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Aquarius
30.11.2010, 21:57
Lothering - Dorf

In früheren Zeiten war Lothering kaum mehr als ein Handelsposten der Festung Ostagar im Süden. Heute ist das Dorf größer und versorgt Redcliffe sowie die Händler und Oberflächenzwerge in der Nähe von Orzammar mit Gütern. Seine Lage an der Nordstraße ist strategisch relevant, weshalb die Kontrolle über Lothering früher ein Streitfall zwischen dem südlichen Bannorn und dem Arltum Südhang war. König Calenhad selbst sprach das Dorf im Erhabenen Zeitalter Südhang zu, was den Zwist beendete.

Da im Süden von Ferelden die Dunkle Brut einfiel, kamen viele Flüchtlinge nach Lothering. Schnell wurden Lebensmittel knapp und teuer. Zimmer gibt es auch keine mehr zu vermieten und die Kirche ist Tag und Nacht gut besucht. Gerüchten zufolge waren vor kurzem zwei Graue Wächter in Lothering und haben auch einen Gefangenen mitgenommen.


Regentschaft

Arl Leonas Bryland
Ser Bryant (http://www.globalgameport.com/showpost.php?p=583727&postcount=3) ist der Kommandant der Templer in Lothering
Die Älteste Miriam (http://www.globalgameport.com/showpost.php?p=583738&postcount=5) kümmert sich um die Flüchtlinge

Bekannte Orte

1. Dorfplatz

Der Dorfplatz von Lothering erstreckt sich von der Kirche nördlich bis zur Taverne am südlichen Ufer des Flusses Drakon. Neben Dorfbewohnern, Flüchtlingen und Bettlern sind Kantor Devons (http://www.globalgameport.com/showpost.php?p=583734&postcount=4) und die Älteste Miriam (http://www.globalgameport.com/showpost.php?p=583738&postcount=5) oft am Dorfplatz zu finden.


Die Kirche
In der Kirche segnet die Ehrwürdige Mutter (http://www.globalgameport.com/showpost.php?p=583724&postcount=2) alle Personen, die an den Erbauer glauben. Ser Bryant (http://www.globalgameport.com/showpost.php?p=583727&postcount=3), der Kommandant der Templer, ist hier ebenfalls öfters anzutreffen.

http://www.globalgameport.com/attachment.php?attachmentid=10077&stc=1&d=1288777774


Taverne „Danes Zuflucht“
In der Taverne von Lothering sind alle Zimmer ausgebucht. Die Leute schlafen teilweise auf dem Boden und am Speicher. Danal (http://www.globalgameport.com/showpost.php?p=583741&postcount=6) ist der Eigentümer und Wirt der Taverne. Barlin (http://www.globalgameport.com/showpost.php?p=583744&postcount=7) ist ein Händler, der seine Waren in der Taverne verkauft. Ebenfalls hält sich hier ein Repräsentant der Blackstone-Freischärler auf.

http://www.globalgameport.com/attachment.php?attachmentid=10078&stc=1&d=1288777781


Wetter

Besondere Ereignisse

Entfernungen

Entfernungs- wie auch Zeitangaben dienen nur der Orientierung.

Von Lothering nach


Denerim:
51 km; 18h 30m; Weststraße


Redcliffe:
24 km; 8h 30m; Calenhad-See Süd


Zirkel der Magi:
42 km; 15h 00m; Calenhad-See Ost


Haven:
48 km; 17h 30m; Calenhad-See Süd


Honnleath:
48 km; 17h 30m; Calenhad-See Süd


Westhügel:
69 km; 25h 00m; Calenhad-See Ost -> Nordstraße


Highever:
93 km; 33h 30m; Calenhad-See Ost -> Nordstraße


Orzammar:
72 km; 26h 00m; Calenhad-See Süd -> Lake Calenhad West


Gwaren:
48 km; 17h 30m; Kaiserliche Hauptstraße -> Brecilian-Passage


Amaranthine:
72 km; 26h 00m; Weststraße -> Nordstraße


______________
Vielen Dank an Kinman!

Sixtus Juniper
26.07.2011, 00:17
<----- Die Hinterlande

Lothering

Langsam ging Sixtus in das Dorf hinein. Sein Blick wanderte von links nach rechts und wieder zurück. Er nahm die vielen neuen Eindrücke in sich auf und war erstaunt über die vielen Menschen und sogar Elfen, die sich hier befanden. Manche saßen am Straßenrand und bettelten, manche liefen aufgeregt umher, andere gingen einer bestimmten Beschäftigung nach. Einige betrachteten den Jäger neugierig, manche sahen weg, als sein Blick sie streifte. Doch in einem Punkt glichen sich fast alle: In ihren Gesichtern war Ungewissheit und Verzweiflung zu erkennen.

Plötzlich stand ein junges Mädchen vor ihm. Mit großen, dunklen Augen sah es den Avvar an. „Habt Ihr ein Stück Brot für mich, großer Mann?“, fragte die Kleine, die wahrscheinlich kaum zehn Winter gesehen hatte. Dabei ging sie eilig ein paar Schritte rückwärts, darauf achtend, Sixtus nicht im Wege zu stehen. „Oder ein paar Kupferlinge?“
Der Jäger blieb stehen und sah der Kleinen in die Augen. Daraufhin wich sie ein weiteres Stück zurück, jederzeit bereit, die Flucht zu ergreifen. Er hockte sich auf ein Knie, um weniger bedrohlich zu wirken. Trotzdem war er noch immer größer als sie. Mit einer Hand deutete er dem Mädchen, näher zu kommen. Er sah in ihr die Chance, eine unvoreingenommene Meinung zu bekommen. „Wenn du mir ein paar Fragen beantwortest, dann bekommst du von mir eine kleine Belohnung.“

Plötzlich schien ihre Neugierde die Angst zu überflügeln und sie kam wieder ein paar Schritte auf ihn zu. „Was wollt Ihr wissen?“
„Hast du schon von der Dunklen Brut gehört?“, fragte er frei heraus. Die Augen der Kleinen weiteten sich, doch sie nickte stumm.
„Kannst du mir etwas darüber erzählen?“
Erneut nickte sie. „Das sind die Monster, wegen der wir von Zuhause weg sind. Vater wollte eigentlich nicht weg, er sagte, er glaube nicht an die Geschichten und die Dunkle Brut. Doch als Mutter zusammenpackte und mit mir losgegangen ist, kam er mit. Gesehen habe ich sie nicht, aber viele Erwachsene reden darüber, wenn sie nicht wissen, dass ich zuhöre.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Aber manchmal bemerken sie mich nicht und ich kann sie belauschen.“
Es war interessant. Sixtus dachte kurz an seine eigenen Kinder. Er würde sie vor einer Gefahr warnen, mit ihnen darüber reden und nichts verschweigen, doch scheinbar war es hier anders. Er würde es sich merken und darauf achten. „Was erzählen die Erwachsenen denn so?“
„Die meisten haben Angst. Sie sagen, das sind alles Monster, die aus der Erde kommen und Menschen fressen. Sie sagen, man kann sie nicht aufhalten, nur davonlaufen. Darum sind wir auch weggegangen… denke ich. Noch etwas?“
„Eine Frage noch: Woher kommst du?“, wollte Sixtus noch wissen, damit er eine Vorstellung davon hatte, woher die Dunkle Brut wirklich kam. Das Mädchen sah sich kurz um und zeigte auf eine Gruppe von Menschen, die auf ein paar Holzkisten saßen und sich unterhielten. „Von da. Mutter ist dort, Vater aber nicht, der sucht gerade Arbeit.“
„Ich meine, wo dein Daheim ist…“
„Achso. Ähm…“ Die Kleine überlegte angestrengt. „In der Nähe von Ost… Osgar oder so irgendwie.“ Der Jäger zog die Augenbrauen hoch. „Ostagar!“, meinte sie dann triumphierend. „Wir sind immer nach Norden gegangen, bei Ostagar vorbei und hierher.“
Also kam sie aus dem Süden. Das passte zu dem, was Bjator erzählt hatte. Sixtus meinte sich zu erinnern, dass er auch Ostagar erwähnt hatte. Jedenfalls kam das Übel aus dem Süden und breitete sich von dort her aus.
„Wie lange bist du schon hier?“
„Ihr habt gesagt, es wäre Eure letzte Frage gewesen. Bekomme ich nun eine Belohnung?“, entgegnete die Kleine darauf keck und gleichzeitig nervös. Sixtus lächelte und griff nach dem Münzbeutel, den er von Kenan bekommen hatte. Er fischte daraus mehrere Kupferlinge und ließ zwei davon in die Hand des Mädchens fallen. „Zwei weitere, wenn du mir diese Frage auch noch beantwortest.“
„Vier Sonnenaufgänge sind wir marschiert und drei sind wir schon hier.“, antwortete sie und hielt erneut die Hand auf. Wie versprochen gab der Jäger ihr zwei weitere Kupferlinge.
„Danke, edler Herr!“ Mit diesen Worten sauste das Mädchen davon, zurück dorthin, wo ihre Mutter war.

Sixtus beobachtete sie noch einen Moment, sah, wie sie ihrer Mutter die Kupferlinge präsentierte. Wenige Augenblicke später zeigte das Mädchen auf ihn und die Mutter blickte auch kurz in seine Richtung. Dann wandte Sixtus sich ab und ging weiter. Der Weg führte links über eine Brücke, aber schon bald darauf sah er das Ende des Dorfes. Der Jäger drehte wieder um und überlegte, was er als nächstes tun sollte und wen er befragen konnte. Als sich jedoch sein Magen knurrend zu Wort meldete, entschloss er sich dazu, zuerst etwas zu essen aufzutreiben.

„Du! Wo bekomme ich hier etwas zu essen?“, fragte Sixtus den nächstbesten Dorfbewohner, der ihm über den Weg lief. Dieser schaute im ersten Moment erschreckt, grinste dann aber über das ganze Gesicht.
„Du stehst ja direkt davor.“ Der Dorfbewohner zeigte auf das Gebäude nebenan. „Mit etwas Glück bekommst du da drinnen noch etwas, kostet dich aber etwas.“
Der Jäger wandte sich von dem Mann, der nur den Kopf schüttelte, ab und ging zu dem Gebäude, das sich als Taverne herausstellte. Er öffnete die Tür und mischte sich unter die Menschen. Im Gegensatz zur Taverne in Redcliffe war hier Hochbetrieb. Musik spielte, Leute saßen an den Tischen, standen an der Theke oder einfach so im Raum. Der bärtige Wirt hatte alle Hände voll zu tun, um seine Gäste zu bedienen. Zuerst blieb Sixtus stehen, wo er Platz fand, aber als er bemerkte, dass er so zu keinem Essen kommen würde, schob er einige Leute unsanft zur Seite und bahnte sich einen Weg zu dem Wirt. Empörte Verwünschungen und Flüche prasselten auf ihn nieder, doch der Jäger war einen Kopf größer als die meisten anderen Anwesenden und das Bärenfell, der Bogen sowie das Schwert an seiner Seite verschafften ihm genügend Respekt. Er legte die Hände auf die Theke, so als wollte er sie komplett für sich beanspruchen und wartete, bis der Wirt sich zu ihm umdrehte.
„Ich will etwas zu essen.“, forderte er. Der Wirt runzelte kurz die Stirn. „Und was?“, fragte er in ungefähr dem gleichen Tonfall.
„Fleisch.“
„Gut, aber an den Tischen ist kein Platz und an der Theke könnt Ihr nicht stehenbleiben.“
Nachdem Sixtus nicht negativ darauf reagierte, verschwand der Wirt kurz in die Küche und kam anschließend mit einem Holzteller, beladen mit zwei gebratenen Hühnerkeulen, zurück.
„Die sind gerade fertig geworden. Dreißig Kupferlinge und den Teller bekomme ich wieder.“, sprach er und stellte das Essen vor Sixtus ab. Dieser kramte einen Silbertaler hervor und steckte anschließend das Wechselgeld ein. Dann nahm er sich die beiden Hühnerkeulen vom Teller und entfernte sich wieder von der Theke. Hinter sich hörte er den Wirt maulen, dass er kein Trinkgeld gegeben hatte. Da Sixtus sich jedoch nichts zu trinken bestellt hatte, sah er nicht ein, umzukehren und etwas zu zahlen, das er gar nicht wollte.

Er verließ die Taverne und ging auf die Brücke, um sich auf der Mauer niederzulassen. Herzhaft biss er in die erste Keule und fand den Geschmack interessant. Es war ein Gewürz darauf, dass er nicht kannte, ihm aber durchaus zusagte. Wenig später war er fertig und entsorgte die Knochen in den Fluss, der unter der Brücke hindurch floss. Zumindest war der erste Hunger gestillt. Aus seinem kleinen Lederbeutel entnahm er den Trinksack, dessen verbleibenden Inhalt er mit einem Zug leerte.

Der Jäger blieb noch etwas sitzen und kehrte in Gedanken zu Antares und Nashira zurück. Wäre Bjator nicht gewesen, würde er wahrscheinlich gerade mit Antares auf der Pirsch sein, während Nashira das Lager für die Nacht aufbauen würde. Es tat ihm im Herzen weh, dass er seinen Kindern dieses Erlebnis entsagen hatte müssen - auch er selbst hatte sich schon darauf gefreut. Aber so wie er Beatrix kannte, würde sie sich der beiden annehmen und mit ihnen etwas anderes unternehmen, damit die Enttäuschung etwas weniger herb war. Obwohl sie nicht mehr seine Frau war, empfand Sixtus weiterhin Zuneigung für sie. Er vermisste auch sie im Moment.
Trotzdem war es seltsam, denn er war schon öfters für einige Tage dem Lager fern geblieben und hatte keine solche Sehnsucht nach nur einer Nacht verspürt. Es lag wohl an der Entfernung, die zwischen ihnen lag und dem Wissen, dass er in den nächsten Tagen auch nicht nach Hause zurückkehren würde. Er dachte darüber nach, sich heute Nacht mit einer Frau zu vergnügen, um sich abzulenken und die Sehnsucht zu lindern. Das war der Vorteil der Ungebundenheit, er war Beatrix nicht mehr verpflichtet. Doch die Leidenschaft würde noch etwas warten müssen. Die Sonne stand noch am Himmel und somit konnte er seinen Auftrag fortsetzen.

Von der kurzen Rast und dem Imbiss erholt, stand Sixtus wieder auf und blickte sich um. Er hielt Ausschau nach Personen, die ihm weitere Fragen zu der Dunklen Brut beantworten konnten. Ein stattlicher Mann in einer Rüstung, die den Anschein weckte noch nicht viele Kämpfe durchlebt zu haben, fiel ihm auf. Dieser sprach gerade auf eine ältere Frau ein. Der Jäger richtete sein Hab und Gut und marschierte dann auf die beiden zu. Währenddessen lauschte er ihren Worten.

„Ich kann wirklich nichts für Sie tun, gnädige Frau.“
„Meine Knochen würden eine Nacht im Freien nicht überleben, verstehen Sie mich? Sie müssen mir helfen.“
„ Wie ich Ihnen schon sagte: mir gehören keine Zimmer. Sprechen Sie mit Danal oder fragen Sie in der Kirche nach.“
„Habe ich schon! In der Kirche ist kein Platz mehr und Danal vermietet an den Meistbietenden. So viele Münzen habe ich nicht.“
„Es tut mir leid, aber dann werden Sie unter freien Himmel nächtigen müssen.“
„Das können Sie einer alten Frau wie mir nicht antun.“
Normalerweise galt es Frauen zu schützen und sie vor Gefahren zu bewahren. Aber das Gehabe dieses Weibs widerte Sixtus an. Eine Nacht im Freien zu verbringen war nun wirklich keine Gefahr und kein Grund, mit dem sie diesen Mann belästigen sollte. Vor allem da er ihr gesagt hatte, dass er nicht weiterhelfen konnte. Also mischte er sich einfach in das Gespräch ein.
„Du wirst die Nacht schon überleben, es sei denn, du bist zu schwach. Denn nur die Schwachen und Kranken sterben. Dadurch wird allerdings der Clan stärker.“
Der Gesichtsausdruck der Frau wechselte von Unglauben über Empörung bis hin zu offensichtlicher Entrüstung.
„Junger Mann, was fällt Ihnen ein? Das habe ich nun wirklich nicht nötig!“ Mit diesen Worten stapfte sie davon. Doch auch der Mann in der Rüstung schien von seinen Worten überrascht zu sein und zeigte keine Spur von Dankbarkeit, obwohl Sixtus ihm das lästige Weib vom Leibe hielt.

„Wilde…“, murmelte er vor sich hin und schüttelte den Kopf. Doch dann fasste er sich wieder. „Kann ich Ihnen behilflich sein?“
„Was wissen Sie über die Dunkle Brut.“, fragte der Jäger. Der Mann fuhr sich mit einer Hand durch die Haare.
„Weniger als mir lieb ist. Ich weiß nur das, was die Leute mir erzählen und von jedem hört man andere Geschichten. Sicher ist nur, dass die Kreaturen von Süden kommen und darum Lothering von Flüchtlingen überschwemmt wird.“, entgegnete er. „Wen könnten Sie denn am besten fragen… hm…“
Erneut strich er sich über den Kopf, doch dann hatte er wohl eine Idee. „Vorhin hatte ich eine Chasind am Anfang des Dorfes gesehen. Die kommen ja aus dem Süden, sie kann Ihnen bestimmt weiterhelfen. Aber sind Sie nicht auch von dort?“
„Nein, ich bin kein Chasind“, erwiderte Sixtus bestimmt.
„Oh, entschuldigen Sie meinen Irrtum. Gehen Sie einfach in diese Richtung und am Ende des Dorfes müssten Sie auf die Chasind treffen.“
Sixtus nickte und folgte dann der gezeigten Richtung. Es ging wieder über die Brücke und an der Taverne vorbei und noch einige Fuß weiter, dann sah er sie. Ihre blutige Lederkleidung sowie ihre Erscheinung stachen aus den anderen Menschen hervor. Zeichnungen zierten ihr Gesicht, doch auch die waren teilweise von Blut bedeckt. Ob es ihr eigenes war?
Ohne zu zögern und einen weiteren Gedanken daran zu verlieren, schritt Sixtus auf sie zu. „Bist du die Chasind aus dem Süden?“

Tag 3, Später Nachmittag

Koudelka
26.07.2011, 05:22
Die Hinterlande >>>>

Lothering
Tag 3, Mittags

Das ist es? Koudelka blieb langsam stehen und betrachtete die kleine Ortschaft einige tiefe Atemzüge lang stillschweigend. Das Dorf war bereits aus einiger Entfernung sichtbar gewesen, doch das wahre Übel und Elend hatte sich erst jetzt zu erkennen gegeben. Die Gruppe von erschlagenen und mit Magie versengten Wegelagerern, die stinkend und faulend quasi an der Türschwelle Lotherings lagen, waren nur der Anfang und das, was die Chasind am wenigsten bekümmerte. Die Wiese vor ihr, die über eine verfallene Steintreppe mit dem imperialen Hochweg verbunden war, war viel interessanter. Dutzende von behelfsmäßig zusammengeflickten Zelten, die vom Wetter und der Vegetation schon jetzt vollkommen mitgenommen waren, zwängten sich um mehrere, vor sich her kokelnde, Lagerfeuer und dazwischen trieben sich Flüchtlinge rum. Jedoch waren dort kaum, wenn nicht sogar gar keine, Soldaten dabei und das einzige was die Kriegerin sah, waren Alte, Kranke, Verletzte, Weiber, Krüppel und Kinder. Kurzum diejenigen Kreaturen, die man dem sicheren Tod überlassen hatte.

