Vielen, lieben Dank euch zwei

Kapitel 38: Abschied

Thessia verstand überhaupt nicht, warum ihre Mutter Shepard schon wieder besuchen wollte. Für sie war der Commander immer noch ein rotes Tuch und sie wäre ihr am liebsten einfach weiterhin aus dem Weg gegangen, aber Tali bestand auf dieses Gespräch und hatte das kleine Mädchen bei Mordin und Legion gelassen. Die Quarianerin wusste noch nicht so Recht, was sie von dem Geth halten sollte. Sie hatte sich mit ihm unterhalten und dass er sie "Schöpferin Thessia'Zorah" nannte verwirrte sie. Das kleine Mädchen saß auf der Arbeitsfläche der Krankenstation und drehte kichernd an Legions Photorezeptor rum. Der Geth ließ das einfach mal mit sich machen, immerhin hatte Mordin ihm geraten, einem Kind nie das Spielzeug wegzunehmen und solange Thessia ihn nicht ganz auseinandernahm, störte es ihn nicht. Außerhalb davon freute es ihn insgeheim, dass er Talis Tochter unterhalten konnte, wenn auch nicht absichtlich...
Die kleine Quarianerin kicherte, als sie Legions Lampe schließlich vollends abdrehte und in den Händen hielt. "Nish'ta", sagte sie und der Geth versuchte zu verstehen was sie damit meinte.
Da er dieses Wort allerdings nirgends in seinem System finden konnte, hob er fragend die Metallplatten in seinem Gesicht. "Fehler. Keine Daten verfügbar. Was meinst du, Schöpferin Thessia'Zorah?", fragte er und das Mädchen kicherte wieder.
"... Wertvoll", übersetzte sie und legte ihre kleinen Hände um die noch warme Lampe.
Mordin beobachtete die beiden aus dem Blickwinkel und war fasziniert über die Art und Weise, wie Legion mit dem kleinen Mädchen umging. Bis vor Kurzem hatte er noch nicht ganz nachvollziehen können, warum Tali, Legion so wichtig war, für ihn waren synhetische Wesen schließlich minderwertiger als organische oder schlicht weg einfach egal - aber jetzt, wo er sah, wie unbewusst liebevoll Legion mit der Quarianerin umging, schien er es langsam zu verstehen.
"Geth-Legion", erwiderte Thessia und versuchte die Lampe wieder in die Vorrichtung in seinem Gesicht zu drehen. "Sprechen alle so?", fragte sie schließlich und Legion stutzte einen Moment. Hatte sie mit dieser Anrede eben, seine Sprache imitiert?
"Wer?", fragte er und legte vorsichtig eine Hand an Thessias Seite, als sie ungeduldig auf der Arbeitsfläche hin und herrutschte. Legion musste nicht viel über Organische wissen, er hatte Tali angesehen,wie wichtig ihr Thessia war. Darum versuchte er auch, sie vor dem Runterfallen von der Arbeitsfläche zu schützen.
"Du. Deine Leute", antwortete das Mädchen in einem Ton, als wäre das selbstverständlich gewesen. Sie nahm Legions Hand und inspizierte sie ganz genau. Es war erstaunlich, wie ähnlich sie ihrer Mutter war. Der Geth brauchte einen Moment um auf diese Frage eine exakte Antwort zu finden.
"Ja. Du gehörst zu den Schöpfern. Darum nenne ich dich so. Ist dir das unangenehm, Schöpferin Thessia'Zorah?", fragte er und das kleine Mädchen legte ihre Hände an die Metallplatten um seinen Photorezeptor, zog ihn näher zu sich und ein 'klonk' später sah es so aus, als lehne er seine Stirn an ihre. "Ich find's lustig.", meinte sie leise.
Legion schwieg wieder. Er kannte die kleine Thessia gerade mal ein paar Stunden und sie schien bereits unheimlich großes Vertrauen zu dem Geth zu haben. Legion bemerkte das unbekannte, aber warme Gefühl in seinem Inneren. Es war immer noch ungewohnt für ihn, diese Gefühle zuordnen zu können, aber von Thessia lernte er gerne.
"Beep, beep", machte das kleine Mädchen und Mordin trat neben Legion um sie etwas genauer anzusehen. "So machen doch Roboter", erklärte sie und sah den Professor forschend an. "Das hast du gesagt", fügte sie noch überzeugt hinzu.
