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Carpenter
25.01.2011, 22:22
Ellen Devereaux
Account (http://www.globalgameport.com/member.php?u=25851)

Name

Zuname: Devereaux
Vorname: Ellen

Herkunft

Spezies: Mensch
Geburtsdatum: 2168
Alter: 16 Jahre
Geburtsort: Sol/Erde/Antillen/Basse-Terre/Pointe-Noire

Erscheinungsbild

Geschlecht: weiblich
Größe: 1,57m
Gewicht: 41kg
Körperbau: durchschnittlich/sportlich
Hautfarbe: weiß
Augenfarbe: braun
Haarfarbe: dunkelbraun
Haarschnitt: kinnlänge
Make-Up: situationsabhängig/dezent
Narben deutliche Schnittnarben am rechten Handgelenk

Sonstiges

Charakteristika:
- Neugierig
- Stur
- Selbstbewusst
- Meist freundlich und höflich

Schwächen:
- keine Ahnung vom Leben im großen, weiten Universum

Biografische Daten

2179, Erde/Pointe-Noire – Haus der Familie Devereaux

„Das ist deine Schuld! Das hat sie alles von deiner Familie!“, Ellen kletterte langsam und vorsichtig eine Stufe tiefer und stützte sich mit den Armen dann auf die Nächste. Blut strömte ihr unausweichlich in den Kopf, als sie so vornüber auf der dunklen, aus edelstem Holz gefertigten Treppe lauerte. Mit einer Mischung aus Neugier und Ahnungslosigkeit spähte sie so, aus der Ferne, durch die halb geöffnete Wohnzimmertür. „Bitte beruhig dich, Liebling. Ich bin mir sicher, sie taucht wieder auf.“

„Ihr Mann hat Recht, Madam.“, dies war die einzige Stimme, die Ellen gänzlich unbekannt war, die anderen beiden gehörten hingegen ihrer Mutter und ihrem Vater. Die fremde Stimme allerdings war der Grund, wieso das Mädchen noch eine weitere Stufe hinab schlich. Langsam bekam sie Kopfschmerzen und hätte sie in den Spiegel geschaut, hätte sie wahrscheinlich erkannt, dass sie knallrot wie ein Indianer war, doch noch immer war sie gebannt, von dem, was sich in ihrem zu Hause abspielte.

„Aber wenn ihr etwas zustößt!“, erneut war es die Stimme ihrer Mutter, die sich hysterisch und laut von denen der beiden Männer abhob. „Lucie.. Liebling, bitte..“, die Worte ihres Vaters, John, brachen für mehrere Sekunden ab, aus welchem Grund jedoch, das blieb dem Mädchen verborgen – lediglich ein paar schwarze, schwer aussehende Lederstiefel, welche in einer tiefblauen Hose endeten, konnte sie ausmachen. „Bitte Officer, finden Sie sie.“

„Natürlich, Mister Devereaux. Wir haben bereits alle Streifen informiert, machen Sie sich keine Sorgen.“ Der Unbekannte, Ellen war sich nun sicher, dass es ein Polizist sein musste, machte eine kurze Pause, sprach dann jedoch weiter. „Doch wenn es noch irgendwelche weiteren Informationen über Ihre Tochter gibt, dann würde uns das die Suche mit Sicherheit erleichtern. Telefonnummern ihrer Freunde, Orte, an welchen sie gerne ist und.. wissen Sie vielleicht, wieso sie weggelaufen ist?“

„Nein!“, die Ausdruckskraft und Entschlossenheit, mit welcher ihre Mutter dem Officer die Antwort entgegen pfefferte, ließen Ellen zusammenzucken und dann schlagartig die Luft anhalten. Doch mit einem einfachen Wort war ihre Mutter offenbar noch nicht zu Ende. „Sie ist ein gutes Mädchen! Wir kümmern uns doch um sie!“

Es geht um Kate!, Ellen hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt. Wieso war sie erst jetzt darauf gekommen? Und wieso hatte sie es nicht geahnt? Sie war immerhin die einzige, die wirklich erkannt hatte, wie unglücklich, doch vor allem frustriert ihre große Schwester in den letzten Wochen zunehmender geworden war. „Bitte entschuldigen Sie, wenn ich mich falsch ausgedrückt habe, Madam. Es ist nur, dass Jugendliche sehr oft aus den unerfindlichsten Gründen davonlaufen.. hat sie vielleicht Hausarrest bekommen, durfte nicht auf ein Konzert oder eine Feier gehen?“ „Kate ist..“, diesmal brach die laute Stimme, fast schon ein Schreien, ihrer Mutter urplötzlich ab, nur um dann von Wimmern und Schluchzen abgelöst zu werden.