„Ist das das, was du dir erhofft hast?“, der spottende Unterton in den Worten Clevgars bohrte sich wie ein Pfeil durch Koudelkas Brust und das wusste er, denn er setzte sofort nach. Allerdings nicht mit weiteren Worten, sondern mit der massiven Kriegsaxt, die er sein eigen nannte. Die Chasind machte einen eiligen und uneleganten Sprung zur Seite und noch während sie sich dem Mann zudrehte und dabei darauf traute, dass nicht sofort ein weiterer Angriff kommen würde, zog sie ihre eigene, einhändige Axt. Doch ein weiterer Schwung blieb tatsächlich aus und stattdessen sprach Clevgar ein weiteres Mal, jedoch seinerseits stets Kampfbereit.
„Der Älteste hat sich an dich geklammert und uns alle dazu verdammt, dir in diese Schlacht zu folgen. Und nun schleppst du dich davon, nach Ferelden. Du versteckst dich hinter einem Volk, dass nur aus…“, der muskulöse Krieger machte einen kurzen Augenblick Pause, in welchem er an den Rand des Hochweges heran trat und eine abfällige Handbewegung in Richtung des Dorfes und seiner Bewohner machte. „…diesem besteht.“
Koudelka war sich nicht sicher, ob er sie mit dieser kleinen Rede nur provozieren, zum nachdenken bringen oder gar verspotten wollte. Worin sie sich aber sicher war, war, dass er mit der letzten Geste seine Aufmerksamkeit zu sehr von seiner Verteidigung abgelenkt hatte. Noch dazu hatte er es vollbracht, sie innerlich in Rage zu bringen. Zusammen mit der dritten Gegebenheit, ihrer generellen Abneigung gegen diesen Mann, fasste sie einen schnellen Entschluss. Trotz der Muskeln fraß die grobe Axt sich ein tiefes Stück in den Arm des Chasind, welcher seinerseits sofort – und zu Koudelkas Erstaunen mit einem tatsächlich überraschten Blick – seine eigene Waffe hochriss. Nun jedoch wurde ihm dessen Schwerfälligkeit zum Verhängnis, denn so schnell wie der erste Hieb gekommen war, setzte seine Kontrahentin den zweiten nach, mit welchem sie ihm eine grobe, lange, Fleischwunde grade über die Brust versetzte. Schon der nächste, gekonnte Tritt beendete den Kampf und ließ Clevgar mehrere Schritte nach hinten stolpern. Seine Axt landete mit einem dumpfen Krachen auf dem Boden, fügte dem abgehärteten, steinernen Untergrund dabei aber so gut wie keinen Schaden zu. „Was willst du mir sagen?!“, erst jetzt erhob Koudelka das Wort und machte binnen dieser Zeit die Distanz zwischen ihr und ihm wieder wett. „Womöglich, dass du davongerannt bist, genauso wie jeder andere von uns auch?! Oder das du ein verdammtes Problem mit der Entscheidung des alten Mannes gehabt hast?! Vielleicht ist es auch ein Problem mit meiner Führung?!“
Trotz der Fragen ließ sie den Chasind nicht antworten, sondern beendete das Gespräch mit einem letzten, scheppernden Waffenhieb gegen seinen Kopf, als er versuchte aufzustehen. Ein grunzendes Stöhnen war somit das Letzte, was über seine Lippen kam, bevor er erneut die Balance verlor und rückwärts auf den Steinboden krachte. Der nächste Umstand war von Koudelka zwar nicht eingeplant, doch es amüsierte sie dennoch und trotz - oder grade grad wegen - der Wut in ihren Adern besonders, als der schwere Körper über das letzte kurze Stück des Hochwegs schlitterte und dann mit einem mal über den Rand fiel.
Neugierig ob des Anblicks trat sie an diesen heran, als sie sich jedoch vorbeugte und somit den einige Fuß tiefen, künstlichen, Abgrund herab sah, wurde sie enttäuscht. Zwischen den Sträuchern und Gräsern der wild bewachsenen Ebene sah sie zwar im groben den Krieger liegen, jedoch war sein Körper noch genauso intakt, wie kurz vor dem Sturz. „Du hättest nur früher sagen müssen, dass du nicht mitkommen willst.“, spottet sie über den Toten und gab dabei ihrer Abscheu und ihrem Hass, nicht nur über ihn, sondern über all die Ereignisse in den letzten Wochen, Ausdruck.
Nun war sie die Letzte. Allein, in Ländereien, in denen die Bewohner sie genauso missmutig betrachteten, wie sie es mit ihnen tat. Die aufkommenden Gedanken daran schüttelte Koudelka jedoch schnell ab und während sie sich umdrehte, um endlich dieses mickrige, verdammte Lothering zu betreten, schweifte ihr Blick über Clevgars Kriegsaxt. Viele Krieger wünschten es sich, zusammen mit ihrer Waffe zu fallen und zu verrotten, auch er war einer von diesen, jedoch verspürte sie keinerlei Drang, ihm diesen letzten Dienst, einen Wohlgefallen, zu erweisen – sie ließ die Waffe dort liegen, wo sie war und steckte nur ihre eigene wieder weg.

„He!“, Koudelka ignorierte den Aufruf und setzte weiter einen Schritt vor den nächsten, nicht nur, dass sie sich nicht sicher war, ob überhaupt sie gemeint wurde, sie hatte auch keinerlei Interesse daran, sich nun mit irgendwem zu beschäftigen. Ihr fehlte die Lust, vor allem aber die Geduld, sich mit bettelnden Blagen, sabbernden Alten oder jammernden Krüppeln auseinander zu setzen. „Hey!“, diesmal war die Aufforderung lauter und es war für jeden im Umkreis zu erkennen, dass er ihr galt.
Die Erkenntnis wurde für jeden jedoch auch sofort überfällig, denn der Sprechende hatte die Chasind mit einer kräftigen Hand an der Schulter gepackt und sie fast schon gewaltsam dazu gezwungen, sich ihm zu zuwenden. Verfluchter Bastard. Trotz der noch immer in ihr waltenden Wut und dem dringenden, beinahe schon zwanghaften Verlangen, noch etwas oder jemanden umzubringen, riss sie sich zusammen, als sie den Mann sah, der sie aufgehalten hatte.
Er schien ein Soldat zu sein, auch wenn er wesentlich besser ausgerüstet war, als die aus Ferelden, die ihr sonst irgendwo untergekommen waren. Das Entscheidende war jedoch, dass er zum einen nicht alleine war und zum anderem sie sich in einem Dorf seiner Leute aufhielt. In Anbetracht der Gewissheit, dass sie mit den Bewohnern selbst bei einem kurzen Aufenthalt wohl schnell aneinander geraten konnte und würde, hielt sie es daher für besser, den Moment lang einfach zurückhaltender zu sein. Das hieß jedoch nicht, dass sie zu dem Fremden freundlich sein musste und genau das drückte sie mit dem Ton ihres nächsten Wortes aus. „Was?“
„Die Frage sollte ich ja wohl stellen.“, kam es in ernsten und direkten Worten zurück, doch trotzdem schien der bereits angegraute, von einer kampferprobten, soliden Eisenrüstung geschützte, Veteran ihr nicht drohen zu wollen. „Der Kampf dort, wir haben ihn beobachtet. Ich weiß nicht, um welche wilden Sitten euresgleichen es dort nun schon wieder ging…“, während des letzten Satzes hatte er sich immer näher an sie heran gebeugt, um sie mit einem skeptischen und harten Blick zu mustern. Hatte er bisher nicht drohen wollen, so tat er es nun. „… und es ist mir auch egal, er hat zuerst die Waffe gezogen, damit war es euer Recht. Dennoch, wir dulden Euresgleichen hier in Lothering, doch wenn Ihr Unruhe macht, dann werfen wir Euch der Brut als Ablenkung vor die Füße.“
Koudelkas Antwort war ein zugleich abfälliges aber auch amüsiertes Schnauben, das als eine Art Zustimmung herüberkam. Dachte dieser alte Mann wirklich, sich mit ihr messen zu können? Sie hatte schon jüngere und somit stärkere Krieger und Soldaten erledigt, allen voran ihren Vater. Wie bereits zuvor versuchte sie es aber auch nun wieder mit einer Mischung aus Geduld, Vernunft und Vorsicht. Diese instabile Mixtur wurde jedoch vollends belastet, denn kaum das sie eine Chance gehabt hatte, sich von der vermeidlichen Wache zu entfernen, mischte sich jemand Drittes in das schon beendete Gespräch ein.
„Ser Walther.“, sprach die Frau in mittlerem Alter und mit kurzen, dunkelbraunen Haaren den Veteran nun an. „Unsere Situation ist schon kläglich genug und für die Flüchtlinge… für die, die Ostagar überlebten, ist es alles noch schlimmer.“, appellierte sie weiter an ihn und sorgte in Koudelka beinahe dafür, dass sie sich übergab. Erst bei zweiter Betrachtung erkannte sie die Kleidung der Priesterin wieder. Eine diese Närrinnen, zu denen auch das Mädchen gehörte!, schoss es der Chasind durch den Kopf, wobei ihr auch auffiel, dass die Robe dieser Frau weitaus feiner und verzierter schien, als die von Sophia es gewesen war. Die knappe Unterhaltung zwischen der Priesterin und dem Ser entging ihr vollkommen und erst, als sie plötzlich wieder direkt angesprochen wurde, wandte Koudelkas Verstand sich den Fremden zu. „Und Ihr, auch wenn es ein trauriger Umstand ist, was dort vorhin geschehen ist, so müssen wir alle in diesen Zeiten unsere Bürde tragen. Der Erbauer vergibt dem, der willentlich ist.“, pries sie plötzlich, sprach dann aber sofort und nun in einem klaren, gierigen Ton weiter. „Und ich nehme an, ihr tragt da Fleisch bei Euch. Viele hier haben seit Tagen nichts mehr gegessen, es ist entweder kein Essen da, oder es ist zu teuer. Ihr wollt diesen armen Menschen doch in ihrer Not bestimmt etwas Gutes tun.“
Koudelka war sich nicht sicher, ob dieser letzte Satz eine Bitte oder eine Aufforderung war, doch binnen eines knappen Augenblickes hatte sie eine Entscheidung gefällt. „Ihr seid Mitglied der Kirche?“, fragte sie in beinahe neutralen Ton nach und nach dem sie ein bestätigendes, wenn auch leicht irritiertes „Ja, das bin ich.“ als Antwort erhalten hatte, überreichte sie der Priesterin mit einer großzügigen Geste den Beutel mit Sophias Fleisch. „Dann gehört das hier Euch… und den… Bedürftigen.“ schwachen Krüppeln. Sie warf dem Ser noch einen letzten Blick zu und entfernte sich dann endlich und ein für alle mal von den Beiden. Ein schelmisches, bösartiges Grinsen zeichnete sich auf ihren schmutzigen Lippen ab, während sie hinter sich die Worte der Priesterin vernahm. „Seht Ihr, Ser Walther, auch in einer Fremdartigen kann eine gute und mitfühlende Seele stecken.“

Die Luft ist so anders., wunderte sich die Kriegerin, als sie den Kopf wieder anhob und hinaus auf die offene Graslandschaft vor Lothering sah. Kurzum fragte sie sich auch, wieso ihr dies erst jetzt auffiel, war doch die Luft nicht nur der einzige Unterschied zu den stickigen Morasten und kalten Sumpflanden, welche sich im Süden Meilenweit erstreckten. Koudelka war einige Zeit eher ratlos durch das kleine Dorf geschlendert und dadurch auch schnell wieder an einer breiten Hauptspassage, die hinausführte, angekommen. Nun saß sie dort und ein Blick zur Sonne verriet schnell, dass sie das schon länger tat, als sie geglaubt hatte.
Mit einem hatte Clevgar recht gehabt, auch wenn er es nur zwischen den Zeilen gesagt hatte – sie hatte keine Ahnung, was nun kommen oder getan werden sollte. Es war ihr, als die Einzige ihrer Gruppe, gelungen, der Brut und der Niederlage bei Ostagar zu entkommen, doch wohin sollte sie nun? Die meisten Chasind, die nach Norden gewandert waren, taten dies, weil sie sich ein komfortableres Leben als Söldner versprachen und wenn der Rest dieses Landes in dem Zustand war, wie dieses Dorf, dann gab es für Söldner vermutliche bald sehr viele Gelegenheiten, zu arbeiten und zu kämpfen. War es das, was sie tun sollte? Für Münzen kämpfen, bis sie irgendwann den falschen Auftrag annehmen würde? Es erschien zumindest als die offensichtlichste Option, diese wurde allerdings binnen eines Gedankenganges zerschlagen. Die Brut marschiert hierher und in wenigen Wochen oder Monaten wird es niemanden mehr geben, der mich – oder irgendjemand anderen – bezahlen könnte.
Die Erkenntnis brannte in ihrem Verstand und wie schon in den Tagen zuvor verfluchte Koudelka sich ein weiteres Mal dafür, dass sie nicht einfach im Kampf geblieben und gefallen war. Doch es gab noch immer die Möglichkeit, dies zu ändern – sie müsste nur wieder zurück gen Süden wandern. „Bist du die Chasind aus dem Süden?“
Die Frage kam überraschend, denn auch wenn sie den Mann, der vom Körperbau Clevgar in Groß hätte sein können, in an den Augenwinkeln bemerkt hatte, hatte sie nicht damit gerechnet, dass er sie ansprechen würde. Woher denn sonst?, dachte sie spottend und verlieh der Frage mit einer scharfen Bemerkung Ausdruck. „Nein, ich bin eine Chasind aus dem Osten. Weit hinter dem Meer, über welches ich geschwommen bin, um Vettern hier im Süden zu besuchen.“, Koudelka hob den Kopf an, wobei sie ihn zwangsläufig in den Nacken legen musste, um dem, in Fell gekleideten, Fremden ins Gesicht sehen zu können. „Daher kommt der ganze Dreck und das Blut. Vom schwimmen.“, gab sie weiterhin trocken von sich, bevor sie einen klaren, aber auch mies gelaunten Ton anschlug. „Natürlich bin ich aus dem Süden. Was willst du?“

Tag 3, später Nachmittag

Sixtus Juniper
26.07.2011, 14:50
Lothering

Sixtus war über den Spott und den miesmutigen Tonfall in ihrer Stimme überrascht. So eine Reaktion hätte er von Dorfbewohnern erwartet, aber nicht von einer Frau, die, wie er selbst, in der Natur lebte. Einer verwandten Seele, wenn man es so haben wollte. Wobei die meisten Dorfbewohner sicherlich nicht den Mut aufbrachten, solch eine Antwort zu geben. Er wusste nicht so wirklich, was er von ihr halten sollte und betrachtete für einen Moment nur stumm ihre Gesichtszüge, versucht sie einzuschätzen. Sie schien kein wirkliches Interesse an einer Unterhaltung zu haben, aber in ihren Augen brannte ein gewisses Feuer. Trotzdem hätte Sixtus lieber mit einem Mann gesprochen, einen Krieger oder Jäger. Doch er hatte nicht die Wahl und sie schien vorerst die beste Informationsquelle zu sein.

„Ich suche jemanden, der die Kreaturen der Dunklen Brut kennt. Der weiß, woher sie kommt, wo man sie findet und was sie macht. Jemand der ihre Stärken aber auch ihre Schwächen kennt und vor allem der weiß, wie man sie jagt und zur Strecke bringt.“, entgegnete er. „Bist du so jemand?“
Er wagte nicht darauf zu hoffen, dass seine Beschreibung auf diese Chasind zutraf. Zwar hatte sie Waffen bei sich und einen vom Leben in der Natur gestärkten Körper, aber sie war dennoch eine Frau.

Tag 3, Später Nachmittag

Koudelka
26.07.2011, 23:16
Lothering

Der unbekannte Krieger wirkte von der zynischen Antwort überrumpelt, einen Umstand, denn Koudelka ausnutzte, um ihn eingehender zu begutachten. Wie es ihr schon zuvor aufgefallen war, war er groß gewachsen und, selbst für das, was sie sonst unter ihresgleichen sah, verfügte über einen auch sonst beeindruckenden Körper. Zumindest sprach dass der Teil, denn sie sehen konnte. Eine weitere, sichere Erkenntnis war für sie, dass er selber nicht aus dem Norden von Ferelden kommen konnte, denn bisher hatte sie unzählige von diesen gesehen und keiner sah in Körperbau, Größe, den Gesichtszügen, vor allem aber der Ausrüstung, auch nur im entferntesten so aus, wie er. Koudelka hatte bereits den ironischen Gedanken, dass er ein Barbar oder ein Wilder sein müsste, jedoch nannte man auch ihresgleichen so und das er kein Chasind war, davon war sie nach seinen ersten Worten schnell überzeugt gewesen.

Der Überraschungsmoment war jedoch vorbei und der Barbar, Wilde, Fremde, Mann, was auch immer er nun sein mochte, sprach sie wieder in genauso nüchternen Ton an, wie zuvor schon. „Ich suche jemanden, der die Kreaturen der Dunklen Brut kennt. Der weiß, woher sie kommt, wo man sie findet und was sie macht. Jemand der ihre Stärken aber auch ihre Schwächen kennt und vor allem der weiß, wie man sie jagt und zur Strecke bringt. Bist du so jemand?“
Während er seine Ausführungen vorbrachte und die dazugehörige Frage stellte, wurde der Blick der Kriegerin nicht nur skeptischer, sondern auch noch eine Prise missmutiger. War er nun gekommen, um sie zu verspotten, in dem er ihr auf irgendeine hinterlistige Weise vorwarf, dass sie nicht wusste, was es mit ihrem Feind auf sich hatte? Koudelka beschloss jedoch schnell, dass das nur ihre eigene Paranoia sein konnte. Sie hatte diesen Kerl immerhin noch nie gesehen und jeder, der sie kannte, war nun tot. Warum sollte ich dir antworten? Wäre eigentlich ihre erste Gegenfrage gewesen, die sie ihm frei heraus an den Kopf geschleudert hätte, nun jedoch war ihr nicht danach, sie wollte lediglich ihre verfluchte Ruhe haben. Desto konfuser war es eigentlich, als sie eine wahrheitsgemäße Antwort gab. „Vielleicht, wenn du deine Bedingungen so stellst. Doch du wirst niemanden finden, der die sagen kann, wie man die Brut jagt, denn sie jagt dich.“, Koudelka zog ihr rechtes Knie an und stützte ihre Arme darauf, als sie einen knappen Moment Pause machte. „Es läuft auf das Selbe hinaus. Also, ja.“

Sixtus Juniper
27.07.2011, 13:36
Lothering

Unerwarteterweise bejahte die Chasind Sixtus‘ Frage. Wobei sie ihm auch erklärte, dass die Dunkle Brut selber Menschen jagt. Doch von wem sprach sie? Von den schwächelnden Dorfbewohnern? Die waren sicherlich kein Maßstab. Sixtus war sich sicher, dass er alleine drei Dutzend dieser verweichlichten Männer bekämpfen konnte. Die Krieger der Chasind waren sicherlich kräftiger und vor allem unerschrockener, aber da er sie nicht kannte, vermochte er sie nicht einschätzen. Es lief darauf hinaus, dass er wohl genauer nachfragen musste, um mehr Wissen über die Dunkle Brut zu erlangen.

Der Jäger nahm seinen Bogen ab und setzte sich der Chasind gegenüber auf den Boden. Den fünfeinhalb Fuß langen Bogen legte er dabei über seine verschränkten Beine. Vielleicht war es leichter, wenn er ihr einfach erzählte, was seine Aufgabe war.
„Man nennt mich Sixtus vom Stamm Juniper aus dem Frostgipfelgebirge.“, stellte der Avvar sich zuerst vor. „Ein Händler, der sich in den verschneiten Wäldern verirrt hatte, erzählte uns von einem heraufkommenden Übel, die Dunkle Brut. Meine Pflicht ist es, mehr darüber herauszufinden. Ich muss feststellen, ob die Dunkle Brut eine Bedrohung für meinem Stamm ist oder nicht.“, erklärte er der Chasind seine Lage. „Ihr stammt weiter aus dem Süden. Ist die Dunkle Brut für euch eine Gefahr? Bist du deswegen hier?“

Tag 3, Später Nachmittag

Koudelka
29.07.2011, 04:02
Lothering

Koudelka fixierte den Fremden, als er sich unweigerlich vor ihr hinsetzte und fragte sich schon im nächsten Moment erneut, wieso sie ihm überhaupt zuhörte. Zuerst befürchtete sie noch, dass er ihr jetzt seine halbe Lebensgeschichte herunterpredigen würde, doch sie wurde überrascht, denn schon nach zwei Sätzen war dieses Kapitel abgeschlossen. Nun wusste sie immerhin seinen Namen, seine Herkunft und wohl seinen Auftrag – nicht, dass diese Dinge sie je interessiert hatten.