Mordin dachte an die Geschichten die er Thessia erzählt hatte und nickte. "Legion ist kein Roboter", erwiderte er daraufhin. Die Quarianerin wechselte einen verwirrten Blick mit dem Geth und sah dann wieder zu Mordin. Natürlich war Legion anders, seine Metallplatten waren überraschend weich und biegsam, außerdem strahlte er eine deutlich angenehme Körperwärme aus, aber war er nicht trotzdem irgendwie ein Roboter? Thessia hatte in den letzten Wochen so viel gesehen und gelernt, aber manche Sachen verstand sie immer noch nicht.
"Beep, beep", machte Legion schließlich und Thessia sah ihn mit großen Augen an. Dann lachte sie begeistert und hüpfte von der Arbeitsfläche. Allem Anschein nach hatte sie den Geth genau richtig eingeschätzt, denn er fing sie sofort auf und hielt sie schützend an sich. Thessia versuchte ihre Arme um Legions 'Nacken' zu legen, um sich besser an ihm festhalten zu können, aber er schien das so nicht zu kennen, und verfolgte ihre Bewegungen nur mit einem neugierigen Blick.
Mordin war insgeheim fasziniert von diesem Bild, ließ sich das aber nicht anmerken. Er ging zurück zu seiner Arbeit und setzte seine Untersuchungen fort.
"Mama hat gesagt, unser Volk hatte Streit mit deinem", murmelte das Mädchen und kuschelte sich etwas näher an Legion. "Das verstehe ich nicht."
Es war mehr als offensichtlich, dass die Kleine eine Antwort von Legion erwartete, aber der Geth wusste nicht so recht was er ihr sagen konnte. Also warf er einen Blick zu Mordin, der munter weiter an dem Gerät, dass in Jacks Bauch gewesen ist, herumoperierte.
¨Inzwischen herrscht Frieden¨, antwortete Legion, aber er wusste, dass das gelogen war. Talis Volk war noch viel wütender über die Existenz der Geth, als vor dem Reaperkrieg. Und das nur weil Shepard ihn zurückgeholt hatte. Legion wollte dem Commander danken, wusste aber nicht wie.
¨Nein. Die anderen Quarianer haben schlecht über dich geredet¨, erwiderte Thessia und kuschelte sich näher an den Geth.
¨Das ist nicht wichtig¨, meinte Legion.
¨Find ich schon¨, beharrte Thessia.
Wenn er gekonnt hätte, hätte Legion nun geseufzt. War dieses sture Verhalten nun typisch quarianisch oder lag es einfach daran, dass Thessia noch ein Kind war? Legion stutzte und versuchte sich eine Erklärung zu Recht zu legen.
¨So lange du und Schöpferin Tali`Zorah nicht schlecht von mir denken, ist es in Ordnung¨, erklärte er und selbst er fand, dass das ein wenig absurd klang. Warum legte Legion überhaupt so großen Wert auf Talis Meinung? Er wusste es nicht, hoffte aber es irgendwann herauszufinden.
Thessia schwieg daraufhin.
¨Du bist kein Roboter¨, stellte sie schließlich fest.
¨Warum denkst du das?¨, fragte Legion und bemühte sich kein ¨Schöpferin Thessia`Zorah¨ dahinter zu hängen. Schließlich tat er das bei Tali auch nicht mehr.
¨Weil du Mama lieb hast¨, begründete sie und schloss die Augen. Thessia war müde und sie vermisste ihre Mutter ein bisschen. In den letzten Tagen war sie eigentlich permanent bei ihr gewesen. Es war ungewohnt, wenn Tali nicht hier war.
¨Korrekt¨, antwortete Legion nur.
¨Hast du mich auch lieb?¨, fragte die kleine Quarianerin und lenkte somit auch die Aufmerksamkeit des Professors auf sich. Das war interessant, Mordin wusste nicht in wie weit Legion inzwischen Zuneigung empfinden konnte. Der Geth schien darüber selbst etwas nachdenken zu müssen. Und als er so schnell nicht antwortete, machte Thessia ein enttäuschtes Geräusch.
Mordin deutete Legion zu nicken, weil das einfach das Beste war, was der Geth nun tun konnte. Einem Kind zu sagen, dass man es nicht mochte, konnte verheerend sein. Zumindest Mordins Erfahrungen nach.