„Nein, nichts dergleichen, Officer..“, wieder war es der Vater, der nun das Wort übernahm. Ellen jedoch konnte nur dem Weinen ihrer Mutter horchen und bekam plötzlich einen schweren, erstickenden Kloß im Hals. War es ihre Schuld? Sie hätte ihren Eltern erzählen müssen, wie Kate sich seit kurzem benahm, dass sie sehr wahrscheinlich sogar davon laufen wollte. Sie hätte es sagen sollen, dann würde ihre Mutter nun nicht bittere Tränen weinen. Das Gespräch zwischen dem Polizisten und ihrem Vater ging weiter, doch im Kopf des Mädchens jagte ein Gedanke, ein Vorwurf, den nächsten.

Es war kein Hausarrest gewesen, der Kate dazu gebracht hatte, sich von zu Hause zu verabschieden. Es war auch nicht der Spott und die Missgunst der Mitschüler und Lehrer in der Schule gewesen. Es war ihre Biotik. Und ihre Eltern, die ihr diese um alles in der Welt hatten austreiben wollen. Aber doch nur, weil sie es gut mit ihr meinen! Wieso läuft Kate weg..? Und von mir auch!

Nun musste nicht nur ihre Mutter, sondern auch sie selber schluchzen - eine heiße Träne lief ihr über das ebenso heiße Gesicht. „Nun, Mister Devereaux, wie wir erfahren haben soll ihre Tochter Kate eine Biotikerin sein?“, Ellen, ihr Vater und ihre Mutter hielten wie in einem Schockzustand die Luft an. Ellen, weil sie nicht wusste, wie ihre Eltern wohl reagieren mochten. Ihre Eltern, weil sie diese Tatsache als das düsterste und finsterste Geheimnis der ganzen Familie ansahen.

Biotiker waren anormale, widernatürliche Wesen. Launen der, von den Menschen korrumpierten, Natur. Das eine Devereaux eine solche Kreatur war, davon wollte weder Lucie noch John etwas hören oder wissen. Und dennoch konnten sie es nicht verleugnen, was aber nichts an der drückenden Stille änderte, die sich nun wie ein Nebelschleier durch das ganze Haus zog.

„J-ja, ist sie..“, Ellen schnappte tief nach Luft und wischte sich mit dem rechten Handärmel die einzelnen Tränen aus dem Gesicht. Sie sah gradewegs durch den Türspalt zu dem Polizisten hoch und mied dabei den überraschten Ausdruck ihres Vaters und den bohrenden Blick ihrer Mutter. Das Mädchen hatte sich klangheimlich bis an den Türrahmen herangeschlichen, die ganze Zeit von den Fragen geplagt, ob sie den Kummer, der nun im Hause Devereaux herrschte, hätte verhindern können. „Sie.. sie ist weggelaufen, weil sie eine Biotikerin werden möchte.. hier hat man ihr das verboten.“

Der Officer sah Ellen einen Augenblick verblüfft an, dann huschte sein Blick zu ihren Eltern, die wohl noch immer nicht fassen konnten, oder wollten, was sie da hörten. Zu Ellens Beunruhigung kam allerdings hinzu, dass das, was sie gesagt hatte, noch nicht alles war. Im Gegenteil, hätte sie ihren Eltern vorher erzählt, was sie wusste, dann hätte Kate wohl nie weglaufen können. Nein, dann wäre sie ganz sicher Tag und Nacht in ihrem Zimmer eingesperrt worden. Alles in allem wurde dem jungen Mädchen schnell eines klar; sie würde eine Menge Ärger bekommen, sobald der Fremde erst einmal das Haus verlassen hatte.

