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Kenneth Diaz
20.10.2010, 15:48
>>> Die Citadel: Allianzandockbucht >>>

Cape saß bequem zurückgelehnt in einem Ledersessel, die Füße hochgelegt und ließ einen Whiskey, der älter als er selbst war, bedächtig in einem Glas kreisen. Nachdenklich beobachtete er, wie die in solch ungewohnte Bewegung gesetzte, leicht ölige wirkende Flüssigkeit flüchtige Muster auf den Rändern schrieb, ehe sie sich eher gemächlich daranmachte, sich wieder mit dem Rest des Whiskeys auf dem Boden zu vereinigen. Irgendwann jedoch herrschte wieder Stille in dem mundgeblasenen Trinkgefäß und der Whiskey ruhte im Lichte der Leselampe still und dunkel wie ein Waldsee im Mondschein. Cape legte den Kopf leicht schräg und ließ den Anblick auf sich wirken, ehe er das Glas mit einem winzigen Achselzucken hob und es in einem Zuge austrank.

Der ehemalige Captain der Midway wartete auf vertraute leichte Schütteln, dass sich nach dem Genuss von Whiskey oft bei ihm einstellte, aber jetzt spürte er nur ein warmes Gefühl, dass im Rachen begann, sich in der Speiseröhre allmählich fortsetzte und schließlich seinen Magen wohlig ausfüllte. „Wirklich guter Stoff“, murmelte er vernehmlich, eine eher profane Bemerkung, die überhaupt nicht zum gerade genossenen Alkohol und der gediegenen Umgebung passte und ihm einen sehr pikierten Blick einer älteren und sehr distinguierten Lady einbrachte. Cape lächelte sie quer über den Mittelgang des Shuttles hinweg an und zeigte dabei seine beste Verführermine. Eben jenen Gesichtsausdruck, mit dem er vor viel zu langer Zeit eine Reihe von Beziehungen und schließlich sogar zwei Ehen angebahnt hatte.

Die Lady schüttelte sichtlich verwirrt den Kopf, woraufhin Cape ihr lächelnd zunickte und leicht mit dem leeren Glas grüßte. Die Lady schien zufriedengestellt. Dafür eilte nun aber eine hübsche Asaristewardess herbei, die wohl Capes Bewegung missverstanden hatte und ihm einen neuen Drink einschenken wollte. Cape schaute der Asari einen Moment in die Augen und suchte dort nach etwas mehr, als nur professioneller Höflichkeit. Aber da war nichts. Dankend lehnte Cape daraufhin ab und die Stewardess entschwand mitsamt dem leeren Glas.

Cape war direkt nach der Verabschiedung der Crew in ein Aircar der Allianz gestiegen, wo ihn ein steifer Staff Lieutenant mit einer ganzen Ladung von Datapads begrüßt hatte. Außerdem schien dieser Lieutenant gewillt, die Informationen eines Zwei-Stunden-Briefings in die Zeit zu stopfen, die die Fahrt von der Andockbucht der Midway zu den Passagierterminals dauerte und das waren sicher nicht mehr als fünfzehn Minuten. Zuerst versicherte ihm der Lieutenant, dass seine Ausrüstung quasi schon auf dem Weg sei und auf jeden Fall rechtzeitig an Bord des Shuttles sein würde. Eine Tatsache, an der Cape zu keiner einzigen Sekunde irgendwelche ernsthaften Zweifel gehabt hatte, denn erstens hatte er seine Sachen noch gar nicht richtig im Kapitänsquartier ausgepackt gehabt und zweitens würde sich wohl aus alter Verbundenheit Chief Chernov um diese Sachen kümmern und dieses Mann verstand sich auf seinen Job.

Als nächstes erfuhr Cape von dem Lieutenant, welche Squadron des ASOR er übernehmen würde und für welche Mission die Einheit vorgesehen war. Und abschließend drückte der Lieutenant Cape eine Anzahl privater Korrespondenz in die Hand, um ihn gleich anschließend vor einem Terminal zu verabschieden. Cape einziges Gepäck war also nur ein Stapel Datapads, die er gerade sortierte, als er zum Buchungsschalter ging, wo ihn ein älterer, wohlparfümierter Mann begrüßte: „Ah, sie müssen Mister Diaz sein. Wir haben Sie schon erwartet. Ihr Platz in der Business…“
Er verstummte sofort, als Cape missmutig die Stirn runzelte und sagte: „Keine First Class? Ist da nichts mehr frei?“
„Oh doch, wir haben von der Allianz allerdings nur…“
Cape hob die Hand. „Dann buchen Sie mich bitte um.“ Er reichte dem Angestellten eine EZ-Creditkarte.

Cape hatte den größten Teil seines Lebens nicht sehr viel Geld besessen und er wusste dessen Wert durchaus zu schätzen. Seinen ersten eigenen Job hatte er schon in der Bar seines Vaters gehabt, wo er, anstatt Taschengeld zu kassieren, saubergemacht, Gläser gespült und das Lager verwaltet hatte. Und auch später in seiner Zeit in der geologischen Forschung hatte er für sein Geld hart arbeiten müssen, ehe die Firma schließlich sogar in den Bankrott gegangen war. Mit ehrlicher Arbeit hatte er es also finanziell nie wirklich weit gebracht und so war sein jetziger, durchaus nicht unbeträchtlicher, Wohlstand auch nur auf Glücksspiel und riskante Aktiengeschäfte zurückzuführen. Cape wusste also, wie flüchtig das Glück in die eine oder andere Richtung war und nachdem er für die Zukunft seiner Kinder vorgesorgt und seine Ex-Ehefrauen angemessen beteiligt hatte, sah er keinen Sinn darin, sein Geld auf Konten und in Depots schlummern zu lassen. ‚Das Geld muss fließen’. Das war sein Wahlspruch und wo Cape etwas Bequemlichkeit kaufen konnte, da tat er dies auch.