¨Ja¨, sagte Legion daraufhin einfach und Thessia strahlte mit der Sonne um die Wette.

Die Uhr tickte. Sekunde für Sekunde verstrich, als Shepard an ihrem Schreibtisch saß und konzentriert auf die kleine Taschenuhr starrte. Ein Erbstück, hatte sie gesagt. Sie hatten nicht viel von ihm gefunden, nur Kleinigkeiten, aber ihre Mutter meinte, diese Uhr wäre schon seit Generationen in der Familie Shepard. Jane schüttelte den Kopf. Schwachsinn.
¨Es war falsch.¨
Jane sah erstaunt auf. Tali sprach leise, aber bestimmt. Der Commander erkannte an ihren Worten, wie viel dahinter steckte. Die Quarianerin hatte sich offensichtlich Gedanken um das Geschehene gemacht und Jane konnte nur überrascht beide Augenbrauen hochziehen. Was meinte sie damit?
¨...ich weiß, dass einiges schief gelaufen ist, Tali, aber was genau meinst du?¨, fragte sie, steckte die kleine Uhr in ihre Hosentasche und setzte sich neben ihre Freundin auf das Bett.
¨Legion zurück zu holen.¨
Jane schwieg. Sie verstand zwar, was in der Quarianerin momentan vorgehen musste - diesen inneren Konflikt, wem gebührte ihre Loyalität? Waren ihre Entscheidungen richtig oder falsch? - aber dennoch, hatte sie Shepard darum gebeten, und Jane hatte alles daran gesetzt, dieses Versprechen einzuhalten. Es war ohnehin zu spät einen Rückzieher zu machen, der Schaden war angerichtet und Jane sah keine Möglichkeit ihn zu dezimieren oder wieder zu begleichen. Wie auch? Sie konnte Zaeed schlecht den Quarianern überlassen und den Konsens der Geth wieder auszuschalten kam auch nicht in Frage. Jane seufzte.
¨Du lügst¨, meinte sie leise und schloss die Augen. Bei allem was Recht war, Jane kannte Tali nun doch gut genug um zu wissen, wann ihre Freundin die Wahrheit sagte und wann nicht.
Tali antwortete darauf nicht. Sie schwieg und Jane wusste, wie schlecht es ihrer Freundin ging. ¨Hey...¨, begann sie, rutschte etwas näher zu der Quarianerin und zog sie in ihre Arme. ¨Ich weiß, das ist... Eine sehr... Blöde Situation - milde gesagt. Aber du musst dich entscheiden. Ich zwinge dich nicht hier zu bleiben, aber ich... Würde dich extrem vermissen, wenn du gehst¨, meinte Jane leise. Sie wollte Tali nicht unter Druck setzen, immerhin war es nach wie vor ihre Entscheidung, aber sie hatte ihre Crew noch gar nicht lange zurück - ihre Familie - und schon schien es, als würde sie wieder auseinander brechen.
¨Shepard, wenn ich gehe wird es nicht für immer sein. Han'Garrel ist ein Idiot. Ich verstehe, dass er wütend ist, das bin ich auch - nicht auf dich, aber... Er kann nicht von mir erwarten, dass ich meine Freunde zurücklasse und nie wieder sehe. Was habe ich davon?¨ Talis Stimme brach und Janes schlechtes Gewissen wuchs. Das hatte sie ihrer besten Freundin ganz sicher nicht gewünscht. Sie hatte nur gehofft, dass alles gut würde, sobald Legion wieder da war, aber was diese verdammte Mission für Konsequenzen mit sich bringen würde... Damit hatte sie einfach nicht gerechnet. ¨Und es geht dabei ja nicht einmal so sehr um mich. Was ist mit Thessia? Garrus, Liara, Jeff, Kaidan und Karin sind ihre Familie. Allein darum kann ich schon nicht gehen¨, fuhr sie fort und lehnte ihren Kopf an Janes Schulter.
Der Commander seufzte. ¨Ich weiß...¨, erwiderte sie frustriert. ¨Ich will aber nicht, dass du von deinem Volk verstoßen wirst, Tali. Das hast du nicht verdient¨, entgegnete Jane und schüttelte leicht den Kopf. Tali sagte daraufhin nichts. Jane war klar, dass sie das auch nicht wollte, es gab für einen Quarianer vermutlich nichts Schlimmeres als verstoßen zu werden, aber Tali hatte Jane einmal selbst gesagt, dass sie auf der Migrantenflotte gar nicht viel hielt. Dass sie selbst schon überlegt hatte, einfach auf der Normandy zu bleiben.