„Und weißt du auch wohin deine Schwester wollte, kleine Dame?“, der Polizist schien die Apartheit des Ehepaars Devereaux auszunutzen, um aus Ellen Informationen herauszukitzeln. Seine hellblauen Augen schauten ihr aus einem gealterten, schon angegrauten Gesicht heraus entgegen, doch in ihnen lagen keine Vorwürfe, eher Ermutigung und Sicherheit. In seiner tiefblauen, feinen Uniform schien der Polizist in dem Moment sogar die einzige Person zu sein, der Ellen wirklich vertraut hätte. Sie wünschte sich kurz, sie könne mit ihm gehen, wenn er das Haus wieder verlässt; das wäre ihr zumindest lieber gewesen, als die Schreie ihrer Mutter.

„Nein“, Ellen schluckte erneut und blickte nervös zu ihren Eltern, die dicht beinander auf der vornehmen Ledercouch saßen, „das hat sie mir nicht gesagt..“ Wieder herrschte Stille, dann aber nickte der Officer und wandte sich erneut ihren Eltern zu. „War Ihre Tochter beim BAat?“ „Nein..“, Johns Stimme war leise, doch er schüttelte zur Bekräftigung seiner Antwort den Kopf. „Sie ist nicht gefährlich! Sie.. kann Leute herum schubsen, aber mehr nicht, bitte! Tun sie ihr nichts an, ich versichere ihnen, dass sie harmlos ist! Bringen Sie sie nur heil zurück nach Hause, bitte..“

Erneut Schweigen. Langsam bekam Ellen das Gefühl, dass die ganze Unterhaltung nur aus dumpfem Schweigen bestand. Das störte sie insoweit, dass sie sich dann jedes Mal erneut in einen Teufelskreis aus Vorwürfen stürzte. Weitere Tränen liefen ihr nun unaufgefordert über die Wange, suchten sich einen Weg über ihr Gesicht, um dann todesmutig in den Abgrund unter diesem zu stürzen, bis sie in abertausende kleine Spritzer zerplatschten, als sie auf den weißen Fließen aufschlugen. „Ich beteure nochmal, Mister Devereaux, wir finden Kate. Machen Sie sich bitte keine Sorgen.“, der Polizist sah wieder kurz zu Ellen, bevor er weitersprach. „Ich werde mich nun verabschieden und sie sollten sich ausruhen. Wir melden uns erneut bei ihnen.“
„J-ja..“, es schien fast alle Anwesenden zu überraschen, dass es Lucie war, die nun das Wort erhoben hatte, ihre Stimme klang schwach und müde und sie löste sich aus den Armen ihres Mannes, als sie aufstand. „Ich bringe Sie zur Tür.“, mit diesem Satz war jedoch erneut die Ausdruckskraft in die Stimme der Frau zurückgekehrt. Sie lächelte dem Officer gezwungen und aus reiner Höflichkeit zu, als sie neben ihm her durch die Wohnzimmertür schritt und ihn den Flur entlang bis zu der Haustür geleitete. Sie würdigte Ellen dabei keines Blickes.

Bitte lass Kate nichts passiert sein, ich will nicht, dass ihr etwas passiert ist! „Du!“, die Stimme Lucies rollte wie ein Donnergrollen durch das Haus, kaum als der Streifenwagen die Einfahrt verlassen hatte und die Haustür geschlossen wurde. „Luc-“, Ellens Vater kam nicht dazu, seine Frau zu beruhigen, denn seine Aufforderung wurde von einem hellen Klatschten unterbrochen, dicht gefolgt von dem schmerzhaften Schrei eines kleinen Mädchens. „Du wusstest das?! Und du hast mir nichts gesagt!“ „Lucie!“

Bevor die Frau ein zweites Mal zur Ohrfeige ausholen konnte, war John bereits bei ihr, packte sie und drückte sie an sich. Umgehend brach diese in Tränen aus und verbarg ihr Gesicht in seiner Schulter. „Beruhige dich, Liebling..“, flüsterte er ihr zu, nur um im nächsten Moment, über ihren Kopf hinweg, einen fast schon mitleidlosen und ernsten Blick in Richtung seiner zweiten Tochter zu werden. „Geh sofort ins Bett!“



Beginn - Auszug des Extranet-Schriftverkehr von John Devereaux

Absender: Zarko Kinder- und Jugendsicherheit
Empfänger: John Devereaux
Datum: 14. August 2179
Titel: Vertragsabschluss – Wir danken für Ihr Vertrauen!

