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  1. #1
    Newbie Avatar von John Sheridan
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    => Die Citadel: Zivile Andockbuchten

    Nachdem Sheridan mit der Botschaft Kontakt aufgenommen hatte und auf seine Abholung wartete, setzte er sich neben dem öffentlichen Terminal auf seinen Seesack und ließ seine Gedanken schweifen. Ohne sein Zutun wanderten sie zurück. Nach Shanxi, in den Krieg.

    Schwer fiel der Regen. Der Boden hatte sich schon lange in eine morastige Suppe verwandelt, auf der das Vorankommen mit schwerem Kriegsgerät so gut wie ausgeschlossen war. Radfahrzeuge fuhren sich schon nach kürzester Zeit fest, die Räder von riesigen, schlammigen Blöcken umgeben. Die wenigen Kettenfahrzeuge, über die die Invasionseinheit verfügte, wurden anderswo gebraucht. Sie würden zu Fuß vorrücken müssen, auch wenn das bedeutete, hüfthoch im Schlamm zu versinken. Trübsinnig starrte er unter seinem Regencape auf die vor ihnen liegende Anhöhe. Dort drüben hockten die Turianer, deren Situation sich wahrscheinlich nicht von ihrer unterschied. In den wenigen trockenen Momente wurden von beiden Seiten dazu genutzt Ausfälle zu machen, in der Hoffnung doch eine durchlässige Stelle in den gegnerischen Reihen zu finden. Aber da war keine. So stürmten beide Seiten vor, nur um einen hohen Blutzoll im gegnerischen Feuer zu entrichten.

    Er konnte nicht sagen, welche Seite zuerst angefangen hatte, auf die Sanitäter zu schießen. Jedenfalls waren sie bald soweit gewesen, dass die verbleibenden zu kostbar – und auch nicht annährend verrückt genug – waren, als dass man sie zum Einsammeln und Versorgen der Verletzten zwischen den Fronten hätte benutzen können. Und so blieben die Verwundeten dort, wo sie gefallen waren. Die Schmerzensschreie der menschlichen Infanteristen mischten sich mit den wimmernden Lauten, die die turianischen Verwundeten von sich gaben. Sie drangen auch noch nach der Schlacht zu den Schützengräben. Laut erst, dann immer leiser, wurden sie zu einem unverständlichen Murmeln. Dann verstummten sie.

    Er nährte sich Corporal Hicks. Der Mann hatte Glück gehabt, eine turianische Schrapnellgranate hatte im einen Teil des Gesichts weggerissen, aber das war zu einem Zeitpunkt geschehen, als man ihn noch hatte bergen können. Der Corporal stand in den Steighilfen neben dem Eingang zum Befehlsstand und späte mit seinem einen verbliebenen Auge durch ein Scherenfernrohr. Die rechte Seite seines Gesichts war von einem dicken Mullverband bedeckt, der an einigen Stellen bereits durchgeblutet war. Man musste kein Feldscheer sein, um zu erkennen, dass Hicks ins Lazarett und nicht in einen Beobachtungsposten gehörte. Aber sie hatten in diesem Abschnitt zu wenig Leute und konnten sich nicht leisten, auch nur einen Beobachtungsposten unbesetzt zu lassen.

    Sheridan klopfte Hicks auf den Oberschenkel. Der Corporal zuckte zusammen und starrte entsetzt nach unten, als er den jungen Kadetten erkannte, entspannte er sich wieder. „Soll ich sie ablösen, Corporal“, fragte Sheridan. Der Corporal grinzte, wobei es so aussah, als würde sich sein Kopf spalten. Man konnte erkennen, dass dem Corporal ein Großteil seiner Zähne fehlte, von Haut und Deckgewebe seiner rechten Wange mal ganz zu Schweigen. Sheridan schauderte unwillkürlich. „Ist nicht nötig, Sir“, entgegnete Hicks. „Ist ja nicht so, als ob ich was Besseres vorhätte!“

    Wie alt mochte Hicks wohl sein, fragte sich Sheridan. Vielleicht so alt wie sein Vater. Also eigentlich im besten Alter. Doch wenn er nach Hause kommen würde wäre er auch nur einer der Kriegsversehrten dieses unsäglichen Krieges. Jemand an dem die Leute auf der Straße tuschelnd vorbeigehen würden und bei dem sie schnell verlegen wegschauten, wenn sich zufällig die Blicke trafen. Konnte es eigentlich eine Rechtfertigung dafür geben, sich gegenseitig abzuschlachten, fragte er sich, nur um sich die Frage sogleich zu beantworten: Natürlich nicht! Aber manchmal hatte man keine Wahl. Die Turianer hatten angefangen. Sie hatten den ersten Schuss gefeuert. Die Menschheit hatte sich nur verteidigt. Aber trotzdem fühlte sich alles hier entsetzlich falsch an.


    „Sir?“ Sheridan schreckte auf, er hatte nicht gemerkt, dass der Corporal mit ihm gesprochen hatte. „Entschuldigung, ich war in Gedanken.“ „Ich hatte gefragt, ob sie mir vielleicht eine Zigarette geben könnten, Sir?“ Hicks zuckte die Schultern und lächelte schuldbewusst, „ich weiß, der Doc hat gesagt, das Rauchen wird mich umbringen, aber mal im Ernst!“ Er deutete auf die Umgebung, das Schlachtfeld, die Turianer. „Und ein alter Mann, wie ich bekommt keine Zigarette an, wenn ihm dauernd die Streichhölzer nass werden.“

    Sheridan trat in den Eingang des Unterstandes, dort zog er eine Zigarette aus dem Päckchen, dass er stets bei sich trug, auch wenn er nicht rauchte. Zündete sie an und brachte sie, die Glut sorgfältig mit der Hand vor dem Regen schützend hinaus zu Hicks. Er reichte sie dem Corporal und nickte. „Danke, Sir“, sagte Hicks und brachte tatsächlich so etwas wie ein Salutieren zustande. Dann nahm er einen tiefen Zug, inhalierte den Rauch genüsslich und stöhnte, „ah, das hat gut getan. Sie haben einem alten Mann einen großen Gefallen erwiesen.“ Er richtete sich auf und wollte wieder an das Scherenfernrohr treten. In diesem Moment krachte der Schuss.

    Dort, wo eben noch Hicks Kopf gewesen war, befand sich auf einmal nur noch eine blutige Masse. Blut, Knochenfragmente und Gehirnmasse regneten auf Sheridan nieder. Er bekam etwas davon in den Mund. Dann, wie in Zeitlupe, kippte das, was von Hicks übrig war, nach hinten von der Steighilfe und schlug mit einem widerlichen, klatschenden Geräusch im Schützengraben auf. Sheridan übergab sich heftig.

    Diese Bilder benutzte das Allianzmilitär nie, wenn es neue Soldaten anwarb. Immer nur Hochglanzbilder von eleganten Kriegsschiffen oder freundlich lächelnden Kriegshelden ohne jede Narbe, die von einer glücklichen und dankbaren Bevölkerung begrüßt wurden. Aber so war es nie, Krieg war Gewalt, war gleichgültig, war sinnlos.


    Sheridan weinte.

    Die Uhr zeigte 12:10 Uhr am vierten Tag.

    => Die Citadel: Industriegebiet
    Geändert von John Sheridan (25.10.2010 um 23:25 Uhr) Grund: Schriftart in Standardschrift geändert; Link eingefügt

  2. #2
    ME FRPG Only Avatar von Celeste Gray
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    <---- Citadel-Bezirke
    20:23 Uhr


    Celeste schwieg und ließ Barney erst mal machen. Sie fühlte sich für einige Momente unwohl. Als wäre es nicht das richtige, was sie gerade taten. Als wäre etwas falsch, oder gefährlich. Das leise Kribbeln im Nacken, das ihr sagte das was nicht passte. Aber sie konnte es nicht weiter verifizieren. Das machte es ihr unheimlich - war es weil Barney so auf Streit ausgewesen war. Oder war es die Situation. Hatten sie etwas übersehen, möglicherweise? Sie schloss die Augen und schwieg während der Fahrt weiter.

    Als sie endlich ankamen, stieg Celeste aus und hielt einen Moment inne. Die Hand auf die Waffe gelegt. Sah sich um, ließ den Blick mit der Genauigkeit und der Erfahrung einer Jägerin, einer Soldatin, einer Attentäterin schweifen. Mit dem Auge einer Scharfschützin. Aber sie konnte nichts entdecken. Das machte sie wahnsinnig.
    "Sei auf der Hut." sagte sie leise und nickte dann als Barney sie rein schickte. CC ging hinein und blieb auch hier vorsichtig, sah sich genau um. Sicherte die Räume. Ließ dabei die Hand nie von der Waffe. Warum hatte ihr Instinkt nur gerade ausgeschlagen? Sie verstand es nicht. Konzentrierte sich dann aber auf die Aufgabe die vor ihnen lag. Stellte einen Stuhl in die mitte des Raumes und zerrte dann eine der Bolzenschusspistolen heran, vor allem das Kabel für den hydraulischen Druck, wehrte sich anfänglich. Mit geübten Handgriffen befestigte sie den Stuhl am Boden. Tat das gleich dann mit einem anderen Stuhl der gegenüber stand. Richtete die Hauptlampen des Raumes genau auf diese beiden Stühle und rückte ein paar Tische zu recht. Es würde unnötig sein, wirkliche Folterinstrumente her zu richten. Allein die Androhung, der Tische, deren Details durch das blendende Licht nicht zu sehen waren von den Stühlen, würde vermutlich reichen. Und Barney würde das übrige tuen. Sicherlich.

    Sie sah zur Türe in dem Moment als Barney kam.
    "Lass dich nicht abhalten." säuselte sie und konzentrierte sich lieber auf die Umgebung.

  3. #3
    ME-FRPG only Avatar von Barney Gray
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    „Lass dich nicht abhalten…“
    Die geflötete Aufforderung seiner Zwillingsschwester war wie eine Kneifzange, die die Kette, an der Barney die ganze Zeit über gefesselt war, mit einer einzigen, winzigen Bewegung zu sprengen vermochte. Ohne großartig darauf zu achten, wer jetzt sein Opfer war, packte sich Barney einen der zwei unglücklichen, es stellte sich heraus, dass es der Typ war, der das Glück hatte, nicht von Cel erwischt worden zu sein, und warf ihn auf einen der Stühle, den seine Schwester schon bereitgestellt hatte. Dabei entging ihm selbstverständlich nicht, wie CC konstant die Umgebung beobachtete, als ob es die ganze Zeit möglich wäre, dass ein Sondereinsatzkommando der C-Sec die Halle stürmte oder sonst eine Katastrophe ihr Unterfangen zunichtemachen konnte.

    Langsam, beinahe in Zeitlupe, streifte er sich Einweghandschuhe aus Plastik über, wie ein Arzt, der den Mundraum oder sonst eine infektiöse Gegend eines Patienten untersuchen musste. Der Texaner hatte keine Lust, irgendwelche verwertbaren Spuren zu hinterlassen.
    „Wo ist euer Boss?“, fragte Barney ohne große Umschweife, wobei er sich direkt auf den Lehnen des Stuhls abstützte und somit den Abstand zwischen seinem und dem Gesicht seines Gegenübers auf ein Minimum begrenzte.
    „Ich… ich weiß nicht, wovon du redest…“, stammelte das Gangmitglied und gewann so den ersten Freischein auf eine Ohrfeige, die ihn beinahe aus dem Stuhl schmiss.
    „Falsche Antwort, Freundchen“, raunte Barney, noch immer auf den Lehnen abgestützt, „je schneller du das hier alles beantwortest, umso schneller haben wir das hinter uns.“
    „Ich… ich weiß es wirklich nicht…“, jammerte das Häufchen Elend vor ihm, doch der Texaner wusste darauf nur ein müdes Lächeln al Antwort, gefolgt von einem Blick zu dem Tisch, der ominös beleuchtet in der Ecke stand, gerade so, dass man sich kein genaues Bild über den Aufbau machen konnte, aber auch gerade so gut beleuchtet, dass man erahnen konnte, was da auf einen wartete.
    „Muss ich das wirklich auf die schmutzige Tour abziehen?“ Auf eine Antwort wartete Barney gar nicht erst, er ging sofort zu dem Tisch und nahm sich einen Akkubohrer, den er aus dem Sortiment der Folterwerkzeuge ausgewählt hatte. Mit zwei, drei Fingerbewegungen ließ er den Bohrkopf unter einem lauten Kreischen andrehen, was den Verhörten unwillkürlich aufzucken ließ. Und in dem Moment als Barney den spitzen 4,5 mm-Schlitzbohrkopf auf die Haut, die den etwas zierlichen Brustkorb des Mannes bedeckte, aufsetzte, begann dieser zu betteln.
    „Nein, bitte nicht, ich sage Ihnen alles, was Sie wissen wollen, ich bitte Sie nur…“, und so weiter und so fort. Doch es war zu spät. Das hohe Surren des Bohrers erklang, wurde jedoch von dem schmerzerfülltem Schrei des Mannes übertönt, dessen Lungenflügel soeben durch den etwas verlängerten Bohrkopf durchdrungen wurden.
    „Oh Gott“, heulte der Typ, doch Barney ließ nicht locker, drang mit dem Akkubohrer bis zum Anschlag ein.
    „Wo ist er?“, wiederholte er die Frage, doch er wurde nur mit der gleichen Antwort entlohnt: sein Gegenüber wisse es nicht.
    Hör zu“, knurrte der Texaner, „ich kann den Bohrer jetzt rausziehen. Dann kollabieren deine Lungen, weil der Druck in deinem Brustkorb nicht mehr aufrechterhalten werden kann und du wirst einen qualvollen Erstickungstod sterben.“ Er machte eine kurze, bedeutende Pause, eher er fortfuhr. „Oder ich lasse den Bohrer stecken, was dir das Atmen erleichtert und dich nicht ersticken lässt, und du erzählst mir, was ich wissen will. Dann knall ich dich einfach ab, da spürst du garantiert nichts mehr.
    Die Augen des Typen weiteten sich und in ihnen sah Barney etwas, das er schon so oft gesehen hatte. Es war der Blick eines Menschen, der soeben realisierte, dass sein Leben zu Ende war. Es war dieses feuchte Glitzern in den Augen des Mannes, das dem Texaner signalisierte, dass wohl soeben all die schönen Momente seines Lebens, und seien es noch so wenige, vor dem inneren Auge vorbeizischten, er noch einmal auf sein kurzes Leben zurückblicken konnte. Und jetzt würde er gleich um sein Leben betteln, er würde gleich versuchen, zu verhandeln.
    „Nein, bitte. Wenn ich Ihnen etwas sage, dann…“, na bitte. Barney drückte auf einen Knopf des Bohrers und mit einem Zischen löste sich der Bit vom Bohrkopf, sodass der Typ zwar noch ohne Probleme atmen konnte, jedoch ständig den stechenden Schmerz des kleinen Metallstücks spüren konnte. Und Barney hatte jetzt beide Hände frei.

    Der Faustschlag riss den Kerl fast vom Stuhl.