¨...ich komme zurück¨, versprach sie leise. Jane biss sich auf die Lippe. Sie hatte damit gerechnet, dass nicht alles wie geschmiert laufen würde, aber dass sie ihre beste Freundin durch diese Aktion verlieren würde. Das traf sie heftiger als sie gedacht hatte.
¨Das kannst du nicht versprechen¨, meinte Shepard ebenso leise. So sehr ihr der Gedanke auch missfiel, aber die Quarianer waren extrem stur und Han'Garrel hatte sich nicht danach angehört, als lasse er sich von Tali so schnell überzeugen. Jane war bewusst, dass ihre Freundin alles daran setzen würde mit ihrem Volk eine Lösung zu finden. Immerhin konnten die Quarianer ja auch schlecht ihren Heimatplaneten allein aufbauen - und die Geth könnten ihnen eine große Hilfe sein, würden sie diese denn auch annehmen. Aber Jane zweifelte daran. Nachdem was auf dem Gethschlachtschiff passiert war, verurteilten sie jetzt vermutlich wieder alle Geth, dachten, das synthetische Volk wollte sie nur auslöschen. Jane seufzte. So ein verdammter Mist...
¨Doch. Thessia wird es auf der Migrantenflotte nicht gefallen. Egal wie sehr ihr Honig um den Mund geschmiert wird, sie ist... Stur. Wie ihr Vater¨, erklärte Tali und sah auf den Boden. Das war etwas, dass sie immer an Kal erinnert hatte. Wenn Thessia etwas wollte, gab sie alles dafür, dass sie es auch bekam. Genau wie ihr Vater. Er hatte auch immer gewusst, wie er bekam was er wollte. Tali lächelte leicht.
¨Wie wär´s dann wenn wir einen Deal machen?¨, schlug Jane vor.
¨Einen Deal?¨, fragte Tali verwundert.
¨Ja. Bis zu meiner Hochzeit mit Garrus bist du zurück. Ich hab zwar noch keine Ahnung wann die stattfinden wird, aber ich will, dass du dabei bist. Und der Admiralsrat kann dir ja wohl schlecht verbieten zur Hochzeit deiner Freundin zu kommen, oder?¨
Tali lachte leicht und schmiegte sich etwas fester an ihre Freundin.
¨Spätestens zur Hochzeit¨, bestätigte sie.
¨Dann haben wir beide etwas, worauf wir uns freuen können¨, erwiderte Jane lächelnd. Trotz Allem war es ein schmerzlicher Gedanke: Tali gehen zu lassen. Das schlimme an der ganzen Sache war eben auch, dass Jane wusste, dass die Quarianer der jungen Mutter jeglichen Kontakt zu Shepard oder ihrer Crew verbieten würden. Tali würde gehen und Jane würde sie tatsächlich erst frühestens in ein paar Monaten wiedersehen.
Tali seufzte. ¨Keelah, ich habe keine Ahnung wie ich das Thessia beibringen soll. Sie wird ganz sicher nicht freiwillig gehen...¨, murmelte die Quarianerin und schüttelte den Kopf. ¨Thessia liebt Garrus¨, bedachte sie und verzog nachdenklich das Gesicht.
¨Hm¨, grummelte Jane und zog einen Schmollmund, als sie daran dachte, wie sehr Thessia ihren beinahe-Ehemann liebte.
¨Mach nicht so ein Gesicht, Shepard, du weißt ganz genau, dass sie keine Konkurrenz für dich ist¨, Tali stieß ihrer Freundin sachte in die Seite.
Jane grinste leicht. ¨Ja... Weiß ich...¨
Tali zog Jane nochmal in ihre Arme. ¨Ich hab dich unheimlich lieb, das weißt du oder?¨, sagte sie leise und betete, sie würde ihre Freundin schnell wiedersehen. Tali wollte gar nicht zurück zur Flotte, aber sie wusste, dass sie keine andere Wahl hatte. Wenn sie jetzt nicht ging, würde sie ihr Volk nie wiedersehen und damit könnte sie auch nicht leben.