Sehr geehrter Herr Devereaux,

ich freue mich, Ihnen mitzuteilen, dass bereits diese Woche mit der Integration Ihres neuen Sicherheits- und Kontrollsystems begonnen werden kann. Im Namen des Unternehmens möchte ich mich bei Ihnen herzlichst für das von Ihnen uns entgegengebrachte Vertrauen bedanken.

Das von Ihnen georderte Sicherheitspaket A Gold wird nach Terminabsprache von unserem Fachpersonal installiert. Sie werden von einem unserer kompetenten Mitarbeiter dann in die Funktionsweise aller Komponenten eingewiesen.

Seien Sie versichert, dass Ihre Tochter dank des Sicherheitspakets A Gold keine Geheimnisse mehr vor Ihnen haben wird. Weniger Geheimnisse bedeuten weniger Risiken! Die Sicherheit ihres Kindes und ihrer Familie steht für uns an höchster Stelle – das ist unsere Firmenphilosophie!

Ich möchte Sie nochmals darauf aufmerksam machen, dass der abgeschlossene Vertrag bis zum 21. Geburtstag Ihrer Tochter Ellen gültig ist. Nach diesem Zeitraum unterbieten die gesetzlichen Sonderregelungen zur gewerblichen Überwachung Minderjähriger es uns, ihre Tochter weiter zu beschützen. Zu gegebener Zeit freue ich mich aber, Sie an einen unserer Partner weiterzuvermitteln.

Zu guter Letzt, seien Sie versichert, dass ich als Firmenleiter und auch Gründer Ihren Schmerz kenne und teile. Ein solches Ereignis, wie mit Ihrer Tochter Kate, war für mich vor einigen Jahren der Grund, weshalb ich mich dazu entschloss, ein solches Unternehmen zu gründen.

Ich kann Ihnen auch aus eigener Erfahrung sagen, dass noch eine schwere Zeit auf Sie und Ihre Tochter zukommen wird. Kinder sind oft stur und wollen oder können nicht akzeptieren, was zu Ihrer eigenen Sicherheit getan werden muss. Wenn Sie es wünschen, können wir Ihnen auch hierfür eine äußerst kompetente psychologische Betreuungsstätte empfehlen.

Hochachtungsvoll, dankbar und in bedauerndem Mitgefühl,

Richard I. Zarko

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Absender: Psychologische Betreuung und Vermittlung Unters
Empfänger: John Devereaux
Datum: 18. August 2179
Titel: Ihre Tochter Ellen

Guten Tag Herr Devereaux,

mit Freude teile ich Ihnen mit, dass wir eine Betreuung für Ihre Tochter Ellen zur Verfügung haben. Frau Sophie Dexter wird Ihnen von nun an bei der Erziehung Ihres Kindes tatkräftig zur Seite stehen. Sie wird Sie auf mögliches auffälliges oder verdächtiges Verhalten Ihres Kindes ansprechen und Ihnen auf Wunsch mögliche Therapien dagegen vorschlagen. Hierfür steht sie Ihnen zu dem von Ihnen mit ihr in einem späteren Gespräch ausgemachten Zeitraum zur Verfügung.

Frau Dexter besitzt mehr als ausreichende Qualifizierungen, um mit Problemkindern umgehen zu können. Ihr noch junges Alter hat sich ebenfalls schon sehr häufig als hilfreich erwiesen und wir sind zuversichtlich, dass sie für ihre Familie die perfekte Betreuerin ist.

Mit freundlichen Grüßen,
Mark Unters

Ende - Auszug des Extranet-Schriftverkehrs von John Devereaux


2184, Erde/Pointe-Noire – Haus der Familie Devereaux

Ellen hämmerte mit aller Kraft gegen die Zimmertür und schlug zwischendurch immer wieder mit der flachen Hand auf den Taster, welcher diese eigentlich hätte öffnen sollen. Es geschah jedoch nichts, wie bei jedem Versuch zuvor auch. „Ihr könnt mich nicht für immer einsperren! Das dürft ihr gar nicht!“ Sie horchte einige Augenblicke der gespannten Stille, doch niemand antwortete ihr. Missmutig und sauer verschränkte sie die Arme vor der Brust und mit einem festen Tritt gegen die Tür verlieh sie ihrem Frust und Zorn nochmals Ausdruck.

