unteren Ebenen, die zwar nicht das waren wie die unteren Bezirke der Citadel oder die Slums der Erdmetropolen, jedoch für Illiums Verhältnisse das beherbergten, was man als niedere Mittelschicht bezeichnen konnte und dementsprechend wesentlich (legal) geschäftiger und vor allem weniger kriminell war als die Pendants der Citadel oder der Erde. Ladenbesitzer schlossen ihre Geschäfter, immer mehr der Bürobeleuchtungen erloschen und alles machte sich daran, nach Hause zu gelangen – zumindest dachte das Keel’o.

Als das Trio hingegen in die Seitenstraße, wo man den Widerstand treffen wollte, einbog, da machte es eher den Eindruck, als ob eine Vielzahl der Leute vielmehr hierher wollte, anstatt nach Hause. Es handelte sich um eine Promenade, wenn man so wollte, entlang der sich zahllose Cafés, Restaurants und kleinere Geschäfte tummelten und die sich jetzt nach und nach mit den Angestellten füllten, die hier einen Gang runterschalten wollten, vielleicht sogar den ein oder anderen Strahl der Abendsonne tanken wollten, welche zwar in den unteren Ebenen weniger schien, aber dafür umso drückender auf sie herunterbrannte, wenn sie sich zeigte.
„Dort ist es“, sagte Zak und deutete auf eine Lounge, die direkt am Eck eines Blocks an einer Kreuzung lag und dabei von diversen Zierpflanzen und Bäumen umkreist war. Auf Keel’o machte der Laden eher den Eindruck eines Designer- oder Architektenbüros, denn dementsprechend minimalistisch, jedoch edel und modern war die Lounge eingerichtet. Auf Stühlen, deren Sitzflächen mit weißen Leinen bespannt waren und deswegen in den Sonnenstrahlen grell leuchteten, saßen die Gäste auf dem Bürgersteig vor der Lounge an Tischen, die gänzlich aus Glas oder durchsichtigen Kunststoffen bestanden und mit schlichten Holographie-Lampen oder kleinen Zierpflanzen als Dekoration verziert waren, während man das Treiben hinter der Fensterfront, die die gesamte Breite der Lounge ausmachte, aufgrund von Reflexionen kaum erkennen konnte.
„Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt“, murmelte Keel’o, der eher mit einer heruntergekommenen Bikerkneipe gerechnet hatte und nicht mit einem derart edlen Laden. Sehr alt konnte die Lounge ebenfalls nicht sein, da er sich aus seinen alten Tagen auf Illium nicht an sie erinnern konnte.
„Scheiß drauf, mir gefällt der Laden“, sagte Megan lächelnd und ging voraus, an weiteren Zierpflanzen und anderer Deko vor dem Eingangsbereich vorbei, „hätte uns echt schlimmer treffen können.“
Wie Keel’o die Söldnerin einschätzte, lag das nicht nur an dem High-Class-Gefühl, das dieses Geschäft ausstrahlte, sondern vor allem auch an den langsamen, entspannenden Hip-Hop-Tracks, die aus teilweise versteckten, teilweise offen platzierten Boxen in einer gut hörbaren, aber doch irgendwie angenehmen, ganz und gar nicht störenden Lautstärke an die Ohren der Gäste herandrangen. Sie saßen noch nicht einmal und Keel’o fühlte sich schon entspannter, so als ob er loslassen könnte und sich hier und jetzt von der langsamen, loungigen Melodie der Musik und ihren kräftigen Bässen hinforttreiben lassen könnte… es wirkte beinahe so, als ob die Umgebung, als ob die Fahrzeuge, die Shuttles, die hektischen Fußgänger um sie herum alle langsamer wurden, als ob alles plötzlich in Zeitlupe ablaufen würde, nur um sich an den Takt und die Langsamkeit des Hip Hops anzupassen. Keel’o lächelte. Er würde öfter hierherkommen, dessen war er sich sicher.