„Ihr stammt weiter aus dem Süden, Ist die Dunkle Brut für euch eine Gefahr? Bist du deswegen hier?“, fragte Sixtus von den Juniper sie mit den nächsten Atemzügen. Koudelka wusste selber nicht, wieso sie daran dachte, was sie dem Mann antworten konnte, es war keine Langeweile, denn für Langeweile ging zu viel in ihr und um sie herum vor sich. Es war wohl eher die Ablenkung, die sie dazu brachte. „Die Brut war eine Gefahr für uns.“, begann sie mit einem ruhigen und in gewisser Weise mitleidslosen Ton. „Inzwischen gibt es vermutlich zu wenige meinesgleichen, die in Gefahr sein könnten. Die Korcariwildnis, der Süden, gehört jetzt denen. Ostagar hat das besiegelt und ich bin nur hier, weil ich eine derjenigen war, die von dort… die das überlebt haben.“

Sixtus Juniper
17.08.2011, 21:40
Lothering

Die Antwort der Chasind verwunderte Sixtus. Hatte er sie richtig verstanden, ihr Stamm wurde von der dunklen Brut vernichtet und sie war die einzige Überlebende? Vielleicht kannte sie ein Geheimnis, wie man der Brut widerstehen konnte. Wenn es solch ein Geheimnis gab, dann musste er es in Erfahrung bringen.
„Wie konntet Ihr…“ Weiter kam der Avvar-Jäger nicht, denn er wurde von einer lauten, schrillen Stimme unterbrochen.
„Chasind!“, rief jemand abfällig und als Sixtus in die Richtung sah, entdeckte er einen dürren Mann. Diesem fehlte das linke Ohr und seine trockenen Lippen waren aufgeplatzt. In der Hand hielt er einen rostigen Säbel. Die Spitze der Waffe zitterte und insgesamt schien der Mann ein wenig hin und her zu schwanken.
„Ihr habt mir das angetan, ihr gottverlassene Wilde!“ Mit seiner freien Hand deutete er auf sein fehlendes Ohr. „Und jetzt kommt ihr in mein Dorf und stehlt uns unsere letzte Nahrung. Verschwindet von hier, haut ab! Ich hasse euch!“

Zur Bekräftigung spukte er vor sich auf den Boden. Dabei verlor er fast das Gleichgewicht und konnte sich nur durch einen kleinen Schritt vor einem Sturz retten. Es war offensichtlich, dass seine Sinne stark berauscht waren. Gefahr stellte er keine dar.
Sixtus wandte seinen Blick ab und sah zu der echten Chasind. „Nun, da seid nur Ihr betroffen“, meinte er und musste aufgrund der Lächerlichkeit grinsen. „Darf ich Euch die Ehre erweisen, ihn Euch vom Leibe zu halten?“

Tag 3, Später Nachmittag

Koudelka
27.08.2011, 15:43
Lothering

Koudelka warf dem gebrechlichen und verkümmerten Abbild eines Mannes einen lauernden Blick aus ihren Augenwinkeln zu. Ein Beobachter konnte die mörderischen Gedanken, die sich hinter ihren Augen verbargen nur erahnen, sie selbst dagegen kannte und genoss die brutalen Vorstellungen, die sich in ihrem Kopf manifestierten genau. Dennoch hielt die Gewissheit, wo sie war und was im Falle eines Kampfes geschehen würde sie davon ab, ihrer Fantasie Ausdruck zu verleihen. Statt sich also mit einem wahnsinnigen Grinsen auf das Opfer zu stürzen, stand sie schweigend auf, ohne der Frage Sixtus‘ auch nur eine Antwort gewürdigt zu haben.

Mit der Kriegsaxt in der einen und dem Dolch in der anderen Hand wandte die Kriegerin sich dem Dorfbewohner zu. An ihrer Seite hingen die vorsichtig eingeschnürten Armklingen und für einen kurzen Gedanken bedauerte die Chasind, dass sie diese – ihre liebsten Waffen – noch immer nicht gereinigt und gepflegt hatte - nach den Kämpfen um Ostagar hätten diese es nämlich dringend nötig gehabt. „Du Wilde!“, wurde sie erneut angeschrien, doch auch diesmal entgegnete sie kein Wort, sondern starrte ihrem Gegenüber, dass noch immer ein halbes Dutzend Meter entfernt stand, in die Augen. Der Dorfbewohner stolperte einen halben Schritt vor und wankte dann wieder, wobei er mit seinem schartigen Säbel wild und unkoordiniert in der Luft herumfuchtelte. „Verschwindet!“, kam es ein weiteres Mal. „Wir wollen euch hier nicht haben!“
Koudelka atmete leise durch, eigentlich hätte sie ihm die Axt in das Gesicht geschleudert und den Streit damit beendet. Diese Möglichkeit blieb ihr hier jedoch verborgen und auch, wenn ihr die Erkenntnis nicht gefiel, so fühlte sie sich mit der Situation fast schon einen Hauch überfordert. Konflikte – vor allem Konflikte mit Fremden – löste sie stets auf gewalttätige Art und Weise. Also was sollte sie tun? Sich die wenigen halbherzigen Beobachter wenden, die von den provisorischen Schlafplätzen aus zuschauen konnten? An die Wachen, von denen sie wiederum nicht eine einzige sah? Solle sie den Störenfried einfach ignorieren?
Das Ignorieren nicht in Frage kam, war ihr sofort klar und somit musste sie sich für die letzte Möglichkeit, die ihr in den Sinn kam, entscheiden. Sie ging gradewegs und im Eiltempo auf den Dorfbewohner zu, ohne dabei eine einzige Silbe über ihre schmutzigen, spröden Lippen zu bringen. Genauso ging es plötzlich dem Trunkenbold, der an Ort und Stelle noch immer sachte herum taumelte. Als er dann jedoch realisierte, dass die Wilde auf ihn zukam und dabei ihre beiden Waffen gezogen hatte, weiteten sich seine Augen für den Bruchteil einer Sekunde, bevor er plötzlich laut aufschrie, seinen Säbel hoch über seinen Kopf riss und auf sie zustürmte.

Der Kampf hatte damit begonnen, dass Koudelka ihn beendete. Die verrostete Klingenwaffe hatte sie dem Dorfbewohner mit einem kräftigen Hieb der Axt aus der Hand geschlagen und ihm dabei obendrein und völlig beabsichtigt einige der Finger verletzt, oder gar gebrochen. Die Wucht, mit der er seinen Körper gegen den ihren geschleuderte hatte, ließ sie zwar einen halben Schritt zurückweichen, konterte ihr Manöver jedoch nicht, sondern verstärkte dessen Wirkung nur noch. Ihr linkes Knie grub sich kraftvoll in seinen Unterleib und sorgte unweigerlich schnell dafür, dass der betrunkene Mann mit einem Stöhnen auf den Boden sackte.
Die Chasind fixierte ihn mit einem düsteren Blick und entspannte sich gleichzeitig wieder. Eigentlich hatte sie noch mehr wütendes Geschrei und zusätzliches Erbrochenes erwartet, doch die Lage ging friedlicher als geplant aus – und war vor allem schneller als erwartet zu Ende. Der Angreifer fiel einfach vornüber und verblieb in dieser eigenartigen Pose, in welcher er lediglich seinen Hintern in die Luft streckte. Einige Augenblicke später realisierte Koudelka, das er entweder bewusstlos geworden oder einfach eingeschlafen war.
Solange er noch lebt., damit schloss sie das gesamte Ereignis für sich ab und nach dem sie feststellte, dass sich eigentlich noch immer niemand großartig für das Schauspiel interessiert hatte, steckte sie ihre zwei Waffen wieder weg, ließ den Betrunkenen betrunken sein und marschierte gradewegs zu ihrem vorherigem Lagerplatz zurück.

Noch immer ohne ein Wort gesagt zu haben ließ sie sich an der niedrigen Steinmauer, die die Häuser Lotherings vor unerwünschtem Wildleben schützen sollte, herab rutschen. „Wenn Ihr was über die Brut wissen wollt – Sie kämpfen besser, als dieser Kerl es nun getan hat.“, sprach sie schließlich in einem kühlen Ton aus, ohne dabei überschwänglich amüsiert zu klingen.

Tag 3, später Nachmittag

Sixtus Juniper
11.10.2011, 20:38
Lothering

Die Chasind gab wohl nichts auf Sixtus’ Ehre und stellte sich dem albernen Mann. Allerdings war der Kampf, sofern man ihn so nennen wollte, nach der ersten Konfrontation beendet. Entgegen den Erwartungen des Jägers ohne dem Tod des Narren. Sie kam zurück und setzte sich wieder.
„Das habe ich schon erkannt.“, entgegnete der Jäger, als sie meinte, dass die Dunkle Brut gefährlicher war als der Mann. „Du hättest ihm jedoch auch sein zweites Ohr abschneiden sollen, damit er sich immer an diese Begegnung erinnert.“
Er schüttelte den Kopf und kehrte in Gedanken wieder zu der Unterhaltung zurück. Konnte er sie fragen, warum sie überlebt hatte, oder würde er sie mit dieser Frage beleidigen? Sixtus hatte keine Angst vor ihr, aber sie wusste sicherlich noch einiges, das ihm von Nutzen sein würde. Wie konnte er sie dazu bringen, mehr zu erzählen? Unterhaltungen waren nicht sein Stärke.

„Was hast du jetzt vor?“, fragte Sixtus und wechselte somit das Thema, da er keinen Einfall hatte, wie er sie mehr über die Dunkle Brut ausfragen konnte.

Koudelka
12.10.2011, 11:03
Lothering

Koudelka hatte sich grade erst hingesetzt und auch wenn es ein unbehagliches Gefühl war, so spürte sie wie ihr Körper ihr für jegliche Entlastung ein wenig dankte. Und als ob dieses Zeichen der Schwäche nicht schon genug war, belehrte sie der Fremde unnötigerweise auch noch über die Art und Weise, wie sie mit dem Störenfried umgegangen war. „Du hättest ihm jedoch auch sein zweites Ohr abschneiden sollen, damit er sich immer an diese Begegnung erinnert.“, bevor die Chasind dem Krieger einen scharfen, hasserfüllten und zugleich, ob seiner weichen Methoden, spöttischen Kommentar entgegen fauchen konnte, wechselte er jedoch das Thema. „Was hast du jetzt vor?“

Was ich jetzt vor habe? Was glaubst du, was ich vor habe? Für einige Momente erwiderte die Kriegerin auf die Frage nur einen skeptischen Blick, woher sie dann aber die Gelassenheit für ihre tatsächliche Antwort nahm, war ihr ein Rätsel. „Hör mir zu, Sixtus vom Stamm der Juniper aus dem Frostgipfelgebirge – sehe ich so aus, als wüsste ich, was ich nun vor habe?“, die Sekunden kurze Pause, die Koudelka einlegte, reichte lediglich aus, um in ihren skeptischen Ton einen leicht sarkastischen hinzu zu mischen. „Aber wenn du mich so fragst, ich denke ich werde mich hier irgendwo niederlassen. Ein ruhiges Leben führen.“, ein weiterer Atemzug trennte diesen Satz von ihrem nächsten, der wieder in vollkommener Trockenheit über ihre schmutzigen Lippen kam. „Vielleicht gründe ich sogar eine Familie.“

So schnell wie Koudelkas Motivation für die vorlauten Antworten gekommen war, so schnell verschwand sie aber auch wieder – für Spott und Späße hatte sie grade eigentlich überhaupt keine Nerven über. Zu ihrem Vorteil schien Sixtus, in seinem offenbar viel zu großen Kopf, noch darüber nachzudenken, wie er jetzt auf sie reagieren sollte und somit blieb der Chasind nochmals eine Chance, etwas zu sagen. Die Ernsthaftigkeit ihrer Worte hob ihre Stimme dabei deutlich von dem zuvor ausgesprochenem ab. „Du willst wissen, ob die Brut eine Gefahr für dich ist? Das ist sie. Geh nach Süden und sieh sie dir an, wenn du mir nicht…“, der Abrupte Abbruch ihres Satzes überraschte die Chasind vermutlich genauso wie ihren Zuhörer.
In ihrem Kopf hatte sich ein Einfall manifestiert. Fliehen und überleben war der Weg eines Feiglings, doch Standhaft bleiben und Fallen der eines Schwächlings. Egal wie die Kriegerin es drehte, sie war weniger Wert, was auch immer sie tat. Wenn sie sich jedoch ein weiteres Mal gegen die Brut stellen würde, dann könnte sie diesem stinkenden Ungeziefer zumindest beweisen, dass sie keine Angst vor ihnen hatte. Es war keine Lösung für ihre rastlose Situation. Keine Antwort auf das, was sinnvoll wäre, als nächstes zu tun. Doch es war ihr eine liebere Alternative, als wie ein wertloser, fereldischer Köter immer weiter und weiter zu fliehen.

„Ich habe eine bessere Idee.“, setzte sie nun endgültig ihren Satz fort. „Ich werde sie dir zeigen. Außer natürlich, du willst als Fremdling alleine durch die Korcari-Wildnis streifen, doch wenn dich die Brut dann nicht überrascht, dann tun es die Hexen.“

Sixtus Juniper
16.10.2011, 21:14
Lothering

Sixtus benötigte keinen Moment, um zu überlegen, denn das Angebot war verlockend. Obwohl er zwar schon gegen ein paar Kreaturen der Dunklen Brut gekämpft hat, gab es keine bessere Chance, die Größenordnung der Bedrohung festzustellen. In der Wildnis gab es sicherlich viel mehr und ganz andere Ausgeburten der Brut. Doch etwas blieb noch zu klären: Wenn sie sogleich aufbrachen, würden sie in der Wildnis übernachten. Dem Jäger war dies durchaus recht, da er sich in der Einsamkeit der Berge oder des Waldes wohler fühlte, als im Dorf unter fremden Menschen. Doch galt das ebenfalls für die Chasind? Oder war sie in das Dorf gekommen, um zumindest für eine Nacht Schutz zu haben? Immerhin schien sie laut ihrer Aussage ein ruhigeres Leben führen zu wollen. Ein kurzes Lächeln umspielte Sixtus Lippen, denn Kinder zu haben war das Gegenteil von einem ruhigen Leben, wie er aus eigener Erfahrung wusste. Doch um nichts in der Welt würde er Nashira und Antares missen wollen.

Die Entscheidung, ob sie heute noch aufbrachen oder die Nacht im Dorf verbrachten, überließ er jedoch der Chasind, deren Namen er noch immer nicht kannte. „Wann willst du aufbrechen?“

Koudelka
16.10.2011, 23:02
Lothering

Koudelka hatte irgendeine Reaktion auf ihre zynischen Kommentare erwartet. Irgendetwas - sei es auch nur ein genervtes Seufzen oder ein verdrehter Blick gewesen. Doch Sixtus tat nichts dergleichen, zwar glaubte sie, ein Lächeln in seinem Gesicht erspäht zu haben, doch ansonsten zeigte er keine Anzeichen dafür, auf irgendwas anderes als ihr Angebot eingehen zu wollen. Ist auch besser so., beschloss die Kriegerin insgeheim für sich und lauschte dann der Frage, die der Fremde ihr stellte. „Wann willst du aufbrechen?“
Die Antwort war ein scharfer Blick, den die Chasind aufsetzte. Der gesunde, fereldische Menschenverstand hätte wohl zumindest dazu geraten, sich eine Nacht lang auszuruhen. Jedoch waren die meisten gesunden Menschenverstände die von Schwächlingen und Feiglingen und die Möglichkeit, dass der fremde Krieger sie für einen solchen hielt, gefiel der Wilden auf Anhieb nicht.
„Sofort.“, stellte sie somit klar und rappelte sie sich, mitsamt ihrer Bewaffnung, auf. "Außer du willst dir noch etwas von diesem jämmerlichen Nest von Feiglingen ansehen. Ich hab es nicht eilig, die Brut läuft nicht davon - im Gegenteil."

Juliette de Ludin
13.11.2011, 19:13
<- Östliches Waldgebiet (http://www.globalgameport.com/showthread.php?p=693210#post693210)
Lothering
Tag 1 - 06:29 Uhr

„Was soll das `eißen?!?“, hallte Juliettes mehr empörter denn entsetzter Ausruf durch die kleine, schmutzige Seitengasse.
Der bärtige Händler, mit dem die Adlige in einer Seitengasse nicht fern der Taverne stand, grinste selbstzufrieden und entblößte so seine gelben und schiefen Zähne während er seine Hände an seinem Gürtel einhakte, nachdem er sein wieder zurückerhaltenes Amulett erst kritisch beäugte und dann schmunzelnd einsteckte.
„Sind eure Sprachkenntnisse so bescheiden, dass ihr ein Einfaches „Ich zahle nicht“ nicht versteht, Orlaisianerin?“, lallte dieser Berg von einem Mann mit seiner tiefen, rauen Stimme höhnisch und herablassend. „Oder seid ihr einfach nur schwerhörig?“
Der breitschultrige, glatzköpfige Fereldaner war ein enorm stämmiger, schon eher fetter Kerl mit einem wuchernden schwarzen Bart, buschigen Augenbrauen und leicht gebräunter Haut neben den die mindestens zwei Köpfe kleinere Söldnerin klein und schmal, schon fast mickrig wirkte. Er trug einen abgenutzten Pelzmantel, der seine beachtliche Wampe aber beim besten Willen nicht umschließen konnte und so offen an ihm herabhing. Neben ihm in der engen Gasse stand ein ebenso hochgewachsener aber sehr viel schlankerer und fitter wirkender Mann mit einer schlecht sitzenden braunen Jacke, der Juliette ausdruckslos aber durchdringend anstarrte. Sie war sich nicht ganz sicher ob das an ihrem nicht unschönen Aussehen oder einfach an ihm lag, aber so oder so war er ihr unangenehm. Auf seinem Rücken trug der breite Mann ein primitiv wirkendes, grobschlächtiges Schwert und anhand der wilden, schwarzen Gesichtstätowierung die über seine kantigen Züge verlief war er als ein Chasind, ein Barbar zu erkennen, was der Orlaisianerin aber schon anhand seines Geruches hätte auffallen müssen. Von Seife hatte er in seinem ganzen Leben wohl bestenfalls einmal gehört.

„Isch `abe eusch euren verdammten Müll, ganz wie vereinbart gebracht und nun will isch meine Bezahlung!“, beharrte die Orlaisianerin gereizt und hätte beinahe wie ein zorniges Kind auf den Boden gestampft aber sie verkniff es sich und funkelte stattdessen ihr übel riechendes Gegenüber unverwandt an.

Als ihr ein ekelerregender Geruch in die Nase stieg erinnerte sie sich daran, dass es lediglich ein Vorurteil war das alle Fereldaner nach nassen Hund stanken. Dieses unzivilisierte Volk hatte ein weitaus größeres Repertoire an üblen Ausdünstungen als nur diesen einen zu bieten. Dieses Exemplar, der Händler, roch viel mehr nach einer Mischung aus gekochten Kohl und Hundekot. Ob diese Abwechslung dem Nasse-Hunde-Duft nun vorzuziehen war, war sich die Orlaisianerin nicht wirklich sicher. Beides war scheußlich. Obwohl, kam es ihr gerade in den Sinn, vielleicht war es auch ihr Stiefel der nach der früheren Mahlzeit eines dieser verlausten Köter stank. Der Gedanke daran das sie nun auch so übel muffelte war derart deprimierend und erniedrigend das sich Juliette am liebsten in dem tiefsten Fass des erstbesten Bieres ertränkte, doch dafür müsste dieser vermaledeite Fettsack endlich ihre Bezahlung rausrücken.

Es war bereits früher morgen und die Sonne sandte ihre ersten Strahlen über die Hügel, Dächer und Bäume und kündigte somit den heranbrechenden Tag an doch obgleich es noch früh am Morgen war herrschte in dem kleinen Dorf bereits reger Betrieb. Dutzende, wenn nicht, sogar hunderte Flüchtlinge hatten die kleine Ortschaft auf der Suche nach Zuflucht und Schutz vor der dunklen Brut aufgesucht und verstopften nun die Straßen, rasteten auf allen freien Stellen und brachten Kirche wie Schenke beinahe zum Überlaufen. Um dem Gedränge zu entfliehen hatten sich Auftraggeber, Söldnerin und, wie sie vermutete, Leibwächter in diese kleine Gasse gezwängt um ungestört ihren Geschäften nachgehen zu können, doch nun kam Juliette der Verdacht das der Händler diesen Ort noch für etwas anderes nutzen wollte: Sie ungesehen über den Tisch zu ziehen.