Ihre Eltern waren also wirklich einfach in die Stadt - zum Shopping - gefahren und da Sophie die Woche über Urlaub hatte, hatten sie Ellen einfach in ihr Zimmer gesperrt, als wäre sie irgendein treudoofer Hund. Vermutlich bildeten sie sich sogar noch ein, dass sie ihnen dafür irgendwann dankbar sein würde, oder sollte. Sie schüttelte einmal mehr ungläubig den Kopf, als sie daran dachte, wie sehr ihre Mutter darauf bestanden hatte, dass sie eingesperrt würde, wenn niemand da sei, der auf sie aufpassen konnte - als sei sie mit sechszehn nicht alt genug, um sich wenigstens selbstständig in ihrem eigenen zu Hause aufhalten zu dürfen. Normalerweise hätte John in einer solchen Situation protestiert und zumindest dafür gesorgt, dass Ellen in die Küche oder das Wohnzimmer hätte gehen dürfen, doch ihr letzter Fluchtversuch hatte sie auch diese Privilegien gekostet.

Frustriert und mit einer tiefen Verzweiflung, die sich über die letzten fünf Jahre angestaut und geschnürt hatte, ließ die Jugendliche sich auf ihrem Bett nieder, verbarg den Kopf unter ihrem Kissen und begann leise zu weinen.

Seitdem ihre große Schwester davongelaufen war, waren nun fünf Jahre vergangen. Fünf Jahre, in denen man nichts von ihr gehört oder gesehen hatte. Diese Jahre waren die schlimmsten, die Ellen in ihrem kurzen Leben hatte erfahren müssen. Nicht nur, dass sie selbst nichts mehr tun durfte, was nicht mit der Schule oder dem Willen ihrer Eltern abhängig war, sie stand auch noch unter Bewachung und totalitärer Kontrolle. Das Zimmerschloss, welches sie selber nicht entriegeln konnte, war nur der Anfang gewesen. Ellen wusste zwar von der Überwachungskamera in ihrem Zimmer und dem silbernem Armband, das sie stets tragen musste und in welchem ein Sender versteckt war, aber sie war sich verdammt sicher, dass ihre Eltern ihr auch noch anderweitig nachspionierten und sie überwachten.
Es gab Zeiten, in denen war die Jugendliche nur noch froh darüber, dass ihre Gedanken noch geheim waren. Selbst das wären sie vermutlich nicht, wären ihre Eltern nicht so entschieden gegen neue Technologien - vor allem wenn diese im direkten Kontext zum menschlichen Körper standen.

Wieder einmal mehr kam sie sich wie die Gefangene statt wie eine Tochter vor. Doch das war nicht mal alles, nicht mal das Schlimmste. Das Schlimmste war Kate. Ihre Schwester. Ihre geliebte Schwester, die sie seit fünf Jahren nicht mehr gesehen hatte. Ellen hatte oft auf Kates Bett gesessen, aus dem Fenster gesehen und sich gewünscht, bei ihr sein zu können. Sie hatte sogar angefangen in Kates Dingen herumzustöbern, zwei davon nahm sie schließlich ganz an sich und versteckte sie in ihrem eigenem Zimmer - ein Foto von ihr und ihre Lieblingsjacke, die sie bei ihrer Flucht aus irgendeinem Grund vergessen hatte.

Kaum hatte Lucie bemerkt, wie sehr Ellen ihre Schwester doch zu lieben schien, begann sie damit, alle Spuren von dieser aus dem Haushalt zu tilgen. Die Bilder im Flur verschwanden, Basteleien aus Kindergartenzeiten, Geschenke von Kate und viele der Familienaufzeichnungen mit Kate. All diese Dinge verschwanden mit einem Schlag und letztlich wurde auch die Tür zu Kates Zimmer wurde versiegelt, sodass nur noch die Eltern diese öffnen konnten. Welchen Schmerz sie ihrer Tochter damit antaten, schien sie nicht mal mehr zu interessieren, oder sie übersahen es einfach in ihrer blinden Arroganz.

Über die Jahre hinweg hatte Ellen begonnen, ihre Schwester für das, was sie getan hatte zu bewundern. Gleichzeitig hatte sie sie verflucht, denn sie hatte ihr mit ihrer Flucht das eigene Leben zur Hölle gemacht. Doch Schuld war nicht Kate, sondern ihre Eltern - das war etwas, was der Jugendlichen erst jetzt gewahr wurde.