¨Ja... Ich dich auch, Tali¨, erwiderte Jane leise und drückte ihre Freundin etwas fester an sich. ¨Ich werd dich vermissen...¨, fügte sie noch leise hinzu.
¨Ich dich auch, Shepard¨
Jane wusste gar nicht wie lange sie so mit ihrer Freundin auf ihrem Bett saß. Sie bemerkte bereits jetzt, wie nahe ihr Talis baldige Abreise ging. Am liebsten hätte sie die Quarianerin darum gebeten zu bleiben, aber sie wusste, dass ihr das nicht zustand. Es wäre selbstsüchtig so etwas zu tun, vor Allem weil Jane wusste, dass Tali bleiben würde, sollte sie sie darum bitten. Dennoch würden die nächsten Monate unheimlich schwer werden, nicht nur für Jane, sondern in erster Linie auch für Tali...

Mordin hatte Shepard davon abhalten können, Zaeed bei der nächstbesten Gelegenheit vom Schiff zu werfen. Stattdessen hatte der Professor vorgeschlagen, dass sie ihm in nächster Zeit einfach aus dem Weg gehen sollte, er könnte bei der Heilung der Genophage schließlich auch helfen. Der Söldner war Shepard seit diesem Vorfall auch nicht mehr über den Weg gelaufen. Jane wusste nicht wie er das machte, aber allem Anschein nach, kannte er seine Mittel.
Talis Abreise gestaltete sich schwieriger als gedacht. Die kleine Thessia wollte nicht gehen, sie verstand das alles nicht und als sie ihren Onkel Mordin um eine Erklärung bat, konnte selbst er ihr keine zufriedenstellende Antwort geben. Die kleine Quarianerin hatte angefangen zu weinen und sich letzten Endes an Garrus geklammert, immer wieder gesagt, dass sie nicht gehen wollte und Jane brach dieser Anblick geradezu das Herz. Sie konnte ja verstehen, dass das Mädchen lieber hier bleiben wollte, aber es ging nicht anders und Tali versuchte ihr das auch schon seit unzähligen Minuten klar zu machen.
¨Ich will nicht!¨, sagte das kleine Mädchen stur und klammerte sich fest an den Turianer. Garrus seufzte und hielt die Kleine fest an sich gedrückt.
¨Thessia¨, sagte Tali in einem mahnenden Ton. ¨Du machst es nur noch schlimmer¨, schimpfte sie und nahm sie Garrus ab.
¨Nein!¨, kreischte das Mädchen und obwohl Jane Talis Gesicht nur schemenhaft ausmachen konnte, merkte sie wie schwer der Quarianerin das Ganze viel.
¨Thessia!¨, sagte sie noch mal in einem wütenden, warnenden Ton. Das Mädchen weinte wieder und Tali versuchte sie beruhigend an sich zu drücken, aber die Kleine wollte wieder weg von ihr.
¨Ich will nicht gehen!¨, sie befreite sich aus Talis Griff und rannte auf die Brücke entlang zum Aufzug.
¨Thessia!¨, schimpfte Tali wütend und war dabei selbst kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Bevor Tali ihrer Tochter nachlaufen konnte, hielt Jane sie am Arm zurück.
¨Ist schon gut, ich rede mit ihr¨, sagte sie beruhigend und Tali nickte nur langsam.
Jane lief dem Mädchen hinterher und ließ den Rest ihrer Crew erst einmal bei der Luftschleuse stehen.
Eigentlich war die Idee, mit Thessia zu reden, wenn Jane genauer darüber nachdachte, ziemlich dumm gewesen. Die Kleine mochte Jane nicht, das wusste sie, aber irgendwie hatte sie Tali helfen wollen und gehofft, dass sie das könnte, wenn sie diesen Teil übernahm. Aber jetzt zweifelte sie daran. Shepard fragte sich auch warum der Aufzug auf einmal so schnell da gewesen ist um Thessia auf ein anderes Deck zu bringen. Bei ihr brauchte er immer eine halbe Ewigkeit.
Als sich die Aufzugtüren wieder öffneten und Jane rein trat, erkundigte sie sich gleich mal bei EDI, auf welchem Deck die kleine Quarianerin ausgestiegen war. Jane fragte sich zwar einen kurzen Moment lang, was das Mädchen in der Shuttlebucht zu suchen hatte, fuhr aber ohne Weiteres nach unten und warf gleich mal einen prüfenden, suchenden Blick durch den Raum, als sie den Fahrtstuhl verließ.
