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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Interview mit Guido Henkel



Avantenor
23.09.2007, 21:19
So, heute gibt es etwas ganz besonderes, nämlich ein neues Interview mit einer nicht ganz unbekannten Person, zumindest für alte Computer-Rollenspieler. Guido Henkel war seinerzeit Mitbegründer von Attic Entertainment Software und einer der Masterminds hinter der Nordland Trilogie. Es freut mich daher sehr, daß Guido dazu bereit war, mit uns ein "kleines" Interview zu führen, daß eine Retrospektive auf die NLT-Entwicklung damals geben soll. Der aktuelle Bezug darf dabei natürlich ebenfalls nicht fehlen. Das Interview hat mir sehr viel Freude bereitet und ich hoffe, für Euch gilt das genauso.

Mein Dank geht neben Guido auch an Crystal, der das Interview mit mir zusammen konzipiert hat. Auf dem Gebiet der NLT hat mir doch noch einiges an Fachwissen vorraus und dadurch kam eine gute Mischung an eher allgemeinen wie auch spezifischeren Fragen heraus. Viel Spaß beim Lesen!

Zum Interview (http://www.dsa-game.de/content/view/218/81/)

DeadPoet|Grotesque
24.09.2007, 03:00
Super Interview und interessante News zur Developer Szene. :)
Es gibt ja von Developer Seite aus gewisse Vorurteile über Producer, die hat Guido dann noch mal ziemlich stark betont hehe. ;)

Wobei ich einige Dinge natürlich bestreiten will, Entwicklung mit dem Herzen kann durchaus noch statt finden, auch wenn man sich vielleicht dem Markt anpassen und somit einige Kompromisse eingehen muss.

Avantenor
24.09.2007, 11:59
Aber man hat es auch nicht immer einfach, wil man doch in gewisser Weise von den Gewinnvorstellungen eines börsennotierten Konzerns abhängig ist. Ich denke, ein reiner Entwickler hängt auch gerne mal unbezahlten Arbeit zusätzlich in sein Werk rein. In einer Firma mit vielen Produkten ist das nicht unbedingt drin.

DeadPoet|Grotesque
24.09.2007, 13:33
Jo, da muss man sich entscheiden, gerade für einen Designer ist das sicherlich ein Problem. Mit den Handyspielen die er macht, hat Guido sicherlich noch a) Spaß an 2D Grafiken b) eine Projektplanung, die nach den Vorstellungen der Entwickler gehen kann.
Wenn man so seinen Spaß dran hat und genug Geld verdient, wozu sich dann den Stress mit großen Publishern antun?
Letzendlich hätte Planescape Torment von der Größe her etwas kleiner skaliert werden können, dann hätte man diese Probleme vielleicht gar nicht erst gehabt.
bestes Beispiel ist ja Two Worlds, die Spielwelt ist so riesig, dass die guten Ideen, die teilweise in dem Spiel durchaus vorhanden sind, total untergehen, weil man die extreme Größe nur mit 08/15 Dungeons und Monstergekloppe kompensieren kann.
All die ganzen Städte haben dann 3,4 NPCs mit denen man ein vernünftiges Gepräch führen kann. Das sind Designentscheidungen, die aufgrund des Oblivion Hypes entstanden sind, aber scheinbar hat man die Probleme dabei nicht einkalkuliert.
Ich hoffe die Drakensang Leute werden da nicht die gleichen Fehler begehen, aber ihre Ankündigung mit einer "Richtig großen Stadt" gibt mir da schon zu denken. ;)

zyklop
24.09.2007, 13:46
Das Interview gibt einen prima Blick hinter die Kulissen der Spieleentwicklung, wie sie damals ablief. Und ich denke, die Kernthesen von Guido haben auch heute noch Bestand.

Tommek
24.09.2007, 20:29
Super Interview :A

Mit den fehlenden Grafikern in der "Herzblut-Spiel-Entwicklungsbranche" habe ich leider auch schon meine Erfahrungen machen müssen ....

RonSommer
06.10.2007, 03:28
Irgendwie scheint mir der Guido wirklich ein wenig aus dem Geschäft zu sein. Wenn er mit hardcore Aspekt des Rollenspiels rundenbasierte Kämpfe meint, kann ich ihm ja halbwegs zustimmen. Die sind praktisch tot. Was jetzt auch irgendwie nicht so schlimm ist.
Aber wie zur Hölle kommt er darauf, dass heutige Rollenspiele verkappte Action-Adventures sind? Man denke allein an quasi sämtliche Bioware-Spiele. Die verfolgen mit Ausnahme von Jade Empire ein doch ziemlich klassisches Rollenspiel-Prinzip inkl. einer mehrköpfigen Party, welche ja in letzter Zeit im Vergleich zu Solo-Helden tatsächlich etwas kurz kamen.
Und Diablo und Todesstoss? Als Diablo rauskam war Rollenspiel am PC praktisch tot. Diablo geht zwar in eine andere Richtung als die Klassik, aber ich stelle einfach mal die These auf, dass ohne den Erfolg von Diablo es niemals ein Baldur's Gate geben hätte, vielleicht nicht einmal ein Ultima Online.

