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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Der Ärztestreik



kurgan
16.03.2006, 12:24
Berlin (rpo). Nach einer Urabstimmung haben am Mittwoch 98,4 Prozent der Ärzte an Universitätskliniken und Landeskliniken für den Arbeitskampf gestimmt. Ab Donnerstag treten die Mediziner in einen unbefristeten Streik. Patientenvertreter begrüßten die Entscheidung, auch wenn damit Nachteile für Kranke verbunden seien. "Das muss man in Kauf nehmen, damit sich was verändert."

vollständige Nachricht (http://www.rp-online.de/public/article/nachrichten/wirtschaft/sonstige/deutschland/321817)

Die Ärzte streiken und fordern u.A. mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. Die Uniklinik Tübingen ist vom Streik betroffen, sie verliere durch die abgesagten Operationen ca. 500.000€ pro Tag. (Aus: ZDF-Reporter vom 15.03.06) Lediglich die Notaufnahme sei besetzt, um die akute Rettung eines Menschenlebens gewährleistet sei.

Was haltet ihr von dem Ärztestreik?

Cyrcle
16.03.2006, 12:59
Das bedauerliche ist, dass das Bild der Ärzte in der Öffentlichkeit immer noch von den Habgöttern in Weiss, den Chefärzten der Kliniken geprägt wird. Wer die Gehälter der Stationsärzte und noch krasser, der Ärzte im Praktikum kennt, muss für diesen Streik Verständnis aufbringen.

Vorallem weil die gesamte Fürhrungselite des Gesundheitswesens, von der Politik, über die Kassenärztliche vereinigung bis hin zur Rechtssprechung die europäische Gesetzgebung imit einer Hartnäckigkeit ignoriert, die schon Penetranz gleichkommt.

Jeder Spediteur, der seine Fahrer zu solchen Arbeitszeiten zwingt, wie die Kliniken die Ärzte, müsste sich schon längst nach einem neue Beruf umschauen. Doch leider kann mit dem Vorhalt des hippokratischen Eides von einem Berufsstand offenbar eine Leistung abverlangt werden, die längst nicht mehr dem Patienten dient, sondern nur noch dem Kommerz

zyklop
16.03.2006, 13:42
Ich sehe die Sache auch eher differenziert:

Die "einfachen" Stationsärzte und Ärzte im Praktikumsjahr werden, wie Cyrcle ganz richtig sagt, über die Maßen strapaziert und ausgebeutet. Grade in einem so sensiblen Berufszweig ist es völlig inakzeptabel, das Ärzte teilweise drei Schichten am Stück (inkl. Bereitschaft, die aber zumeist normaler Arbeit gleicht) im Dienst sind. Insofern steht ihnen zumindest eine deutlich verbesserte Vergütung zu.
Bei Oberärzten und vor allem Chefärzten sehe ich das etwas anders - ihre vergleichsweise guten Gehälter brauchen sicher keine 30%ige Erhöhung - zumal sie über durchaus geregelte Arbeitszeiten verfügen...

Thelias
16.03.2006, 13:51
Original von zyklop
Die "einfachen" Stationsärzte und Ärzte im Praktikumsjahr werden, wie Cyrcle ganz richtig sagt, über die Maßen strapaziert und ausgebeutet. Grade in einem so sensiblen Berufszweig ist es völlig inakzeptabel, das Ärzte teilweise drei Schichten am Stück (inkl. Bereitschaft, die aber zumeist normaler Arbeit gleicht) im Dienst sind. Insofern steht ihnen zumindest eine deutlich verbesserte Vergütung zu.

Das sehe ich genauso.
Allerdings sind das leider die, die eingehende Patienten versorgen. Natürlich soll eine gewisse Grundversorgung möglich sein, aber ich fürchte, dass bei einem Ärztestreik die leidtragenden -wiedermal- die Patienten, also du und ich, sind.
Es wird garantiert zu unzumutbaren Zeitverzögerungen kommen, durch die Patienten leiden müssen.

Das ganze ist eine schwierige Situation. Vielleicht hätte man von Seiten des Marbugrer Bundes das Angebot des hessischen Innenminister Bouffier zur Vermittlung annehmen sollen.

Der Gote
16.03.2006, 18:36
@Zyklop:
Ein Oberarzt hat auch nicht die Welt an Gehalt. Im Schnitt liegt das imho so um die 3000 Flocken. Dafür müssen die aber schon gut arbeiten. Bei Chefärzten hast du allerdings absolut Recht. Die liegen wohl schon fast beim vier- bis fünffachen eines Oberarztes. Die große Differenz zwischen den beiden Gruppen kommt durch die Privatpatienten. Denn bei dem Chefarztanspruch kommt auch kein Oberarzt an die ran...

Bei allem anderen kann ich mich der Meinung anschließen das die Stationsärzte wirklich arme Menschen sind, die ja das eigentliche Geld für die Krankenhäuser verdienen. Ich bin mal gespannt was die Privatisierung unserer Uniklinik bringt...

Antares
16.03.2006, 20:20
Original von Cyrcle
Jeder Spediteur, der seine Fahrer zu solchen Arbeitszeiten zwingt, wie die Kliniken die Ärzte, müsste sich schon längst nach einem neue Beruf umschauen.

So ist es. Wie so oft wird mit zweierlei Maß gemessen. Dort wo es Ärger geben könnte oder es teuer wird, sind von Gewerbeaufsichtsämtern bis zu den Berufspolitikern alle Blind.

Ein anderes Thema sind z. B. auch die Kosten für Medikamente und die Bürokratie im Gesundheitswesen. Hier sehe die besten Möglichkeiten, was einzusparen.