„Es tut mir natürlich schrecklich leid aber leider kann ich mir eine angemessene Entlohnung nicht leisten, die Dame.“, sagte er grinsend. Sein vor Hohn triefender Ton strafte seine Worte Lügen. „Der gute aber gefährliche Keram hier, mein überaus fähiger Leibwächter, bekommt schon einen nicht unerheblichen Lohn für seine erstklassigen Dienste und da bleibt nicht viel übrig was ich gutaussehenden Tagelöhnerinnen zahlen könnte.“
Wäre Juliette, die gerade dem Chasind aus den Augenwinkeln einen abschätzenden Blick zuwarf, nicht so müde und hungrig gäbe es darauf einiges zu antworten, beispielsweise wo er sich seine Komplimente und Drohungen hinstecken könnte doch es fehlte ihr der Nerv dazu. Zu sehr wollte sie sich einfach hinlegen und schlafen, sich ausruhen aber dennoch würde sie sich nicht betrügen lassen, vor allem dann nicht wenn sie auf das Geld angewiesen war. Der Barbar grinste kampflustig über die Ausführungen seines Herrn, der die Duellantin offensichtlich mit ihm einschüchtern wollte, doch das stieß bei ihr auf taube Ohren.
„Ja, ja, wirklisch `erzalerliebst.“, tat sie die kaum verhohlene Drohung des Händlers ab. „Aber isch lasse misch von eurem treuen Kretin nischt einschüchtern! Gebt mir was mir zuschteht!“
Kurze Überraschung blitzte sowohl in den dreckig braunen Augen des Händlers und auch in den großen und dunklen Augen seines Leibwächters auf, scheinbar hatten sie nicht damit gerechnet, dass die kleine Söldnerin sich nicht von dem hünenhaften Barbaren verängstigen ließ. Der Händler fasste sich schneller und tauschte seinen Gesichtsausdruck wieder zu der höhnischen Maske während der Leibwächter verwirrt aussah.
„Was ist ein „Crätö“?“, fragte er verunsichert seinen Herrn, der aber gereizt abwinkte.
„Eigentlich sollte ich ja von euch Geld verlangen.“, meinte der Händler plötzlich und grinste die empörte Söldnerin verschlagen an. Er vermutete wohl dass sie lediglich die Tapfere spielte und nickte seinem Leibwächter zu, welcher sein Schwert, erst noch etwas ratlos aber dann grimmig blickend zog und eine Kampfhaltung annahm. „Immerhin habt ihr euch mit meinem Amulett ja ganz schön verspätet. Da wäre eine kleine Entschädigung nicht ganz unangebracht, meine Hübsche.“

Vielleicht war das was dieser Widerling da gerade andeutete zweideutig, vermutete Juliette, aber es war so oder so egal. Er würde weder das eine noch das andere bekommen. Sie musterte den kampflustigen Barbaren mit ihrer jahrelangen Erfahrung im Schwerkampf und war weder beeindruckt noch verängstigt. Er war offensichtlich noch jung und unerfahren. Das minderwertige Schwert hielt er zu weit von sich entfernt und so würde er im Falle eines plötzlichen Ausfalls der Söldnerin zu lange brauchen um eine Attacke abzufangen, während seine Haltung viel zu wenig auf Beinarbeit stützte. Seine Beine waren eine Spur zu weit auseinander, sodass man ihn mit dem richten Schritt leicht aus dem Gleichgewicht bringen könnte und die Duellantin vermutete bereits das seine Attacken wohl viel zu sehr auf grobe Kraft als auf Präzision ausgelegt waren. Das war kein würdiger Gegner sondern ein dilettantischer Schläger, der darauf setzte seine Widersacher einzuschüchtern anstatt sie mit echtem Können zu besiegen, also niemand der sie auch nur im Geringsten ängstigen könnte. Dennoch wollte sie es nicht unbedingt darauf ankommen lassen. Sie war hungrig und müde und somit nicht wirklich für einen Kampf vorbereitet außerdem wollte sie ihr Gewissen nicht noch mit einer weiteren armen Seele, wie dumm sie auch sei, sich mir der Duellantin anzulegen, belasten. Er war auch nur ein Mensch. Vermutlich war er kaum mehr als ein paar Wochen außerhalb seiner Heimat und musste sich seinen Lebensunterhalt damit verdienen solch ein Kretin von einem Händler zu beschützen. Sie wollte ihn nicht töten. Juliette war schließlich keine kaltblütige Mörderin.

„Isch bitte eusch!“, verlangte die Adlige langsam sprechend, ohne auch nur einen Hauch von Angst als sie ihre Hand an den Griff ihres wertvollen Säbels legte. „Das muss nischt so enden. Warum gebt ihr mir nischt einfach meine Bezahlung und wir begießen das mit einem Bier?“
Törichterweise deuteten das sowohl Händler wie Leibwächter als verhohlenen Rückzugsversuch.
„Ich trinke nichts mit Orlaisianern.“, sprach er mit kaum verhohlener Schadenfreude und gab somit dem Barbaren das Zeichen zum Angriff.

Mit einem Knurren ließ er sein schartiges Schwert auf seine kleinere Widersacherin herabsausen doch er holte einen Herzschlag zu lang aus wodurch die Duellantin genug Zeit hatte blitzschnell ihre Klinge zu ziehen. Metallisch klirrend trafen die beiden Schwerter aufeinander als Juliette den Hieb beidhändig parierte und zurück sprang. Wie vermutet lag hinter dem Schlag eine beachtliche Stärke, doch zu Kosten von Genauigkeit. Wütend grunzend setzte er ihr nach und schlug erneut zu, doch die Duellantin parierte herablassend lächelnd mit einer Hand hinter dem Rücken, was den Barbaren noch mehr anstachelte. Er packte den Griff seiner Waffe mit beiden Händen und ließ sie quer von oben herabzischen. Ebenfalls beidhändig fing seine Gegnerin den Schlag ab, sodass sich die beiden Klingen klirrend verkeilten. Der Aufprall ließ zwar Juliettes Arme taub werden doch sie war geübt genug um trotzdem weiter zu kämpfen. Die angestrengten Blicke der beiden Kämpfenden trafen sich, vorbei an den gekreuzten Schwertern, während sie sich gegeneinander stemmten. Auf Dauer würde Juliette, deren Gesicht vor Anstrengung leicht verzogen war, an dieser Kraftprobe scheitern doch bevor das geschah winkelte sie ihren Säbel ruckartig nach oben an, so dass das Schwert des Barbaren abrutschte bis es an dem goldenen Korb des Säbels abprallte und der Barbar, des Widerstands gegen den er sich gestemmt hatte beraubt, nach vorne taumelte. Im selben Zuge trat die Söldnerin zur Seite und ließ ihre Waffe auf die Hände ihres vorbei stolpernden Gegners niedergehen sodass dessen linker Daumen und rechter Handrücken aufgeritzt wurden und sein Schwert seinen Händen entglitt. Er hatte kaum Zeit seinen Schmerzen Ausdruck zu verleihen, in dem er schmerzerfühlt schrie, da preschte die flinke Duellantin vor zu ihm und rammte ihm den stumpfen Knauf ihres Säbels mit genügend Schwung an die Seite seines Kopfes. Der Schrei verkam zu einem langgezogenen Grunzen als er seitlich gegen die Wand prallte und darum kämpfte bei Bewusstsein zu bleiben, doch er verlor diesen Kampf und sackte ächzend zu Boden und erschlaffte.
Plötzlich war es in der kleinen Gasse totenstill, nur Juliettes beschleunigter Atem erklang während sie schnaufend zu dem Bewusstlosen blickte um sich zu vergewissern das er auch liegen bleiben würde. Als sie sich dessen sicher war drehte sie sich mit erhobenem Säbel zu dem plötzlich kreidebleichen Händler um, der nun nicht mehr so selbstgefällig schmunzelte. Bei Anfang des kurzen Kampfes sah er noch selbstsicher aus, dann besorgt und nun schlussendlich entsetzt. Seine panischen Augen zuckten spastisch die ganze Zeit zwischen der geschickten Fechterin, dem ohnmächtigen Besiegten und einem möglichen Fluchtweg hin und her und er hatte den Mund halb geöffnet, wie als ob er etwas sagen wollte, doch drang kein Ton aus seiner Kehle. Erst als die Säbelspitze von der herablassend blickenden Söldnerin an seine Kehle gehoben wurde löste sich seine Schockstarre. Augenblicklich nahm er die Hände seitlich hoch und wich einen halben Schritt zurück.

„Äh…sagte ich, ich trinke nichts mit Orlaisianern? Habe meine Meinung eben geändert!“, brachte er hektisch hervor als er ein unterwürfiges Grinsen versuchte.
Juliette schnaubte nur kurz.
„Mein Geld!“, forderte sie kühl.
Langsam, damit es der Bewaffneten kein falsches Signal sendete, griff der Fereldaner an seinen Gürtel und zog ein kleines Säckchen hervor das er behutsam in die ausgestreckte Hand der Söldnerin legte.
„Sogar einen Bonus!“, hauchte er vorsichtig.
Kurz wog Juliette das kleine Säckchen in ihrer behandschuhten Hand und tat dann einen Schritt zur Seite.
„I`r seid tsu freundlisch.“, säuselte sie zufrieden und nahm ihre Waffe herunter. „Macht das i`r wegkommt!“
Zuerst wirkte er ein bisschen verwirrt dass sie ihn leben ließ aber er wollte wohl lieber nicht darauf warten das sie ihre Meinung änderte und kam ihrer Aufforderung eiligst nach und wackelte davon, verfolgt von den verächtlichen Blicken der Duellantin.

Minderbemittelter, feiger, stinkender, fereldischer Fettsack! Möge dich die Brut holen!

Juliette wartete bis er verschwunden war, steckte den Beutel ein und schritt zu dem auf dem Bauch liegenden Barbaren. So behutsam wie möglich drehte sie ihn mit dem Fuß auf den Rücken und kniete sich neben ihn. Er atmete noch und war somit lediglich ohnmächtig. Seine Schädelplatte war durch den Knaufhieb nicht beschädigt, was sie mit etwas mehr Schwung durchaus hätte bewerkstelligen können. Vermutlich würde er eine Gehirnerschütterung davon tragen, nichts was ihn umbringen dürfte. Erleichtert murmelte sie ein kurzes Dankesgebet während sie die verletzten Hände des Mannes musterte. Ihr Säbel hatte kaum Schaden angerichtet und lediglich blutige Kratzer hinterlassen. Nichts was der Mann nicht überstehen würde, immerhin war das doch ein knallharter Barbar, so eine Verletzung müsste für die doch ganz alltäglich sein. Fast wäre sie schon beruhigt von dannen geschritten doch dann kam ihr in den Sinn dass sich auch die Wunden eines Barbaren entzünden konnten. Eigentlich war er ihr Mitleid doch gar nicht wert! Ein stumpfsinniger, streitsüchtiger und ungläubiger Wilder der sie hätte umbringen wollen. Der sollte doch verrotten! Aber andererseits wer war sie, dass sie über das Schicksal eines Menschen, egal wie abstoßend er auch sei, bestimmen sollte? Sie warf einen Blick auf das verdreckte Gesicht des Besiegten, während sie, gefangen in einem Gewissenskonflikt neben ihm kniete. Speichel troff aus den Winkeln seines offen stehenden Maules aus dem einer der übelsten Gerüche, den Juliette seit langen riechen musste, dunstete. Ok, er war sogar sehr abstoßend, entschied sie für sich, aber er war dennoch ein menschliches Wesen. Sie konnte ihn nicht einfach hier liegen lassen. Rasch kramte sie zwei ausreichend lange Stücke Wundverband hervor und legte sie ihm auf die breite Brust nachdem sie seine Hände ebenfalls dorthin gelegt hatte. Wenn er aufwachen würde könnte er sich um seine Verletzung kümmern, was Juliettes Gewissen etwas besänftigte. Nun konnte sie gehen und so ließ sie ihn im Schatten der Seitengasse liegen.
Mit etwas besserer Laune als vor ein paar Stunden schritt sie in Richtung des Gasthauses. Auch wenn das Essen in Ferelden eine einzige Zumutung war verspürte sie solchen Hunger das sie mit Freuden jeden widerlichen Mist, denn diese Hundeanbeter Essen nannten, verschlingen würde als ob es kein Morgen geben würde.

Vielleicht würde es auch keines geben, bei ihrem Alkoholkonsum...

Juliette de Ludin
29.11.2011, 23:55
Lothering
Tag 2 - 10:14 Uhr

Das erste was Juliette registrierte war ein harter Untergrund, das ihr Gesicht in irgendetwas feuchten lag und das sie einen widerlich säuerlichen Geschmack im Mund hatte. Sie nahm es aber nicht bewusst war. Es war einfach so. Die angewinkelten Arme von sich gestreckt, die Beine einigermaßen gerade und auf dem Bauch liegend zeigte die Orlaisianerin erste Lebenszeichen, in Form eines verschlafenen Ächzens. Wirklich bei Bewusstsein war sie nicht. Ohnmächtig aber auch nicht. Sie war einfach nur. Wie eine gefühlslose Hülle einer niederen Lebensform, deren Dasein sich einzig und allein auf das Sein beschränkte. Keinerlei zusammenhängende Gedanken, ohne Ziel oder Zweck. Einfach nur Sein. Unterbewusst hoffte sie fast es würde so bleiben. Doch allmählich kehrten rationale Denkfähigkeiten zurück allen voran Fragen wie: Wo bin ich? Wie spät ist es? Was riecht hier so? und nicht zu vergessen: Fehlt nicht etwas? Ein langgezogenes, müdes Grunzen ertönte als sie den Kopf leicht drehte um ihr Gesicht aus diesem feuchten Etwas wegzubekommen und sie ihre Hände zögerlich über den Untergrund tasten ließ. Nur mit Mühe und Aufbietung nicht unerheblicher Willenskraft konnte sie sich bewegen denn ihre Gliedmaßen fühlten sich so schwer an als trüge sie dickste und daher schwerste Plattenrüstung der Welt. Dieser Moment war Juliette leidlich vertraut aber irgendwie war er inkomplett weshalb sie nicht darum herum kam sich zu fragen was fehlte. Es war irgendetwas Unangenehmes, etwas Schmerzhaftes aber es wollte und wollte der Duellantin, die mühsam versuchte die wie zusammengeklebten Augenlieder zu öffnen, ums Sterben nicht einfallen. Plötzlich wünschte sie sich sie würde wirklich sterben, schnell und schmerzlos. Wie als ob das anfängliche Grübeln es heraufbeschworen hatte kam das was fehlte: Schmerzen. Sie hatte die Augen kaum geöffnet da kniff sie die Lider augenblicklich wieder zu und rollte sich auf die Seite. Qualvoll drang ein langes Stöhnen, zwischen zusammengebissenen Zähnen, aus ihrer Kehle, während sie beide behandschuhte Hände gegen ihre schmerzenden Schläfen presste. Es fühlte sich an als galoppierte eine ganze Einheit berittener und vollgerüsteter Chevaliers wild, unkoordiniert und rücksichtslos stampfend durch ihren Kopf.
Stöhnend zog sie die Beine etwas an. Unter pochenden Schmerzen und einer aufwallenden Übelkeit versuchte sie klare Gedanken fassen zu können, doch es ging nicht. Mit erneuten Qualen öffnete sie ihre blutunterlaufenen müden Augen und ließ sie durch die Umgebung wandern. Es war dunkel und kühl, roch übel nach Erbrochenen und Unrat. Stinkender Müll und Gerümpel türmte sich unordentlich vor einer heruntergekommenen Fachwerkwand während ihr Blick so langsam klarer wurde, trotzdem sah sie doppelt und dreifach. Wäre ihr diese Situation nicht leidlich vertraut würde sie nun mutmaßten sie wäre in der Vorhölle, im Reich der Toten oder an einem noch unangenehmeren Ort aber die bekannten Schmerzen verrieten ihr das sie noch sehr lebendig war und wohl wieder viel zu viel Alkohol getrunken hatte, und das sollte bei ihr was heißen. Sie vertrug viel, für eine orlaisische Adlige geradezu schockierend viel, also hatte sie wohl regelrecht in billigen Bier gebadet. Damit war für sie schon mal klar woher die Kopfschmerzen kamen aber sie wusste immer noch nicht wo sie lag. Erst langsam, als sie das Wiehern eines Pferdes, das Gackern von Hühnern und geschäftige Wortlaute vernahm, dämmerte ihr das sie immer noch in dem von Flüchtlingen überschwemmten Lothering war. Ächzend erhob sie sich und musste sich sogleich abstützen, kaum dass sie aufrecht stand, und einen Brechreiz unterdrücken. Die eine Hand auf ihren Mund pressende Orlaisianerin befand sich in irgendeiner schmutzigen, von stinkenden Abfällen gesäumten Seitengasse eines heruntergekommenen Hinterwäldlerdorfes im unzivilisiertesten und unterentwickeltsten Land das die, von Kopfschmerzen geplagte, Adlige jemals sah aber es könnte schlimmer sein, wie sie versuchte sich einzureden. Beispielsweise hätte sie in demselben armseligen Kaff, im selben verabscheuungswürdigen Land, nackt im Bett eines minderbemittelten Bauerntölpels neben eben diesen aufwachen können. Doch diese Erkenntnis, wie sie treffend sie auch war, drang nicht zu ihr durch. Am liebsten wäre sie einfach nie aufgewacht, dann wären ihr diese Kopfschmerzen erspart geblieben.

Beim Erbauer! Was ist passiert?, fragte sie sich selbst aber als ob die schlaftrunkene Erwähnung des Erbauers, Angesprochenen erzürne verstärkten sich die Kopfschmerzen als ob ihr Kopf kurz davor stand wie eine überreife Melone zu platzen. Wäre sie nun halbwegs bei Verstand und weniger streng gläubig, hätte sie wohl spekuliert, dass der Gute anscheinend ziemlich reizbar ist. Die Geräusche dieses Dorfes waren die schrecklichsten der Welt, zumindest wenn es einem so einen Kater hatte. Es war als würde jeder Gedanke, jedes Geräusch ihre Schmerzen stärken, wie als ob man glimmende Glut anhauchte.

Mehr taumelnd als gehend setzte sie sich in Bewegung, ohne wirklich über irgendetwas nachzudenken. Mit einer Hand auf den Bauch gepresst, mit der anderen nach Halt suchend stolperte sie aus der Seitengasse. Sie brauchte irgendetwas was ihren Kopf wieder freimachen würde. Das war das einzige an das sie halbwegs bewusst denken konnte und natürlich daran wie sie diese Kopfschmerzen loswerden könnte. Vielleicht sollte sie ihren Kopf so lang gegen die nächste Steinmauer rammen bis sie nie wieder Schmerzen haben würde. Der Gedanke klang angesichts ihrer Qualen fast schon verlockend. All die teils verwunderten aber mehr angewiderten Blicke der Umstehenden ignorierend wankte sie so durch die Straßen bis sie ein Fass randvoll gefüllt mit Regenwasser fand. Es stand neben einem heruntergekommenen Haus nahe des Flusses, der das Dorf durchfloss, und einer Brücke die ihn überwand. Benommen fasste sie, tief Luft holend, den Rand des Fasses und tauchte ruckartig ihren Kopf in das kühle Nass. Die Wirkung war wie sie erhofft hatte unverkennbar. Drei Herzschläge lang hielt sie ihr Haupt unter Wasser, stieß Atem in Form von Blasen aus bis sie wieder ganz bei Verstand war, zumindest hoffte sie es zu sein.
Nach Luft schnappend riss sie ihren Kopf aus dem Wasser, stand wie entgeistert mit klitschnassem Haar über dem Fass ehe ihr ein Schwall widerlich schmeckender Magensäure aufstieß. Welche Sünde sie auch begangen hatte die solch eine Bestrafung verlangte, der Erbauer entschied wohl, dass es noch nicht genug Bestrafung war, oder vielleicht waren all diese Bewegungen auch einfach zu viel gewesen. Schwer zu sagen wenn es sich anfüllte den Kopf voller Grütze zu haben. Erneut presste sie ihre Hand auf ihren Mund und versuchte verzweifelt ihren Mageninhalt bei sich zu behalten doch es war zu spät. Kopflos drehte sie sich von dem Fass um, um einen halben Schritt zu tun als sich schon ein Schwall Halbverdautes einen Weg aus ihrem Mund bahnte. Würgend beugte sie sich, auf ihren Oberschenkeln abstützend, nach vorne und ließ dem Erbrechen freien Lauf. Als ihr Magen nun offensichtlich leer war, und auf dem Boden eine unappetitliche Pfütze in der größere Stücke kleine Inseln bildeten entstanden war, stolperte sie nach hinten, bis sie an das Regenfass stieß und ließ sich daran herab sinken. Juliette hasste es so sehr. Beim Erbauer das war untertrieben. Es gab wohl im Moment nichts was sie auch nur ansatzweise ähnlich verabscheuen würde wie solch ein Erwachen. Es war so demütigend. Sie war die Tochter eines Adligen, eines mächtigen Lords, man hatte ehrfürchtig vor ihr gekrochen, sie beneidet, sie begehrt und nun kotzte sie sich die Seele aus dem Leib nachdem sie sich im Dreck einer impertinenten Seitengasse gewälzt hatte, wie als ob sie zu diesem niederen, fereldischen Gewürm von verzweifelten Flüchtlingen und Bauerntrampeln gehörte. Vermutlich roch sie auch schon wie sie. Deprimiert stöhnte sie und vergrub ihr Gesicht in ihren behandschuhten Händen, wie als ob das ihre Scham verdecken könnte.