¨Thessia?¨, fragte sie und sah sich nach dem kleinen Mädchen um.
Außer ihr und der Quarianerin war niemand in der großen Halle. Jane blieb stehen und versuchte irgendetwas Auffälliges zu hören. Und tatsächlich: sie hörte das Schluchzen des kleinen Mädchens. Jane folgte diesem Geräusch geradezu lautlos - eine Fähigkeit, die sie dank ihrer N7-Ausbildung hervorragend beherrschte. Dementsprechend erschrocken war die kleine Thessia, als Shepard sich plötzlich neben sie, zwischen die vielen Kisten setzte. ¨Hey... Gutes Versteck¨, meinte Jane anerkennend und dachte daran, wieso sie das nicht früher entdeckt hatte. Dann hätte sie sich vielleicht auch hin und wieder hier her zurückgezogen, ohne von irgendjemand gestört zu werden.
Thessia schniefte und rutschte etwas weg von Shepard. ¨Geh weg¨, sagte sie leise, beleidigt.
Jane verzog das Gesicht. Kinder konnten manchmal wirklich fies sein.
¨Hey, ich will doch auch nicht, dass ihr geht...¨, erwiderte sie leise und überlegte, ob sie sich dem kleinen Mädchen wieder nähern sollte.
¨Mir egal was du willst¨, erwiderte die Quarianerin eingeschnappt.
Jane seufzte. ¨Hör mal, ich...¨, eigentlich wollte sie das Mädchen beruhigen, ihr sagen das alles gut würde und sie Garrus und die anderen spätestens an ihrer Hochzeit wiedersehen würde, aber das würde vermutlich nur noch mehr Salz in die Wunde streuen. ¨Ich weiß, das ist schwer, aber du wirst die anderen wiedersehen. Versprochen¨
Schon wieder. Ein Versprechen eingehalten und das nächste war schon wieder gemacht. Jane hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt. Reichten die Hundert anderen Versprechen denn nicht, die sie schon gegeben hatte? Jetzt musste sie der kleinen Quarianerin auch noch Hoffnungen machen.
¨...wann?¨, fragte Thessia und sah Jane zum ersten Mal so richtig an.
Jane war auf diese Frage nicht vorbereitet gewesen, eigentlich hatte sie gedacht, die Kleine würde wieder einen beleidigten Laut von sich geben und Jane weiterhin ignorieren. Aber dass sie darauf einging...
¨Äh... In... In...¨, sie brauchte ganz schnell ein genaues Datum ¨...in vier Monaten¨, beendete sie ihren Satz und Thessias skeptischer Blick stellte Janes ganze Glaubwürdigkeit auf die Probe. ¨In vier Monaten¨, bestätigte sie. Vielleicht auch schon früher, so genau wusste das Shepard nicht.
¨Das ist lange¨, murmelte Thessia.
¨Ja... Aber die Zeit vergeht auch schnell wenn man was zu tun hat. Du... Hast doch Legion kennen gelernt... Verstehst du dich mit ihm?¨, fragte Jane leise.
Bevor Thessia antworten konnte, hörten beide das Geräusch der öffnenden Türen des Fahrstuhls. Allem Anschein nach war Jane nicht die einzige, die mit Thessia reden wollte.
¨Thessia? Hey kleine Prinzessin...¨ - Wrex.
Jane warf Thessia einen kurzen Blick zu.
¨Willst du gehen?¨, fragte sie leise und die kleine Quarianerin schüttelte nur den Kopf.
¨Dann sind wir jetzt ganz leise¨, erwiderte Jane und schwieg.
¨Das hat kein Sinn, sie ist nicht hier¨, meinte der Kroganer nach einer Weile.
¨Kann gar nicht sein, EDI irrt sich nicht¨, das war eindeutig Jeffs Stimme. Jane fragte sich, ob er freiwillig mitgekommen war um nach der kleinen Quarianerin zu suchen.
Jane aktivierte ihr Omnitool und tippte schnell ein paar Befehle an EDI in ihr Gerät. Kurz darauf erklang EDIs Stimme, die behauptete, Thessia befinde sich auf dem Crewdeck. Jeff und Wrex verschwanden schnell wieder im Aufzug und Jane war wieder ganz alleine mit Thessia.