    „Ich dachte, du weißt nichts?“
    „Da haben Sie mir auch noch nicht mit dem Tod gedroht“, wimmerte der Typ, dessen aufgeplatzte Backe schlimm blutete, gefolgt von weiteren Schluchzern und sonstigen Lauten, die Barney langsam zu nerven begannen. Ohne ein Wort streckte er seinen Arm zu Cel, die ihm eine Pistole in die Hand legte, wie eine Schwester einem Chirurgen das Skalpell reichte.
    Ohne zu zögern setzte Barney die Waffe auf den Oberschenkel des Typen und drückte ab, was dem Kerl wieder einen beinahe animalischen Schrei entlockte.
    Gib mir eine Adresse und alles ist vorbei“, murmelte Barney leise, wobei seine Stimme einen quasi freundlichen Unterton bekam, natürlich ein starker Kontrast zu der Tatsache, dass er dem Typen gerade eine Kugel durch den Oberschenkel gejagt hatte. Doch sein Gegenüber schluchzte nur, wimmerte irgendetwas, das Barney als bettelnde Aufforderungen wahrnahm.
    Eine Adresse!“ Da war wieder die Aggressivität, die Skrupellosigkeit, die Wut in seiner Stimme, wie sie der Kerl gewohnt war, als Barney die Pistole in der Schusswunde versenkte. Sie durchs Fleisch bohrte, solange bis er auf den Knochen traf, wo das Metall des Laufes ein hohes Kratzen verursachte.
    „Im Präsidium!“, stieß der Mann aus, hielt dann aber wieder die Luft an.
    „Scheiß Spitzel“, keuchte der andere Typ, der mittlerweile wieder zu Bewusstsein gekommen war, und Barney drehte sich kurz um, legte die Pistole an und schickte mit einem gezielten Schuss eine Kugel durch den Schädel des anderen, ehe er sich wieder dem Mann vor ihm zuwandte.
    „Weiter?“
    „Präsidium“, keuchte er und erntete nur eine gelangweilte Geste, er solle doch weitermachen, „ist eine ziemlich noble Hütte.“ Die Adresse, die der Mann dann ausspuckte, merkte sich Barney wie den Text der amerikanischen Nationalhymne, er brannte sich jeden einzelnen Buchstaben in den Kopf, wartete ab, bis der Kerl fertig gesprochen hatte.
    „Geht doch“, raunte der Texaner, richtete sich auf und nickte Cel zu. Mit seiner rechten Hand zielte er direkt auf die Stirn des Mannes, der es nur noch schaffte, seinen Kopf leicht nach oben zu heben, wie ein Hund, der bettelnd sein Herrchen ansah.
    Barney drückte ab. Blut, Hirnmasse und Knochensplitter flogen durch die Gegend, benetzten den dreckigen Stuhl und landeten mit einem feuchten Klatschen auf dem Boden. Barney hatte penibel darauf geachtet, nichts davon abzubekommen, was ihm auch gelang. Er packte den leblosen Körper, warf ihn zu der anderen Leiche und nahm den Benzinkanister, den Cel bereits zur Verfügung gestellt hatte. Es waren sieben Liter des obsoleten Kraftstoffes, den der Texaner über den Leichen und sonstigen Überbleibseln verteilte, ehe er alles mit einem Streichholz, das er aus dem Laden, in dem sie gegessen hatten, mitgenommen hatte, in eine riesige Flamme verwandelte.
    „Gehen wir“, meinte er zu seiner Schwester, verließ die Lagerhalle wieder und ließ den Motor des Shuttles aufheulen, „sagt dir die Adresse etwas?“

    20:37 Uhr
    ---> Präsidium
    Geändert von Barney Gray (24.10.2010 um 11:35 Uhr) Grund: Zeit und Ortswechsel vergessen

  4. #4
    FRPG-Account Avatar von Octavian Visconti
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    <<< Citadel: C-Sec
    >>> Citadel: Industriegebiete- Corefield Komplex
    10:15

    Sejan war für Octavian immer ein Plappermaul gewesen, jemand, der seinen Intellekt immer einen Tick zu hoch einstufte und aufgrund seiner nihilistischen-rationalen Sicht stets etwas Ekel in Octavian hervorrief. Während Sejan Octavian jedoch zum Corefield-Komplex im Industriegebiet der Citadel chauffierte, wünschte er sich, er würde mehr sprechen, ihm Fragen stellen und Erklärungen fordern, oder ihn zumindest mit seinen Ansichten und Stellungnahmen quälen, die Sejan gerne von sich gab, wenn er der Überzeugung war, dass er ein rhetorisches Duell gewinnen konnte, was nach Sejans Geschmack viel zu selten war und laut Octavian nie passieren durfte. Für ihn war Sejan nämlich stets eine Variable, und nie eine abhängige, sondern eine beeinflussende, vor allem aber war Sejan meilenweit davon entfernt eine Konstante zu sein. Vielleicht lag es an seinem Aussehen, das für Octavian stets einen Tick zu verlogen erschien, aber recht vertrauen konnte er Sejan nie – und dabei hatte der Diener durchaus noble Taten unternommen um das Vertrauen Octavians im Laufe der Jahre zu gewinnen. Seit Sejan aufgrund von Tante Gruska bei Julius Visconti anfing, war Sejan versucht, Octavians Gunst zu gewinnen und ihn zu beeindrucken. Es konnte durchaus daran liegen, dass Octavian im Vergleich zu den anderen Brüdern hin und wieder ein Ohr für seine Anliegen hatte, auch wenn diese gelegentlichen Zuneigungen nicht regelmäßig waren und vor allem stark schwanken. Aber das schien Sejan lange Zeit zu reichen; ein Gefühl gehört zu werden und doch in irgendeiner Richtung wichtig zu erscheinen, kann für viele als ausreichend interpretiert werden; für Sejan – so Octavians Überzeung – war es in mancherlei Hinsicht erfüllend. Schließlich kam Sejan aus ungebildetem Haus und war sich dessen sehr wohl bewusst. Er hatte nie eine Schule besucht, weshalb man seine philosophischen Versuche und Interessen vielleicht gar umso höher einstufen musste, und außerdem war Sejan nie sonderlich begeistert gewesen von Corefield Design. Um genau zu sein, so Octavians Interpretation, war Sejan noch nicht einmal sonderlich an Geld, Ruhm oder Macht interessiert; drei äußerst beliebte Motive für Leute des modernen Citadel-Raums. Viel mehr hatte Sejan ein regelrechtes Faible für alte, deutschsprachige als auch turianische Philosophen entwickelt. Um Sejans Theorie des Lebens und vor allem der Philosophie zu verstehen, brauchte man Durchhaltevermögen und einen Hang zum Irrationalen. In Sejans Theorie war Nietzsches Übermensch kein Mensch an sich, sondern – in Verknüpfung mit den Theorien des Chardinisten Pavel – eine Art Gottheit, die in jedem Menschen schlummerte. Dabei galt es durch Gewalt und die brutalste Form von Gewalt, nämlich den Krieg, das Rohe zu formen um den Gedanken des Überlebens zu bewerkstelligen, und damit dem Wahnsinn der Dekadenz zu entkommen. Verkompliziert wurde die Sache nur durch Sejans Verständnis der Hegelischen Dialektik, die er – relativ eigen – rückwärts interpretierte. Für ihn standen Thesis und Anti-Thesis nicht konträr zu einander, sondern waren nur das Resultat einer Synthesis die sich spaltete. Als Argument nahm er hierfür wiederum den Zyklus der Vergesslichkeit her des turianischen Kriegsphilosophen Varklus, der behauptete – ähnlich zu Nietschze, dass das Leben ein Zyklus sei und der Wahnsinn des Lebens nur dadurch bezwungen werden konnte indem man ihn vergaß. Dieses Vergessen – so Varklus – einzig durch den Überlebensinstinkt bewirkt und durch das konstante Gelübde an die turianischen Götzen oder – in Sejans Fall – die menschliche Gottheit. Es gab noch weitere Motive und Handlungsvorschläge in Sejans eigener Analyse des Lebens, unter anderem weitere chardinisten Praktiken und Glaubensdiktate, asarische, reinblütige Biotik-Verherrlichungen sowie kroganische Kampfideologien- und Wissenschaften, aber Octavian hatte es noch nicht recht geschafft dies alles recht zu verstehen und eingehend zusammen zu führen, trotz all der Jahre die er mit Sejan verbracht hatte. Trotzdem konnte man sagen, dass Sejan alles andere als ein Rassist war, wohl eher hätte man ihn als Misanthrop bezeichnen können, der quasi lieber ein Ideal aller Rassen glaubte, als an das Ideal einer Rasse. In diesem Sinne hatte Sejan vielleicht schon immer eine Tendenz zum Unmöglichen und scheiterte gar gerne daran, da es seine teils verbitterte Weltansicht nur stärkte und damit auf lange Sicht – laut ihm – selbst unterstützte. In Sejans Gesicht war dies dabei stets deutlich abzulesen, denn er vermochte es nur schwer seine Emotionen zu verbergen. Er war ein schlechter Lügner und eigentlich ein noch schlechterer Diener. Aber er hatte seine Prinzipien und er folgte einem gewissen höheren Weg, den er sich selbst auferlegt hatte – und der von den Viscontis insoweit ignoriert oder akzeptiert wurde, sodass sie ihn bis heute nicht entlassen hatten. Sejan war stets angespannt, seine Gehirn arbeitete unentwegt und die intellektuelle Anspannung, die er seinem eigentlich ungebildeten, und vielleicht gar unfähigem, Gehirn anvertraute, nagte stets äußerst stark an ihm, denn nicht jedermann war für jeden Gedanken geschaffen. Manche wurden Physiker, andere Schriftsteller, manche Soldaten, andere Hausfrauen. Jeder fand irgendwie das was zu ihm passte, oder auch nicht. Sejan jedoch befand sich – und das wusste er selbst – oftmals in einem inneren Konflikt, den er ständig zu gewinnen versuchte, doch oftmals war es ein Nullsummenspiel, denn ehrlich gesagt passen chardinistische Weltansichten nun wirklich nicht mit kroganischen Kriegsideologien zusammen. Grundsätzlich war Sejan also eigentlich nicht ungebildet, ihm mangelte es nur an Intellekt und der fehlenden Eigenschaft ‚Nein‘ zu sagen zu Theorien diverser Rassen, die von Autoren stammend die auf ihn den Eindruck machten, als dass sie klüger als er waren; und möglicherweise war er gerade deshalb sein Leben lang ein Diener und keine Führungsperson.

    Anstatt aber an diesem Morgen Octavian mit kruden Ergüssen zu langweilen, entschloss sich Sejan offenbar dazu nichts zu sagen. Es lag – so Octavians Einschätzung – wohl an der generellen Stimmung des heutigen Tages, der akzeptierenden Meinung das Julius tot war und es nun nichts mehr diesbezüglich zu tun war – außer den Mörder zu finden. Dennoch verhielt sich Sejan ruhig; er warf immer noch die abschätzenden, spekulierenden Blicke durch den Rückspiegel auf Octavian, aber heute waren sie nicht zu penetrierend wie noch gestern. Und in Sejans Gesicht konnte man deutlich Verdruss vorfinden. Octavian hätte gerne ein paar Worte gewechselt, aber ehrlich gesagt wusste er nicht was er groß reden konnte. Sejan war stets derjenige, der in ihren Unterhaltungen den Ton vorgab und Octavian reagierte und korrigierte ihn, woraufhin Sejan stets glücklich Octavians Meinung und Ratschläge akzeptierte und annahm. Selbst wenn die Unterhaltungen für Octavian leidlich erträglich waren, so waren sie dennoch eine sinnvolle Beschäftigung auf seinen Fahrten quer durch die Citadel. Dieser Eindruck resultierte aus der simplen Einsicht, dass man in jeder Diskussion sich selbst verfeinerte und seine Argumente veränderte oder sie auch nur schärfte, sodass sie letztendlich besser wurden. Um nicht an seinen Aufenthalt in den Arrestzellen der C-Sec zu denken, entschloss sich Octavian einen Vorstoß zu wagen, sacht – aber immerhin.
    „Etwas interessantes aus dem Anwesen zu berichten?“ Er konnte nicht umhin eine gewisse Autorität an den Tag zu legen, etwas befehlendes lag in seiner Stimme, und als er die Sätze aussprach, rang er sich ein Versprechen hab den nächsten Satz besser zu formulieren.
    „Hm – nein, nicht wirklich“, kam es zögerlich von der Vorderbank nach hinten gemurmelt. „Antonius hat sich betrunken nach der schlechten Reportage und quer durch das Anwesen geschrien, Lepidus verließ kurze Zeit darauf mit Claudia uns, und ein paar Gäste kamen noch an, aber an weitere Vorkommnisse kann ich mich nicht erinnern. Es war ein langer Tag, ich ging früh zu Bett.“
    „Kein nächtlicher Spaziergang?“
    „Nein, heute Nacht nicht. Obwohl – Madame Vanderlyle hat mich geweckt und wollte mit mir über Sie reden, Herr. Sie hat sich Sorgen gemacht und ehrlich gesagt-.“
    „Sie machen sich auch Sorgen?“
    „Etwas, Herr.“
    „Beruhigen Sie sich, ich bin wieder auf der Höhe“, versicherte Octavian und versuchte an seine eigenen Worte zu glauben. „Es war nur ein kleiner Ausrutscher, ausgelöscht durch das Fieber.“ Welches zwar erst nach dem ‚Ausrutscher‘ sich zeigte, aber das musste Sejan nicht wissen.
    „Fieber, Herr?“
    „Das übliche.“
    „Sie haben ihre Medikamente nicht genommen?“
    „Ich habe kaum noch welche. Vermutlich wird es heute Zeit für einen Besuch beim Arzt.“
    „Und danach in eine Kirche?“
    „Hm.“ Octavian überlegte einen Moment lang und er empfand einen Kirchenbesuch als durchaus befriedigend; selbst wenn sein Leben dadurch nicht leichter wurde, und schon gar nicht seine Sorgen und Bedenken verschwanden, so würde es zumindest etwas seine Seele leichter. „Keine schlechte Idee.“
    „Ihr Vater hat keine Beichte abgeleistet.“
    „Bitte?“
    „Ich meine, ihr Vater ging seit Monaten schon nicht mehr in örtliche Kapelle. Es lag wohl an seinem Zustand in den letzten Monaten. Der Citadel-Blitzkrieg, die Aufräumarbeiten, die Geschehnisse rund um Corefield und – nunja, sein Privatleben.“
    „Das haben Sie nicht gerne gesehen?“
    „Sie meinen, seinen konstanten Verfall?“
    „Genau.“
    „Nein, es hat mir das Herz gebrochen, Herr.“ Die zwei erreichten gerade eine Kontrolle vor den Industriegebieten, die die Shuttles überprüften, die sich auf dem offiziellen Weg dorthin bewegten. Sejan legte seinen Ausweis vor und ein paar Sekunden später wurde ihnen der Eintritt in den Tunnel erstattet, der sie über dem Industriegebiet ausspucken würde; von da an war es nur noch ein kurzer Weg zu den Corefield Büros. Im künstlichen orangen Licht des Tunnels erwähnte Sejan, dass die asarische Detective ihn gestern Abend noch besucht hatte und ihm ein paar unangenehme Fragen stellte. Octavian versuchte sich zu erkundigen, ob die Asari unangenehme oder auch nur formale Fragen über ihn selbst stellte, aber Sejan schien darauf nicht eingehen zu wollen. Er bevorzugte es vor erst zu schweigen, was Octavians Missgunst weckte und ihm klar machte, dass Sejan offensichtlich etwas beschäftigte, dass er so noch nicht bereit war Octavian vorzutragen. Er stellte weiterhin gefühlvoll und bedacht Fragen bezüglich der Asari und des gestrigen Abends, vor allem aber über Vater, im Grunde ging es aber um Sejan; keine der Fragen beantwortete Sejan wirklich, stattdessen klammerte er sich an Einzeiler, die Octavian ein Gefühl der Besorgnis brachten, ihn aber auch erneut realisieren ließen, dass nicht nur er und seine Brüder mit dem Verlust zu kämpfen hatten.
    Die zwei verließen nach geschätzten drei Minuten den unterirdischen Tunnel, der sich allmählich vage nach oben aufbaute, und sie anschließend auf eine höhere Ebene brachte, von der sie von oben herab den – im Vergleich zu anderen pulsierenden wirtschaftlichen Gegenden – kümmerlichen Industrierand der Citadel überblicken konnten.