„Meine Damen und Herren. Unser Abflug verzögert sich leider noch etwas. Wir warten noch auf verspätetes Gepäck“. Die Stimme des Shuttlecaptains hallte in der Kabine wieder und die Passagiere der ersten Klasse zeigten, bis auf eine Ausnahme, unterschiedliche Anzeichen von Verärgerung und Empörung. Cape war schnell als Verursacher der Verspätung ausgemacht, denn einerseits war er als letzter Passagier an Bord gekommen, noch dazu in einer Schiffsuniform der Allianz und andererseits war er eben die einzige Person, der die Verspätung nichts auszumachen schien. Die distinguierte Lady von vorhin funkelte Cape unfreundlich an. Cape war versucht, sie erneut anzugrinsen, aber in Anbetracht der Tatsache, dass er in Uniform war, hielt er sich doch zurück und widmete sich lieber den Datapads.

Die ersten beiden Pads enthielten kaum mehr, als der Lieutenant ihm schon berichtet hatte. Mehr war aber auch nicht zu erwarten, denn die Einsätze des ASOR unterlagen stets den höchsten Geheimhaltungsvorschriften und selbst an Bord eines Allianzkriegsschiffes durften bestimmte Informationen nur in speziell gesicherten Räumen eingesehen werden. Aber zumindest erfuhr Cape nun die Nummer seiner neuen Squadron. ‚Elf!’ Soweit der Lieutenant Commander sich erinnerte, war diese Einheit erst nach dem Angriff auf die Citadel aufgestellt worden. Dass sie nun schon so schnell einen neuen Kommandeur bekommen würde, ließ an sich nichts Gutes erwarten, aber Cape versuchte sich vor allzu schnellen Urteilen zu hüten, denn wenn dereinst die Geschichte der Midway in den Bars und Kneipen die Runde machen würde, dann würde er auf den ersten Blick auch nicht gut wegkommen… ‚Hast Du schon gehört. Den ersten Midway-Captain haben sie auf Elysium erschossen und der zweite hatte kaum seinen Hintern auf dem Stuhl niedergelassen und ihn angewärmt, als sie ihn mit Karacho gefeuert haben… Befehligt jetzt wohl ne Wetterstation auf einem gottverlassenen Asteroiden…’ Wer wusste also schon, was wirklich bei der Elften passiert war. Er würde es früh genug herausbekommen.

Seine neue Einheit schien, so zumindest ließen es die wenigen Informationsschnipsel vermuten, auf die Verfolgung einzelner Personen, auf lang anhaltende Verfolgungsoperationen, spezialisiert zu sein. Dieser Umstand gefiel Cape. Das war wirklich etwas, wovon er etwas verstand und was er mochte. Dann fiel sein Blick auf das nächste Datapad und alle beruflichen Überlegungen waren vergessen. Eine Nachricht von Alyson! Seine älteste Tochter hatte natürlich wieder daran gedacht und ihren wöchentlichen Brief geschrieben. Das war die einzige wirklich private Korrespondenz unter all den Rechnungen und der Werbung. Denn Robyn und Ryan waren noch zu jung, um selbst zu schreiben und ihre Mutter war selbst beruflich sehr eingebunden und Kyle vergaß es meist einfach.

Cape würde es gegenüber niemand in der Welt jemals zugeben, aber Alyson war sein Lieblingskind. Sein erstes Kind. Nie würde er vergessen, wie er sie das erste Mal in den Armen gehalten und ihn eine schiere Springflut von Gefühlen einfach übermannt hatte. Ihn, den gestandenen Soldaten, der schon früh gelernt hatte, dass man seine Emotionen besser für sich behält, damit sie niemand gegen einen benutzen kann. Wie er aber dann im Kreißsaal nur stumm dastehen und dieses unbegreifliche Wunder anstarren konnte und dabei die ganze Zeit seine Tränen weggeblinzelt hatte und wie leer er sich gefühlt hatte, als die Hebamme Alyson wieder an sich nahm.

Er liebte seine drei anderen Kinder genauso abgöttisch und er tobte gern mit Robyn und Ryan herum, um sie dann todmüde ins Bett zu bringen und er saß genauso gern ruhig neben Kyle auf der Couch, seinen kleinen Kopf an seinem Oberarm spürend, und jeder mit einem Buch in der Hand. Aber Alyson hatte eben einen besonderen Platz in seinem Herzen. Auch wenn ihr Verhältnis zeitweise etwas schwierig war, denn Cape war manchmal etwas strenger zu ihr, vielleicht weil sie die Älteste war, vielleicht auch, weil Cape sie einfach nicht bevorzugen wollte. Vielleicht einfach aber auch nur, weil Alyson langsam erwachsen wurde. Aber im Moment war das egal, denn da war eine Nachricht von ihr an ihren Papa.

Der Flug würde nicht lange dauern, also öffnete Cape rasch die Datei, alles andere um sich herum vergessend.

12.40 Uhr