Das Innere der Lounge blieb dem Stil, der von außen vermittelt wurde, treu: weiß dominierte als Farbe und wurde in diversen Akzenten, vor allem bei gläsernen Flächen wie der Bar, den Fenstern oder den Tischen durch einen türkisenen Farbton aufgelockert, jedoch wurde das Interieur auch hier und da durch unsichtbare, also geschickt platzierte und von Pflanzen oder anderer Dekoration raffiniert verdeckte Lichtquellen in allerlei bunte Farben getunkt. Hinter der Bar stand ein Turianer, der gerade einen Drink in einem äußerst aufwendig gestalteten und in seinem Aussehen einem Diamanten ähnelnden Shaker zubereitete.
„Hi, willkommen im Strider“, begrüßte er das Trio und nickte Keel’o zu, „habt ihr eine Reservierung?“
„Nein. Brauchen wir eine?“
„Noch nicht“, scherzte der Barkeeper und lächtelte, ehe er sich über die Schulter einer Bedienung zuwandte, „Mara!“
Eine Asari in einem weißen Top mit Spaghettiträgern, unter welchem der schwarze BH rücksichtslos hervorblitzte, kam zu ihnen und begleitete sie mit einem freundlichen Lächeln zu einem Tisch, der in einer Ecke der Lounge lag. Vermutlich einer der Plätze, den der normale Gast mied, doch für Keel’o war es genau das richtige: mit der Wand im Rücken und dem Fenster direkt neben sich konnte er sowohl das Treiben draußen, als auch innen beobachten, ohne beobachtet zu werden und wirkte dabei auch noch relativ unauffällig. Nachdem sie Platz genommen hatten und Keel’o eigentlich erwartete, eine Karte zu erhalten, merkte er, dass selbige als Hologramm auf die transparente Fläche des Tisches gestrahlt wurde. Indem man das entsprechende Getränk antippte, bestellte man automatisch und die Bedienung würde es kurz darauf an den Platz bringen. Keel’o nahm das mit einem entsprechenden Blickwechsel zwischen ihm und Zak zur Kenntnis, wobei er anerkennend nickte. Nach kurzem Überlegen entschied er sich für einen eher leichten Drink, den sogenannten Golden Ray, der auf Illium besonders beliebt unter Bürohengsten, Wertpapierhändlern und dergleichen war. Es handelte sich um eine Mischung aus einer einheimischen Spirituose, die geschmacklich wohl am ehesten menschlichem Rum nahekam, sowie einem salarianischen Fruchtsaft, dessen sehr fruchtiger Geschmack Keel’o irgendwie immer an Honig erinnerte. Naja, zumindest tat es das künstlich hergestellte linksdrehende Äquivalent dazu, denn die natürlichen Zutaten wären für ihn selbstverständlich unbekömmlich. Sehr schade, wie er fand, denn er war der festen Überzeugung, dass man sich durch die künstliche Produktion in irgendwelchen Lebensmittellabors einer entscheidenden Komponente, die er allerdings nicht näher spezifizieren konnte, quasi einer Art natürlichen Essenz nur in Bruchteilen annähern konnte oder sie vielmehr komplett fehlte. Keel’o, der sich nie großartig mit Religion oder vergleichbaren Gebieten beschäftigt hatte, fragte sich oft, ob eben diese Essenz das war, was andere Gott nannten.

„Okay, wie geht es jetzt weiter?“, fragte Zak und riss Keel’o damit vollends aus irgendwelchen sich anbahnenden inneren Diskussionen über moralische oder theologische Themen, „bleiben wir hier einfach sitzen und warten, bis etwas passiert?“
Keel’o schüttelte den Kopf, während die Bedienung herbei kam und ihnen die Getränke servierte. Zufrieden nahm der quarianische Infobroker zur Kenntnis, dass sein Golden Ray genau richtig gemixt war: der Fruchtsaft dominierte und stellte den Großteil des Getränks dar, während der Rum lediglich eine kleine Beinote war und dem Getränk so die charakteristische Färbung zu verpassen, der der Drink schließlich auch seinen Namen zu verdanken hatte. Ob diese Diagnose geschmacklich auch richtig war, testete Keel’o jedoch erst, nachdem er Zak geantwortet hatte.