    Da es noch relativ früh war am Tag, war Sejan selbst auch noch hungrig, hatte er doch zum jetzigen Zeitpunkt nur eine Tasse Kaffee getrunken um Octavian abholen zu können. Die Katerstimmung lag demnächst nicht nur über Octavian und seinen Brüdern, sondern auch über Sejan und noch weiteren, wie Anna, Claudia oder auch Sarvil, so Sejans Erklärung. Sarvil war anscheinend besorgt um Octavian gewesen und hatte das Anwesen besucht nur um von Anna letztendlich die Nachricht von Octavians Verhaftung zu empfangen. Also wussten es alle, schlussfolgerte Octavian, rollte die Augen aufgrund der Geschwätzigkeit Annas, die doch nur auf ihrer Ehrlichkeit und Besorgnis beruhte und vergab ihr im selben Gedankenzug. Wenn sie sich Sorgen machte, so war es ihre eigene Schuld – aber Octavian empfand es zumindest als leichten Balsam, dass sich jemand Sorge machte. Und obwohl Sarvil ein – für Menschen im allgemeinen – verhassten Batarianer darstellte, so zählte Octavian den treuen „ersten Offizier“ unweigerlich zu seinen nächsten Leidensgenossen und zu seinem vermutlich einzigen Waffenbruder, den er jemals hatte, und das obwohl er eine Offiziersausbildung abgeschlossen hatte. In diesem Sinne war es fast schon eine verkehrte Beziehung zwischen den beiden; als stamme sie aus einem Paralleluniversum. Aber die Tatsache, dass ein Batarianer um einen Menschen besorgt war, kam vielleicht genau von dort.
    Sejan drosselte die Geschwindigkeit des Shuttles und hielt bei dem beliebtesten, und vermutlich auch dem einzigen, Octavian wusste es nicht genau, Supermarkt in den Industriegebieten. Sejan trat heraus nach dem er nachgefragt hatte ob Octavian etwas wollte, aber er hielt nur das Säckchen in die Höhe und holte es heraus, sein Diener ging am Fenster vorbei und ein Shuttle-Bus fuhr langsam vorbei, wodurch die griesgrämigen Gesichter der Angestellten zu erkennen waren, und hinter dem Shuttle-Bus war das Denkmal des salarianischen Ökonomen und Wissenschaftlers Harlos zu bewundern, der majestätisch über dieses Gebiet der Citadel wachte. Seine Schrift über den notwendigen Selbsterhalt eines jeden planetaren Systems erzeugte vor mehrere hundert Jahren ein solche Debatte, dass das Industriegebiet schlagartig auf der Citadel ausgebaut wurde. Menschliche Theoretiker konnten bis heute nicht sagen ob Harlos Gedankengut den kreativen Anarchismus eines jeden Planeten und jeder Raumstation bevorzugte, ähnlich einem System, welches auf Kommunen basiert, oder die natürliche Aufteilung der Herstellungskapazitäten eines starken Citadel-Raums förderten. Octavian selbst sah in Harlos Theorie mehr einen Appell an die Autorität der Citadel sich gegen jegliche Notstandslagen zu rüsten; einen Ratschlag, den der Citadel-Rat nicht unbedingt warmherzig übernommen hatte. Noch ehe Octavian aber den Gedanken weiterspinnen konnte, kam Sejan überraschend rasch mit einem Burek mit Fleischfüllung zurück, typisch für ihn und irgendwie auch typisch für jeden bei Corefield Design. Die Firma war nur noch ein paar Meter entfernt und die Papiertüten des kleinen Stands, der die Bureks verkaufte, machten geschätzte fünfzig Prozent des Mülls aus. Burek selbst war ein relativ einfaches Gebäck, das auf der Erde gerne produziert wurde, jedoch schmeckte das asarische Äquivalent davon, sofern man es so bezeichnen konnte, besser. Nicht weil die Zutaten unbedingt besser waren, sondern weil die asarische Variante mit einer köstlichen, trockenen Sauce zubereitet wird. Sicherlich, kein Häftling der sein letztes Mal wegen seiner Todesstrafe serviert bekommt, würde nach einem asarischen Burek verlangen, aber der – außerordentlich gesunde – Snack hatte seine Fans bei Corefield Design. Genauso wie überall im Citadel-Raum. Der menschliche Burek war nicht ganz so beliebt, aber immer noch schmackhaft, insbesondere die Käse-Variante hob sich etwas von der Konkurrenz ab, besonders das griechische Burek. Dann bemerkte Octavian, dass er zu viel über Essen nachdachte und holte seinen Proviant heraus um das Croissant zu verschlingen.

    Der Corefield Komplex war nicht sonderlich groß, zumindest im Vergleich zu anderen industriellen und geschäftlichen Niederlassungen bekannter Firmen. Hier gaben sich Hadne-Kedar und Ariake Technologies die Klinke in die Hand und noch viele andere Firmen, und die meisten davon – zumindest der Großteil der menschlichen Niederlassungen – hatten sich dazu nur aufgrund der eingestürzten Preise für die Grundstücke und des unweigerlichen Loyalitäts- und Prestigegewinns dazu hinreißen lassen. Corefield Design war selbst eine jener Firmen, die sich erst durch den Citadel Blitzkrieg dazu durchringen konnte die Citadel als wirtschaftlichen Standort zu betrachten und nicht nur zu bloßen Selbstbeweihräucherung. Octavian hatte damals Vaters Engagement belächelt, musste aber alsbald feststellen, dass der Aufwand - den er in die Errichtung des Firmengeländes und in die gemeinwilligen Spenden an den Citadel-Zoo und diverse Parks - steckte, durchaus einträglich war. Der Citadel-Rat und seine Ministerien erschienen nach dem Blitzkrieg, sei es aufgrund der wachsenden Reputation und des steigendenden Vertrauens in die Menschheit oder auch der außerordentlich klugen Strategie des Firmenchefs, um einiges gewillter mit Corefield Design zu kooperieren und damit auch die Firmen, die sich unter dem Besitz anderer Rassen befanden. Natürlich ließ sich der Citadel-Rat bis heute noch nicht herab um mit Corefield Design überhaupt ein geschäftliches Gespräch zur weiteren Expansion zu unternehmen, vor allem da der Citadel-Rat – gelinde gesagt – seine eigene Favoriten in diesem Segment hatte, aber auch die ranghöchsten Politiker konnte nicht umhin das Engagement zu loben und damit den Weg zu öffnen für weitaus lukrativere Deals mit Partner, die wesentlich begieriger waren mit Corefield Design zusammen zu arbeiten. Vielleicht war dies einer der Auslöser für Vaters schwindenden Bezug zur Realität, von dem er die letzten Wochen über geplagt wurde. Der Doktor sagte, man könne es in den Griff bekommen, aber vor allem blieben die Worte hängen, dass es per se kein Anfall von Wahnsinn oder dergleichen wäre, sondern nur der Versuch seine menschliche Seele zu retten. Octavian hatte damals dem Doktor ins Gesicht geworfen, dass er sich solch christlichen-chardinistischen Kram sparen solle und dass er gefälligst die Wahrheit wissen wolle. Tatsächlich konnte der Doktor aber nichts weiter feststellen und so vegetierte Octavian die restlichen Wochen dahin und versuchte die Pflichten seiner Position bestmöglich zu erfüllen, dabei selbstverständlich nicht recht bewusst welche Gefahr rund um seinen Vater schwebte und das jemand bereits einen Mord geplant hatte.

    Die Wache am Eingang, ein Turianer in denselben Farbtönen wie Octavians Uniform, der einzige Unterschied, dass es sich hierbei um eine Rüstung handelte, begrüßte Sejan am Tor. Sie wechselten ein paar freundschaftliche Worte, wobei Sejan – etwas unverschämt – immer wieder ein paar Stücke seines Bureks abzwickte und in den Mund schob, während ein Scanner das Shuttle kontrollierte und der Turianer die Ausweise ordnungsgemäß kontrollierte. Auch Octavian musste aus seiner Brieftasche seinen herausholen und der Turianer bekundete ein knappes, aber scheinbar aufrichtiges Beileid gegenüber Octavian. Der Komplex war sicherlich nicht groß, um ehrlich zu sein erschien er sogar relativ klein im Vergleich zur Niederlassung von Binary Helix ein paar hundert Meter weiter. Die Parkplätze reichten gerade so aus um einem Viertel der Angestellten Platz zu bieten. Das hatte zumindest den Vorteil, dass der Weg zum eigentlichen Gebäude nicht sonderlich lang war. Das Gebäude war weiß und blau gestrichen, ein Anblick, der für Firmengebäude auf der Citadel reichlich unoriginell war, aber zumindest als hübsch bezeichnet werden konnte, sofern man kein professioneller Kunstkritiker oder Architekt war. Das Design des Gebäudes, ein einfaches Rechteck, dass nach oben drei Stöcke besaß und nach unten sieben, erschien etwas klobig, unvorteilhaft und generell könnte man es als langweilig bezeichnen. Am Eingang prangerte das einzige Schmuckstück, dass zu finden war, und zwar das kunstvoll ausgeschmückte Logo von Corefield Design, indem man Bekenstein und kargen Planeten erkennen konnte, darüber prangerte die Buchstaben C und D. Obwohl Bekenstein rund sieben Jahre vor Julius Machtübernahme bei New D’sorni Studies gegründet wurde, trug er dennoch in den folgenden Jahren einiges zur optimalen und fast schon paradiesischen Entwicklung des Planeten bei. Dabei war dieser Beitrag eigentlich leidlich gering, denn Bekenstein schein seither ein Paradies zu sein und Visconti hatte den Planeten schlichtweg für Marketing-Gründe ein wenig unterstützt, aber selbst dieser Anteil war verschwindend gering. Das Logo machte zumindest Eindruck und den Slogan der Firma, der seit der Gründung von Corefield Design, Bestand hatte, prangerte an mehreren Ecken, aber nirgendwo schimmerte er so deutlich als wie über dem Eingang. Octavian kannte den Mann hinter dem Marketing-Coup nicht, aber wenn es nach ihm ginge, hätte er sein ganzes Leben nichts mehr arbeiten müssen, da es schlichtweg perfekt zu Corefield Design passte und deshalb auf Firmenkosten wie ein König hätte leben können. Vermutlich bekam er aber nur einen feuchten Händedruck und das jämmerliche Gehalt in die Hand gedrückt.

    Octavian hatte ganz vergessen wie der erste Stock des Unternehmens aussah seit seinem letzten Besuch hier, vermutlich lag es daran, da es schlichtweg nicht sonderlich aufregend war. Die Eingangshalle erinnerte mehr an ein Museum, die Räume nächstfolgend waren marginal interessanter, stellten sie doch nur bessere, detaillierte Museen dar oder dienten sie als Kantine, Besprechungszimmer unwichtiger Mitarbeiter; es befand sich gar eine Spielstube im äußersten Bereich des ersten Stocks. Ein roter Teppich war ausgerollt im Flur, das Licht floss in fast schon gold-ähnlichen Tönen durch den Raum, kunstvolle und reizhafte, silberne oder goldene Verzierungen verpassten der Marmorwand etwas Leben; in der Mitte des Raumes befand sich eine Rezeption, die Sejan und Octavian getrost ignorierten. An den Wänden hangen die ersten oder wichtigsten Errungenschaften von Corefield Design, darunter jeweils ein knapper Text über den Planeten. Die meisten davon wurden von menschlichen Kolonialisten bevölkert, während einige auch von nicht-menschlichen Rassen gegründet wurden, aber dieser Anteil war wohl, wie vieles bei Corefield Design, ein rein prestigeträchtiger Anspruch. Schlussendlich am Ende des Flurs war der heißerwähne Fahrstuhl, der allerdings von einer Kontrolle und zwei gewohnt bösartigen Batarianer bewacht wurde. Obendrein befanden sich zwei stationäre Geschütze im Raum, die mittels eines einfachen Knopfdrucks alles durchsieben würde, welches von der VI als Feind bezeichnet wurde, was generell alles war, außer den Angestellten, die dazu erlaubt waren den Knopf zu drücken und den Viscontis.
    Einer der Batarianer aktivierte augenblicklich den Lift als er Octavian sah, der andere zögerte etwas. Sejan schritt an ihnen gemütlich vorbei, so als wäre es ein alltäglicher Prozess. Der zweite Batarianer zögerte noch immer, räusperte sich dann aber und sprach aber: „Entschuldigung, ich müsste ihre ID sehen und Sie scannen.“ Octavian wartete hinter der Rezeption, während Sejan irritiert zu ihm blickte.
    „Es ist Standardvorgehen, also bitte.“
    „Bist du wahnsinnig? Das ist Sejan, und das ist Octavian Visconti.“
    „Trotz-dem…“, stotterte der Batarianer, der sich zaghaft am Nacken rieb und nervös seine vier Augen in beschämender Art immer wieder zukniff.
    „Erhabener, Sie können natürlich ohne Kontrolle durch.“
    „Kann ich das?“, antwortete Octavian.
    „Äh“, gab Tyflavs von sich, so zumindest der Name auf dem Namensschild des Batarianers.
    „Damit wir uns verstehen: Diese Kontrollen sind nicht zum Spaß hier. Selbst wenn ein Mitglied des Citadel-Rates hier hindurch will, wird der Weg erst freigegeben nachdem die ID und die Erlaubnis zum Eintritt bestätigt wurde. Verstanden?“ Tyflavs zögerte etwas, und fing nun ebenfalls an nervös mit den Augen zu blinken, während sein Kollege ein wenig Mut fasste und für Tyflavs mit einem beherzten ;Ja, Erhabener!‘ antwortete. Der zweite Batarianer machte sich augenblicklich an die Arbeit. Octavian hätte Lust auf einen kleinen Scherz Richtung Tyflavs gehabt, aber er entschied sich dazu nichts zu sagen, schließlich lag ihm nichts daran irgendjemanden zu schikanieren und schon gar nicht seine eigenen Angestellten. Er holte wie zuvor seine ID hervor und eine Kamera erfasste ihn, übermittelte ein Bild auf das Terminal der Wachen, ehe die offizielle Freigabe von ihnen erteilt wurde. Der selbe Vorgang wurde bei Sejan wiederholt und mit einem wohl gemeinten Ratschlag an Tyflavs verabschiedete sich Octavian von den zwei Wachen vorerst, der wie folgt lautete: „Ich dulde keine Ausnahmen hier. Der Mord meines Vaters ist hier passiert, das sollte uns allen eine Lektion zu sein.“ Die Batarianer nickten eifrig und als Octavian in den Aufzug eintrat, warf er ihnen einen strengen Blick zu, einer jener Sorte, der unmissverständlich den vorherigen Satz weiterführte, und verdeutlichte, dass jeder, der in der damaligen Nacht nicht seinen Dienst erfüllt hatte mit Konsequenzen zu rechnen hatte – denn so geschwächt war sein Körper nach wie vor, dass er die glasigen Augen nicht verstecken konnte, als er das Gemälde, welches von der Decke über dem Wachposten herab ring, nicht hätte ignorieren können. Die rasche, aber ausdrucksvolle Reaktion in Octavians Gesicht – eine Reaktion, die sich vornehmlich durch das Verziehen seines Mundwinkels und in dem Versteifen seiner Wangen zeigte; letztendlich aber vor allem der Unmut der sich darin vollkommen und fast schon traditionell entwickelte und zur Geltung gebracht wurde, nach dem er das Bild seines Vaters sah, reichte den Batarianern aus um all dies zu interpretieren.
    Geändert von Octavian Visconti (10.03.2011 um 21:11 Uhr)