Die Kleine schien gar nicht zu wissen, was sie davon halten sollte.
¨Das war gemein¨, murmelte sie.
¨Ja, aber manchmal muss man gemein sein. Ist schon in Ordnung, Jeff und Wrex werden uns das schon nicht übel nehmen¨, erwiderte Jane und grinste schief. ¨Also...Thessia...¨, Jane sah das Mädchen eine Weile an. Ihr wurde erst jetzt richtig bewusst, wie sehr sie es bedauerte, bei der Erziehung des Mädchens nicht dabei gewesen zu sein. Sie hätte gern gesehen, wie sie aufgewachsen ist und vielleicht würde Thessia sie jetzt auch nicht so... Verabscheuen.
¨Kann ich Garrus mitnehmen?¨, fragte sie leise. ¨Und Liara und Kaidan?¨
Jane biss sich auf die Lippe.
¨Ich glaube nicht, dass das möglich ist¨, erwiderte sie leise.
Thessia gab einen beleidigten Laut von sich und verschränkte die Arme vor der Brust. ¨Dann geh ich nicht.¨
Jane presste die Lippen aufeinander. Ja, sie war stur.
¨Thessia...¨, erwiderte sie leise.
¨Ich will, dass sie mitkommen¨, entgegnete Thessia.
¨Ich liebe Garrus¨, sagte Jane einfach nur und starrte auf den Boden. ¨Wir heiraten und dann kommt ihr zurück¨, erklärte sie und lächelte Thessia an.
Das Mädchen schwieg wieder. Es entstand eine lange Stille und Jane hoffte, sie nun endlich überzeugt zu haben. Die Quarianerin rutschte etwas näher zu Jane und erst jetzt bemerkte sie, wie kalt dem kleinen Mädchen sein musste. Im Hangar hatte noch nie eine sehr hohe Temperatur geherrscht. Jane legte zögernd ihren Arm um die Schulter des Mädchens und drückte sie etwas näher an sich.
¨Es wird alles gut, das verspreche ich dir¨, meinte sie leise.
¨Mhm...¨, murmelte Thessia. ¨Ich mag dich trotzdem nicht¨
Jane lachte leicht und wusste, dass sie damit leben konnte.
¨Komm¨, befahl sie liebevoll und zog das kleine Mädchen auf die Füße. ¨Gehen wir hoch¨

Legion hatte kein gutes Gefühl dabei. Er brauchte immer noch etwas länger als organische Wesen um seine Gefühle richtig zuzuordnen, aber er wusste jetzt schon, dass irgendetwas nicht richtig war. Und allein an Talis niedergeschlagenem Verhalten erkannte er, dass sie mit diesem Vorhaben überhaupt nicht einverstanden war. Mordin hatte ihn über die letzten Geschehnisse informiert und Legion hatte sofort ein schlechtes Gewissen bekommen. Er hatte ganz sicher nicht dafür verantwortlich sein wollen, dass Talis Volk sie nun zu so einer Entscheidung zwang.
Nachdem Jane nun auch in dem Aufzug verschwunden war, bat Legion Tali noch um ein ganz kurzes Gespräch unter vier – oder viel mehr drei Augen. Die Quarianerin stimmte zu und ging mit dem Geth in den Serverraum. Sie bat die anwesenden Techniker die beiden kurz allein zu lassen und nachdem sie Legion mit hochgezogenen Augenbrauen gemustert hatten, verließen sie den Raum.
Tali seufzte und lächelte Legion traurig an. Sie wusste ja selbst, dass Shepard Recht gehabt hatte – sie bereute ihre Entscheidung nicht. Legion zurückzubringen war das einzig richtige gewesen, nur die Art und Weise wie das von statten gegangen war, hatte einen sehr üblen Nachgeschmack.
„Es tut mir Leid, Legion“, sagte sie leise und senkte den Blick.
Der Geth hatte geglaubt, die Situation richtig erfasst zu haben und gedacht, dass es an ihm war sich zu entschuldigen nicht an Tali.
„Ich verstehe nicht“, erwiderte er und nahm vorsichtig ihre Hände in seine.
Tali lächelte, was er nicht sehen konnte und sah ihn wieder nachdenklich an.