So sieht also dein Leben aus Juliette?, fragte sie sich selbst deprimiert. Wie schon so oft schwor sie sich nie wieder Alkohol auch nur anzufassen, andernfalls…andernfalls was? Solle ihr Haar ausfallen? Ihr Blick trübe werden? Sie vom Blitz getroffen werden? Nein, verdammt! Das hatten wir alles schon einmal geschworen…

War das vielleicht eine göttliche Strafe? Hatte sie in letzter Zeit so sehr gesündigt? So schlimm konnte sie doch gar nicht gesündigt haben. Gut, da war vor kurzem diese Schlägerei, dann der Mundraub letzte Woche, das Annehmen eines fragwürdigen Auftrags vor drei Tagen, der bezahlte Diebstahl vorgestern und das sie diesen Barbaren gestern verletzt in dieser Seitengasse liegen gelassen hatte und dann noch…Ok, sie hatte wohl schwer gesündigt, was sie sich seufzend eingestand aber war ihr penetrantes, übereifriges Gewissen denn nicht schon Strafe genug? Sie bereute das alles vollkommen ehrlich und sie hatte jedes Mal (sofern es ihr möglich war) bei einem Geistlichen in der nächsten Kirche gebeichtet und um Vergebung gebeten und sollte das nicht, laut der Priester, sie wieder frei von Sünden und Bestrafung waschen? Vermutlich nicht und scheinbar völlig belanglos, denn ihrem Kopf war das egal, er schmerzte nämlich trotzdem fürchterlich. Vielleicht war es aber auch schlicht keine göttliche Strafe sondern ein stinknormaler Kater. Ihre Gedankengänge wurden immer so konfus und absurd wenn sie sich solchen Kopfschmerzen ausgesetzt sah. Was hatte sie gestern überhaupt getrieben? Die Kopfschmerzen wenig erfolgreich ignorierend dachte sie angestrengt nach, doch das einzige woran sie sich erinnern konnte waren verschwommene, undeutliche Bilder. Aus irgendeinem Grund war sie gestern wie der Teufel gerannt und danach gestolpert. Das wusste sie noch, mehr aber auch nicht. Eine Mischung aus Verärgerung und Enttäuschung begehrte in ihr auf. Was bei der Krone des Kaisers war passiert? Hatte sie gestern etwa eine Schlägerei angezettelt und war schlussendlich geflohen oder hatte sie sich möglicherweise ein Rennen mit einem anderen Trunkenbold geliefert und verloren? Beides vielleicht?

Fantastisch, Madame! Du bist gerannt!, schallte sie sich selbst halb zornig halb von Selbstmitleid zerfressen. Aber an mehr erinnerst du dich nicht! Fantastisch, Madame!

Minutenlang saß sie dort da, die verächtlichen Blicke der vorbei kommenden nicht bemerkend, geistig fast völlig abwesend. Scham, Selbstverachtung und Schuldgefühle bildeten einen verschlingenden Strudel der drohte sie zu verschlucken, sie zu ersticken. Erst als ihr nun wieder leerer Magen knurrend nach Arbeit verlange kam sie etwas von ihrer Depression herunter. Es half nichts sich im Selbstmitleid zu suhlen, wie sich selbst erinnerte, es würde weder ihre Laune heben noch ihren Magen füllen, im Gegenteil sogar. Aber das sie nun schon wieder Hunger verspürte wo sie doch gerade eben den gesamten Mageninhalt hochgewürgt hatte überraschte sie. Obwohl, eher verärgerte es sie. War ihr Magen wohl vor kurzem noch einigermaßen voll und nun verlangte er schon wieder nach Nachschub. Verdammtes Gedärm!, fauchte sie in Gedanken gereizt in ihrer wenig logischen Wut. Hättest du halt dieses Zeug bei dir behalten! Ob es nun Sinn machte ein eigenes Organ zu verfluchen oder nicht, war Juliette mehr als nur egal. Sie tat es trotzdem mit einem beeindruckend vielfältigen Aufgebot an Kraftausdrücken, das angesichts ihrer guten Erziehung wohl um einiges beeindruckender oder eher schockierender war.

Ihre stille Tirade wurde plötzlich unterbrochen. War da nicht etwas? Sie blinzelte und sah hoch.

Gerade kam es ihr so vor das sie ein wenig unterdrücktes Kichern und ein Tuscheln vernahm, wie als ob man sich das Maul über sie zerreißen würde und tatsächlich. Gegenüber, jenseits der Straße, stand eine kleine Gruppe von Frauen, vermutlich irgendwelche Waschweiber, an einer Wand, warfen gelegentlich einen Blick zu der Trunkenboldin und tratschten amüsiert. Als sie bemerkten das die Duellantin schroff blickend zu ihnen sah wandten sie den Blick ab, schwatzten aber weiter. Gereizt verzog Juliette das Gesicht, während sie die lumpigen und schmutzigen Klamotten und verdreckten Visagen der Tratschtanten musterte. Was erlaubte sich dieses niedere Pack, eigentlich? Würde sie hier über dieses Dorf herrschen, wären das ihre Leibeigenen würde sie am liebsten ein paar Chevaliers antanzen lassen und die Weibsbilder in den nahen Fluss werfen lassen. Doch leider war das nur eine süße Rachefantasie. Sie herrschte über nichts und niemanden, nur über sich selbst. In Orlais hätte sie ohne Strafe fürchten zu müssen, diese Miststücke für ihren mangelnden Respekt zurechtweißen oder züchtigen können, je nachdem wonach ihr gerade war. Dort hatte man als Blaublütige gewisse Privilegien, die sie ehrlich vermisste, besonders jetzt. Hier in Ferelden stand so was unglücklicherweise nur dem örtlichen Bann, Arl oder wie die auch sonst hießen zu und erst recht nicht ausländischen Aristokraten und vor allem nicht Orlaisianern.
Würde das mit ihrer Nationalität zu bekannt wäre es nicht auszuschließen das sie in den Fluss geworfen würde, dicht gefolgt von nach ihr geworfenen Steinen und das auch nur wenn diese Hundeanbeter gerade gute Laune hatten und das schien so häufig zu sein, wie ein Gewitter im Winter, zumindest hatte Juliette diesen Eindruck. Sie entschied sich nun lieber zu gehen bevor sie noch irgendeine Dummheit begann. Sie sah zwar, leider Gottes, im Moment nicht danach aus, dank der blutunterlaufenen Augen, den Tränensäcken, den Augenringen und den nassen Haaren, aber sie wusste sowieso, dass sie etwas Besseres als dieses Fußvolk war. Sie war adlig und darauf war sie stolz, doch das sollte sie nicht unbedingt jedem unter die Nase reiben. Zu selbstbewusste Aristokraten waren beim Volk nicht gerade beliebt.

Mit einer Eleganz, wie es nur eine Hochgeborene fertig brachte, erhob sie sich würdevoll und schritt mit einem herablassenden Gesichtsausdruck davon, als ob sie keinen Kater hätte, als ob sie sich nicht unschön erbrochen hätte, als ob sie auch nie auch nur ein Bier angefasst hätte. Alles mit gemischten Gefühlen kommentiert von den Waschweibern versteht sich. Kaum war sie aus dem Sichtfeld dieser Kühe gestattete sie sich wieder ihrem Zustand angemessen zu gehen, in Richtung…wohin eigentlich?

Ohne stehen zu bleiben, dachte sie nach. Vielleicht sollte sie in die örtliche Kirche, um Vergebung für die jüngsten Sünden bitten oder einfach nur zu beten. Aber andererseits war sie dieser Idee nicht gerade zugetan. Sie war ohne Zweifel gläubig und fühlte sich in einer Kirche nicht fehl am Platze doch die Vorstellung sich durch diesen bunten Haufen von fereldischen Flüchtlingen zu kämpfen oder sich den höchstwahrscheinlich tadelnden Blicken der Geistlichen, die es mit einer heruntergekommenen Säuferin zu tun hatten, auszusetzen war doch alles andere als erheiternd. Ein Teil von ihr schlug vor sich weiteren Alkohol zu gönnen und zu ihrer eigenen kühlen Enttäuschung stellte sie fest das sie diesem Vorschlag weniger abgeneigt war. Wie schon so oft fragte sie sich selbst warum, bei der Liebe des Erbauers, sie sich diesem verfluchten Teufelszeug so oft aussetzte wo sie doch ganz genau wusste wohin das führen würde. Sie wäre wieder alles sauerverdientes Geld los und ein noch schlimmerer Kater war ihr auch gewiss. Aber andererseits, es half beim Vergessen. Vergessen was für ein armseliges Leben sie führte, vergessen was sie alles verloren hatte, vergessen was sie für Sünden begangen hatte. Vergessen. Am liebsten würde sie alles vergessen.

Sie unterbrach den Gedanken als sie erkannte das sie erneut davor stand in Selbstmitleid zu zerfließen. Von ihrer inneren Kraft schöpfend verbannte sie reuige oder deprimierte Gedankengänge aus ihrem Kopf, zumindest für diesen Moment, als ihr Magen hörbar, scheinbar ungeduldig knurrte. Die Frage wohin sie nun wolle beantwortete nun also er freundlicherweise, ansonsten hätte sie keine Ahnung gehabt. Doch der einzige Ort wo sie in diesem vermaledeiten Kaff schnell etwas zu essen bekäme war die immer noch rappelvolle Schenke, wo sie sich wieder den Verlockungen eines Alkoholrausches ausgesetzt sähe. Doch ihr Magen duldete weder Einwände noch Widerworte also ging sie seufzend zu dem besagten Gebäude.

Der Tag fing ja schonmal gut an...

Sixtus Juniper
15.12.2011, 11:00
Lothering

„Das Dorf läuft auch nicht davon“, entgegnete Sixtus und stand auf. Er hängte sich seinen Bogen um und richtete das Schwert zurecht. „Außerdem will ich etwas über die Dunkle Brut in Erfahrung bringen, also bin ich bereit.“
Alles weitere war tatsächlich unwichtig. Sixtus wollte den Auftrag erfüllen und dann zurück zu seinem Stamm. Die Avvar selbst wussten sich schon zu helfen und waren bestimmt nicht auf die anderen Bewohner von Ferelden angewiesen. Kenan wusste den Juniper-Stamm anzuführen und jeder Jäger würde tapfer und erfolgreich kämpfen, da war sich Sixtus sicher. Doch die Entscheidung, was schlussendlich geschah, oblag den Erfahrungen, die der Jäger mitbringen würde.

Tag 3, später Nachmittag

Juliette de Ludin
18.12.2011, 20:23
Lotherin - Taverne
Tag 2 - 10:23

Ein strenger Geruch schlug der gerade eingetretenen Duellantin entgegen und ließ sie augenblicklich die Nase angewidert kräuseln. Das Fereldaner schlecht rochen war allgemein bekannt, nur ihnen selbst scheinbar nicht, aber in Tavernen wie dieser vermischten sich all ihre persönlichen Gerüche zu einer haarsträubenden Kakophonie die Juliette so spontan an einen Schweinestall erinnerte in dem eine Meute nasser Köter ruhten. Der Geruch von Alkohol kam unangenehmerweise auch noch dazu worauf die Adlige ihre viel zu gute Nase verwünschte. Eine bunte Mischung aus einfach oder in Lumpen gekleideter Flüchtlingen, Bauern und anderen Gestalten drängte sich in dem Schankraum, quetschte sich auf Sitze und Bänke und versuchte Trost in billigen Bier oder in billiger Nahrung zu finden. An den rissigen Putzwänden hingen hier und da ein paar Trophäen in Form von Geweihen erlegter Tiere. Auf einer höheren Ebene, die über eine Treppe zu erreichen war, mühten sich irgendwo ein paar Musikanten ab doch man sah sie durch die Mauer an Körpern vor ihnen nicht. So diskret wie möglich durch den Mund atmend schloss sie die Tür hinter sich und drängte sich durch die Menge. Zu den üblen Ausdünstungen all dieser Flüchtlinge mischte sich die Tatsache dass es ziemlich viele Flüchtlinge an einem Ort waren, was dem Wirt eigentlich ein breites Grinsen auf das Gesicht zaubern müsste angesichts so viel Kundschaft. Doch niemand grinste hier. Die allgemeine Stimmung hier war sogar ziemlich bedrückt. Worte wie „Tragödie“, „Ostagar“ oder „der König“ machten die Runde. Zweifellos machte den Fereldanern ihre erlittene Niederlage gegen die dunkle Brut schwer zu schaffen. Langsam fing Juliette an, sich an Dinge die vor ihrem gestrigen Rausch geschehen waren zu erinnern.
Die Schlacht war verloren, die Armee vernichtet und der König tot und das alles hatten angeblich die viel gerühmten grauen Wächter böswillig verschuldet. Nur Logain Mac Thir hatte mit seinen Truppen fliehen können, was Juliette wiederum fast schon enttäuschend andererseits aber auch Hoffnung erweckend fand. Zum einen hätte es ihr ein vor Genugtuung zeugendes Grinsen auf das aristokratische aber trotzdem mitgenommene Gesicht gezaubert den Mann tot zu wissen gegen den ihr Land schlimme Niederlagen hatte erleiden müssen, zum anderen aber wiederum bedeutete sein Überleben Hoffnung für dieses unzivilisierte Land. Er musste ein grandioser Stratege sein, was Juliette aber nur widerwillig eingestand, immerhin hatte er der gut ausgerüsteten und disziplinierten Armee des orlaisischen Reiches mit weitaus schlechter bewaffneten Schlägern, die sich Soldaten schimpften, die Stirn bieten können, zusammen mit dem verstorbenen König. Vielleicht gelang es ihm auch dieses Mal Fereldens Feinde zu besiegen. Wäre Logains Armee mit den grauen Wächtern vereint würde Juliette dem weitaus bessere Chancen anrechnen aber die Wächter waren dem Gerede der Dörfler nach alle gefallen, was Juliette ihre Stirn sorgenvoll in Falten legen ließ wenn sie darüber nachdachte. Die Behauptung jedoch dass die grauen Wächter Ferelden verraten haben sollten war absurd, fand zumindest die Duellantin. Warum sollten sie so etwas Abscheuliches tun? Das passte nicht zu dem was die Orlaisianerin über sie wusste und sie bezog ihr Wissen aus dicken Büchern, verfasst von einigen der hellsten Köpfe die Thedas je gesehen hatte. Der Existenzgrund der Wächter war es die dunkle Brut bis zum bitteren Ende und mit allen Mitteln zu bekämpfen, warum sollten sie diesen Monstern also bei ihrer Invasion unter die Arme greifen? Die Wächter müssten schlichtweg verrückt geworden sein. Noch erstaunlicher war es dass das ganze Bauernvolk, zumindest hier in Lothering, diese Behauptungen glaubte, zumindest hatte Juliette den Eindruck. Woher stammte dieses Misstrauen gegenüber diesen legendären Gestalten und die Bereitschaft es als ihre Schuld anzusehen, fragte sie sich ratlos. Es gab tatsächlich einmal in der Geschichte Fereldens eine Intrige gegen den damals herrschenden König durch die Wächter aber bei diesem ungebildeten Pack dürfte das allerhöchstens ein verschwindend geringer Teil wissen. Anscheinend war die Behauptung ihres verehrten Monsieur Logain schon Grund genug die Wächter für ihre angebliche Tat zu verdammen, was Juliette tadelnd den Kopf schütteln ließ. Wie konnte man nur so leichtgläubig sein?

Aber ob der Verrat der Wächter nun einer war oder nicht, Lotherings Schicksal war damit besiegelt und vielleicht auch das von ganz Ferelden. Vielleicht suchte man einfach einen Sündenbock dem man die Schuld für das bevorstehende Leid zu schieben könnte auch wenn es die Situation nicht mal ansatzweise verändern würde. Die dunkle Brut würde das Dorf in Schutt und Asche legen, zahllose würden folgen. Unzählige würden sterben, gefressen werden, verbrannt, gequält werden, von der gewaltigen, unbezwingbaren Horde denn es gab nichts mehr was sich ihr entgegenstellen könnte…Es war so deprimierend, am liebsten würde Juliette ihre Sorgen in Bier ersäufen, in unanständig viel Bier. Der Gedanke diese ganze Plackerei und das bevorstehende Grauen einfach zu vergessen war so verlockend, das Juliette ihre ganze Willenskraft aufbringen musste um sich davon abzuhalten. Was würde es schon schaden ein oder zwei Bier zu trinken? Die Welt würde sich auch ohne sie weiterdrehen und wenn die Brut kam war sie vielleicht besoffen genug das ihr alles egal wäre, selbst Tod und Schmerz. Doch sie ermahnte sich beharrlich aber eher widerwillig sich zu zügeln und nahm sich vor sobald wie möglich aus Lothering, vielleicht sogar aus Ferelden, wenn sie die Lage nicht besserte, zu verschwinden. In Antiva sollte um diese Jahreszeit herrliches Wetter herrschen und es stank nicht an allen Ecken und Enden, wie sich Juliette fast schon sehnsüchtig erinnerte. Und sie müsste sich nicht mit starrsinnigen, und lachhafterweise patriotischen Fereldanern rumschlagen die es auf Orlaisianer abgesehen hatten. Was machte sie dann eigentlich noch hier? Ihr Magen übernahm die Aufgabe darauf zu antworten.

Aber andererseits taten ihr die Dörfler Leid. Es war unbestreitbar das ihre Zukunft schlecht aussah. Selbst wenn sie fliehen würden und so viel Besitz wie möglich mit sich nahmen, könnten sie nicht alles mitnehmen von ihren Häusern, ihrem Land und ihrer Heimat an sich mal abgesehen. Juliette fühlte sich fast schon schlecht bei dem Gedanken das Dorf und seine Bewohner einfach zurück zu lassen. Es war nicht ihr Dorf, nicht ihre Heimat, nicht ihre Leibeigenen aber dennoch konnte sie sich dem bevorstehenden Grauen nicht verschließen. Sie war doch kein Unmensch und war sehr fähig ehrliches Mitgefühl zu empfinden doch leider stand es nicht in ihrer Macht den Lauf des Schicksals zu verändern und sie musste sich hartnäckig daran erinnern dass sie sich selbst retten müsste. Außer das eine Seele mehr zurück zum Erbauer fand würde es nichts ändern wenn sie bleiben würde. Sie konnte nur hoffen oder inbrünstig beten dass die Dorfbewohner genug Verstand beweisen würden und ebenfalls fliehen würden. Zu mehr war sie nicht in der Lage. Beten und hoffen. Toll…Sie seufzte aus voller Seele, beschloss aber sich nicht noch mehr Sorgen auf die Schultern zu laden. Sie hatte selbst mehr als genug, da brauchte sie nicht noch die eines ganzen Landes.

So höflich wie möglich und vor allem den größtmöglichen Abstand zu den muffelnden Bauerntrampeln haltend zwängte sich die Söldnerin durch zu der Theke. Kurz bevor sie dort ankam hörte sie einen Gesprächsfetzen, einer seltsam bekannten Stimme, und erhaschte einen Blick auf zwei massige hochgewachsene Gestalten die in der Nähe der Theke an einem Tisch saßen. Sie fluchte. Der Erbauer hatte heute wohl etwas gegen sie. Dort saß ein breiter, in eine schlichte Jacke gekleideter Barbar mir schlecht verbundenen Händen und ein übergewichtiger bärtiger Mann in einem Mantel und unterhielten sich bei einem Bier. Es war der hinterlistige Händler und der blöde Barbar die da schlecht gelaunt vor sich hin starrten. Ja, der Erbauer hatte heute definitiv etwas gegen sie. Augenblicklich drängte sich die Adlige hinter ein paar der Flüchtlinge, nun nicht mehr auf Abstand bedacht um den Beiden nicht in das Blickfeld zu geraten. Wenn sie Juliette, die sich gerade zwischen einem kräftigen Bauern und einem gewöhnlichen Dörfler stellte, erwischen würde wären sie sicher auf Rache aus, ganz besonders der Barbar, wie sie schätzte. Noch ein Grund so schnell wie möglich abzuhauen, entschied sie als sie sich an die Theke stellte. Zum Glück aber war das Gedränge dicht genug um vor ihnen ungesehen zu bleiben, außerdem sahen die beiden mit sich beschäftigt aus und Juliette war nicht gerade unbegabt darin vor Leuten denen sie aus dem Weg gehen wollte ungesehen zu bleiben. Der Wirt, ein nicht gerade gutaussehender Mann mit einem sauber gestutzten Schnauzer und Koteletten, hatte alle Hände voll zu tun seine Kundschaft zu bedienen und brauchte so eine Weile bis er sich zu der, im Verhältnis der anderen Gäste, kleinen Duellantin zuwenden konnte. Als er sie schließlich bemerkte huschte ein seltsam freundliches Lächeln über seine Züge, zu freundlich angesichts des Stresses dem er sich ausgesetzt sah, wenn sich die überraschte Juliette nicht täuschte, ein Wiedererkennendes. Irgendwie kam eine ungute Vorahnung über sie.