  5. #5
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    <--- Die Citadel: Choras Nest

    Leicht torkelnd, um den Eindruck eines betrunkenen Saufboldes zu erwecken, ging Robert, gegen halb zwei Uhr morgens, Richtung Ausgang. Er hatte die halbe Nacht dort verbracht. Robert kannte die Gerüchte, die innerhalb der Informationsbeschaffungskreisen kursierten. Black Sabbat soll eine chemischer Kampfstoff sein und sich irgendwo auf mehreren Speichersticks befindet. Echo Alpha Rot musste sich also gerade mit diesem Thema beschäftigt haben, als er verschwand. Die Nachricht, die über eine gesicherte Leitung, bei Robert eintraf verfügte auch über einige Anhänge. Ein Anhang zeigte das Bild des Agenten. Ein Mann, ca. dreißig Jahre alt. Braunes Haar, und grüne Augen. Kurz ein Allerweltsgesicht. Außerdem enthielt es die zuletzt angegebene Position des Agenten. Eine kleine Disco in den Bezirken. Robert rief ein Taxi und machte sich auf den Weg.
    Dort angekommen, wies er den Fahrer an zu warten. „Ich komme gleich wieder.“ Der salarianische Fahrer akzeptierte seine Bitte mit einem leichten Nicken. Robert bemerkte, dass hier nichts mehr los war. Niemand war in der Gegend anzutreffen. Dann fiel ihm vor dem Gebäude eine kleine Blutlache auf. ,Jemand wurde verletzt. Der Farbe und der Konsistenz des Blutes nach ein Mensch.'
    Seine Gedanken waren wieder klar, bar jeglichen Alkohols. Er hatte eine Leber wie ein Kroganer. Er war stolz auf diese Fähigkeit, den Alkohol so gut zu vertragen. Sie brachte ihm das ein oder andere Mal die Möglichkeit seinen Gegenüber unter den Tisch zu trinken, um so an seine Infos zu kommen. Er öffnete die, nur angelehnte Tür. Er war nicht verwundert, dass sie nicht abgeschlossen war. Hatte hier doch vor kurzer Zeit ein Kampf stattgefunden. Vorsichtig ging er hinein und zog sein Messer. ,Nächstes Mal nimmst du die Pistole mit.' Kurz schaute er sich um. Niemand im Hauptbereich. Er atmete kurz erleichtert aus, spitzte seine Ohren und versuchte irgendwelche Geräusche, die auf Leben hindeuteten, zu orten. Zu seiner Erleichterung vernahm er nichts. Er ging in die hinteren Bereiche und fand in einem Aufenthaltsraum mehrere Leichen. Ein toter Turianer, bei dem Robert sofort die Lust verspürte, ihm den Kopf abzuschneiden, eine tote Asari, ein Salarianer, tot und zwei Menschen. Er verdrängte die Lust für einen Moment aber dann tat er sich den Gefallen. Er schnitt ihm allerdings nicht den Kopf ab sondern nur die Finger, die die Pistole umklammerten. Sich der Pistole bemächtigt untersuchte er die beiden menschlichen Leichen und erkannte eine als Echo Alpha Rot. Dem armen Kerl hatte man direkt ins Auge geschossen. Er hatte nicht einmal den Hauch einer Chance. Ihm fiel die kaputte Tür mit den Schusslöchern auf. Ein klarer Beweis dafür, dass der Turianer ihn nicht getötet hatte. Vermutlich stand der Turianer mit dem Rücken zur Tür. Die Position des Salarianers betrachtend, kam er zu dem Schluss, dass der Außerirdische direkt vor der Tür stand als diese brutal aufgebrochen worden war. Die Asari war wohl als nächste dran, dann die beiden Menschen, von denen bedauerlicherweise einer Echo Alpha Rot war. Zuletzt kam dann wohl der Turianer an die Reihe. Er konnte sich wohl noch umdrehen und ein Paar Schüsse abgeben bevor in ihm der Lebensfunke erlosch. Robert schaute sich noch weiter um und entdeckte dann eine weitere Blutlache auf dem Boden. Sie passte zu keinem der Toten in dem Raum. ,Hier war noch jemand.' Es war viel Blut und noch einigermaßen frisch. Er durchforstete den Raum weiter und fand unter einer der Leichen einige Gepäckstücke. Eines der Stücke wies ein Gepäckschild auf. „Michael Gabriel.“, las er es vor. Im selben Moment zog er auch schon sein Com hervor und öffnete eine sichere Verbindung.
    „Staff Lieutenant Robert Elle. ID Echo Alpha Sierra Foxtrot Nine Zero Delta Four Tango. Agent im Einsatz“ Eine Standardfloskel. Robert kannte sie aus jüngerer Vergangenheit. Er brauchte sich keine Sorgen machen. Hier auf der Citadel wird man ihm schon weiterhelfen. Eine kurze Bestätigung folgte und Robert fuhr fort. „Wer ist Michael Gabriel?“
    Keine fünfzehn Sekunden später meldete sich eine junge Frau. Robert empfand die Stimme als sehr ansprechend, doch leider war sie auch schon ein wenig ungehalten.
    „Lt. Elle. Was interessiert sie Michael Gabriel?“
    „Code: Deathtrack. Echo Alpha Rot ist tot. Erschossen. Und ihrer Äußerung entnehme ich, dass ich nicht der einzige bin, der Interesse an Mr. Gabriel zeigt. Können sie ihn orten, mir sagen wo er sich befindet?“ Eine längere Pause entstand und Robert vernahm das ertappte seufzten auf der anderen Seite der Leitung.
    „...Wir orten sein Smartphone in einem unserer Safe Houses in den Bezirken. Ich schicke ihnen die Adresse. Was werden sie tun?“
    Ein lächeln machte sich breit, auf seinem Gesicht.
    „Ich werde die Agenten vor Ort unterstützen. Sorgen sie dafür, dass hier ein Säuberungstrupp vorbeischaut. Hier liegt das Gepäck von Mr. Gabriel 'rum. Sacken sie das bitte ein. Ich denke, der Mann kann nach der Sache hier wohl ein paar frische Unterhosen vertragen. Danke...“, mit einem mal war die Leitung tot „...Lady.“
    Robert ging wieder raus auf die Straßen und stieg zurück ins Taxi. Der Salarianer schaute ihn verdutzt an. „Keine Sorge. Das ist nicht mein Blut.“, Robert lächelte. „Bitte fahren Sie mich dahin.“ Er zeigte kurz das Com vor und der Taxifahrer bestätigte dies mit einem kurzen Nicken. Die Pistole, die sich Robert hinten in die Hose gesteckt hatte schmerzte beim sitzen, doch er lies sich nichts anmerken.
    Einige Momente später passierten die beiden einen Unfall. Ein Stau hatte sich gebildet.
    „Oh. Hier muss es aber richtig gekracht haben.“ Gab der Fahrer von sich. Robert nickte nur. ,Gut. Wir scheinen auf dem richtigen Weg zu sein.'

    ---> Die Citadel: Bezirke (Unterschlupf des Allianzgeheimdienstes)

  6. #6
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    Citadel: Industriegebiet – Corefield Design
    10:50

    Der Aufzug hielt im dritten Stock oben, und als die Türen aufschossen, hielten die Mitarbeiter für einen Moment die Luft an, nicht gleichzeitig, aber der Reihe nach. Ein paar Sekunden dauerte es und jeder hatte sein Gesicht zum Aufzug gewandt, in dem Octavian in seiner Dienstuniform leicht grimmig die Blicke zurückwarf. Er ließ ihn durch über die zahlreichen Terminals streichen, die Sekretäre und Sekretärinnen, die für einen Augenblick ihre Arbeit unterbrochen hatten, etwas Rauch stieg auf (Corefield Design hatte seit jeher eine äußerst liberale Pro-Raucher Politik, wen wunderte es auch schon), und ein paar Komms klingelten. Aber niemand interessierte sich dafür im Moment, Octavian war hier und hinter ihm Sejan, der sich sein Lachen nicht recht verkneifen konnte. Um diese Reaktion zu verstehen, gilt es zu wissen, dass Octavian nur äußerst selten in den Citadel-Büros unterwegs war. Generell schien er sich hauptsächlich auf Ilium und manchmal Elysium aufzutreiben. Um ehrlich zu sein, er verbrachte vermutlich gar mehr Zeit auf Noveria als auf der Citadel, und dort hatte Corefield Design noch nicht einmal eine Niederlassung. Jedenfalls jedes einzelnes Mal wenn Octavian das Firmengelände auf der Citadel betrat, hatte es Entlassungen und Strukturwandel zur Folge. Für die Mitarbeiter fungierte er mittlerweile als eine Art Vorbote, und man sah ihn nicht gerne auf der Citadel. Dies lag vielleicht daran, dass er selbst diese Niederlassung am liebsten unter direkter Beobachtung gehabt hätte auf Ilium, aber es war nicht nur die Distanz. Ebenfalls war es – wie er am gestrigen Tag erneut spürte – die wesentlich harschere und schneller agierende C-Sec, sowie noch weitere Gründe, meist aus finanzieller Sicht, doch auch aus sicherheitstechnischen Gründen. Octavian scherte sich nicht viel um den politischen Vorteil eine Abteilung auf der Citadel zu haben, er sah darin sowieso keinen Vorurteil, viel mehr verstand er es als offene Einladung für Komplotte und Aktionen gegen Corefield Design. Dies hatte sich vor vier Tagen wieder einmal bewahrheitet. Vater, der auf dieses Geschäft hier gepocht hatte, hatte unweigerlich die Rechnung bezahlt. Vielleicht wäre es auch auf Ilium passiert, aber es wäre anders gekommen. Er wäre zumindest nicht alleine gestorben. Die Mitarbeiter konnten sich aber immer noch nicht aus ihrer Erstarrtheit befreien und für einen Moment lang empfand Octavian diesen Augenblick als befriedigend. Anders als Antonius oder Lepidus wusste er sehr wohl, dass jeder der Angestellten der Mörder hätte sein können, oder zumindest ein Komplize oder einen Fehler auf seinem Konto hatte. Er war hier um dies zu bereinigen; ein Geschwür zu entfernen – und dafür brachte er seine schärfsten Skalpelle mit. Seine Batarianer würden jeden unter die Lupe nehmen, selbst ihre fünf Artgenossen, die hier stationiert waren. Hier lag ein gewisses Flair von Misstrauen in der Luft, es roch widerlich für Octavian, und deshalb bedurfte es einer Diagnose und einer Operation, je nach Diagnose würde es verschiedene Ergebnisse geben. Kündigung bis hin zu blanker Verfolgung, ein Tadel bis zu einer zukünftigen kleinen Racheaktion.

    Langsam beruhigten sich die Leute wieder, das Gequatsche und das Geklapper nahm seinen Lauf; sie alle hatten nichts zu fürchten diesmal, vorausgesetzt sie waren loyal. Während die C-Sec Konkurrenz und Kriminalität als die Hauptverdächtigen ansah, der Turianer Hanibahl Octavian oder einen seiner Brüder, vermutete Octavian jemanden aus dem Raum von Corefield Design. Die D’sorni Schwestern waren ein Teil davon, aber nur ein äußerst geringer. Man konnte nicht alles auf eine Karte setzen und seine Investigation bezüglich des Mordfalls strikt darauf konzentrieren. Aber sowohl Lepidus als auch Antonius hatten ihn solcherlei Dingen keine Erfahrung, Octavian hatte mehr, auch wenn es nur ein kleiner Funken war. Er war nie Polizist und nie ein Privatdetektiv, und das war ihm ehrlich gesagt auch recht. Seine Stiefel hallten durch den Raum als er hart den Boden entlangschritt, dabei von der Seite jeden Mitarbeiter einzeln ins Visier nahm. Hier war das Zentrum für jegliche Kommunikation mit anderen Firmen. Während ihre zahlreichen Vorgesetzten mit den Geschäftspartner Verträge abschlossen, lag es an diesen Leuten, die Kommunikation in- und auch außerhalb des Unternehmens zu sichern. Sie waren keine Buchhaltung und keine Anwälte, sie verdienten das normale Gehalt für eine solche Tätigkeit und vor allem durfte aber bezweifelt werden, dass sie loyal zu Corefield Design standen. Sie hatten keinen wirklichen Grund dafür, schließlich verdienten sie nicht außerordentlich viel, trotz irregulären Gehaltserhöhungen hier und da für den ein oder anderen, und das Leben wurde stetig ein kleines Stück teurer auf der Citadel. Loyalität konnte man einfordern durch diverse Mittel, aber diese Leute – eine durchgemischte Gruppe der meisten Rassen, verteilt über mehrere Räume – waren schlichtweg nicht wichtig genug um daran zu denken. Selbstverständlich waren sie wichtig, aber nur in der Masse, und in diesem Resultat war es eindeutig: Jeder von ihnen war entbehrlich. Keiner hielt einen Stellenwert inne wie Sezuluv, Holden oder Sarvil. Dem war sich jeder bewusst, und deshalb hielten sie ihren Atem an, als Octavian den Stock erreichte und jeden für einen Moment musterte, während sie vergeblich versuchten sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren – kaum einer konnte stand halten, wurde nicht nervös. Erst im zweiten Raum realisiert Octavian warum dies der Fall war. Es lag nicht an ihm, sondern viel mehr lag es an der Ermordung selbst. Ein Portrait hang an einer Stelle im zweiten Raum, im Hintergrund das gerade neu-errichteten Citadel-Gebäude. Und auf derselben Höhe hang eine Abbildung des Citadel-Zoos, mehrere Meter in Länge beanspruchend, die erste Konzeption, einige der verschiedenen Pflanzen aufgelistet, das Endprodukt. Octavian überlegte, ob sie in diesen Tagen jeden so begrüßten, rasche Blicke, die sich gegenseitig abwogen und die im Terminal Zuflucht suchten; als würden sie den Mörder erwarteten. Nach wie vor waren die Blicke angespannt, eine menschliche Mitarbeiterin, so hörte Octavian sie sagen, „er wäre gerade hereingekommen.“ Und bald schon war er wieder hindurch geschritten, kein Wort von sich gebend, und Sejan dicht hinter ihm. Wieso Sejan ihm folgte, war ihm nicht recht bewusst, vielleicht wollte er einfach Corefield Design wieder zu Gesicht bekommen, die Auswirkungen des Todes begreifen. Octavian nahm sie dezent wahr, denn die Mitarbeiter so bemerkte er nun, zögerten schließlich nicht wegen ihm die Arbeit zu erledigen, viel mehr war es Vater und dessen Schatten hinter seinem Sohn der zu erkennen war, der sie anhielt und Luft schnappen ließ. Sie spürten die Ungewissheit, die Corefield Design umgab. Er hätte gerne eine Ansprache gehalten, aber das war etwas das zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich war. Man konnte nicht einfach seinen Mitarbeitern versichern, alles wäre in Ordnung, wenn man es selbst nicht wusste, wenn man gar das komplette Gegenteil befürchtete.