Voller Zorn und Tatendrang sprang die Jugendliche schließlich von ihrem Bett. Fünf Jahre schon war sie gefangen. Fünf Jahre hatte sie wie eine Spielzeugpuppe gelebt. Sie hatte genug. Sie wollte ein eigenes Leben. Sie wollte wie Kate sein; frei, das tun, was sie wollte. Doch vor allem wollte sie bei Kate sein.

Kate war siebzehn, als sie davongelaufen war. Somit war sie nur ein Jahr älter gewesen, als Ellen nun. Wenn Kate es mit siebzehn schaffte, dann würde sie es mit sechzehn auch schaffen können. Sie muss nur einen Weg finden. Ellen sah sich umsichtig in ihrem Zimmer um. Einen Moment lang wollten sich dabei Schuldgefühle, über das eben Gedachte, in ihren Kopf setzen, doch sie schüttelte diese entschlossen ab. Es stimme durchaus, dass sie innerhalb ihrer vier Wände viel haben durfte - aber auch nur, wenn ihre Eltern darin keinen Zusammenhang mit Kate, oder etwas anderem Negativem sahen oder erkannten.

Ich bin keine Gefangene! Ich habe nichts verbrochen! Mit dem Gedanken beflügelt, machte sie sich an ihren ersten Fluchtplan – die Fenster.

Bei all den Sicherheitsvorkehrungen, die ihre Eltern getroffen hatten, hatten sie die Fenster außen vorgehen lassen. Etwas, worüber sich das Mädchen bereits mehrmals und gefüllt von Ironie und Sarkasmus, gewundert hatte. Vermutlich gingen sie aber auch einfach nicht davon aus, dass ihre – nun sechszehnjährige – Tochter versuchen würde, aus einem Fenster im zweiten Stock zu klettern.

Es verblieb jedoch bei dem Versuch, denn kaum hatte Ellen die Fenster geöffnet und einen Blick auf den gepflegten Garten, der in das goldrot der untergehenden Sonne getaucht wurde, geworfen, entschied sie sich gegen diese Art des Entkommens. Sie fasste den Entschluss, dass ein gebrochener Hals und drei gebrochene Gliedmaßen ihr wohl kaum bei der Flucht behilflich sein würden. Sie brauchte eine Alternative.

Ellen betrachtete eine Weile die Tür, irgendwie musste sie es schaffen, diese zu öffnen. Dafür gab es jedoch nur zwei Möglichkeiten. Entweder ihre Mutter, ihr Vater oder ihr Kindermädchen – Ellen hasste den Gedanken, dass man ihr mit sechszehn Jahren immer noch zumutete, dass diese verrückte Psychologin bei ihr sein sollte - öffneten sie von außen, oder aber, sie fand einen Weg, auf das Kontrollsystem der Tür zuzugreifen und dieses zu hacken. Letzteres war vermutlich noch unwahrscheinlicher als die erste Variante. Den Hauch eines verzweifelten Augenblicks war sie drauf und dran, wieder mal jegliche Hoffnung aufzugeben. Bis ihr eine Idee kam, die vorher nicht möglich war. Es gibt noch eine dritte Möglichkeit!

Die Sechszehnjährige wandte den Blick von der Tür ab und fixierte ihn stattdessen auf den Feuermelder an der Zimmerdecke. Wenn ich den auslöse, dann öffnen sich alle Türen, aber dann hab‘ ich höchstens fünf Minuten, bis die Feuerwehr vor der Tür steht. Das heißt ich muss mich vorbereiten!

Ellen spürte ein Kribbeln in sich, welches sich rasant durch ihren ganzen Körper ausbreitete. Hatte Kate sich auch so gefühlt? Ellen vermutete nicht, denn ihre Schwester musste ja nicht das Haus anzünden, um zu entkommen. Sie riss ihren Kleiderschrank auf, zog ihre Sporttasche hervor und stopfte alles, was sie für nötig hielt – saubere Unterwäsche und einen Satz Ersatzkleidung - in diese. Ihre Jacke, Kates Jacke, zog sie sich dagegen sofort an. Für die Sechzehnjährige war das inzwischen alt aussehendes Kleidungsstück zu einem Glücksbringer und Trostspender geworden.