Wormys_Queue
16.03.2006, 21:19
Original von Antares
Ein anderes Thema sind z. B. auch die Kosten für Medikamente und die Bürokratie im Gesundheitswesen. Hier sehe die besten Möglichkeiten, was einzusparen.

Da liegt aber auch ein Teil meines Problems mit den Streiks. Gerade die kassenärztlichen vereinigungen haben nämlich in den letzten Jahren immer wieder sinnvolle und kosteneinsparende Reformen (Beispiel: Positivliste) mit einer Verbissenheit bekämpft, die ihre Motivation im aktuellen Fall mehr als unglaubwürdig erscheinen lässt.

Das Stationsärzte die ärmsten Menschen sind, das weiss ich aus eigener bitterer Erfahrung (Wenn ein solcher Stationsarzt nach einer 24-Stunden-Schicht, in der er für 2 Stationen gleichzeitig verantwortlich war, jemals versuchen sollte, euch ne Spritze in ein Gelenk zu geben, rate ich euch dringendst, zu rennen, wenn ihr könnt -ich konnte leider nicht^^).

Aber ich kenne auch den Arzt, der aufgrund diverser Gesundheitsreformen bitterlichst jammerte, jetzt könne er sich seine Pferde nicht mehr leisten. Und mit dem hält sich mein Mitleid arg in Grenzen.

Deutschland hat eines der teuersten und aufgeblähtesten Gesundheitssysteme auf der ganze Welt. Leider hält die Qualität der Gesundheitsversorgung damit nicht Schritt, es gibt genügend Länder, die da besser sind als wir. Dass dieser Streik daran auch nur das geringste ändert, daran habe ich jedenfalls so meine Zweifel.

ich hab trotzdem mit Ja gestimmt. Ich halte nichts davon, einer Berufsgruppe das Streikrecht grundsätzlich vorzuenthalten. Und ob und inwieweit der einzelne Arzt das Streikrecht mit dem von ihm geleisteten Eid des Hippokrates in Übereinstimmung bringen kann, sollte ihm überlassen bleiben.

[/edit2] ups sry, der letzte Satz ist ,mir aus versehen reingerutscht. War nicht als Provokation gedacht. Hab ihn deswegen auch gelöscht. [/edit]

kurgan
17.03.2006, 07:40
Gestern Abend im heute-journal wurde ein streikender Arzt kurz interviewt. Seine Arbeitsleistung war ca. 40-50 Stunden, wobei nur 38 Stunden vereinbart sind und dabei 1700 € (dummerweise haben die Netto/Brutto-Angabe verschwiegen bzw mein Siebgedächnis hat dies als Unwichtig abgestuft und vergessen) verdiene.

1700 € für einen Familienvater wäre für einen studierten Menschen sicherlich nicht ausreichend, denn dementsprechend fehlen diesem Arzt ca 10 Jahre Berufsausübung und somit Einkommen. Das dies evtl. Als Fixum gehandhabt wird wäre sinnvoll, und die Entlohnung bei anfallenden Überstunden und Anrechnung dieser Stunden sind selbstverständlich gerechtfertigt.Denn so ein Arbeitsverhältnis ist nicht mehr zeitgemäß und hier erkennt man den positiven Einfluss mancher Gewerkschaften.

Ich habe ebenfalls für "Ja" gestimmt. Denn der Sachverhalt ist für mich sinnvoll und erklährbar. Außerdem scheinen die Ärzte dennoch sehr fürsorglich mit ihrem Streik umzugehen, wie die Besetzung der Notaufnahmen zeigt.

absinth
20.03.2006, 10:56
Ich habe mit weiss nicht abgestimmt, weil ich grundsätzlich kein Befürworter von Arbeitskampfmaßnahmen bin, allerdings die Beweggründe der Ärzte durchaus nachvollziehen kann. Ich möchte mich dahingehend den Argumentationen meiner Vorredner bezügl. der langen Arbeitszeiten bei vergleichsweise geringer Vergütung anschließen.
Da die Ärzte auch die Notversorgung sicherstellen finde ich diesen Streik auch nicht verwerflich.
Ich habe definitiv mehr Verständnis dafür, wenn ein studierter Mediziner, der diesen doch ziemlich belastenden und stressigen Job mit den o. g. heftigen Arbeitszeiten, auf die Straße geht, um eine angemessene Vergütung zu fordern, als wenn dies ein Müllmann tut, der nur keine 18 Minuten pro Tag mehr arbeiten will.

MasterBlubb
21.03.2006, 10:17
meine mutter ist arztin .. zwar keine klinikärztin aber ich weiß trotzdem ungefähr wie ärzte bezahlt werden...

die kranken kassen haben eine gewisse summe die jeden monat ausgezahlt wird ... an alle ärzte in einem bundesland ... jeder arzt bekommt dann je nachdem wie viel er im vergleich zu den anderen gearbeitet hat eine gewisse summe von diesem betrag ....

nun ... ist das wirklich gerrecht??

und ich kann euch sagen meine mutter muss sehr viel arbeiten ... wenn sie notdienst hat wird sie ab und zu mitten in der nacht aus dem bett geklingelt....

ich kann die beweggründe der ärzte gut verstehen
(vielleicht werden viele meinen das ich durch den einfluss meiner mutter parteiisch bin)

one-cool
21.03.2006, 18:36
Ich komme auch aus einer Ärzte-Familie.
vater Arzt, Schwester bald Ärztin...

aber ich kann MasterBlubb da nur unterstreichen, da ich es aus dem gleichen Blickwinkel mitbekomme.

die letzte erhöhung dieses Topfes war ausserdem vor Jahrzenten...

Und es wird nach ,xxxxx gerechnet. Ist teilweise echt derb.