    Im dritten Raum begrüßte die beiden eine Schar von Angestellten. Zugegeben, der dritte Raum war hauptsächlich zur Begrüßung gedacht und es hielten sich nur vereinzelt und wichtigere Angestellten hier auf, jene die vor allem mit der Buchhaltung in Kontakt standen, aber dennoch trugen jene ein ähnlich blasses Gesicht wie die vorher begutachteten. Sarvil öffnete die Arme und gab Octavian eine kurze Umarmung, sein Gesicht schien erleichtert zu sein, ehe er in seine professionelle Art zurückfiel. Octavian fand die Umarmung unangemessen für das Publikum um sie herum, aber er wollte es Sarvil auch nicht abschlagen.
    „Erhabener,“ begann Sarvil seinen Satz: „Ihre Männer interviewen derzeit das Sicherheitspersonal des Komplexes. Später werden wir uns um die Buchhaltung, die Sekrätere, die Anwälte und zu allerletzt um die Geschäftsmänner in Corefield Design kümmern. Geht das in Ordnung?“
    „Schon, nur nehmen Sie mir unsere Geschäftsmänner nach dem Wachpersonal in Augenschein. Und kontaktieren Sie die Männer auf Ilium und Elysium. Ich will Interviews zu jedem einzelnen Mitarbeiter haben, detailliert. Bis ins kleinste Detail. Aber werden sie nicht zu harsch, weisen Sie die Leute an Notizen zu machen. Sollte die Mördersuche nicht erfolgreich sein, können wir jeden je nach dem noch einmal befragen.“
    „Verstanden.“ Sarvil unterstrich die Bestätigung mit einem Nicken und trat zur Seite. Der menschliche Sicherheitschef der Citadel-Station, damit quasi offizieller erster Offizier unter Octavian, auch wenn er es nicht wirklich so sah; ein alter Ex-Militär, der ursprünglich Octavians Position informal inne hatte, eher Octavian seine Rolle schleichend und effektiv übernahm beziehungsweise sein Vater ihm irgendwann die Belohnung zuteil kommen ließ und hierfür eine neue Position im Unternehmen schuf. Arnold Besliwski war damals darüber nicht erfreut, aber er wurde alsbald mit einer Gehaltserhöhung stumm gemacht, sodass er sich entschied weiter im Unternehmen tätig zu sein, auch wenn er nicht mehr die Kontrolle über die Sicherheit hatte. Mit keinem Deut von Unsicherheit kam er Octavian entgegen, sicher keinen Fehler begangen zu haben.
    „Wir haben das Videomaterial mehrmals analyisiert, aber bis jetzt konnten wir keine Spuren bezüglich des Mörders finden. Wir vermuten, dass es sich um einen“ Arnold kam einen Schritt näher und wurde im Tonfall leiser, was Sejan ein argwöhnisches Schnauben entlockte, „Insider handelt. Sicher sind wir uns nicht, aber die Kenntnis über die Kamera und das Sicherheitssystem legen dies nahe.“
    „Ich verstehe. Aber das hier ist der falsche Ort um dies zu besprechen. In zwanzig Minuten im Konferenzraum. Ich will ihre Profis bei der Konferenz dabeihaben und jeden, den sie sonst noch als 'sicher' bewerten; Sarvil, dich ebenso. Haben Sie ein Büro für mich frei?“
    „Sie können sicherlich in der Zwischenzeit das Büro von Antonius verwenden“, antwortete Arnold nach kurzer Überlegungszeit.
    „Aha, und wieso das?“
    „Er ist heute nicht erschienen, vermutlich nimmt er sich einen weiteren Urlaubstag“, kam es leicht zynisch aus Arnolds Mund heraus.
    „Hm, klingt ganz nach ihm, nicht?“
    „In der Tat.“
    „Nun gut, man sieht sich in zwanzig Minuten.“

    Octavian drehte sich um nach dem die Männer sich von ihm verabschiedeten hatten. Sarvil und Arnold waren sicherlich die zwei wichtigsten, jedoch hatte Arnold auch zwei Turianer bei sich, die sich bereits mehr als einmal bewährt hatten und die sowohl Arnold als auch Octavian als äußerst kompetent einstuften. Außerdem befand sich noch ein salarianischer Wissenschaftler dabei, der eine rein repräsentative Funktion hier auf der Citadel darstellte und dafür sorgte, dass die Citadel stets aktuell und vor allem korrekt mit Ilium arbeitete, sowie ein menschlicher und ein salarianischer Techspezialist; an ihre Namen konnte sich Octavian allesamt nicht mehr erinnern, aber er kannte ihre Gesichter und das genügte, dass er wusste, dass sie es wert waren an der Konferenz teilzunehmen.
    Sejan reagierte überrascht auf die Drehung, da Octavian ihm plötzlich ins Gesicht sah; er wirkte perplex, vermutlich hatte er erwartet, dass Octavian bereits zu diesem Zeitpunkt die Peitsche ausgepackt hätte, aber dies lag nicht in seinem Sinne. „Ja, Herr?“ fragte Sejan knapp, gerade als Octavian seinen Mund aufmachte um ihm mitzuteilen, dass er hier nicht mehr von Nöten war.
    „Geh‘ nach Hause, Sejan, raste dich etwas aus.“
    „Ich würde recht gerne-“
    „Sejan, ich werde dir schon die Ergebnisse erzählen. Aber hier hast du nichts mehr zu suchen. Du bist kein offizieller Angestellter.“
    „Ja, natürlich.“
    Sejan und Octavian schüttelten zum Abschied die Hand, und er sah Sejan noch einen Augenblick hinterher wie er durch den zweiten Raum ging, dort von den rund zwanzig Mitarbeitern angeschaut wurde, wie er etwas geknickt Richtung Tür ging. Ein Elcor-Mitarbeiter versperrte ihm den Weg für einen Moment und Octavian fragte sich, warum ein Elcor hier eigentlich arbeitete, aber dies hatte wohl vor allem mit der rassischen Diversität zu tun, und eine gute Elcor-Quote schadete nicht, wenn man Geschäfte mit den Elcor machen wollte. Genauso wie bei jeder anderen Rasse also. Sejan hielt noch einen Moment an, als eine Corefield Mitarbeiterin gerade in den Raum kam und die beiden begrüßten sich herzlich, doch Octavian wurde schon wieder abgelenkt von Sarvil, der ihn zu Antonius Büro geleitete.

    „Sarvil, machen Sie mir zuerst einen Check über alle die bei der Konferenz sind. Sagen Sie den weiteren Männern, dass sie zwanzig Minuten Zeit haben. Dürfte nicht allzu schwer sein für ein paar Personen, oder?“
    „Nein, natürlich nicht, Erhabener.“
    „Gut, wir wollen schließlich nicht den Maulwurf mit weiteren Informationen füttern? Und sollte jemand verdächtig sein, halten Sie ihn von der Konferenz fern. Aber nicht offensichtlich, geben Sie ihm einfach eine Aufgabe zu tun.“

    Octavian betrat nach einer Abschiedsgeste gegenüber Sarvil das Büro von Antonius. Es war dekoriert mit mehreren Portraits der Familie, manche mit Antonius und ihrem Vater, andere mit Anna, Lepidus oder Octavian, Mitarbeiter. Antonius hatte kein wirkliches Gespür für Kunst, deshalb dachte er gar nicht erst daran den Raum mit – wie es zum Beispiel Lepidus handhabte – Kunstgemälde auszustopfen. Stattdessen war das Zimmer durchaus persönlich eingerichtet, lehnte sich dabei an einen durchwegs modernen, futuristischen Stil an und ging damit relativ gut Hand in Hand mit den üblichen Firmenbüros, von den persönlichen Gegenständen abgesehen. In einer Ecke des Zimmers stand eine kleine Minibar, die mit verschiedenen Alkoholflaschen ausgestattet war, und die regelmäßig von Antonius Sekretärin aufgefüllt wurde. Ein gemütliches, beiges Sofa im Raum, welches Anna ausgewählt hatte, stand neben der Minibar, ein Glastisch davor und zwei Sessel dazu. Mehrere Aktenschränke sorgten dafür dass der graue Arbeitsalltag stets sichtbar war, während auf der anderen Seite des Raums ein Fenster, welches fast die komplette Wand ersetzte, einen Ausblick auf das Firmengelände und die Citadel gestattete. Octavian scherte sich für all dies im Moment nicht besonders, entschied sich stattdessen sofort sich um die Arbeit zu kümmern, die er die letzten Tage zu stark vernachlässigt hatte. Wohlangemerkt, er verspürte keine sonderlich große Lust dazu sich in dem Papierkram seiner Position zu verirren, allerdings war es notwendig und dies verstand Octavian – selbstverständlich hätte er aber die Zeit wesentlich lieber dazu genutzt den Mörder seines Vaters zu fassen. Vielleicht, so dachte er sich dann aber, war er schon dabei ihm auf die Schliche zu kommen.
    Das massive Terminal schimmerte matt und befand sich im Stand-By als Octavian näher trat. Ein paar Aktionen später stellte sich heraus, dass das Terminal seit drei Tagen durchgängig lief, dabei aber selten wirklich verwendet wurde. Sein Bruder hatte wohl in seiner fahrlässigen Irritation unter den derzeit harschen Umständen stets vergessen es abzuschalten, vermutlich wusste Antonius noch nicht mal recht was er zu tun gedachte. Trauerbewältigung war schließlich nichts was Antonius auf den Leib zugeschnitten war; schon beim Tode von Mutter hatte sich gezeigt wie verletzlich er sein konnte und wie sehr er doch an seiner Familie hing. In dieser Beziehung, in der Fähigkeit Trauer zu verspüren, so schien es zumindest Octavian, war Antonius um einiges fortgeschrittener als er, auch wenn beide ihren Kummer im Alkohol zu ertränken versuchten, so musste man doch festhalten, dass sie es auf zwei verschiedene Wege unternahmen. Er legte sich eine Zigarette auf die Lippen, neunzehn in der Packung verbleibend, aktiviert sein Omni-Tool und binnen weniger Sekunden waren seine Programme bereit mit dem Terminal synchron zu arbeiten. Auch wenn er Antonius liebte, so konnte man angesichts dessen was vor sich hin, nicht vorsichtig genug sein. Er startete mehrere Programme, die untersuchen sollten wer genau Zugriff darauf hatte – insbesondere unerlaubterweise, die Datenverbindungen- und Transfers checkte, Wortanalysen sowie Codeanalyse liefen über das Hologramm, spuckten Ergebnisse aus - allesamt unbrauchbar, mehrere Mail-Kontos wurden gehackt und Octavian überflog jene. Dabei mixte er sich einen schwachen Drink mit ein wenig Vodka um die Arbeitsmoral zu heben. An der Zigarette zog er hin und wieder, aber die meiste Zeit rastete sie im Aschenbecher, denn Octavian war erpicht darauf die Daten zu analysieren und er arbeitete schnell. Er wollte die zwanzig Minuten nutzen um den Zweifel von Antonius zu verbannen. Ein natürliches Misstrauen, vermutlich ein gegenseitiges sogar, wer wusste es schon. Die Mails wurden lapidar gelesen, aber die geschäftlichen beschränkten sich auf geschäftliche und jedes dieser Mails war ebenso an Octavian und Julius adressiert, dabei selten direkt an Antonius wirklich gerichtet. Ein mangelndes Maß an Selbstinitiative? Konnte man schwer sagen. Die Dokumentenuntersuchungen ergaben keine weiteren Informationen, aber Octavian vergrößte die Filteroptionen und ließ erneut die Suche die starten. Leider ergab auch eine Untersuchung der Datenverbindungen nicht viel mehr, das System hatte stets Erlaubnis nur jenen gestattet, die dafür auch das Privileg genossen und ein Log zeigte auf den ersten Blick keine ungerechtfertigten Zugriffe. Mit anderen Worten, nichts. Octavian nahm einen letzten Zug, es waren bereits zwanzig Minuten vergangen, aber er ging nochmal das Log durch und dann erneut. Er fand nichts. Schlussendlich klopfte jemand an der Tür, es war Arnold, und zufrieden, aber in seiner Arbeit irgendwie versagend, so empfand es Octavian, stand er auf und ging mit Arnold in den Konferenzraum.

    Auf dem Weg dorthin begegnete ihnen niemand und generell schien man kaum etwas wahrnehmen zu können. Octavian spielte ein wenig mit seiner Nase, entschied sich aber dazu, es zu unterlassen, da es peinlich wäre, falls sich Arnold plötzlich umdrehen würde. Der bleiche und um ein paar Jahre ältere Herr als Octavian ging mit hinter dem Rücken gefalteten Händen den Gang entlang, erübrigt sich dabei ebenso wie sein Vorgesetzter nicht Smalltalk zu betreiben und somit erreichten sie still den Konferenzraum. Es war angenehm zu wissen, dass Arnold nicht wissen wollte was Octavian so lange aufhielt, es ging ihn schließlich nichts an und in Corefield Design war es festgelegt, dass die Autorität nichts beantworten musste, und man am besten keine sinnlosen Fragen stellte. Etwas was vor allem Octavian in seinen Jahren bei Corefield Design etabliert hatte; ein Verhalten, dass sich auf das Wesentliche konzentrierte, und zwar Ergebnisse zu präsentieren und nicht um Hilfe zu betteln und mit Fragen von wichtigeren Dingen abzulenken, und er verstand darin den Mitarbeitern Kompetenzen anzueignen, dass sie effektiv auf sich alleine gestellt handeln konnten. Dies trennte natürlich die Spreu vom Weizen. Arnold war einer der wenigen Angestellten in der Sicherheit, der sowohl unter Octavian als auch seinen eigenen Ambitionen diente, dafür lebte nicht seinen Job zu haben, sondern seinen Job bestmöglich zu erledigen - alter Militär eben. Damals ging eine regelrechte Säuberung von statten, die Octavian herzlos durchführte und jeder, der seinen Ansprüchen nicht gerecht wurde, konnte sich auf die Suche nach einem neuen Beruf machen. Nun musste er sich vielleicht eingestehen, dass seine Taktik falsch war, er falsche Entscheidungen traf oder gar die komplette Firma einer Umstrukturierungsmaßnahme unterziehen hätte sollen. Als er den Konferenzraum betrat, dachte er einen Augenblick daran, wie er aussah und bügelte sich etwas das Haar, fuhr sich mit der Zunge über den Karies auf seine Zähnen und schätzte, dass die Zähne immer noch weiß genug waren um nicht ekelhaft zu erscheinen.