„Ah, willkommen zurück, die Dame.“, begrüßte er freundlich die etwas gezwungen zurücklächelnde Kundin. „Wollt ihr wieder eine Lokalrunde zahlen?“
Als das Wort Lokalrunde ertönte, blickten nicht wenige Augenpaare erwartungsvoll zu der an der Theke stehenden, potenziellen Wohltäterin die immer noch lächelnd aber mit entsetzt aufgerissenen Augen den Mann anstarrte. Das war doch hoffentlich ein Witz! Aber da kam kein Lachen, kein humorvolles Grinsen. Er meinte es also ernst. Wieder eine Lokalrunde, echote sie gedanklich. Also hatte sie gestern mindestens eine gezahlt, wenn nicht noch mehr. Verdammt! Was das wohl wieder gekostet hat! Was hatte sie gestern sonst noch angestellt?
„Äh…Nei-nein, heute nicht.“, brachte sie leicht verlegen aber peinlich genau darauf achtend ohne Akzent zu reden und daher etwas langsam hervor.
Ein enttäuschtes Murmeln ging um und man nahm wieder den Blick von der doch nicht wohltätigen Duellantin, etwas zu deren Erleichterung.
„Na dann nicht.“, meinte der Wirt, wohl ebenfalls etwas enttäuscht aber besser hinter geschäftstüchtiger Freundlichkeit verschleiert. „Was kann ich euch bringen?“
„Habe ich gestern…viel Fragwürdiges angestellt?“, fragte sie vorsichtig.
„Was heißt hier Fragwürdig?“, entgegnete er als er sich nachdenklich am Kopf kratze, doch Juliette entschied sich dagegen nachzuhaken. Eigentlich wollte sie es gar nicht wissen und ihr knurrender Magen offensichtlich auch nicht.
„Ach, vergesst es.“, entschied sie resignierend. Zumindest schien er ihr nicht sonderlich abgeneigt zu sein, womöglich hatte sie sich also nicht allzu unanständig verhalten und noch wichtiger: ihre Nationalität nicht herausposaunt. „Was bietet ihr für Essen an?“
„Im Moment leider nur Eintopf.“, meinte der Wirt ehe sich seine Mundwinkel bedauernd nach unten zogen. Alles andere als angetan bestellte sie sich eine Portion.
Innerlich würgte die Adlige bei erwähnten Essen. Mit „Eintopf“ war nach fereldischen Standards meist eine lauwarme, widerlich schmeckende Brühe in die man alles was essbar aussah hineinwarf und dann den unglücklichen Gästen vorsetzte, die sich leider nichts anderes leisten konnten. Ein Gericht das Juliette zu Hause nicht einmal den niedersten Bediensteten zugemutet hätte. Hätte man ihr früher so etwas vorgesetzt hätte sie den Koch unverzüglich auf die Straße setzten lassen doch den Luxus Essen abzuweisen konnte sie sich nicht mehr leisten, egal wie widerlich das Essen auch war.

Bevor der Wirt ging um den Schlangenfraß zu holen meinte er noch das er für eine Kundin, die so großzügige Trinkgelder zahlte, regelrecht fliegen würde was Juliette erneut den gestrigen Tag verfluchen ließ. Jetzt erwartete dieser schlecht, gekleidete Bartträger auch noch großzügiges Trinkgeld von ihr. Die Verlockung sich einfach wieder einem Alkoholrausch hinzugeben wurde immer einladender aber ob sie sich das noch leisten könnte?
Plötzlich lief es ihr kalt den Rücken herunter als ihr ein beunruhigter Verdacht kam. Konnte sie sich das leisten? Konnte sie sich überhaupt etwas leisten?
Hektisch schossen ihre behandschuhten Hände zu ihrem, am Gürtel befestigten, ledernen Geldbeutel und mühten sich ab ihn zu öffnen. Es schien als ob die Schnur, die die Öffnung des Beutels zusammenhielt, sie verspottete und sich wie durch einen Dämon beseelt ihren Fingern entwand doch als sie den Knoten endlich löste riss sie den ledernen Behälter auf und erblickte ein großes, nicht enden wollendes, atemberaubendes, unermessliches…Nichts. Nichts! Überhaupt nichts! Nix! Nada! Rien! , fluchte sie im Stillen, mit halbwegs panisch, halbwegs ärgerlich verzogenen Gesicht. Sie wusste noch ganz genau, der ängstliche Händler hatte ihr mindestens vier Goldstücke mit einem Bonus von 83 Silberstücken gezahlt aber es war weg. Da war nur ein Geldbeutel randvoll mit Nichts in ihren verkrampften Händen. Sie war mal wieder blank aber so schnell schon. Vermutlich ein neuer persönlicher Rekord. Vor enttäuschter Wut hätte sie beinahe einen unschönen orlaisischen Fluch ausgestoßen doch da ihr heute nicht danach war eine ganze Meute angetrunkener Flüchtlinge wegen ihrer Herkunft gegen sich aufzubringen biss sie sich in letzter Sekunde auf die Lippe und fluchte im Stillen.
Warum passiert immer mir das?, fragte sie sich auf sich selbst zornig. Das war nicht das erste Mal das sie ohne Geld nach einem Alkoholrausch aufwachte doch leider war ihr Verstand jedes Mal zu benebelt um das rechtzeitig zu prüfen, so merkte sie so etwas erst wenn sie bereits Nahrung oder Trinken bestellt hatte und zahlen musste. Es ist zum verrückt werden!, meinte sie. Genauso wie diese Kopfschmerzen! Andere Trunkenbolde wachten nicht selten mit ihnen unbekannten Eheringen von unbekannten Partnern auf, sie hingegen wachte bar jeden Geldes in dreckigen Seitengassen auf. Beides war alles andere als wünschenswert aber ersteres wäre ihr lieber. Immerhin könnte man abhauen und den Ehering dann verkaufen.
Gerade kam ihr in den Sinn „abhauen“ war ein gutes Stichwort doch dann stand der Wirt wie aus dem Nichts wieder da mit einer Schale voller undefinierbarer, bräunlicher Pampe, welche er freundlich lächelnd vor der Kundin abstellte.
Vermutlich wollte er gerade um die Bezahlung bitten, doch just in diesem Moment schepperte es. Einer der mit mehreren Schalen voll Eintopf beladenen Bediensteten war mit einem unvorsichtigen Gast zusammengestoßen und hatte dabei seine Fracht größtenteils zu Boden gehen lassen, sehr zur Empörung einiger bekleckerter Gäste und zur Bestürzung des Wirtes. Mit den Worten: „Verflucht! Wartet bitte einen Moment.“, quetschte sich der Wirt zu dem verlegenen Bediensteten hindurch und half dabei Schüsseln und Besteck aufzusammeln und ließ Juliette mit der unbezahlten Schale und der Qual der Wahl allein. Möglicherweise hatte der Erbauer heute doch nichts gegen sie oder er war ein ziemlicher Wendehals. Essen stand in greifbarer Nähe. Ihre stahlgrauen Augen zuckten spastisch zwischen der Tür, dem Wirt und vor allem dem Essen umher. Sollte sie dem bohrenden Hunger einfach nachgeben und essen oder sich mit dem Eintopf einfach aus dem Staub machen? Sie wusste beides wäre nicht richtig und für beides würde sie ihr Gewissen plagen aber wenn man Hunger hatte schienen solche Schuldgefühle weit entfernt und unwichtig. Doch sie war mit einem besonders gut ausgeprägten Anstandsgefühl geboren worden. Allein der Gedanke Essen zu stehlen und wie eine elende Diebin davon zu laufen machte sie fertig. Auch wenn sie sonst nicht viel besaß ihr Ehrgefühl war noch vorhanden und es protestierte auf genauso aber dieses Hungergefühl das keinerlei Verständnis für Ehre oder Anständigkeit hatte. Ihr Blick zuckte zum zehnten Mal von der Tür, zu dem knienden Wirt und schließlich wieder zurück zum Eintopf als sie jemand aus scheinbar heiterem Himmel ansprach.

„Seid gegrüßt, schöne Dame.“
Die genaue Bedeutung der Worte lediglich ansatzweise kapierend blickte sie zur Seite zu dem Ursprung dieser tiefen aber melodischen Stimme, die sie aus ihrem Gewissenskonflikt gerissen hatte. Neben ihr, mit einem Ellenbogen lässig auf der Theke abgestützt, stand ein junger Mann und lächelte ihr freundlich zu. Bei dieser wohlklingenden Stimme hatte die Adlige eher einen gut gebauten und hochgewachsenen Mann erwartet, vielleicht auch unterbewusst erhofft, aber dieser wirkte dadurch das er gerademal eine Handbreit größer als sie und von eher schlaksiger Statur war unter all diesen Flüchtlingen fast genauso schmal wie sie. Er trug ein gestepptes Wams, dazu Ledergürtel, -schuhe und -handschuhe. Auf seinem Rücken hing ein Schild und ein Schwert was ihn beinahe, aber eben nur beinahe, wie einen Soldat wirken ließ.
Juliettes von dunklen Ringen umgebenen Augen musterten gerade sein jung wirkendes von wirren schwarzem Haar und einem dünnen Bart umrahmtes Gesicht, relativ verständnislos darüber was er eigentlich meinte als die volle Bedeutung der Worte endlich zu ihr durchdrangen. Sie war so mit dem Für und Wieder eines erneutes Mundraubs beschäftigt das die Worte lediglich störende Laute waren, bis jetzt. Meinte er das ernst? Waren Tränensäcke, Augenringe und feuchtes, zerzaustes Haar neuerdings Schönheitsideale in Ferelden? Wenn ja, war Juliette die nicht richtig kapierend immer noch nichts sagte, nahezu umwerfend schön. Wenn nein, war der Bursche wohl betrunken.
„Sagt, kennt ihr euch mit alten Schriftrollen aus?“, fragte er charmant wobei er mit jeder Silbe Juliette unangenehmen Alkoholgeruch entgegenhauchte. Er war betrunken und nach Juliettes Ansicht war die Distanz zwischen ihnen zu kurz. Das zeugte nicht gerade von Taktgefühl. Und was war das überhaupt für eine Frage?
„Äh…nein?“, antwortete sie, ihn verwirrt mit einer Spur Abneigung anblickend. Wenn das jetzt irgendeine blöde Anmache wäre, nahm sich Juliette vor ihm eine saftige Ohrfeige zu verpassen. Hungrig und verkatert wie sie war hatte sie keine Nerven für so etwas, nebenbei bemerkt hatte sie nur an den allerwenigsten Fereldanern mehr Interesse als an einem räudigen Straßenköter, was schon einige Schmalspurcasanovas unverhohlen zu hören bekamen.
„Aber wo sind meine Manieren?“, fragte er rhetorisch als ihr die Hand hin hob. Das frage ich euch auch! „Mein Name ist Alrik Riverside. Manche nennen mich aber auch Alrik vom Fluss.“

Stirnrunzelnd lächelte Juliette nur halbherzig und drückte die ihr hin gehobene Hand ebenfalls nur halbherzig. Alrik vom Fluss? So wie ihr riecht habt ihr Wasser aber schon lang nicht mehr gesehen. Unter all den Gerüchen hier war es schwierig einzelne Gerüche zu identifizieren aber die Adlige bemerkte das sich in seiner Gegenwart der Geruch von nassem Hund geringfügig verstärkt hatte. Er war wohl ein echter Fereldaner. Schlecht riechend, ungehobelt und unverschämt. Was hörte sie ihm überhaupt zu? Sie hatte doch Wichtigeres zu tun oder? Wo war ich stehen geblieben? Eintopf, Wirt, Tür. Wirt, Eintopf, Tür?
Doch irgendwie kam sie nicht dazu ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihren Gewissenskonflikt zu lenken. Dieser Bursche hatte irgendetwas an sich das sie nicht mehr losließ. Jedenfalls lag das nicht an seinem Aussehen. Abstoßend, wie so viele Fereldaner, sah er zwar nicht aus aber übermäßig gut auch nicht. Und selbst wenn, mit guten Aussehen war Juliette nicht um den Finger zu wickeln. Sie hatte früher die Aufmerksamkeit nicht weniger junger, adliger Verehrer genossen also war sie gegen so etwas gefeilt. Trotzdem klebte ihr Blick an ihm und sie lauschte seiner wohlklingenden Stimme.
Abgelenkt hätte sie sich beinahe mit ihrem unverkennbar orlaisischen Namen vorgestellt doch sprach der Jüngling schon weiter, was eigentlich unhöflich war sie aber vor den Launen der fereldanischen Trunkenbolden bewahrte also konnte sie es ihm ausnahmsweise verzeihen.

„Ich habe vor gar nicht langer Zeit solch eine Schriftrolle gefunden.“, meinte er. „Ich bin sicher sie ist uralt. Wer weiß was für Geheimnisse darin enthalten sind?“
„Und warum kommt ihr damit dann zu mir?“, fragte Juliette neutral. Ihr kamen so langsam Zweifel und sie wurde misstrauisch. War das vielleicht nur ein Witz oder einfaches Gebrabbel eines Betrunkenen? Für so etwas habe ich weder Zeit noch Nerven, beschloss sie ihre piesakenden Kopfschmerzen ignorierend.
Er schwieg kurz, wie als ob er über eine Antwort sann während seine hellblauen Augen ungerührt blieben.
„Nun ja. Ich hatte auf ein intelligentes Gespräch gehofft und ihr seht mir hier am Intelligentesten aus.“, begründete er charmant lächelnd worauf Juliettes Mundwinkel kurz nach oben zuckten. Da sie schwieg und ihre Augenbrauen ein Stück nach oben wanderten schloss er wohl dass er weiter reden sollte und das tat er, stolz klingend. „Die Schriftrolle war in einer Ruine in einem Teil des nahen Waldes. Sie ist sicher wertvoll.“
Als das letzte Wort erklang spitzte sie die Ohren. Wertvoll. Eine wertvolle Schriftrolle. So etwas konnte man zu Geld machen. Mit etwas Glück und Redegewandtheit zu viel Geld. Sehr viel Geld. Geld das sie dringend brauchen könnte, das sie von der Straße bringen würde, damit sie ein anständiges Leben führen könnte. Es könnte, zumindest ansatzweise, wieder wie früher sein als sie noch sorgenlos in den Tag hinein leben konnte. Die Rettung vor ihrem sündigen Dasein und sie war kaum eine Armlänge entfernt, sofern es stimmte. Andererseits aber hatte sie von früher einmal gehört Kinder wie Betrunkene sagten immer die Wahrheit. Ob das nun stimmte oder nicht, es brachte sie in Versuchung dem Burschen einen kräftigen Hieb ins Gesicht zu verpassen, ihm die besagte Schriftrolle zu entreißen und davon zulaufen. Doch ihr Gewissen protestierte harsch auf. Hätte es, es nicht getan, hätte sie eine weitere Sünde begangen.

Plötzlich tauchte der Wirt erneut wie aus dem Nichts auf, zumindest erschien es der Duellantin so, und wandte sich, höflich aber nach Eintopf riechend an seine Kundin, die böse überrascht den Blick ruckartig auf ihn richtete.
„Äh…tut mir Leid wenn ich störe.“, meinte er leicht verunsichert aufgrund ihrer Reaktion. „Aber könntet ihr bitte schnell zahlen?“
Die Orlaisianerin fluchte und verwünschte den Eintopf, das Fehlen ihres Geldes und den Jüngling. Letzteren am meisten. Hatte er sie abgelenkt, wo sie hätte schnell reagieren müssen und nun war es zu spät. Doch plötzlich kam ihr ein Gedanke und sie nahm ihren Blick von dem Bittenden zu dem vorerst schweigenden Alrik und lächelte so charmant wie es ihr möglich war.
„Wärt ihr so gütig für mich schnell zu bezahlen, Alrik vom Fluss? Ich bin momentan etwas klamm.“

Juliette de Ludin
07.01.2012, 13:36
Dieser Alrik zögerte kurz als auch der Wirt ihm einen erwartenden Blick zuwarf. Doch dann kramte er in seiner Tasche und fischte ein paar Kupfermünzen hervor.
„In Ordnung.“, antwortete er als er das Geld dem Wirt in die Hand drückte und dann wieder stolz lächelte. „Nun kann ich es mir ja leisten.“
Juliette fiel ein Stein vom Herzen als sich der Wirt zurückzog aber gleichzeitig begehrte Abscheu in ihr auf. Na toll, du nutzt den Zustand und die Gutherzigkeit eines Betrunkenen aus. Wie eine elende Schmarotzerin. Was kommt als nächstes? Bestiehlst du ihn noch? Du bist so erbärmlich.
Sie seufzte in Gedanken. Es fing schon wieder an.
„Wo war ich stehen geblieben?“, fragte Alrik sich am Kopf kratzend ehe er wieder stolz weiter ausführte. „Ach ja! Zuerst hielt ich diesen alten Fetzen Pergament für Abfall aber als ich ihn aufrollte und mir die Schriftzeichen ansah wusste ich das es weit mehr war.“

Inzwischen hatte sich der Wirt, höflicherweise, zurückgezogen als er das Geld zählte. Allerdings warf er dem jungen Mann gelegentlich einen Blick zu, wie als ob er auch mithörte. Diskret warf Juliette ihm einen abschätzenden Blick zu als sie bemerkte dass hinter Alrik ebenfalls jemand den Kopf drehte. Ein kräftig aussehender Mann, das verschlagen wirkende Gesicht durch lange verheilte Narben verunstaltet, warf einen mehr als interessierten Blick zu dem stolz weiter ausführenden Burschen. Hinter dem Narbengesicht blickte ein weiterer zu Alrik und neben diesem noch einer und da noch einer…Gut es waren gleich eine ganze Handvoll dieser verzweifelt und abgebrannt aussehender Flüchtlinge aber Juliette kam es so vor als ob die gesamte verdammte Tavernenbelegschaft seltsam oder eher gefährlich aufmerksam zu ihrem betrunkenen Landsmann spähten. Sie war wohl nicht die Einzige die durch sein Gerede in Versuchung gebracht wurde. Zu dem Alkoholgeruch und den üblichen Ausdünstungen lag nun spürbare Gefahr in der Luft, als ein paar der Genannten auffällig unauffällig näher kamen, sich nicht weit von der Duellantin und dem Jüngling gegen die Theke lehnten oder ihre Stühle näher rückten. Es waren mindestens elf von ihnen, zumindest waren das die einzigen die Juliette sehen konnte ohne den Kopf viel zu auffällig zu drehen. Um den Daumen gespielt sahen von diesen, drei weniger gefährlich aus. Hagere Gestalten die noch dreckigere Lumpen trugen als der Rest. Die Übrigen aber sahen kräftiger aus. Die scheinbar ihrem Gesprächspartner interessiert zuhörende Orlaisianerin vermutete dass es sich bei diesen um Bauern handelte die ihr Land hatten verlassen müssen und daher verzweifelt genug wären um handgreiflich zu werden.
Dieser Alrik hatte ohne Zweifel eine Stimme wie sie sich jeder Redner wünschen würde, eine Stimme der man zuhörte. Eine Stimme mit der man aber besser nicht in einer billigen Kneipe unter Dutzenden angetrunkenen und verzweifelten Flüchtlingen über eine ach so wertvolle Schriftrolle stolz prahlte. Jedenfalls nicht wenn man vor hatte sie zu behalten und womöglich länger als ein paar Minuten noch leben wollte. Bei all der Verstohlenheit, der Verzweiflung und der Gier die sie in den verschmutzten Gesichtern der Kneipenbelegschaft erspähte packte sie der Wunsch weit weg zu rennen, etwas das sie gut konnte. Juliette erkannte schnell wenn Gefahr drohte und konnte schnell abschätzen ob es besser wäre sich zu verteidigen oder zu verschwinden. Das beruhte aber nicht auf etwas angeborenen, wie in etwa einen Instinkt. Vielmehr waren es ihre Erfahrungen die sie in diesem unzivilisierten Land gemacht hatte die ihr nun ermöglichte so schnell zu reagieren.
Aber was war mit dem Burschen oder seiner Schriftrollte? Sie konnte doch nicht diese mögliche Rettung einfach so ziehen lassen. Angewidert schalte sie sich geistig selbst zuerst an das Geld gedacht zu haben wo dieser Alrik in ziemlicher Gefahr schwebte. Fast schon wie eine verabscheuungswürdige Diebin, elendes Pack, das sich nur um Geld scherte anstatt einem Menschen in drohender Gefahr zu helfen so wie es die Nächstenliebe gebietet. Sie war keine Diebin!
Aber andererseits: Von Nächstenliebe könnte sie nicht leben. Wie nobel es von ihr auch war zu erwägen dem Burschen zu helfen würde sie nicht mehr lang über die Runden kommen, so ganz ohne Geld und was nutzte ihr ein reines Gewissen wenn sie am Verhungern war oder etwas noch verwerflicheres als das tun musste um zu überleben? Aber würde sie damit leben können?
Dieser kurze aber dennoch heftige Gewissenskonflikt tobte in ihrem Verstand und er endete mit einem klaren Ergebnis.