„Keinesfalls. Megan, ich möchte, dass du dir ein wenig den Laden ansiehst und die Augen offen hältst.“
„Ernsthaft? Ihr hockt hier rum und ich darf die Arbeit erledigen?“
„Du sollst nur die Augen offen halten und dich ein wenig umhören. Also komm, geh ein wenig Spaß haben, Mädchen.“
„Mädchen“, wiederholte sie gereizt und seufzte entrüstet, ehe sie dann aber mit ihrem Getränk aufstand, um sich mit einem lasziven Hüftschwung im Takt der Musik Richtung Bar zu begeben.
„Mädchen?“
„Mir ist gerade nichts anderes eingefallen, lass mich“, erwiderte Keel’o und lehnte sich zurück, „mir ist diese Wiederauferstehungsgeschichte gerade wichtiger und da muss sie nicht unbedingt dabei sein.“
„Was meinst du?“
„Na, das Netzwerk. Mir kommt es immer noch surreal vor, wieder anzufangen.“
„Es wird schwer, keine Frage. Über die Jahre haben andere unseren Platz eingenommen, aber andererseits werden wir gegen Corefield auch diese Mittel brauchen, Keel.“
„Du hast Recht. Es ist nur so ein komisches Gefühl… ich kann es dir nicht sagen. Ist nur merkwürdig. Und diese verschlüsselten Übertragungen über unsere alten Frequenzen?“
„Ich tippe, dass es eine alte Zelle ist, die jemand vergessen hat auszuschalten. So wie Kratt oder Velas.“
„Vermutlich. Hör mal, wenn diese ganze Corefiel-Sache erledigt ist, dann werde ich meine Anteile brauchen. Ausgegliedert vom Netzwerk.“
„Wie meinst du das?“
„Zak, ich habe es satt, meine Leute nicht mehr sehen zu können. Ich kann diesen Anzug nicht mehr sehen. Ich will nach Hause.“
„Du bist von der Flotte verbannt worden, Keel.“
„Ich rede nicht von der Flottille. Ich will nach Rannoch.“
„Wie soll dir das Netzwerk dabei helfen?“
„Das weiß ich noch nicht. Velas hat mich irgendwie angesteckt, als er mein Buch hervorgekramt hat. Er hat ein Gefühl in mir geweckt, das ich schon längst vergessen habe.“
„Jetzt sehen wir erst einmal, wo uns Corefield hinbringt und dann sehen wir weiter, ja? Schritt für Schritt, Keel.“
„Hört mal ihr zwei Turteltauben.“
Es war Megan, die das Gespräch der zwei Männer unterbrach, ehe Keel’o etwas erwidern konnte.
„Da sind gerade ein Dutzend Leute reingekommen, vogelbunte Gestalten. Viele Quarianer dabei. Und haben sich natürlich gleich erstmal den VIP-Bereich gegönnt. Wenn ihr mich fragt, dann sind das unsere Leute.“
„Alles klar, dann stellen wir uns mal vor.“

Die VIP-Area war nur über eine kleine Treppe zu erreichen, denn streng genommen handelte es sich dabei um einen Balkon, der mit ein paar, für die normalen Besucher eben nicht zugänglichen Tischen ausgestattet war, die zudem noch wesentlich luxuriöser und die Sitzgelegenheiten wesentlich bequemer aussahen, als „unten“ bei den normalen Gästen. Am Fuße der Treppe war ein Türsteher, der das ungleiche Trio nicht passieren lassen wollte, was dem ganzen natürlich noch mehr Exklusivität verlieh.
„VIP-Area, nur Leute auf der Liste.“
„Wir haben was mit denen da oben zu besprechen.“
„Dann seht zu, dass ihr auf die Liste kommt. Sonst lasse ich euch nicht rauf.“
Keel’o lächelte und schüttelte den Kopf. Die Schar oben hatte mittlerweile mitbekommen, welches Schauspiel sich am Fuße der Treppe abspielte und begann zu glotzen. Der ein oder andere Gast tauschte auch ein amüsiertes Getuschel aus, doch eine Quarianerin fiel Keel’o besonders auf. Ihre Blicke kreuzten sich und er wusste sofort, dass sie – obgleich sie noch immer den Anzug einer Pilgerreisenden trug – keinesfalls mehr so jung und unschuldig war, sondern vielmehr bereits eine sehr erfahrene und gewiefte Abenteurerin vor ihm stand.