    Er setzte sich an die Spitze des ovalen Tisches, der Platz bot für um die zwanzig Personen, jetzt gerade war aber nur eine Handvoll anwesend, wodurch sie alle sich nur auf eine Seite beschränkten und den Großteil des üppigen geschmückten Raumes ignorierten. Die sieben Personen mit denen Octavian sich zuvor unterhalten hatte, waren allesamt anwesend, womit Octavian davon ausging, dass sie ‚sauber‘ waren und man sie durchaus in die Arbeit miteinbeziehen konnte. Er warf Sarvil einen fragenden Blick zu und Sarvil bestätigte dies mit einem knappen Nicken, womit Octavian befand, dass man nicht viel falsch machen konnte alle einzuweihen. Auch wenn der Salarianer nach wie vor nichts zu tun hatte und deshalb vollkommen überflüssig war. Außerdem befanden sich noch zwei Menschen hier. Die Frau, in rot-braunem Haar, gespickt mit dezentem, aber attraktivem Brustumfang und unverschämter Attraktivität, war die persönliche Assistentin von Antonius und musste wohl dafür sorgen, dass jener alles mitbekam was er wollte; die andere Frau, leider nur leidlich verführerisch, dafür aber umso strenger wirkend, hatte etwas von einem verschollen Archetypus einer Volksschullehrerin in katholischen Gegenden um den Anfang des 20. Jahrhunderts und machte mit ihrem stählernen Gesicht und der konservativen, farblosen Kleidung einen Eindruck von Disziplin auf Octavian, mit dem sie jenem gleichkam.

    Octavian lehnte sich in den Stuhl hinein, drehte sich und überschlug die Beine. Im Drehen holte er eine Zigarette hervor, achtzehn Stück verbleibend, und blies den Rauch gen Decke, wo dieser augenblicklich verschwand. „Nun, was haben Sie für mich?“
    Arnold räusperte sich knapp und sah zu seinen Tech-Spezialisten, dann fokussierte er Octavian und begann: „In der knappen Zeit konnten wir nur die Wachmänner lapidar überprüfen. Noch nichts anständiges, es waren schließlich nur zwanzig Minuten.“ Octavian nickte. „Aber soweit müssen wir sagen, dass es nichts…“ Octavian erhob die Hand.
    „Die Berichte können Sie mir in ein paar Tagen vorlegen, wenn sie komplett sind. Ich will Details über die Nacht.“
    „Oh, natürlich, ja.“ Arnold gab einem seiner Männer eine Anweisung und auf dem Beamer am hinteren Ende des Raums wurden die Aufnahmen angezeigt, geteilt in mehrere Positionen, zu einem einzigen Video zusammen geschnitten, um das essentielle groß genug darzustellen. Auf dem Bildschirm war Julius zu erkennen. Ein paar Gläser neben ihm, ein halbgefüllter Aschenbecher, dutzende Dokumente auf dem Tisch. Die Überwachungskamera hatte alles aufgezeichnet. Er wirkt verstört, nervös, tipselt hastig ins Terminal und faucht Anweisungen hinein, knappe Sätze, die komplett keiner Logik entsprechen. Zufrieden lehnt er sich zurück, entfernt den Gürtel von seiner Hose und wirft in ein paar Meter weg. Der alte, genährte Bauch kommt zum Vorschein und er gönnt sich einen weiteren Drink. Kein Ton, darauf bestand Julius Visconti. Octavian verlangte ein Zurückzuspielen, er will erneut versuchen seine Lippen zu lesen, aber es gelingt ihm abermals nicht die Sätze klar zu lesen. Das Video ging seinen gewohnten Gang. Julius trank etwas, er schien amüsiert und erleichtert zu sein, verspannt aufgrund seiner häufigen Verrenkungen, und letztendlich immer noch nervös, als ob er etwas Böses ahnen würde. Die Kugel in seinem Leib bereits spürend? Er griff sich ans Herz, welches drei Herzinfarkte soweit überlebt hatte und immer noch pumpte. Mehrere Operationen waren dazu notwendig, gezahlt aus der Portokassa und mit der Besorgnis der Familie versichert. Auf Octavians Gesicht spielte sich der Film ab, der Raum verdunkelt und die Angst vor dem was er sehen würde durch den Körper fließend. Die Hände zitterten als er sich sofort nach der ersten Zigarette die zweite anzündete, siebzehn verbleibend. Ungewöhnlich schwer gestaltete es sich die Zigarette anzuzünden, mehrere Versuche brauchte es, aber schlussendlich gelang es ihm, und Vater tänzelte merkwürdig durch den Raum, ebenfalls rauchend und auch trinkend. Ein hämisches Grinsen kam langsam zum Vorschein, als er den Blick über die Citadel genoss, verzweifeltes Kopfschütteln war die Folge, als er sich die Erde auf einem Gemälde in seinem Büro ansah. Dann wurde es schwarz.
    „Das ist alles was wir haben. Anschließend wurde die Videokamera deaktiviert. Das nächste Bild ist rund zwei Minuten später.“ Arnold spulte vor, Vater tot im Stuhl. Sein Hemd war offen, drei Kugeln im Körper, lebloser Blick – deutlich erkennbar. „Stopp.“ Arnold hielt das Video auf Octavians Wunsch, eher Befehl, hin an. „Der Drink ist leer.“
    „Bitte?“
    „Vaters Drink ist leer.“
    „Und?“
    „Er hat ihn gerade gefühlt und Vater ist kein schneller Trinker. Er trinkt viel, aber nicht schnell. Er verachtet Antonius dafür, dass er guten Whiskey die Kehle runterschüttet wie nichts.“
    „Sie meinen es sind mehr als zwei Minuten?“
    „Ganz genau. Zudem hat Vater den Gürtel gelöst.“ In Gedanken nannte er noch mögliche Gründe dafür.
    „Die da wären?“
    „Privatsphäre, Arnold.“
    „Inwie-?“
    „Geht sie nichts an.“
    Octavian hatte mittlerweile in unzähligen Überwachungsvideos seinen Vater studiert. Wenn er spät nachts arbeitete und gedachte in der Firma zu schlafen, entfernte er zuerst den Gürtel, nahm die Socken ab, öffnete das Hemd, machte es sich gemütlich. Dann wurde die Kamera deaktiviert. Merkwürdigerweise sah man dieses Mal nur die Erlösung des dicken Bauchs vom Gürtel, was Octavian aber durch das Verhalten Vaters zuvor begründete. Was er trieb während diesen Minuten, manchmal Stunden? Man wusste es nicht. Julius Visconti hatte dabei stets darauf geachtet Octavian zu täuschen, ein letztes Lächeln in die Kamera war stets der eindeutigste Beweis, so auch dieses Mal. Die letzte, lebende Bewegung Vaters – ein Lächeln, gedacht für Octavian, ein Geschenk für ihn. Dabei gab es keinen wirklichen Anhaltspunkt wie viel Zeit genau verstrich.
    „Jemand eine Ahnung wann der Mord passiert ist?“
    „Wir nahmen an gegen zwei Uhr.“
    „Die C-Sec“, so der Salarianer, „hat etwas von vier Uhr erwähnt.“
    „Ein Unterschied, nicht?“
    „Vielleicht dazwischen?“
    „Nehmen wir vier Uhr an.“
    „Aber wir können uns nicht sicher sein, dass das Videomaterial nicht einfach normal gehackt wurde. Warum sollte Visconti selbst-?“
    „Der Mediziner hat gemeint um vier Uhr. Plus, minus zwei Stunden sind immer möglich.“
    „Und seit wann das?“ erkundigte sich Sarvil.
    „Seit es den menschlichen Körper gibt?“
    „Wie meinen Sie das?“ erkundigte sich Octavian bei Arnold.
    „Ihr Vater hat nicht unbedingt gesund gelebt, Octavian.“
    „Weiter.“
    „Ich nehme nur an, dass die Medizin, die er zu sich genommen hat, mit dem Alkohol und dem generell freizügigen Lebensstil, so genial Ihr Herr Vater auch war, sicherlich seinen Tribut verlangt hat.“
    „Und deshalb-?“
    „Medizin kann sich irren.“
    „Dann legen wir also fest: Todeszeitpunkt zwischen zwei und vier Uhr?“ hackte die konservative Frau nach, die bis jetzt still in der Ecke saß und aufmerksam alles beobachtet hatte.
    „Wer sind Sie eigentlich?“
    „Anwältin.“
    „Wessen?“
    „Lepidus Visconti.“ Octavian wollte nachhacken, aber er warf ihr stattdessen nur einen argwöhnischen Blick zu.
    „Zwei bis vier Uhr“, bestätigte Octavian auch wenn er es für sinnlos hielt. „Weitere Informationen über die Videos?“
    „Hier und da ein Schatten.“
    „Ein Schatten?“
    „Ja“, und Arnold räusperte sich knapp, deutete mit einem Nicken seinem Mitarbeiter an, er solle das Video weiterspielen. Die Szenerie wechselte, Arnold holte einen Zettel mit ein paar Notizen hervor und aktiviert sein Omni-Tool. „Von der Form her, wie wir durch die Analyse in Zusammenarbeit mit der C-Sec“, Arnold rollte mit den Augen, „festgestellt haben, gehört der Schatten zu einem Menschen, entweder männlich oder eine Frau mit kurzem Haar oder einer Asari.“
    „Asari?“
    „Näher kamen wir nicht. Es ist kein Salarianer und wir können auch mit ziemlicher Sicherheit ausschließen, dass es sich um keinen Turianer handelt. Natürlich ist das alles sehr vage, vielleicht ist der Mörder auch ein verdammter Elcor.“
    „Das hilft uns weiter inwiefern?“ Sarvil schien das Schattenspiel nicht zu billigen.
    „Ein Limit von Verdächtigen.“
    „Jeder ist verdächtig“, Sarvil klopfte auf den Tisch und sah dann zu Octavian. „Selbst unsere Batarianer.“
    „Es dürfte kein Batarianer sein. Zu wenig muskulös.“
    „Aber kein klares Bild?“
    „Nein, Octavian. Die Person wusste wo die Kameras sind und wann sie was aufzeichnen.“
    „Also das hilft uns nun weiter, oder Sarvil?“ Der Batarianer nickte zur Bestätigung und machte sich eine Notiz in seinem PDA.
    „Keine Spiegelungen oder dergleichen?“
    „Nein, Herr Visconti“, antwortete einer der Techniker. „Ich habe zwei Tage damit verbracht das Bildmaterial-.“ Arnold würgte den turianischen Techniker ab, vermutlich wollte er die Kontrolle über die Konferenz bewahren.
    „Nein, nichts. Wie gesagt, jemand kannte unsere Sicherheit.“
    „Sie legen also nahe, dass dieser jemand von einem unserer Leute unterstützt wurde, vorzugsweise aus der Sicherheit?“
    „Entweder das oder die Person hat verdammt lange darauf hingearbeitet.“
    „Hm, Sarvil, sehen Sie nach was derzeit die besten Assassinen in der Galaxie so getrieben haben.“
    „Schon gemacht.“
    „Und?“ Octavian sah es gerne wenn Sarvil die Sache selbst in die Hand nahm, weniger zu tun für ihn.
    „Über Thane Krios konnten wir keine Informationen erlangen, aber er war zu diesem Zeitpunkt definitiv nicht auf der Citadel. Zu dem Kroganer Alrex passt der Mord nicht. Die Tänzerin ist auf Ilium, Ganenom auf Tunchanka. Und so weiter und so fort, der Großteil ist wie immer nicht auffindbar. Ehrlich gesagt, Erhabener, das war kein Auftragsmörder.“
    „Das passt zu der verwendeten Waffe, Octavian“, fügte Arnold hinzu.
    „Vaters Luger.“
    „Ich vermute keine wirtschaftlichen oder politischen Interessen dahinter, Octavian.“
    „Sondern etwas Persönliches?“
    „In seiner Privatsphäre, Octavian.“ Arnold lehnte sich zurück und die Atmosphäre erreichte nun ihren Höhepunkt. Bereits während des Gesprächs wurde die Konferenz mit jedem Satz schneidender und man versuchte sich an irgendetwas festzuhängen um weiterhangeln zu können, man konnte es gar als unwirklich bezeichnen, das Video immer noch flackernd im Dunkeln des Raums, niemand sich darum kümmernd, stattdessen alle Blicke auf Octavian. Etwas Persönliches.
    Geändert von Octavian Visconti (08.03.2011 um 03:47 Uhr)

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    Ob Arnold diesen Verdacht von Anfang hatte oder erst jetzt formte? Octavian als Julius Sohn war das persönlichste an Julius, aber wie die Geschichte und die fiktiven Ergüsse von Schriftstellern bewies, war Vatermord kein seltenes Delikt. Egal ob nun die Griechen, Dostojewski, die Römer, Deutsche, Shakespeare oder auch die anderen Völker, Varklus und Haymus.