„Warum tseigt i`r mir eure Schriftrolle nicht wo anders? An einem Ort wo wir ungestört sind?“, unterbrach sie ihn bemüht so charmant zu klingen wie möglich doch leider schlich sich ihre Nervosität in ihre Stimme. Bei all den beunruhigenden Blicken die ihnen zugeworfen wurden war das kein Wunder. Wäre sie weniger abgelenkt hätte sie sich nun für ihre etwas unglückliche Wortwahl verflucht, bei diesem schelmischen Grinsen das er ihr bei der Erwähnung eines ungestörten Ortes in Zweisamkeit zuwarf. Andere schienen über diesen Vorschlag nicht gerade angetan zu sein.
„Ach was! Bleibt doch hier!“, mischte sich das Narbengesicht verdächtig grinsend ein als es sich ganz zu Alrik umdrehte. „Euer nächstes Bier geht auf mich wenn ihr mir eure Schriftrolle zeigt, Kumpel.“
Freundlich, also unsäglich naiv, drehte der Bursche den Kopf zu dem Narbengesicht und wollte gerade antworten da richte plötzlich von einem Tisch nicht weit der Theke ein anderer Mann, mit kurzgeschorenen Haaren das Wort an ihn.
„Nein, setzt euch zu uns!“, forderte er viel zu freundlich.

Plötzlich wollten immer mehr dass sich Alrik zu ihnen setzte, mit ihnen redete oder ein Bier trank und plötzlich kamen all die Fordernden unangenehm nahe während Juliette sich nervös umsah. Das lief verdammt schlecht. Während sich der Kurzgeschorene und das Narbengesicht anfingen allmählich immer gereizter anzublöken hatte sich eine ganze Meute versammelt, die alle offensichtlich diese mehrfach, überdeutlich angepriesene Fahrkarte in den Wohlstand wollten, teilweise auf den vorläufigen Besitzer eben dieser einredeten und ihn und zufälligerweise auch Juliette umzingelt hatten. Selbst der Betrunkene schien endlich zu begreifen in welch misslicher Lage er sich befand und blickte sich hilfesuchend um. Verdammt schlecht ist noch untertrieben.

Ein großer, breiter Kerl redete gerade energisch auf den kleineren und schmaleren Alrik ein, als die Duellantin erkannte das Handgreiflichkeiten kurz bevor standen. Die würden sich die Schriftrolle nehmen und ihren jetzigen Besitzer einfach zusammen-, wenn nicht, gar totschlagen. Um das noch zu verhindern müsste die Aufmerksamkeit all dieser Rüpel auf etwas anderes gerichtet werden und das möglichst schnell, doch wie? Immer fieberhafter zermarterte Juliette ihren Verstand derweil ihr Blick immer hektischer durch die Gegend zuckte. Es müsste irgendetwas sein das die, sowieso, zweifelhafte Ehre dieser gierigen Bauerntrampel genug beleidigte aber was konnte für sie so schlimm, so verabscheuungswürdig sein dass…Oh, nein. Bitte nicht das! Bei Andraste nicht das! Gibt es denn keine andere Möglichkeit?
Gerade erkannte sie das neben dem breiten Kerl ein brutal wirkender Fereldaner ein Messer zog und entschlossen in Alriks Richtung blickte.
Offensichtlich gab es keine andere Möglichkeit.
Erbauer steh mir bei.

„Wenn isch eusch das Signal gebe, lauft ihr los als sei die Brut ‘inter eusch ‘er! Isch bring eusch ‘ier raus.“, sagte sie dem überforderten Alrik eindringlich als sie sich zu ihm lehnte. Der bedrohliche Muskelprotz baute sich einschüchternd von ihm auf, wodurch er abgelenkt gerade noch verständnislos „Was?“ auf Juliettes Anweisung hervorbringen konnte, da steckte sie sich zwei Finger in den Mund und pfiff laut und durchdringend. Direkt neben ihr Stehende verzogen das Gesicht durch den unangenehmen Ton aber nur ein paar sahen fragend zu ihr. Instinktiv schauderte sie bei dem Gedanken daran was sie gleich rufen würde, doch da musste sie durch, wenn sie Alrik samt der Schriftrolle retten wollte. Triumphierend regte sie ihre geballte Faust zur Decke während sie tief Luft holte um ihren orlaisischen Worten genug Stärke und vor allem Provokation zu verleihen, sodass jeder in der Taverne sie hören würde.
Laut hallte ihre Mutterspruche durch den Raum, übertönte alle anderen Geräusche und Gespräche mühelos und es geschah…nichts, oder jedenfalls nicht viel mehr als das ein paar vereinzelte Tavernenbesucher, darunter der Kurzgeschorene und das Narbengesicht, weiter zankten und der Rest etwas perplex zu ihr sahen sich aber ansonsten nicht rührten. Selbst einige der Musikanten stellten ihr Spiel verunsichert ein während irgendein Lautenspieler unbeirrt weiter klimperte.
Sie fluchte. Ungebildetes Bauernpack.
„Ruhm für Orlais! Tod für Ferelden!“, forderte sie überdeutlich und laut, diesmal auf fereldisch ehe sie vorsprang und einem unvorbereiteten Bauern eine kräftigen Schwinger mitten ins Gesicht verpasste und siehe da: Jetzt hatte sie ihre Aufmerksamkeit. Zu dem vor Schmerzen Aufstöhnen des Bauern warf ein wütender Patriot einen Bierkrug nach der verhassten Orlaisianerin mit den vor Hass geprägten Worten: „Verfluchte orlaisische Schlampe! Lass unseren Landsmann in Ruhe!“
Der große hölzerne Trinkgefäß flog, seinen Inhalt in alle Richtungen verteilend auf Juliette zu, die sich aber im letzten Augenblick duckte sodass er einen unglücklichen Stehenden traf welcher dadurch, mehr überrascht als schmerzerfüllt, grunzend nach hinten taumelte. Geräuschvoll warf er einen Tisch mit samt den Getränken die auf ihm standen um als er gegen ihn stieß und ebenfalls zu Boden ging. Die Besitzer der verschütteten Getränke, von eben diesen bekleckert, sprangen erzürnt auf und einer von ihnen warf erbost seinen Krug mit einer üblen Verwünschung zurück, traf aber nicht sein beabsichtigtes Ziel sondern einen anderen, der das ebenfalls nicht auf sich sitzen ließ. Die nächsten Augenblicke waren zu schnell, zu brutal als dass Juliette sie hätte vollkommen begreifen können, nebenbei musste sie auch nicht wenigen Fäusten erboster und angetrunkener Flüchtlingen ausweichen. Scheinbar hatten auch diese Fereldaner die kaum ein paar Jahrzehnte zurückliegende Besatzung des orlaisischen Reiches und den Einkehr wahrer Zivilisation, was sie aber törichterweise als grausame Schreckensherrschaft verschrien, nicht vergessen. Dass die immer so kleinlich sein müssen! Noch mehr Beschimpfungen und Wutschreie ertönten als die Lage endgültig eskalierte und die Schlägerei losbrach. Krüge, Fäuste und Flüche wurden nur so um sich geworfen, als Holz krachte, Geschirr klirrte und der Wirt aus einer Mischung aus Verzweiflung und Entsetzten aufstöhnte, während seine vorhin vergleichsweise noch so ruhige Taverne sich in ein lautes Tollhaus verwandelte.
Wer sich nicht daran beteiligte sich zu prügeln drückte sich an die Wände, soweit wie möglich weg vom Geschehen oder verließ gleich auf schnellsten Wege das Gebäude oder wurde unfreiwillig in die Schlägerei hineingezogen. Das Mobiliar als auch Krüge und anderes Geschirr wurde als improvisierte Waffen geschwungen oder geworfen ehe auch die ersten richtigen Waffen in Form von Messern und Knüppeln ins Spiel kamen.
Durch ihr Geschick und ihre Wenigkeit gelang es Juliette soweit wie möglich in diesem Getümmel zu verschwinden, indem sich rasch vor denen zurück zog die es auf sie abgesehen hatten und sich hinter andere Kämpfenden stellte. Beinahe hätte sie Alrik in diesem Gewimmel von Leibern verloren doch es gelang ihr ihn gerade noch so im Auge zu behalten.
Eben musste sich der Muskelprotz von vorhin gegen einen anderen Schläger verteidigen doch nun versuchte er Alrik, der sich tapfer aber vergebens wehrte, am Kragen zu packen. Bevor dies von Erfolg gekrönt war schlängelte sich Juliette an anderen Kämpfenden vorbei ehe sie dem Mann gegen das Schienbein trat und mit der Sohle daran herab schrappte um auf seinen Span zu stampfen. Er konnte kaum vor Schmerz schreien und versuchen zurückzuweichen da schubste ihn die Orlaisianerin kräftig sodass er den Halt verlor und zu Boden ging.

Alrik lächelte anerkennend und wollte sich vermutlich gerade bedanken da packte Juliette ihn grob an der Hand und zog ihn mit sich. Die Schläger waren größtenteils so mit sich selbst beschäftigt da sie ohne von einen von ihnen angegriffen zu werden das Gebäude hastig verlassen konnten. Mit dem Jüngling im Schlepptau brach die Duellantin aus dem Getümmel hinaus auf die Straße, wo sich einige Schaulustige versammelt hatten um kopfschüttelnd oder amüsiert die Schlägerei zu beobachten. Sie waren kaum ein paar Meter draußen da verließ ebenfalls eine Gruppe Schläger die Taverne und heftete sich an die Versen der Fliehenden. Worte wie „Da sind sie!“, „Lasst sie nicht entkommen!“ oder „Ich kriege euch!“ wurden Juliette und Alrik nachgerufen als sie, wie sie es befohlen hatte, rannten als sei die Brut hinter ihnen.

-> Südhügel (http://www.globalgameport.com/showthread.php?41786-Die-S%FCdh%FCgel&p=713120#post713120)

Adriana-Sarunu Vedeejs
22.05.2012, 16:30
Nichts desto trotz, sie konnte nicht einfach aufgeben. Koslav, der Arsch, spekulierte darauf. Niemand wollte etwas tun. Warum sahen alle nur weg? Selbst wenn Adriana die Gesichter derer, die im Luxus lebten, nicht erfassen konnten, wusste sie innerlich, dass sie, ihr Leid, nicht sehen wollten. Sklaverei war verpönt in Ferelden. Dennoch lebten genügend Elfen zusammengepfercht in Gewindevierteln. Gingen niederen Tätigkeiten nach, die ihnen nicht einmal ein halbwegs passables Leben ermöglichten. Viele starben an Krankheiten oder Erschöpfung. Noch mehr gingen mehreren Tätigkeiten auf mal nach. Zwei Kupferlinge am Tag waren meist schon der Höchstlohn. Nur die Frauen konnten mehr verdienen. Aber auch nur dann, wenn sie ihren Körper verkauften. Sich einem einsamen Bauern oder einem einfachen Soldaten hingaben. Oder wenn ein Adliger mal wieder Gesellschaft für ein größeres Anliegen suchte. Doch Adriana war noch weit schlimmer dran. Sie schuftete Tag ein, Tag aus für ein lausiges Stück Brot und einen Becher Wasser, der nur all zu oft nach etwas anderem schmeckte. Sie hätte aufgeben können, doch wer immer auch ihr Vater war, er hatte eine Kämpferin gezeugt. Eine blinde Kämpferin. Adriana war von Geburt an blind. Niemand war im Stande, ihr das Augenlicht zu geben. Niemand außer Koslav, dachten ihre Eltern. Adriana kannte den Mann schon seitdem sie zehn Jahre alt war. Damals, sie lebte noch im Armenviertel von Kirkwall, kam sie Koslav des öfteren besuchen. Eines Tages kaufte er sie ihren Eltern ab, ohne dafür auch nur einen Kupfer auszugeben. Ein gewitzter Händler, Dieb, Entführer, Monster. Schon in der ersten Nacht, die sie bei ihm verbrachte, lernte sie ihn richtig kennen. Damals, wusste sie nicht genau, was los war. Doch hat sich das in den letzten Jahren geändert. Adriana, selbst nun zu einer jungen Frau heran gewachsen, war eine Sklavin. Nicht mehr und nicht weniger. Nur ihr makelloses Aussehen bewahrte sie bislang vor dem Tod. Denn eine blinde Sklavin war nur in etwa soviel Wert, wie eine tote Sklavin und Adriana wusste das. Viele Jahre vergingen und sie stand noch immer in seinem Dienst. Adriana hatte bereits den Entschluss gefasst, Koslav zu töten, doch wartete sie nun auf den passenden Augenblick. Er sollte alleine sein, separiert von anderen. Doch bislang war ihr dieses Glück nicht vergönnt und solange sie sich, seiner nicht entledigen konnte, würden die Demütigungen und Vergewaltigungen ungehindert weiter gehen. Das Problem war ihre Blindheit. Ohne diese Benachteiligung hätte sie ihn schon lange aus dem Weg geräumt und in einer ruhigen Ecke verschachert. Doch war es anfangs noch schwierig, spezielle Geräusche zu isolieren und zu erkennen lernte sie dieses durch langes, hartes Training doch relativ schnell. Leider kam es aber nicht so weit. Adriana war, eines Abends, in den hinteren Räumen und schnitt das Fleisch für die Tiere zurecht, als sich ihr ein fremder Mann nährte. Er packte das Mädchen, hob es über den ganzen Tisch und legte sie darauf, rückenseitig, im frisch geschnittenem Fleisch ab. Dieses Gefühl von kaltem, rohen Fleisch an den Schenkeln, würde sie nie vergessen. Doch wusste sie nicht wirklich, was auf sie zukam. Gerade noch nichtsahnend am Tisch stehend, lag sie nun plötzlich auf diesem. Sie hatte die Orientierung verloren und konnte sich für einen Augenblick nicht zurechtfinden. Dann...

Sie schreckte auf. Nur ein Traum, dachte sie erleichtert und hielt sich den Kopf. Den Geschmack von Blut schmeckend, setzte sie sich verschwitzt und durstig auf. Der Morgen war angebrochen. Nachdem sie sich am Krug, der neben dem Bett stand, erfrischt hatte, suchte sie die Wasserschale am anderen Ende des Raumes. Kasha füllte sie gerade wieder auf. Wieder dieser Traum, ging es ihr durch den Kopf. Wann werde ich den endlich los? Das plätschern des Wassers verriet ihre elfische Freundin.
„Guten Morgen, Kasha.“, grüßte sie sie: „Ich hoffe, du hast gut geschlafen.“
Kasha berührte leicht den Unterarm von Adriana, was ihre Frage bejahen sollte und nahm sich dann ihres Nachthemdes an, sodass sich die Blinde waschen konnte. Das kalte Wasser tat gut. Es erfrischte sie und verscheuchte auch den letzten Rest an Müdigkeit. Als sie soweit war, half ihr Kasha beim Anziehen und schnürte ihr Korsett.
„Pfff. Nicht so fest bitte.“
Aber die Elfe wollte nicht hören. Sie schnürte weiter. Die Luft blieb weg, doch dann saß es. Das rote Gewand schmeichelte ihrer Figur sehr. Nach einigen Minuten schweren Atmens, gewöhnte sich Adriana aber wieder an das Korsett. Zeit für das Frühstück, dachte sie sich und tastete sich langsam in den Hauptraum, der als Wohnraum, Küche und Geschäft diente. Kasha kümmerte sich um die letzten Aufräumarbeiten und ein lautes Grölen begrüßte Adriana im Hauptraum.
„Guten Morgen, Boomer.“
Sie ging eine schritte auf dieses wohlbekannte Geräusch zu. Ihre Hand ausstreckend, fühlte sie alsbald die kalte, feuchte Nase ihrer treuen Begleiterin. Ihre Zunge glitt über ihre Hand und Adriana lachte erfreut.
„Komm, lass uns frühstücken.“
Sie setzte sich an den Tisch und bereitete sich ihres und das der Bärin. Kasha war ein fleißiges Mädchen. Sie tat alles, damit es ihre blinde Freundin einfacher hatte. Immerhin beschützte sie sie vor der Sklaverei. Auch wenn sie es nicht unbedingt musste, hielt sie den Laden sauber und kümmerte sich um die persönlichen Belange Adrianas. Adriana schaffte im Gegenzug das Geld ins Haus und sorgte dafür, dass die drei, Adriana, Kasha und Boomer, ein komfortables Leben genießen durften. Es klopfte und ein älterer Mann betrat den Laden. Seines Zeichens war er der Arzt, doch Adriana wusste, dass er nur herkommen würde, um sich die Schöne hinter dem Tresen anzuschauen. Immerhin würde er bei anderen Händlern in der Umgebung deutlich weniger für die nötigen Kräuter ausgeben. Sie erkannte seinen Schritt. Er hinkte ein wenig. Auch war er so ziemlich der einzige, der an der Tür klopfte und nur auf deutliche Einladung das Geschäft betrat.
„Guten Morgen, Doktor. Wie geht es Euch?“, begann Adriana das Gespräch.
Der ältere Mann erstarrte für einige Sekunden, als er Boomer erblickte.
„Was ist los, Doktor? Stimmt etwas nicht?“
„Nein, nein. Alles in Ordnung. Einen schönen guten Morgen, wünsche ich.“, brachte er dann doch leicht stotternd hervor. Der Mann, er war schon angegraut, trat auf das Mädchen am Tisch zu. Adriana wischte sich noch den Mund ab, stand aber auf, fixierte dann einen leeren, schwarzen Punkt in ihrem Blickfeld und reichte dem Gentleman die Hand. Dieser ergriff sie auch sogleich und drückte ihr einen sanften Kuss auf, was Sarunu einen leichtes Schmunzeln abverlangte.
„Charmant wie eh und je. Wieder auf der Suche nach ein paar Kräutern, Doktor?“
„Ihr kennt mich schon zu gut, Händlerin.“
„Bitte, wie oft noch? Nennt mich endlich Adriana.“, gebot sie ihm, freundlich aber doch ein wenig enttäuscht. Immerhin hatte sie ihm das schon vor mehreren Wochen erlaubt.
„Habt Ihr die Kräuter, die ich suche, Händlerin?“, ignorierte er gekonnt ihre letzte Aussage. Dennoch begutachteten seine Augen jeden Quadratzentimeter ihres Körpers.
„Sonst würde ich meine Arbeit nicht richtig machen.“, scherzte sie sarkastisch und entlockte dem Arzt damit ein leichtes Lachen. Adriana ergriff weiter das Wort: „Kasha? Würdest du dem Doktor bitte die Kräuter bringen. Eben diese, die der Herr gewöhnlich bezieht.“ Keine Antwort. Aber das kannte Adriana schon. Sie vernahm ihre Schritte und bat den Doktor darum, sie zum Tresen zu geleiten. Der ältere Mann nahm die hübsche Händlerin bei der Hand und führte sie zum, nahe des Eingang gelegenen, Tresen. Kasha wartete bereits dort. Boomer folgte dem Trio und legte sich auf ihren angestammten Platz nahe der Tür ab. Sie grummelte ein wenig. Anscheinend wollte sie ein wenig mehr Aufmerksamkeit. Adriana entlockte sie damit ein sanftes Lächeln und ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Doktor widmete, blickte sie in die Richtung der vernommen Geräusche:
„Ja, Boomer. Du kommst gleich an die Reihe. Du weißt doch, der Kunde geht vor.“
Ein weiteres enttäuschtes Aufheulen seitens der Bärin. Die anderen Anwesenden lachten herzlich.
„Nun Doktor. Ich verstehe noch immer nicht, warum ihr diese Kräuter über meinen Laden bezieht. Versteht mich bitte nicht falsch. ich freue mich über jeden Kupferling, den ich verdienen kann aber wäre es für euch nicht günstiger, wenn ihr diese Kräuter über den ortsansässigen Kräuterkundler beziehen würden?“, fädelte sie ihre Lüge ein, denn sie wusste, warum der alte Mann sie besuchte. Sie wollte es nur aus seinem Mund hören.
„Tja, Händlerin. Ich finde den Service, der einem hier entgegen gebracht wird, um einiges... ansprechender, als beim Kräuterkundler gegenüber.“, scherzte er, ohne dabei den Blick von ihr abzuwenden.
„Ah. Na das... hört man gerne. Das macht dann zwölf Kupferlinge, der Herr.“
Adriana löste sich aus dem Griff des Doktors und hielt ihm nun die offene, fordernde Hand entgegen. Der Mann lachte amüsiert und bezahlte anstandslos, nahm sich das Bündel Kräuter und verließ das Geschäft, nachdem er Adriana einen sanftes Kuss auf die Wange drückte.
„Und beehrt uns bald wieder“, rief sie ihm noch hinterher. Die Tür schloss sich und Adriana bat Kasha darum, wieder an ihre Arbeit zu gehen, wenn sie nichts anderes vorhatte. Sie und Boomer würden zunächst wohl die ausstehenden Mieten eintreiben und dann die neusten Nachrichten in Erfahrung bringen.