„Das wird sie aber anders sehen“, sagte Keel’o und deutete auf die Turianerin, woraufhin sich der Türsteher umdrehte und die Abenteurerin schließlich nach einigen Augenblicken nickte.
„Also gut, rauf mit euch.“
Keel’o lächelte zufrieden und ging mit Zak und Megan im Schlepptau die Treppe hinauf. Erwartungsvoll verschränkte die mysteriöse Gastgeberin die Arme und nickte ihnen zu.
„Und wer seid ihr?“
Keel’o zögerte einen Moment.
„Ich bin Keel’o“, sagte er schließlich, „und das sind Zak und Megan.“
„Cool. Du bist aber bestimmt nicht zum quatschen hier, he?“
„Das bin ich nicht. Wir wollten- sag mal, kennst du mich?“
„Nö, deswegen habe ich ja gefragt. Sollte ich?“
„Das ist Keel’o Vaelsha vas Callisto, Mann“, kam es vom Tisch von einer jüngeren Quarianerin, ebenfalls noch im Pilgeranzug, „dieser Typ, der dir hilft, wenn du Probleme hast. Zumindest hat mir das Papa gesagt, bevor ich los bin.“
„Schätzchen, das letzte Mal, dass ich auf der Flottille war, war Jahre vor deiner Geburt“, erwiderte die Abenteurerin genervt und widmete sich anschließend wieder Keel’o, „du bist also sowas wie ein Star. Glückwunsch. Also, was brauchst du?“
„Äh… ich… belassen wir es dabei. Ich bin eigentlich hier, weil ich weiß, dass ihr vom Widerstand seid.“
„Und wenn das so wäre?“
„Wir verfolgen ähnliche Ziele.“
„Die da wären?“
Keel’o seufzte genervt. Dieses Herumgerede um den heißen Brei kotzte ihn an.
„Ich will Corefield brennen sehen. Deswegen denke ich, dass es sich lohnt, in euch zu investieren.“
Die Abenteurerin musterte ihn von oben bis unten und ihrer Körpersprache nach zu urteilen, schien ihr zu gefallen, was sie hörte und vielleicht auch sah.
„Nehmt Platz“, sagte sie schließlich und nickte in Richtung des Tisches, der bisher aufgeregt den Wortwechsel zwischen beiden verfolgt hatte. Das Trio nahm an dem Tisch Platz und beinahe im gleichen Moment erschien eine Kellnerin mit einem riesigen Tablett voller Getränke für aller. Keel’o orderte bei ihr noch einmal den gleichen Drink wie eben und sah sich anschließend in der Runde um. Selbstverständlich war der Großteil quarianisch, doch auch eine menschliche Frau, zwei Asari und ein Salarianer waren anwesend, die sich bisher recht bedeckt gehalten hatten, aber Keel’o mit derselben Neugier musterten, wie er sie.
„Erzähl mir mehr von diesen Investitionen.“
„Ich gehe recht in der Annahme, dass es sich hier nicht um den gesamten Widerstand handelt?“
„Zum Stammtisch kommen nur besonders aktive Mitglieder oder die Zellenführer. Wenn du es so sagen willst, sind wir fast wie eine Partei.“
„Eine Handvoll leader, die das Potenzial einer gesichtslosen Masse aktivieren und umsetzen.“
„Ich hätte es nicht so vornehm ausgedrückt, aber ja, so arbeiten wir.“
„Sehr gut. Ich beabsichtige, euch mit Ressourcen auszustatten. Geld, Waffen, Elektronik, was auch immer ihr braucht. Genug, um euch einen Level höher als „Hacktivist“ zu bringen.“
Die Anwesenden tauschten beeindruckte Blicke untereinander aus und leises Gemurmel entstand. Keel’o fiel dabei auf, dass neben der Abenteurerin nur die Menschenfrau ihn unbeeindruckt weiter musterte.