    „Weitere Informationen?“, brach Octavian schlussendlich das Schweigen, welches in den Raum getreten war und jeden um sich hüllte nach Arnolds letzten Satz.
    „Der Firmenwert-“
    „Über den Mordfall“, unterbrach Octavian sofort den Salarianer, der scheinbar nur auf diesen Moment gewartet hatte.
    „Ein schwarzes Shuttle hielt die letzten Wochen mehrere Male vor Corefield Design. Quasi ein Van.“
    „Eine Überwachung?“
    „Nein. Wirkte mehr wie ein Check-In und Check-Out. Eine Notiz an jemanden.“
    „Und niemand wollte das berichten?“
    „Uns fiel es erst im Nachhinein auf.“
    „Informationen über den Van?“
    „Keine, leider. Weiters ist der Datentransfer die letzten Wochen angestiegen, aber nichts Besonderes. Wir haben das überprüft, keine Indizien auf gefährende Aktivitäten.“
    „Der erhöhte Datentransfer hängt doch mit den jüngsten Aktivitäten auf Feros zusammen? Die haben Probleme mit unseren Maschinen und Exogeni hat große Datenmengen zur Verfügung gestellt um die Probleme zu lösen.“
    „Inwiefern?“
    „Firmengeheimnis, Arnold.“ Er zwinkerte ihm zu, und teilte ihm damit mit nicht weiter nachzufragen. Arnold verstand es und wusste auch, dass seine Frage vollkommen überflüssig war.
    „Hehe, natürlich, Octavian. Außerdem gingen in letzten Monaten mehrere hundert Drohbriefe von Quarianer ein, aber das ist wohl, angesichts der Berichterstattung von Vulvia Terasy auch nicht sonderlich neu. Die Sicherheitsupdates der letzten Wochen offenbarten ein paar Lecks, die haben wir aber in Griff bekommen, deshalb dürfte die Sicherheitstechnik nicht an dem Tod verantwortlich sein. Weiters,“ Arnold durchsuchte sein Omni-Tool mehrmals und gab nach einigen, ungeduligen Wartesekunden auf, dabei hatte sich er sich intensiv am Kopf gekratzt und geriet gar leicht ins Schwitzen, „… okay, ich finde das nicht. Aber die Corefield Design Mitarbeiter auf der Citadel haben in letzter Zeit ziemlich viele Überstunden angebaut. Hängt wohl mit Feros zusammen, aber vermutlich nicht nur?“ Ein kurzer, verdächtiger Blick Richtung Octavian, weiter im Text. „Und die meisten asarischen und turianischen Mitarbeiter fordern Lohnerhöhungen.“ Den letzten Satz quittierte Sarvil mit einem verächtlichen Schnauben, was Octavian als bezeichnend genug empfand für diese lächerliche Forderung.
    „Gut, das sind alles Faktoren, die wir berücksichtigen müssen“, meinte der Sicherheitschef auf Arnolds Schilderungen der jüngsten Geschehnisse, und zündete sich eine weitere Zigarette an, sechszehn verbleibend, an. „Gute Arbeit soweit. Wie angeordnet, machen Sie die Checks rund um alle Mitarbeiter-“
    Die Anwältin von Lepidus hustete knapp und meldete sich zag zu Wort: „Verzeihung, aber das ist nicht legall.“
    „Ist es", erwiderte Octavian missmutig, abfällig und abwertendem Blick - pure Antipathie, "festgeschrieben im Vertrag. Seit wann sind Sie eigentlich die Anwältin von Lepidus?“
    „Seit drei Tagen.“
    „Okay. Dann erkundigen Sie sich gefälligst auch, bevor Sie mir ins Wort fallen. Nun gut. Checks rund um die Mitarbeiter, wie zuerst bereits erwähnt. Sie kennen die Reihenfolge, anschließend Ilium und dann Elysium, wobei ein Augenmerk auf jene gelegt werden muss, die ein oder mehrmals auf der Citadel stationiert waren. Ein Team von zehn Mann dürfte reichen aus um das ganze innerhalb eines Tages zu bewältigen, nicht Arnold?“
    „Acht reichen aus.“
    „Gut, dann acht. Außerdem will ich mindestens fünf Mann aus der Sicherheit zur Verfügung gestellt bekommen, ist das machbar?“
    „Sicherlich.“
    „Ich will außerdem, dass sie die Aufnahmen der letzten sieben Tage, und zwar alles, an Sarvil schicken. Einen ausführlichen Bericht der C-Sec über die Schusswaffe. Ich schätze es gab keine Fingerabdrücke am Tatort zu finden?“
    „Natürlich nicht.“
    „Äh, Herr Visconti“, meldete sich der zweite Techniker nun auch zu Wort. „Es wurde das Sicherheitsupdate erwähnt und ich würde gern, äh, etwas hinzufügen.“ Octavian gestattet ihm das Wort. „Also, nun ja, äh, wir hatten in den letzten Tagen ein paar Probleme und die Angestellten wussten bescheid, dass es noch nicht vollständig war.“
    „Wieso das?“
    „Es hat sich herumgesprochen. Tut mir sehr leid.“
    „Und es hat sich inwiefern ausgewirkt?“
    „Äh, in einer Analyse müssen das Team und ich wohl gestehen, dass das System mindestens für drei Tage höchstens hackanfällig und generell nicht schnell genug gearbeitet hat, dies liegt schlichtweg an der Größe des… jedenfalls, äh, am dritten Tag ereignete sich der Mord und fiel damit noch gerade in die Zeit des Updates. Ich, äh…“
    „Verstehe. Wir wussten darüber Bescheid, ich dachte nur es würde sich um ein paar Stunden handeln?“
    „Äh, Komplikationen. Es hat nicht alles so reibungslos funktioniert wie es hätte tun sollen, und äh – es tut mir wirkl-.“
    „Ich sagte, ich verstehe, danke. Also ein weiterer Indiz auf einen Insider, hm Arnold?“
    „Scheint ganz so.“
    „Oder auf einen Profi“, fügte Octavian noch murmelnd hinzu, ehe er wieder Kraft in seiner Stimme gewann und fortfuhr: „Letztendlich will ich noch erhöhte Alarmbereitschaft haben. Verstärkte Patrouillen und ziehen sie alle Einheiten für mehrere Tage ins Quartier. Bis jetzt ist nichts Weiteres vorgefallen, aber das muss nicht so bleiben. Ich will bis zum Ende der Woche mindestens vollen Schutz haben für das Gebäude, danach können sie nach eigenem Gutdünken die Alarmbereitschaft reduzieren. Sperren Sie das Terminal von Vater ab, dazu dürfte es zwar sowieso schon zu spät sein, aber egal. Davor fertigen Sie mir bitte eine Kopie aller Daten an und übergeben Sie persönlich an Antonius, Lepidus und mich, oder respektive Sarvil, der daraufhin alles in die Wege leiten wird. Erteilen Sie der C-Sec die Freigabe zu allem was sie will und was nicht zu brisant oder wichtig ist, wir haben schließlich fast nichts zu vergeben und ein gutes Wort der C-Sec schadet nicht. Gleichzeitig halten Sie die beiden Hauptermittler Galoria Raslin und Hanibahl Irgendwas im Auge, besonders den Turianer. Wir wollen schließlich nicht, dass sie Wirtschaftsgeheimnisse verraten, die sie natürlich nicht in die Finger bekommen sollen.“ Das meiste, fast alles, was Octavian angeordnet hatte, hatte Arnold schon lange erledigt oder gar in besserer Manier unternommen. Das Schlussplädoyer fiel deshalb – in Arnolds Augen – äußerst schwach aus und er wurde abermals darin bestätigt, dass er eigentlich der geeignetere Kandidat für die Position nach wie vor war. Trotzdem musste er sich eingestehen, auch wenn er dabei die Zähne stets knirschen musste, war er es, der hauptsächlich Schuld am Tod seines Gönners war. Er, der Chef der Sicherheit auf der Citadel, hatte versagt und die düsteren Gedanken über den Verlust seines Vorgesetzten, Gönners und Freunds hinterließen in seinem matten, bleichen Gesicht einen bleibenden Eindruck, der sich in einer unwirklichen Aura widerspiegelte, welche lauthals ausschrie, dass er am liebsten jeden erschossen hätte - und am deutlichsten kristallierste sich dies in der Tatsache, dass er nicht zur Einäscherung erschien. Die grauen Augen erschienen stets am Austrocknen und die wenigen Haare, die er noch auf seinem Kopf sein eigen nennen konnte, hatten sich in den letzten Tage stark verringert. Arnold sah in Octavian keinen Sicherheitschef, vielleicht wegen seiner eigenen Erfahrenheit oder wegen seiner Abneigungen gegenüber ihm. Einerlei war sich Arnold durchaus bewusst, dass Octavian eines Tages das alleinige Oberhaupt von Corefield Design werden könnte und in diesem Sinne galt es für ihn mit ihm an einem Strang zu ziehen, schließlich gefiel es ihm hier.

    „Weitere Fragen?“ Auf Octavians Frage kam betretende Stille während er durch die Runde sah. „Gut, dann war es das vorerst. Meine Damen und Herren, viel Erfolg bei der Arbeit.“
    „Ebenfalls“, kam es von Arnold und die beiden schüttelten sich die Hand noch, während die anderen schon den Raum verließen. Die Anwältin von Lepidus wartete vor der Tür auf Octavian, aber dieser machte keine Anstalten sich zu beeilen und genoss es stattdessen die Dateien zu ordnen auf seinem Omni-Tool die Arnold ein paar Sekunden zuvor übertragen hatte. Er warf noch einen letzten Blick auf das Video und erkannte nichts. Ein Insider oder ein Profi, Vergeltung oder Auftrag – erneut musste sich Octavian eingestehen, dass dies keine Rolle spielte, denn Vater war tot, und er kam sich vor als würde er gegen Wellen schwimmen, die ihn alsbald gegen die Brandung schlagen würden, wenn er nicht bald einen Ausweg finden würde. In die Defensive gedrängt, musste Corefield Design und Octavian ebenso mitansehen wie der ominöse Feind seinen nächsten Zug plante, oder gar schon ausgeführt hatte. Man konnte nicht sagen, dass sie schlechte Arbeit geleistet hatten, ganz im Gegenteil. Corefield Design wurde generell als eines der sichersten Unternehmen ihrer Zeit eingeschätzt und bewertet, aber sie waren nicht gut genug um Vaters Tod zu verhindern – und darauf kam es an.

    „Herr Visconti, ich hätte-“
    „Miss…?“
    „Lambert.“
    „Miss Lambert, ich habe gerade wirklich keine Zeit für welche Fragen auch immer.“
    „Um ehrlich zu sein, hätte ich nur eine Frage.“
    „Und die wäre?“
    „Denken Sie Ihr Bruder Lepidus ist für den Mord verantwortlich?“
    „Stellt eine Anwältin solche Fragen über ihren Klienten?“
    „Eine pure Vorsichtsmaßnahme.“
    „Dann ist es meine Vorsichtsmaßnahme die Frage nicht zu beantworten. Auf Wiedersehen.“

    Als die Tür hinter Octavian sich schloss und er sich erneut – endlich – in Antonius Büro befand, genoss er für einen Moment die Ruhe, während die Bilder der Überwachungskamera seine Gedanken heimsuchten. Er versuchte konzentriert zu wirken, aber er konnte nicht leugnen, dass es ihn nicht in einer Weise gebeutelt hatte seinen Vater ein letztes Mal lebendig zu sehen. Er keuchte nach Luft und vergrub sein Gesicht in seinen Händen, er sank die Metalltür entlang zu Boden, fuhr sich mehrmals über sein Antlitz und durch die Haare, über den Körper und knetete eine unsichtbare Masse in seinen Händen, eine schäbige Bewegung um nicht loszulassen das wenige das blieb. Ein Familienportrait, darauf eine Dynastie verewigt. Nikolaus Viehsack, in gebrechlicher Montur, thronte in der Mitte, seine Frau und Verwandten, seine beiden Söhne um ihn, Octavian noch jung und Antonius ein wenig älter, Lepidus der einzige, der zu diesem Zeitpunkt schon ein Mädchen geküsst hatte. Octavian bemerkte, dass er auf dem Foto seinen Blick nicht auf die Kamera gerichtet hatte und versuchte zu erkennen, was ihn zu diesem Zeitpunkt abgelenkt hatte, aber dies war scheinbar eine vergessene Erinnerung und so beschloss er das Gemälde zu ignorieren. Im selben Gedankenzug legte er auch die Causa Visconti beiseite, verbannte somit unweigerlich die Überwachungsvideos von seinem Vater aus seinem Kopf, entschloss sich die Mördersuche rasten zu lassen, bevor weitere Details hoffentlich bald erscheinen würden. Er sah sich im Zimmer um und musste eingestehen, dass das Mobiliar zwar zeitlos klassisch war, es aber nicht recht mit dem sonst futuristisch, modernen Gebäude zusammenhing. Was in Vaters Büro wirkte, verfehlte ihr den gewünschten Effekt und die zahllosen persönlichen Utensilien, Fotos und Gegenstände, die Schränke und das Wohn- bzw. Arbeitsmobiliar verpufften in einer kostspieligen Staubwolke, ausgelöst durch schlechte Anordnung oder generell nur durch miserablen Geschmack. Ein Bild mit mehreren Mitarbeitern, die allesamt die Arme in die Höhe rissen als wären sie im Urlaub, nächst zu einer Flasche Whiskey, und man konnte sich fragen was teurer war – die Flasche Whiskey oder diese Firmenfeier. Zumindest musste man eingestehen, dass er vorzüglichen Geschmack hatte, was Alkohol betraf. Und es gab keine Kunstgegenstände – womit man Antonius in diesem Falle nicht die Beleidigung eines Heuchlers an den Kopf werfen konnte. Beides quasi geerbt von Vater. Während er sich ein paar Tropfen des mehrere Jahrzehnte alten Single Malts gönnte, was Antonius sicherlich ihm verboten hätte, schweifte sein Interesse unweigerlich wieder auf das Familienportrait und er genoss es diesmal in ruhiger Stasis ein paar Minuten lang, sog dabei die einzelnen Gesichter in sich auf, blieb dabei aber äußerst lange bei sich selbst hängen in narzisstischem Wohlgefallen. Vaters Bruder war zu erkennen, machte dabei stets denselben disziplinierten Eindruck wie eh und je, und auch Vaters verstorbene Schwester lebte zu diesem Zeitpunkt noch. Mutter umfasste Octavian und Antonius, der in die Kamera lächelte mit zerzaustem Haar. Eine große Familienfeier sollte es werden, es endete in einem Fiasko. Octavian wusste nicht mehr wieso, zu jung war er damals um alles zu begreifen. Auf die Frage, warum er seinen Onkel nie wieder sah die folgenden Jahre, weichte sein Vater aus – und zwei Jahrzehnte später als Octavian seinen Onkel besuchte, wollte auch jener die Frage nicht beantworten und warf ihn stattdessen aus der Wohnung. Nun da niemand mehr übrig ist, wird dies wohl ein Geheimnis der Alten bleiben. Er hätte es nur zu gerne gewusst. Als er mit dem Drink fertig war nach einigen Minuten, goss er sich ein weiteres Glas ein und schloss dabei für einen Moment lang die Augen. Zuerst sah er Schwärze, dann ein Bild von ihm und Vater; die Vereinigung am Tage als Octavian Corefield Design beitrat. Es deutete sich auf seinen Lippen ein flüchtiges Lächeln an, da er sich an das Bild nach wie vor erinnern konnte. Vielleicht würde dies morgen schon nicht mehr der Fall sein.