Wohlig warm war ihr, als sie Boomer betrachtete. Das blaue Leuchten, welches die Bärin umgab, bewunderte sie immer wieder gern. Sie ahnte schon, dass Boomer magisch Begabt war, doch wissen tat sie es nicht. Das weiße Fellknäuel lag neben dem Eingang und döste. Adriana kniete sich hin und begann es zu streicheln und zu herzen, besann sich dann aber ihrer eigentlichen Intuition wieder und erhob sich langsam.
„Komm, Boomer. Wir haben noch einiges zu tun heute.“
Sie legte der Bärin ihr Geschirr an, welches direkt neben der Tür hing und verließ das Haus.
Warme Sonnenstrahlen streichelten ihre Haut. Sie hielt ihr das Gesicht entgegen. Auch wenn sie die Sonne nie sehen würde, wusste sie sie dennoch zu schätzen.
„Ein schöner Morgen, nicht wahr Bommer?“
Das Elend, was herrschte, sah sie nicht. Fühlen konnte sie es aber dennoch. ,Die Schlacht um Ostagar hat vieles verändert', dachte sie mitfühlend. In jeder Ecke lagerten Flüchtlinge aus dem Süden. Es gingen Gerüchte um, das eine Verderbtnis komme und die Vorzeichen der letzten Wochen, ließen diese Befürchtung auch in Adriana aufkeimen.
„Guten Morgen, Adriana. Wie geht es euch heute?“, fragte sie einer der Kleriker der Kirche.
„Auch Ihnen einen guten Morgen, Kleriker. Danke, mir geht es gut. Was gibt es für Neuigkeiten?“, entgegnete sie ihm. Ihr Laden war unweit der Kirche entfernt. Vielleicht fünfzig oder sechzig Meter Luftlinie trennten die beiden Gebäude von einander.
Er war ein junger Mann. Ein, zwei Jahre jünger als Adriana aber das merkte man ihm nicht an. Er war auch nicht an ihr interessiert. Das heißt, vielleicht doch aber wenn es so war, konnte er es gut überspielen.
„Wieder einige Flüchtlinge mehr.“, bedauerte er aufrichtig: „Lothering wird diesem Ansturm nicht mehr lange stand halten. Irgendwas muss passieren. Wir haben alle Hände voll zu tun. Über die Nacht sind wieder einige gestorben. Hilfe können wir so schnell auch nicht erwarten. Die ehrwürdige Mutter spielt mit dem Gedanken, die Templer auszusenden, um Hilfe von den umliegenden Arltümern einzufordern.“ Er klang besorgt: „Also, das Gleiche wie jeden Tag. Und wie geht es euch, Händlerin?“, hing er ein wenig sarkastisch an.
„Danke. Mir geht es dem Umständen entsprechend gut.“, lächelte sie ihn an. Die vielen Bettler und Schergen machten ihr so manch Situation einfach komplizierter. Sie war blind und sobald ein Dieb dies realisierte, war sie ein potentielles Opfer. Glücklicherweise war Boomer ja da. Die kleine wurde umlagert von einer Schar Kinder.

Sie knufften, streichelten und umarmten das Tier. Es war praktisch hilflos und schaute, hilfesuchend zu Adriana auf. Welche Ironie: Ein Bär, der bei einem Menschen Hilfe suchte... Jäger würden sich über solch ein Verhalten freuen – Leichte Beute halt – Aber dieses ungleiche Gespann, war es eher hinderlich statt fördernd.
„Würdet ihr bitte das Tier in Ruhe lassen, Kinder?“, bat sie den kleinen, vergnügten Mob um sie herum. Doch die Kleinen dachten nicht daran. Der Kleriker lachte amüsiert.
„Kinder, lasst doch bitte das arme Tier in Ruhe. Wie würde es euch gefallen, wenn man euch ständig betatscht und befummelt. Außerdem ersetzt dieser Bär die Augen der lieblichen Händlerin.“
Einen großen Teil der Kleinen hatte er damit überzeugt, sie ließen ab vom Tier. Der Rest schaute fragend in das Gesicht der Blinden und dann in das der Bärin. Boomer schnaufte erleichtert. Sie war kinderlieb aber eine solche Meute raubte auch ihr den letzten Nerv.
„Kommt Kinder, eure Eltern machen sich bestimmt schon Sorgen. Kommt mit, ich werde euch die ein oder andere Geschichte erzählen.“

,Geschafft. Die kleine Brut sind wir los', dachte sich Adriana, als sie die leiser werden Kinderstimmen vernahm.
„So Boomer. Ich denke, wir können uns auf den Weg machen und die ausstehenden Mieten eintreiben. Nicht wahr?“, flüsterte sie dem weißen Knäuel zu.
Sie brummte und machte sich auch gleich auf den Weg Richtung Geschäft. An der Rückseite des Hauses führte eine schmale Treppe herauf zu den beiden Zimmern. Adriana hielt sich am Geländer fest und bat Boomer unten zu warten. Sie würde das auch ohne ihre Hilfe schaffen. Sie klopfte.

Sie hörte schritte und leises murmeln. Die ältere Frau, die sich dort eingemietet hatte, öffnete die Tür. „Was wollen Sie, Händlerin?“, fuhr sie sie an.
„Mein Geld, was sonst.“, entgegnete Adriana ihr genau so forsch. „Wenn Ihr nicht zahlen könnt, muss ich euch leider bitten, das Zimmer zu räumen.“ Adriana streckte die Hand fordernd aus. Die alte Frau kramte einen Moment lang und gab ihr dann nörgelnd die zwei Kupferstücke.
„Nimm und geh.“, fauchte sie weiter. Doch bevor Adriana was erwidern konnte, schlug sie die Tür zu. Der Gast des anderen Zimmers war nicht so flüssig wie die alte, er wollte die Tür auch nicht öffnen. Doch Adriana besaß Zweitschlüssel. Sie öffnete die Tür, die eher an einen Holzverschlag erinnerte. Es knarzte und krachte, als sie sie weiter aufschob. Der Mann sprang sie an und schob sie so über die Brüstung des Stegs am Haus. Zwei Meter Fall wurde nur von Büsche gebremst.
Sie schrie auf vor Schmerz. Der Sturz alleine wäre nicht weiter dramatisch gewesen, doch die knapp hundertzwanzig Kilo, die sie als Polster missbrauchten, schmerzten dann doch etwas. Boomer wurde aufmerksam und blickte sich um. Der Mann versuchte sie zu beißen, hielt ihre Unterarme fest und presste sie auf den Boden. Er kam Vortag aus der Richtung Ostagars und mietete sich bei ihr ein. Er versprach ihr mehrere Goldstücke und gab ihr sogar eines als Anzahlung. Er machte ihr schon einen kranken Eindruck. Die Art, wie er mit ihr sprach, seine schlurfenden Schritte. Alles deutete auf eine Infektion hin. Adriana lies sich aber täuschen und gab ihm den Schlüssel zum Raum.
Die Bärin brüllte den vermeintlichen Mieter an, doch er lies nicht locker. Schließlich machte Bommer einen Satz von mehreren Metern und tackelte den Mann von ihrer Freundin hinunter. Wachen eilten herbei und wollten den Unbekannten festnehmen. Da wurde das Ausmaß erst sichtbar. Der Mann litt an einem Fieberwahn. Ein ehemaliger Soldat. Seine schweren Verletzungen ließ er sich nicht behandeln. Boomer schmeckte die Sache nicht und brüllte daher den Gegner weiter an. Doch da er sich auf nichts außer der brünetten Blinden achtete, konterte Bommer ihn mehrfach hart.Es dauerte eine ganze Weile bis der Mann festgenommen werden konnte. Doch als die Wachen die Fesseln ansetzten, bemerkten sie, dass er sein Leben verloren hatte. Er war so schwer verletzt gewesen, dass ihm die letzten Anstrengungen dahin rafften.
Sarunu rappelte sich wieder auf die Beine. Ihr Rücken war übersät mit blauen Flecken und kleineren Kratzern.
„Und wer gibt mir jetzt meine restliche Miete?“, fragte sie in die Runde Schaulustiger um ihnen klar zu machen, dass sie immer noch eine Geschäftsfrau war und keine Wohltäterin. Sich den Rücken haltend ging Adriana begleitet von ihrer treuen Freundin Boomer zurück ins Geschäft.

„Die dunkle Brut kommt mit jedem Tag näher. Ich habe Angst vor dem was passiert.“, eröffnete sie das Gespräch mit Kascha. Adriana saß mit entblößtem Oberkörper im Geschäft und lies sich die Wunden und blauen Flecken versorgen.
„Ich denke, wir sollten unsere Zelte hier abbrechen und weiterziehen. Wir sind schon zu lange an diesem Ort.“ Tränen stiegen in die Augen. Sie meinte es erst.
„Es wird hier von Tag zu Tag immer gefährlicher. Wie lange das wohl noch gut geht?“

Tag 1 - 08:12 Uhr

Yanis Leclerc
10.06.2012, 18:33
Lothering, Taverne

Tag 3: 07:45

Geräuschvoll kratzte Yanis die Schüssel leer und schob sich den letzten Rest des Eintopfs in den Mund. Behutsam die Schüssel ablegend wandte er sich dem Wirt zu.
Yanis dunkle Augen glitten über den gepflegten Schnauzer und die Koteletten des korpulenten Mannes und suchten nach irgendetwas.

Der Wirt schwitzte während er auf einem Stuhl, mitten in seiner Wirtschaft saß , flankiert von zwei schweigsamen Männern deren Lederkluft bis über den Hals zugeknöpft war und deren lederne Handschuhe bedrohlich knirschten wenn man eine Faust bildete. Die Augen der beiden Männer waren unter dem, ebenfalls ledernen, Dreispitz gerade noch zu erkennen und starrten finster drein.
Drei weitere, genauso gekleidete Männer, durchsuchten im Moment die Wirtschaft in der sich Yanis, auf einem Tisch sitzend umzusehen begann. Er wendete seinen Blick von dem Wirt ab, der genau vor ihm saß und sah sich die Geweihe, Präparate an den Wänden, die leere Theke, die obere Ebene an.
Als Yanis mit seinen Leuten die Wirtschaft erreicht hatte waren nur wenige Gäste anwesend. Diese wenigen Leute waren recht schnell verschwunden als Yanis mit seinen Männern aufgeschlagen waren. Jetzt waren nur noch die Angestellten und Yanis Truppe im Anwesen.

Yanis blickte wieder zu dem Wirt und von ihm aus zu einem anderen Tisch zu seiner rechten. Die Frau und die beiden hübschen Töchter saßen dort, ebenfalls flankiert von Yanis Männern. Die Frauen hatten Angst. Der Orlaiser stieß mit geschlossenem Mund auf, hielt aber dennoch die Hand vor dem Mund.
Einer von Yanis Männern kam die Treppe von der oberen Ebene runter und schüttelte nur den Kopf. Nicht mehr hier
Er schenkte dem Wirt nun seine volle Aufmerksamkeit.
„Eine junge Frau. Mitte zwanzig, in etwa so ‘och…“ Yanis deutete mit der Hand eine gewisse Körpergröße an „…‘elle `aut, graue Augen, dunkelbraune `aare zu einem Zopf gefloschten. Sie trägt eine abgenutste Lederkluft und `at eine kleine Schramme über der linken Augenbraue.“
Er rückte mit seinem Kopf sehr viel näher an das des Wirts heran. Aus einer Tasche kramte er ein Stück Paper vor auf dem eine detaillierte Zeichnung von Juliette war und sie beruhte aus den neusten Erkenntnissen.
„Isch weiß dass sie `ier war. Sagt mir alles was i`r wisst!“ forderte er den Wirt mit einem stechendem Blick und harter Stimme auf. Er zeigte dem Wirt die Zeichnung und an den geweiteten Augen erkannte Yanis, dass der Wirt Juliette tatsächlich wiedererkannte.
„Ja…ja, sie war hier für ein paar Tage..“ der Wirt nickte eifrig und wischte sich den Schweiß von der Stirn, er schluckte heftig bevor er weitersprach „…sie trank viel und spendierte Lokalrunden.“ Yanis suchte im Gesicht des Wirts nach Anzeichen von Lügen konnte aber keine erkennen „weiter!“ befahl er mit ruhiger aber harter Stimme dem Wirt.
„Sie…sie hat auch eine heftige Schlägerei angezettelt und meine Gaststätte damit verwüstet“ der Wirt sah besorgt zu seiner Familie
„Wie `at sie den Streit verursascht?“ Irgendwas stimmt da nicht. Eine Schlägerei anzufangen war ungewöhnlich für Juliette. Wer unauffällig bleiben will fängt keine Schlägereien an. Yanis Interesse war geweckt.
„Sie ließ Orlais hochleben und beschimpfte Ferelden“ antwortete der Wirt leise und wich Yanis Blick aus
„Einfasch nur so?“ fragte Yanis zweifelnd und lehnte sich wieder zurück „Was war unmittelbar davor gesche`en?“
„Sie hatte sich mit jemandem über ein Pergament unterhalten soweit ich weiß, es soll wertvoll gewesen sein“ Der Wirt zuckte verzweifelt mit den Schultern
Yanis lehnte sich urplötzlich wieder weit vor und erschreckte den Wirt „Mit wem `at sie geredet und was ist das für ein Pergament gewesen?“
„Ich weiß nicht!“ die Stimme des Wirts hatte etwas Flehendes.
Yanis sah den Wirt nur weiterhin eindringlich an
„Ich weiß es wirklich nicht!“ der Wirt sank langsam in seinem Stuhl zusammen. Yanis rückte mit seinem Gesicht noch ein wenig näher und setzte sich blitzschnell etwas anders hin. Die plötzliche Bewegung von Yanis ließ den Wirt zusammenzucken.
„Bitte!…“ flehte der Wirt und wendete seinen Blick ab.
„Alrik“ Yanis drehte seinen Kopf nach rechts. Die ältere Tochter hatte gesprochen woraufhin alle Familienmitglieder erschrocken zu ihr sahen. Yanis setzte sich wieder aufrecht hin.
Der Wirt wollte seiner Tochter zurufen still zu sein doch Yanis legte seinen behandschuhten Zeigefinger auf seine Lippen und forderte die Tochter auf zu erzählen „Weiter!“
Die Tochter spielte nervös mit ihrer Schürze und vermied es Yanis anzusehen während sie leise erzählte „Der junge Mann, sein Name ist Alrik. Er…er sprach von einem Pergament, einem wertvollen…..aber er konnte es nicht entziffern…“ ihre Stimme erstarb und schüchtern huschte ihr Blick zu Yanis.
„Wo ist sie `in?“ fragte Yanis den Wirt und die Tochter wobei er abwechselnd beide ansah.
„Es gab Streit um das Pergament, einige andere wollten es haben“ erzählte die Tochter weiter und machte eine kurz Pause um kräftig zu Schlucken und sich die aufwallenden Tränen aus dem Gesicht zu wischen „Dann kam es zu der Schlägerei und sie war mit dem Jungen verschwunden..“ ihre Stimme erstarb.
„Wann war das?“
„G….Gestern….gegen Zehn!“, ein knapper Tag Vorsprung. Langsam holte er sie ein.
„Wurde sie verfolgt?“ fragte Yanis weiter nach
Die Tochter machte einen verzweifelt-verängstigen Gesichtsausdruck „Ich weiß nicht genau…..i..ich denke schon… doch! Ein paar Männer sind ihr dem jungen Mann hinterher“
„Isch brauche Namen! Wer `at sie verfolgt?“
„M..M..Matthes. Ich kenne nur seinen Namen“ die Stimme der Tochter war nicht mehr als ein Flüstern.
„Weißt du wo isch Mattes finden kann?“
Die Tochter nickte stumm und sah Yanis dabei nur ganz kurz an.

Yanis nickte einmal kurz dann klatschte er in die Hände was die Wirtsfamilie zusammenzucken ließ und sprang vom Tisch.
Er wechselte in seine Muttersprache. „Jean, hol Christophe und Grangé wir 4 und die Wirtstochter suchen diesen Matthes. Philip du bleibst mit dem Rest hier lass niemand rein oder raus!“ befahl Yanis und zerrte die Tochter grob auf die Füße. Die Angesprochenen nickten stumm. Einer verließ die Gaststätte der andere rief Anweisungen den restlichen Männern zu.
„I`re Tochter wird uns begleiten!“ Der Wirt und die Mutter wollten protestieren doch die Männer die bei ihnen standen drückten sie gewaltsam wieder auf ihre Stühle.
„I`re Tochter ist bei uns sischer, machen sie sisch keine Sorgen, Monsieur.“
Mit der Tochter im Schlepptau verließ er die Wirtschaft. Draußen warteten bereits die drei Männer bereits auf ihren Pferden. Yanis Pferd stand bereit.
„Mademoiselle!“ forderte er die Tochter auf, auf das Pferd zu steigen und half ihr dabei. Zuletzt stieg auch Yanis auf sein Pferd. „Wo`in?“ fragte Yanis und kurz darauf ritt die kleine Gruppe die schmutzige Straßen entlang.

Einige Minuten ritten sie den Anweisungen des Mädchens nach als sie an einem kleinen Bauernhof ankamen. Einige Männer waren mit Feldarbeit beschäftig. Die junge Frau zeigte auf einen der Männer.
Die kleine Gruppe näherte sich auf ihren Pferden den Feldarbeitern. Diese bemerkten jetzt auch die Reiter und stellten ihre Arbeit ein und näherten sich.
„Was wollen sie?“ wurde Yanis von einem kräftigen Arbeiter gefragt.
„Bist du Mattes?“ frage Yanis und sah, dass der Arbeiter ein paar Blessuren im Gesicht hatte die von einer Prügelei stammen konnten.
Der Arbeiter kam näher an Yanis Pferd heran und hatte einen verärgerten Gesichtsausdruck. „Ich habe einer orlaisichen Ratte nichts zu sagen!“ die Stimme des Arbeiters war voller Abscheu während er sprach. Der Arbeiter beugte sich etwas vor und spukte Yanis auf die Stiefel.
Yanis zog blitzartig seinen Stiefel aus dem Steigbügel und trat dem Arbeiter mit aller Macht ins Gesicht. Der Arbeiter fiel stöhnend zu Boden. Die anderen Feldarbeiter rührten sich nicht von der Stelle und hatten ihre Hände erhoben. Grund dafür waren Yanis Männer die mit ihren Armbrüsten die Feldarbeiter in Schach hielten.
Yanis stieg von seinem Pferd und trat dem Arbeiter in den Bauch, sodass dieser auf den Rücken rollte. Er zog sein Säbel und hielt es dem Arbeiter unter das Kinn.
„Bist du Mattes?“ Der Arbeiter nickte und kniff vor Schmerz die Augen zusammen
„Isch suche eine junge Frau und isch glaube du kannst mir `elfen“ Mit der freien Hand zog Yanis die Zeichnung von Juliette hervor und zeigte sie Matthes.
„Das ist die Schlampe aus der Wirtschaft. Sie hat mich bestohlen“ log Matthes und sah voller Abscheu auf die Zeichnung.
„I`r `abt sie verfolgt?“ Matthes nickte grimmig
„In welsche Rischtung und wo`in?“

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