„Was möchtest du im Gegenzug?“
„Vorerst nichts anderes, als Zugang zu Corefield. Ich brauche, was ihr an Informationen über diese Leute habt und vor allem brauche ich eines: Zugang.“
„Vorerst klingt in meinen Ohren nicht gut.“
„Damit will ich lediglich implizieren, dass sich unsere Zusammenarbeit bei entsprechendem Erfolg auch ausweiten und intensivieren kann.“
„Bullshit“, meldete sich jetzt die Menschenfrau zu Wort, „wir sind doch keine Aktiengesellschaft, in die man sich so einfach einkaufen kann.“
Keel’o musterte sie etwas genauer. Ihr Haar war kastanienrot, die Augen smaragdgrün. Die bandagierten Arme deuteten darauf hin, dass es in letzter Zeit bei ihr wohl etwas gröber zugegangen war, während an den fingerlosen schwarzen Handschuhen keine Spuren einer Auseinandersetzung zu sehen waren. Unter dem Mantel, den sie trug, war sehr eindeutig zu erkennen, dass sie ansonsten äußerst spärlich bekleidet war, weshalb man auch eine Menge Tattoos sehen konnte. Ob sie das wegen der Hitze tat, weil sie eine Prostituierte war oder einfach nur, um zu provozieren, wusste Keel’o nicht, aber er vermutete eine Mischung aus allen drei Gründen. Wie sie sich bisher verhalten hatte und vor allem wie sich die anderen ihr gegenüber verhielten, machte jedoch klar, dass es sich bei ihr nicht um eine einfache Zellenanführerin, sondern eine größere Nummer im Widerstand handelte.
„Diesen Einwand halte ich für berechtigt. Woher weiß ich, dass du den Widerstand nicht beeinflussen möchtest oder am Ende sogar für Corefield arbeitest.“
„Streng genommen gar nicht“, erwiderte Keel’o auf diese Bedenken, mit denen er gerechnet hatte, „aber wenn du meine Loyalität zu meinem Volk infragestellst, dann bürgen deine Leute, die mich kennen, sicherlich für mich.“
„Das mache ich!“, meldete sich jetzt das andere, wesentlich jüngere quarianische Mädchen, könnte man fast noch sagen, zu Wort, „er hat vielen Quarianern geholfen, die irgendwo auf der Pilgerreise Probleme hatten.“
„Hat er dir mal geholfen?“, fragte die Abenteurerin und lehnte sich dabei nach vorne, um zu dem Mädchen ein paar Plätze links neben ihr sehen zu können.
„Ähm… nein, also das…“
„Sorry Keel’o, aber das überzeugt mich nicht. Wenn du wirklich so ein Heiland bist, warum kreuzt du dann erst jetzt auf und willst etwas gegen Corefield unternehmen? Wir kämpfen hier schon seit Jahren gegen diese Typen.“
„Ich war die letzten Jahre auf Omega und habe dort Morde an Quarianern untersucht. Stellte sich heraus, dass es sich um Corefield handelte, die die Zelle, die ihr dort aufbauen wolltet, im Keim erstickt hat.“
Betroffenheit war die Reaktion, welche uniform am Tisch durch diesen Satz ausgelöst wurde. Mit einer Mischung aus Schock und Trauer sahen viele zu der älteren Quarianerin, die sich in ihrem Sessel wieder zurückgelehnt hatte und Keel’o jetzt eindringlich musterte. Einzig die Menschenfrau war es wieder, die aus dem Raster flog und mit der Flachen Hand auf den Tisch schlug, ehe sie auf Keel’o deutete.
„Pass auf, was du da sagst“, raunte sie und deutete geradewegs auf das Visier, doch Keel’o ignorierte sie und die mit einer Menge Schimpfwörtern versehenen Tirade, die sich dieser hohlen Drohung angeschlossen hatte. Sein Blick war vielmehr auf das augenscheinliche Alphatier des Tisches gerichtet.