Ganz ruhig!, das Mädchen ließ sich auf die Tasche, die sie eben erst gepackt hatte, sinken und blickte mit gedankenverlorenem Blick durch ihr Zimmer. Das muss alles ganz glatt laufen. Also, nachdem ich alles eingepackt hab, was ich brauche, löse ich den Alarm aus. Dann geht die Tür auf, ich kann raus. Dad hat immer etwas Kleingeld in der Kommode im Flur versteckt, das nehm‘ ich mir. Und aus der Küche greif‘ ich mir noch was zu essen, wer weiß, ob ich so schnell die Chance hab‘, was zu kaufen.

Das Mädchen rieb sich mit der rechten Hand über den Bauch in welchem ihr Magen mürrisch rebellierte. So wie sie. Sie hatte sich zuvor geweigert, am täglichen Mittagessen teilzunehmen, da sie darin die einzige Chance sah, Protest gegenüber ihren Eltern auszudrücken. Normalerweise schaffte sie es dann, sich auf irgendwelchen Weg doch noch was zu essen zu organisieren oder sie harrte einfach bis zum nächsten Tag aus, denn spätestens in der Schule bekam sie dann etwas. Das Organisieren von Nahrung fiel jedoch ungemein schwerer, wenn man in seinem Zimmer eingesperrt wurde, wie Ellen unangenehmerweise und mit knurrendem Magen feststellen musste. Auf die Schule konnte sie sich ebenfalls nicht verlassen, die fand nämlich in den Ferien aus offensichtlichen Gründen nicht statt.

Bestimmt bringen sie dann etwas zu essen aus der Stadt mit und erwarten von mir, dass ich ihnen dankbar vor die Füße falle. Der bittere Gedanke schwebte noch einige Augenblicke in ihrem Verstand, bevor sie aufsprang. Das Coupé steht bestimmt noch in der Garage, mit dem komm ich zum Port. Das Mädchen wandte sich wieder ihrem Kleiderschrank zu, breitete die Arme aus und riss dann den größtmöglichen Haufen ihrer, zuvor noch ordentlich aufgehängter Kleidung, aus dem Schrank. Von da aus nach Pointe-á-Pitre. Nach Miami. Sie warf den ganzen Haufen Klamotten mitten in ihr Zimmer. Und von da zur Acturus Station.

Bevor sie den nächsten und letzten Schritt ihres Plans umsetze, atmete das Mädchen durch. Die Finger ihrer linken Hand glitten über das silberne Armband an ihrem rechten Handgelenkt. Damit würden ihre Eltern sie orten können, was bedeutete, dass sie es schnellstmöglich los werden musste. Um das Problem muss ich mich später kümmern, solange ich hier drin festsitze, bringt es sowieso nichts, dieses blöde Teil abzubekommen. Ich brauch‘ Feuer!

Das unbehagliche Gefühl, welches versuchte sich bemerkbar zu machen als Ellen die Schublade ihrer Wohnwand öffnete, schaffte es nicht, gegen die Aufregung des bevorstehenden Entkommens anzukämpfen. Eigentlich durfte sie kein Feuerzeug haben. Sie durfte erst Recht nicht die Zigaretten haben, welche sie mit diesem Feuerzeug anzündete. Es war ihr schon ein Rätsel gewesen, dass sie es geschafft hatte die Sachen in ihr Zimmer zu schmuggeln, ohne, dass ihre Eltern davon Wind bekommen hatten. John war entschieden gegen das Rauchen, auch wenn es schon seit Äonen keine Gesundheitsrisiken mehr barg - für ihn handelte es sich dabei wohl mehr um ein Zeichen guter Erziehung und Manieren, wenn jemand nicht rauchte. Für Ellen selbst war das schließlich nur ein Grund mehr, wieso sie zumindest probieren wollte, mit dem Rauchen anzufangen, davon abgesehen, dass es so langsam wiedermodern zu werden schien.

Das sollte reichen, dann geht es wohl gleich los. Wieder schlug ihr das Herz bis in den Hals, als sie das Feuerzeug aufklappte und sich ein kleines, fröhlich tanzendes Flämmchen zeigte. Sie merkte nicht mal, dass sie die Luft anhielt, als sie das kleine Werkzeug auf den Haufen trockener Wäsche warf. Es war nur ein kleiner Funke, der sich jedoch binnen weniger Augenblicke zu einem Feuer ausweiten würde – ebenso wie Ellens Flucht.