Aber so wirklich viel scheint er ja schon damals nicht mitbekommen zu haben. Ich kann zwar nichts über die alten Umsetzungen des AD&D-Regelwerks auf den PC sagen, aber zeitlose Klassiker wie Eye of the Beholder I-III oder Pool of Radiance als "schlampig" entwickelt abzutun, halte ich schon für nahezu blasphemisch. Solche Aussagen zu treffen, zeugt mMn von verdammt wenig Ahnung.

Avantenor
07.10.2007, 16:05
Naja, EoB und PoR sind maximal 4 von 41 D&D-Titeln, die vor Baldur's Gate herauskamen, und schon bei EoB III muss man sich fragen, wie gut das eigentlich noch war oder ob es nicht sogar deutlich schlechter war, als die von Westwood entwickelten Vorgänger. Wenn Du eine Liste der D&D-Spiele suchst, empfehle ich Dir unsere Übersicht auf RPGuides (http://www.rpguides.de/dnd/game.php?id=1), da sind zum Teil echte Gurken darunter, die lediglich D&D als Markennamen ausschlachten und sonst eher lieblos waren. Von den meisten wirst Du nie etwas gehört haben, und das hat seine Gründe. Es fehlen in der Liste außerdem die Buck Rogers Games, die nicht direkt D&D, vom Regelwerk aber dann doch D&D sind.

Der Schritt zu Baldur's Gate lag sicherlich am Erfolg von Fallout. Fallout 1 wurde noch unter dem Label Interplay entwickelt. Als das Ding einschlug, lagerte man die Rollenspiel-Division als sogenannte Black Isle Studios aus, mit dem Ziel, nur noch Rollenspiele zu entwickeln und zu produzieren. Da Interplay die Lizenz für die Vergessenen Reiche schon etwas länger besaß, war eine Entwicklung eines weiteren D&D-Rollenspiels naheliegend (vorher gab es schon Blood & Magic (1996), Dragon Dice (1997) und Descent to Undermountain (1998 ), allerdings alles Flops und bis auf letzteres keine Rollenspiele).

Ich denke, er ordnet die BioWare-Spiele nicht 100%ig unter den Action-RPGs ein (auch wenn es vll nicht unbedingt seine bevorzugten Spiele sind, aber das ist Spekulation. Immerhin hat er Planescape selbst mitgestaltet und war sichtlich zufrieden damit). Allerdings machen die nur einen eher kleineren Teil der Veröffentlichungen im RPG-Sektor aus. Es dominieren eindeutig Spiele wie Oblivion, Gothic oder Titan Quest, von denen pro Jahr mehr als ein Titel erscheinen, während BioWare alle 2-3 Jahre ein Spiel veröffentlicht und auch Obsidian, das zweite Studio, das an solchen Titeln festhält, gerade mal 2 Veröffentlichungen hatte. Die Fachmagazinen sind in der Hinsicht auch nicht sonderlich fair und setzen diese Spiele gnadenlos mit den Oblivion-Klonen gleich. Oblivion ist in, Spiele wie Baldur's Gate sind out. Und auch wenn sie RPG-Elemente haben und irgendwie doch noch Rollenspiele sind, sind sie doch sehr stark action-orientiert und ständig bemüht, das Regelwerk nur ja übersichtlich und einfach zu halten, sodaß die Spieler aus anderen Genres möglichst einfach rüberwechseln können ohne "überfordert" zu werden. Da ist imho durchaus ein Verlust traditioneller RPG-Elemente zu verspüren. Auch bei BioWares neuen Projekten muss man sich fragen, wie "traditionell" sind sie eigentlich noch? Mass Effect habe ich als hart an der Grenze erlebt, und es ist abzusehen, daß Dragon Age in ähnliche Richtung tendieren wird.

Was Guido sicherlich auch immer sehr wichtig war, daß die Spiele aus dem Kindergarten-Niveau des "Ich rette die Welt und heirate die Prinzessin" herauswachsen. Planescape war so ein Versuch, aber Planescape hatte nie diesen Erfolg wie Baldur's Gate. Und viel schlimmer war wohl der Druck des shareholder values, den es zu steigern galt. Interplay hatte rapide Verluste an der Börse trotz Baldur's Gate und hat sich davon bis heute nicht erholt. Ich glaube, das wiegt viel schwerer als die Tendenz des Genres.