„Es reicht, Tatya“, schaltete sich die Quarianerin schließlich ein, „wir haben in der Tat eine Zelle auf Omega aufbauen wollen, zu denen aber seit einiger Zeit den Kontakt verloren.“
„Sie sind tot. Alle. Umgebracht durch Söldner, die ein Corefield-Angestellter auf der Station angeheuert hatte. Ich habe Bilder, falls ihr eure Leute identifizieren wollt.“
„Wie krank bist du-“
„Omega hat keine Polizei“, fuhr Keel’o harsch die Menschenfrau an, welche wohl Tatya hieß und ihm langsam, aber sicher extrem auf die Nerven zu gehen begann, „also muss jemand diese Arbeit selbst in die Hand nehmen. In diesem Fall war ich das.“
„Das heißt, dieser Corefield-Typ…“
„… wird niemanden mehr umbringen.“
Stille. Selbst Tatya hielt ihren Mund, nachdem Keel’o ausgesprochen hatte, was jeder am Tisch mehr oder weniger geahnt, aber erfolgreich verdrängt hatte: an den Händen dieses Mannes klebte Blut. Das Blut, das meist andere in seinem Namen vergossen hatten, aber dennoch Blut – ein Umstand, der ihn sogar noch wesentlich gefährlicher machte, wenn man es genau betrachtete.
„Okay“, sagte die Abenteurerin schließlich nach einigen Momenten, die sie wohl zum Überlegen gebraucht hatte, und lehnte sich aus ihrem Sessel wieder nach vorne, „wir haben da etwas vor, allerdings stehen wir vor ein paar Problemen. Genauer kann ich jetzt nicht werden.“
„Ich verstehe“, sagte Keel’o und verfasste eine Notiz auf seinem Omnitool, die er an ihres schickte, ehe er sich erhob, „wenn ihr Interesse daran habt, mein Angebot anzunehmen, dann treffen wir uns in einer Stunde an dieser Adresse und du erzählst mir mehr. Sehe ich dich in einer Stunde nicht, dann gehen wir ganz einfach getrennte Wege.“
„Eine Stunde ist ganz schön wenig Zeit.“
„Zeit hat niemand, weder ihr, noch ich, noch Corefield. Deswegen müssen wir damit effizient umgehen.“
„Also gut. Wir denken drüber nach. War schön, dich kennen gelernt zu haben, Keel’o.“
„Gleichfalls… wie war denn dein Name?“
Ein schweigendes Lächeln war die Antwort auf seine Frage.
„Okay, dann bis später, revolucionista – oder eben nicht.“
Mit diesen Worten drehte sich Keel’o um und ging mit seinen beiden Begleitungen wieder die Treppenstufen des VIP-Bereichs hinab, wobei er auf einem Ohr noch hörte, wie sich die Quarianerin über den Kosenamen lustig machte.

„Respekt. Keine Stunde in dem Laden verbracht und direkt VIP geworden.“
„Megan, wir waren da nur Gäste… eher Geduldete.“
„Hast du mitgekriegt, wie wir für unseren zweiten Drink nichts bezahlt haben?“
Keel’o sah sie an und schüttelte den Kopf. Er war natürlich mit anderem beschäftigt gewesen, als sich über so etwas den Kopf zu zerbrechen. Mittlerweile waren auf den Straßen weniger Leute unterwegs und der Feierabendverkehr schien sich auch langsam zu verflüchtigen. Die Sonne war auch beinahe gänzlich untergegangen, es herrschte Dämmerung.
„Deine Meinung, Zak?“, fragte Keel’o seinen Vertrauten, der gerade ein Taxi herbeigewunken hatte.
„Der Widerstand weiß was er tut und hat einen Plan. Aber die sind bei weitem nicht gut genug ausgestattet, geschweige denn verfügen über genug Leute, um Corefield ernsthaft zu schaden. Im Moment sind die nur ein Störfaktor, der sich aber nicht nennenswert auf das Geschäft auswirkt. Vorerst zumindest. Deswegen hätte ich da drinnen an deiner Stelle auch direkt Nägel mit Köpfen gemacht.“
„Nein, das ist schon gut so. Ich möchte sie etwas köcheln lassen. Es ist ein Geben und Nehmen, du kennst das Spiel ja. Wenn sie uns in einer Stunde trifft, dann kriegen wir von ihr auch alle Informationen, die wir wollen. Bis dahin bleiben wir bei Kratt und lassen uns von ihm auf den neuesten Stand bringen. Vielleicht hat er ja in der Zwischenzeit etwas herausfinden können.“

Tag 7, 19:00 Uhr Ortszeit
---> Nos Astra – Gewerbegebiete