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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Modemorde - "Zodiac"



Der Doktor
31.05.2007, 00:54
Am 5. Juli 1969 bringt ein Unbekannter eine junge Frau um und verwundet ihren Freund schwer. Wenig später ruft er anonym bei der Polizei an und gesteht die Tat sowie einen mehrere Monate zurückliegenden Doppelmord. Dies ist der Beginn einer Mordserie, die als größter ungelöster Kriminalfall in die Geschichte San Franciscos eingehen soll.
Wenig später schickt der Täter an die Polizei und verschiedene Zeitungen Sendungen, in denen er sich als der Zodiac-Killer ausgibt. Dem Brief liegt eine verschlüsselte Nachricht mit mittelalterlichen Symbolen bei.
Die Polizisten Dave Toschi und Bill Armstrong sowie der Journalist Paul Avery übernehmen den Fall, der ihnen haufenweise Rätsel aufgibt, denn die Details der verschiedenen Morde scheinen kaum zueinander zu passen - der Zodiac-Killer scheint nach keinem bestimmten Muster vorzugehen. Stattdessen begeht er weitere Morde und traktiert die Medien mit immer neuen Briefen und Anrufen, woraufhin Zodiac bald zur Massenhysterie und zum Massenphänomen wird, der zahlreiche Trittbrettfahrer animiert, was die Arbeit der Polizisten nicht gerade einfacher macht.
Obwohl Robert Graysmith nur der Karikaturist des San Francisco Chronicle ist, bei dem auch Avery arbeitet, ist auch er schon bald von dem Geheimnis des Zodiac-Killers besessen und beginnt, eigene Nachforschungen anzustellen, sogar dann, als die Polizei den Fall längst aufgegeben hat. Doch anscheinend gibt es mehr als nur einen Weg, sein Leben an einen Serienkiller zu verlieren ...

Ganze fünf Jahre hat sich Regiewunderkind David Fincher Zeit gelassen, bevor sein nächster Film, "Zodiac", jetzt endlich in die Kinos kommt. Es mag verwundern, dass es sich nach dem Knüller "Sieben" erneut um einen Film über einen Serienkiller handelt und der geneigte Fincher-Fan wird sicherlich einen sehr ähnlichen hochspannenden und düsteren Thriller erwarten - weit gefehlt! Anderswo wurde Finchers "Zodiac" als sein bisher reifster Film bezeichnet. Darüber lässt sich sicherlich streiten, auf jeden Fall ist es jedoch sein unspektakulärster und gleichzeitig sein längster. Geschlagene 160 Minuten lang gibt es keine einzige Actionszene, die das Geschehen auflockert, keine Verfolgungsjagd, keine Explosionen, in der letzten Hälfte fällt sogar nicht mal mehr ein einziger Schuss. Kann sowas unterhaltsam sein? Es kann!

Fincher geht mit einer derartigen Detailwut an die Verfilmung der so in den 60ern und 70ern tatsächlich geschehenen Morde, dass man seinen Film kaum mehr als Fiktion bezeichnen kann. Pistolenschüsse und Verfolgungsjagden werden hier ersetzt durch normale Recherche und das mühsame Zusammensuchen und Verknüpfen spärlicher Fakten. Die Gefahr ist groß, dass der eine oder andere Zuschauer spätestens zur Halbzeit des Films einfach frustriert abschaltet und sich durch das langsame Tempo einfach nur schrecklich angeödet fühlt - kann man ihm auch nicht so recht verdenken. Der Trick, durch den "Zodiac" zu dem genialen Film wird, der er ist, liegt darin, wie die Fakten für den Rezipienten aufbereitet werden. Herzstück des gesamten Gerüsts sind dabei selbstverständlich die Mordszenen, die bis ins kleinste mysteriöseste Detail dargestellt werden. Und tatsächlich weiß man bis es soweit ist nie so recht, ob man jetzt tatsächlich einen Mord beobachtet, da der Zodiac-Killer sich äußerst merkwürdig verhält und so gar nicht in unser mühsam zusammenrezipiertes Schema der fiesen Serienkiller passen möchte. So, wie diese Mordszenen aufgebaut und inszeniert sind, bekommen sie etwas unweigerlich Geheimnisvolles, fast schon Mystisches. Irgendetwas steckt dahinter - und man will verdammt sein, wenn man das nicht rausbekommt! Und so schaut man den Figuren wortwörtlich über die Schulter, wenn sie verzweifelt den Haufen Sinn und Unsinn über die Morde und vor allem den Killer zusammentragen und kombinieren, lauscht man gebannt den Schlüssen, die gezogen werden und ist immer der Meinung, sich dem Geheimnis Schritt für Schritt zu nähern, während der Killer sich irgendwo ins Fäustchen lacht. Denn genauso gut, wie all die Fakten zusammengebracht auf magische Weise einen Sinn ergeben könnten, so könnten sie auch nur dazu dienen, Medien und Polizei auf ewig an der Nase herumzuführen, ein perfides Spiel ohne Ende, eine Rätselserie ohne Auflösung.

Wenn man einmal in diesen Sog gekommen ist, dann lässt einen "Zodiac" auch über die enorme Spieldauer von 160 Minuten kein einziges Mal mehr los, wird man sogar noch nach dem Film flugs das Internet anschmeißen und seine eigenen kleinen Recherchen anstellen, so eine Faszination übt dieser Film, übt diese Mordserie aus. Finchers Regie leistet dabei ihren deutlichen Beitrag, immer wieder findet er frische Einstellungen und Bilder, die eindeutig von dem Talent sprechen, das man durch Inszenierung von "Sieben", "Fight Club" und "Panic Room" kennen gelernt hat. Die Leistungen der Hauptdarsteller Jake Gyllenhall, Robert Downey Jr. (als drogensüchtiger Journalist - klasse!) und Mark Ruffalo stehen dem in Nichts nach, sind genauso glaubwürdig und bodenständig wie der gesamte Film.
Doch kennt dieser denn eine definitive Auflösung? Legt er sich auf einen Mörder fest, den er schlussendlich entlarvt? Fincher hält sich soweit es geht an die Fakten, soviel sei gesagt - aber es ist mindestens eine Tendenz zu erkennen, wenn nicht sogar noch mehr. Doch letztendlich mündet doch alles nur noch in weitere Rätsel, die das Hirn der Figuren und der Zuschauer nur noch weiter beanspruchen und faszinieren. Grandios!

Avantenor
31.05.2007, 11:09
Hmm. Hab gestern auch eine sehr positive Rezension in der Süddeutschen im Feuilleton gelesen. Ich bin ja ein Fan der meisten Fincher-Filme (Alien 3, Sieben, Fight Club, The Game). Also wohl noch ein Film, den ich mir anschauen werden. Panic Room fand ich doof btw.

Der Doktor
31.05.2007, 11:42
Nö, so doll war "Panic Room" tatsächlich nicht, aber er war ohne Frage genial inszeniert. ;)
Sei trotzdem gewarnt, "klassische" Fincher-Kost ist das hier absolut nicht. Aber wenn man "Inland Empire" durchsteht ...