    Bewaffnet mit neuer Motivation und einem Glas in der Hand musste er sich eingestehen, dass er nun schon zu viel Zeit verplempert hatte und setzte sich an Antonius Terminal. Sicherheitsreport Elysium #471 wurde die neue Datei benannt. Er knackste seine Finger und zündete sich zuerst eine Zigarette an, die fünfte. Ein paar Züge lang überlegte er sich wie er beginnen sollte, dann fing er an. Der Angriff auf Elysium, in welchem die Allianzflotte von einem unbekannten Aggressor, vernichtet wurde; es schien scheinbar eine Nachrichtensperre verhängt worden zu sein, anders konnte sich Octavian den eindeutigen Mangel an Berichterstattung darüber nicht erklären. Oder aber er informierte sich die letzten Tage einfach nur ungenügend. Dennoch war der Angriff real und hatte für Corefield Design beträchtliche Folgen. Da er keine eindeutigen Informationen, stattdessen nur vage Berichte, vorliegen hatte, nahm er nur kurz Bezug auf den Angriff und forderte in einem Nebensatz eine Personalerhöhung auf Elysium an, wobei man sich auf menschliche, ehemalige Allianzsoldaten konzentrieren sollte. Nach dieser knappen Einleitung rief Octavian sein PDA ab und blätterte in seinen Notizen. Schnell hatte er daher bereits wieder ein Gefühl für und die Details bezüglich der Einrichtungen auf Elysium im Kopf. Es galt die Mechs aufzurüsten, da mehrere, insbesondere die simplen LOKI Mechs, bereits nicht mehr optimal funktionierten. Eine Erhöhung des Personals, neben der Rekrutierung von neuem Sicherheitspersonal, um weitere zwanzig Angestellte würde zudem den wissenschaftlichen Ablauf besser bewerkstelligen und längere dienstfreie Pausen für die Mitarbeiter bedeuten. Octavian musste eingestehen, dass die letzte Personalreduktion deutliche Auswirkungen zeigte und einige der Angestellten in Interviews schilderten, dass sie unter Schlafmangel oder Stress litten – ein Problem und Risiko, dass es galt einzudämmen. Er widmete sich deshalb ausführlich der Begründung und zitierte mehrfach die Angestellten, er riet von einer Entlassung der problemgefährdeten Mitarbeiter vorerst ab, da die Einarbeitungszeit sich auf Elysium sehr kostspielig und noch ineffizienter gestaltete, außerdem schien das Gruppengefüge und die damit verbundene Dynamik sehr gut zu funktionieren.
    Als er das Personal und die Mechs abgeschlossen hatte, galt es als nächstes die Anlage selbst zu evaluieren. Er meldete sich bei Antonius Sekretärin und verlangte nach einem warmen Kamillentee und in der Wartezeit ging er die Notizen durch. Es war mittlerweile schon nach dreizehn Uhr, immerhin verging die Zeit schnell, wenn man sich mit Arbeit ablenken konnte. Zuerst fing er mit der deutlichsten Veränderung seit seinem letzten Report an, und zwar dem neugegründeten und mächtig riesigem Hangar.
    Vor einigen Monaten, noch vor dem Angriff auf Eden Prime, hatte Corefield Design einen rund drei Quadratkilometer großen Hangar in Auftrag gegeben. Ebenso wurden zwei weitere Allianz-Fregatten bestellt – alles für einen Zweck: den Wirtschaftswachstum voranzuführen. Julius Visconti hatte oftmals bestritten, dass er Pläne hatte Corefield Design zu einem „Global Player“ zu machen. Nun, dies war gelogen – aber diese Fassade würde aufrecht erhalten werden für die nächsten zehn bis zwanzig Jahren. Der Hangar war ein erster Schritt und in seiner Aufbauphase stellte er ein ungeheuerliches Risiko dar. Die Mechs hatten aufgrund der Baustellen, die für mindestens neun Monate noch existieren würden, nicht genug Platz um sich zu bewegen, wurden förmlich behindert, so Octavians Eindruck. Die Konzeption eines gigantischen Hangars hatte natürlich Vorteile, aber ein Sicherheitsdilemma entstand dadurch. Offene Eingänge, unkoordinierte Einheiten in den letzten Tagen (Octavian hoffte inständig nichts würde passieren die nächsten Tage über) und nur ein unterirdischer Weg zu den Hauptquartieren. Wenn jemand lustig sein sollte, war dies der Platz, wo man Corefield Design derzeit am meisten nerven konnte. Er nahm einen Schluck Tee, er schmeckte himmlisch, und tippte seine Vorschläge nieder; scherte sich dabei nicht um das Aussehen des Reports, sondern ließ die Verbesserungsvorschläge einfach so niederregnen. Ein zweiter, wenn nicht sogar dritter, Zugang zum Hangar, am besten eine direkte Verbindung zu den Quartieren. Entfernen der Materialien, Arbeiter und Geräte nach außen – mindestens hundert Meter entfernt, wenn auch dies mehr Zeit für den Bau des Hangars bedeuten würde. Verstärkung des menschlichen Personals und endlich einen Platz für die Kameras anbieten; es waren keine Kameras und keine Turrets vorhanden im Hangar. Wie er gestern gelernt hatte, würde Holden demnächst mit der Corefield Design #1 auf Elysium eintreffen und die Auswertung des Sezuluv Indexes mit sich führen. Er gruselte sich vor den Folgen, wenn diese Dateien abhandenkommen würden – ein Vertragsbruch mit der Allianz, potenzielle Milliarden verschwendet, die Corefield Designs Existenz sichern hätten können für die Ewigkeit, vergeudetes Prestige.
    Octavian wollte sich gerade um den letzten, großen Punkt kümmern in seinem Sicherheitsreport als die Antonius' Sekretärin meldete, dass unerwarteter Besuch eintraf. Nach der Bestätigung kam einige Sekunden später ein junger Mann in schicker Allianz-Uniform ins Büro und lächelte Octavian unverhohlen an. „Stör ich bei der Arbeit?“
    „Keineswegs“, entgegnete er kühl. Der junge Mann schlenderte währenddessen gemütlich zur Bar und spendierte sich einen Single Malt, Antonius hätte sich abermals geärgert.
    „Tut mir Leid, dass ich nicht bei der Einäscherung war. Die Allianz hat mir das ganze verkompliziert und ein öffentlicher Transport vom Mond zur Citadel muss erst einmal organisiert werden. Schrecklich bürokratisch.“ Er ließ den Drink in einem Ruck runter, ein echter Visconti.
    „Es ist dein eigenes Versäumnis.“
    „War es denn… berührend?“
    „Hm, nicht wirklich. Aber du solltest deinen Großvater ehren, also sei nicht so gut gelaunt.“ Der junge Mann schaute verdattert Octavian für einen Moment an und widmete sich mit einem Achselzucken wieder seinem Drink.
    „Der Alte hat sich nicht sonderlich um mich geschert.“
    „Er hat deine Karriere ermöglicht.“ Octavian wurde deutlich harscher in der Betonung dieses Satzes.
    „Eine stinklangweilige, vielen Dank auch.“
    „Was machst du eigentlich hier?“
    „Anna und ich suchen nach unseren Liebsten. Hast du Antonius oder meinen Vater hier zufällig gesehen?“
    „Schon den ganzen Tag nicht.“
    „Schade. Liebe Grüße von Anna; sie ist ziemlich stinkig, dass du gestern euer Treffen abgesagt habt.“
    „Den Smalltalk können wir in einer Woche nachholen.
    „Smalltalk? Ich dachte, da läuft was zwischen euch?“
    „Schwachsinn.“ Und das war Schwachsinn, schließlich stellte Anna quasi die beste Freundin für Octavian dar, und zwar mit viel Abstand. Einen Teufel hätte er getan um sie zu verführen.
    „Heiße Tante. Ich musste die ganze Zeit ihre Arme anschauen, während sie mich kutschiert hat und-“
    „Auf dem Mond gibt es wohl nicht sonderlich viele Frauen, hm?“
    „Doch schon, sind aber alles mehr oder weniger Kriegsbarracken, muskulöser als ich.“
    „Andererseits bist du aber auch alles andere muskulös. Selbst dein Vater wirkt fitter als du.“
    „Was du nicht sagst. In diesen Testlabors hat man aber auch nicht wirklich eine Möglichkeit zu trainieren.“ Er fuhr sich elegant durch sein braunes Haar, welches mit Gel zurecht gemacht wurde, und die Augen seines Vaters spiegelten sich in seinem Drink als er diese für einen Moment lang zwischen sich und Octavian positionierte. „Übrigens, wir haben diverse Geth-Technologie mittlerweile ausgewertet.“
    „Ergebnis?“
    „Nicht viel. Ein paar Scharfschützengewehre dürften in 2-3 Jahren rausspringen, vielleicht sogar optimierte Sturmgewehre oder eine neue Art von Schrotflinte. Aber wichtiger – Raumschiffe, ein paar witzig, klitzekleine Fortschritte, aber wie heißt es so schön: Progress is a snake.“
    „Irgendetwas Nützliches für uns dabei?“
    „Nee, hauptsächlich Waffensysteme. Also nicht solange ihr nicht in die Rüstungsindustrie einsteigen wollt.“
    „Eine Chance für Hahne-Kedar die Technologie zu erwerben?“
    „Natürlich, früher oder später wird es sowieso Standard.“
    „Ich meine, einen Vorsprung?“
    „Eher unwahrscheinlich. Derzeit noch alles strikt geheim – ich hoffe die hören mich nicht ab, ehrlich gesagt.“
    „Eher nicht.“
    „Wieso das Interesse in Hahne-Kedar?“
    „Vater hatte Anteile, die nun Corefield Design gehören dürften; dies dürfte sich als lukrativ erweisen.“
    „Ich werde es mir merken.“ Der Allianz Offizier zog eine Zigarette aus seinem Etui und bot Octavian eine an, die jener dankend annahm.
    „Sonst etwas neues, Octa?“
    „Keineswegs, Grippe.“ Wenn er schon Octavian mit dem Spitznamen ansprach, dann wurde der junge Herr ebenfalls ein wenig gedisst; der Name Grippe passte vermutlich sowieso wesentlich besser zu ihm. „Obwohl, hast du jemals etwas von einem Admiral Gargyle gehört?“
    „Schon, sogar einmal getroffen, damals bei einer Besprechung.“
    „Und?“
    „Und was?“
    „Spiel‘ keine Spielchen hier, Agrippa“
    „Naja, er ist“, der Allianz-Offizier hielt für einen Moment inne, „-er ist nett? Hat nicht sonderlich viel gesprochen und hat die meiste Zeit nur einem anderen Admiral ins Ohr geflüstert.“ Er hält sich also wahrscheinlich gerne bedeckt. „Viel mehr gibt’s nicht. Er sieht irgendwie lustig, wenn du mich fragst, ziemlich irisch.“
    „Ojemine.“
    „In der Tat; wenn er wirklich ein Ire ist, dann kann er ziemlich aufbrausend werden hehe.“
    „Danke. Wie geht’s deinem Vater?“
    „Keine Ahnung, ich hatte gehofft in ihr zu finden, aber offensichtlich treibt er sich wieder einmal irgendwo rum. Vermutlich bei irgendeiner Nutte.“
    „Rede nicht so über deinen Vater.“
    „Ist doch wahr.“ Agrippa leerte den Drink und so tat es Octavian ihm gleich.
    „Noch ein Drink, Agrippa?“
    „Nein, danke. Anna wartet auf mich.“
    „Könnt ihr zwanzig Minuten warten?“
    „Nee, sie hat einen langen Tag vor sich; hat irgendwas von Anwaltskram geschwafelt. Was weiß ich. Und ich soll mich noch bei der Allianz heute melden.“
    „Und wieso das?“
    „Erneut kann ich dir nur sagen: Was weiß ich.“
    „Na dann.“ Octavian erhob sich, Agrippa kam näher und ignorierte den Handschlag, den Octavian ihm anbot, umschlang stattdessen ihn und flüsterte ihm ins Ohr seine Beileidsbekundungen, die Octavian erwiderte, schließlich hatte Agrippa seinen Großvater verloren, nun war niemand mehr übrig außer Lepidus. Er schien gefasst zu sein, spielte die Trauer runter durch ungewohnte lockere Art, die er an den Tag legte. Jeder hat seine eigene Weise mit Trauer umzugehen.

    Als Agrippa das Büro verlassen hatte, zündete sich Octavian eine weitere Zigarette, vierzehn verbleibend, und er fühlte sich ein wenig besser. Agrippas Besuch löste in ihm wohl zum ersten Mal seit Tagen ein tatsächliches Gefühl für Familie in ihm aus, und dies mochte merkwürdig sein, doch Agrippa schien über weite Strecken wie ein Sohn für ihn zu sein. Ein trügerisches Gefühl von Familie, ja, eine Reminisenz an Vergangenes, an unbeschwertere Tage. Sie waren sich nah, in Sachen Humor, Weltanschauung und auch Charakter. Hätte er einen männlichen Erben auswählen müssen und damit seine beiden Töchter außen vorlassen hätte müssen, er hätte Agrippa gewählt – andererseits war er auch der einzige mögliche Erbe derzeit sobald die drei Söhne von Julius das Zeitliche gesegnet hätten. Wesentlich unmotivierter und mit deutlich mehr Zeitaufwand verfasste er schlussendlich den letzten Abschnitt seines Reports. Die Stromversorgung und die damit verbundenen elektronischen Barrieren. Er listete die technischen Daten auf und schilderte dadurch, dass diese zu viel Strom verbrauchten und die eingehende Prüfung der Barriere zeigte, dass sie oftmals für ein paar Sekunden Aussetzer hatten, aufgrund des teilweise irregulären aber regelmäßig hohen Stromverbrauchs. Deshalb notierte er knappe Schlussfolgerung diesbezüglich und schlug vor sparsamere Variante zu verwenden oder die bereits eingesetzten Barrieren durch technische Updates zu aktualisieren. Damit war auch der letzte Teil seines dreiundzwanzig Seiten Reports fertiggestellt. Er war überrascht, dass er es so schnell geschafft hatte, aber vermutlich war dies auf den Arbeitshunger und die willkommene Ablenkung rückzuführen. Im selben Zug musste er sich aber eingestehen, dass der Report wohl besser überarbeitet werden sollte, mindestens noch zwanzig Seiten und mehrere kleinere Verbesserungsforderungen mussten inkludiert werden. Das war aber nicht mehr sein ‚cup of tea‘, schließlich hatte er alle seine Notizen eingetragen. Er speicherte erneut ab – wie so oft während der Arbeit am Report, transferierte die Kopie aufs Omni-Tool und schickte sie an Valus, der damals für die unveränderten, inneren Bereiche zuständig war, während Octavian die Neuerungen auf ihre Effektivität zu prüfen hatte.

    Zufrieden lehnte sich Octavian nach hinten, streckte die Arme aus und gönnte sich weiteren Moment Ruhe. Es war knapp 14 Uhr und auf seiner Liste von Tätigkeiten war nicht mehr mal "allzu" viel für heute. Besuch beim Doktor, der Gala-Abend bei den D’sornis, den Mörder fassen. Für ein paar Minuten versank er im Nichts und genoss dies, schloss die Augen und atmete frische Luft, da er kurz zuvor das Fenster öffnete. Und durch seine Nasenlöcher atmete er die Luft der Citadel, die zum Teil von den gemeinnützlichen Spenden von Corefield Design stammten, und er dachte wie unverfroren die Galaxie doch war und hatte für einen Augenblick die wundervolle Vorstellung wie schön es doch wäre die ganze Galaxie an der Gurgel zu packen...


    >>> Citadel: Bezirke
    14:45
    Geändert von Octavian Visconti (08.03.2011 um 03:15 Uhr)

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