„Ich hatte Shepard gebeten dich zurückzuholen. Deswegen... ist jetzt alles so schief gelaufen...“, murmelte sie. „Es ist nicht ihre Schuld, sie hat nur ihr Versprechen eingehalten... ich war... Keelah, ich weiß auch nicht...“
Legion schwieg einen Moment und versuchte ihre Sichtweise zu verstehen. Sie gab sich die Schuld an dem Tod der Quarianer auf dem Gethschlachtschiff? Aber sie war nicht dabei gewesen, hatte weder eine Waffe gehalten noch eine Granate geworfen. Wie sollte sie daran Schuld sein?
Irritiert hob er seine Metallplatten und warf Tali einen fragenden Blick zu.
„...meinen Berechnungen zu Folge, hast du nichts mit dem Tod der Quarianer zu tun gehabt, Tali“, sagte er und erwiderte ihren Blick. „Ich danke dir“, fuhr er abschließend fort. Das hatte er ihr eigentlich sagen wollen – dass er nur dank ihr am Leben war. „Die Geth möchten helfen. Wir könnten... euren Heimatplaneten zusammen aufbauen“, schlug er vor und Tali lachte leicht.
Das klang so einfach wie er das sagte und wäre da nun nicht das Misstrauen und der Hass der anderen ihrer Spezies, wäre das vermutlich sogar keine schlechte Idee, aber Tali wusste wie viel Zeit es brauchen würde bis sie den Admiralsrat von den guten Absichten der Geth überzeugen konnte. Zumal sie selbst unsagbar wütend auf Zaeed war. Sie schloss kurz ihre Augen und seufzte.
„Du weißt gar nicht, wie gern ich dir dabei zustimmen würde...“, meinte sie leise, kam noch einen kleinen Schritt auf ihn zu und lehnte ihre Stirn an seine Schulter. „Ich wollte doch nur...“, ja, was eigentlich? Sie wollte Legion zurück holen, weil sie die ganzen Jahre über das Gefühl gehabt hatte, ihm etwas schuldig zu sein und nicht nur das, sie hatte ihn auf der Normandy kennen gelernt, gemerkt, wie groß sein Interesse an ihrem Volk war, wie sehr er helfen wollte. Er hatte eine Seele und Tali wollte ihm eine Chance geben mit ihrem Volk zu leben.
„Ich kann helfen“, meinte er schließlich und Tali zog verwirrt die Sitrn kraus. Wie stellte er sich das vor?
„Kannst du nicht. Nicht jetzt. Han'Garrel würde dich auseinandernehmen“, erwiderte sie ernst.
„Dann überzeugen wir ihn“, entgegnete Legion und ließ nicht locker. Tali fragte sich, ob er so programmiert war, oder ob da nun wirklich seine Seele sprach. War das eine Eigenschaft seiner Persönlichkeit? Sturheit? Starrköpfigkeit? Tali lachte leicht.
„Denkst du denn, das wir das könnnen?“, fragte sie leise und sah wieder in sein, inzwischen angenehmes Licht. Sie wusste selbst gar nicht ob er das einstellen konnte, jedenfalls, war es in diesem Moment nicht halb so hell wie sonst. Vermutlich wusste er, dass es für organische Wesen unangenehm sein konnte, in so ein grelles Licht zu sehen.
„Zusammen? Ja“, bestätigte er. „Kooperation ist häufig von Vorteil“, fügte er noch hinzu und Tali kicherte.
„Ja, häufig...“, wiederholte sie grinsend und legte wieder vorsichtig ihre Arme um ihn.
Legion erwiderte diese Geste und bestätigte Tali erneut, dass ihre Entscheidung richtig gewesen ist.
„Ich würde vorschlagen, zurück zu gehen. Schöpferin Thessia'Zorah und Shepard Commander sind wieder auf der Brücke“, sagte Legion nach einer angenehmen Weile.
Tali löste sich etwas von ihm und für einen kurzen Augenblick fühlte sie sich richtig wohl bei ihm. „Wenn du mitkommst, solltest du dich daran gewöhnen, meine Tochter nicht mit „Schöpferin“ anzusprechen“ Tali nahm Legions Hand und zog ihn hinter sich her zurück zu den Anderen.
Thessia schien der Abschied immernoch unheimlich schwer zu fallen, aber was auch immer Shepard zu ihr gesagt hatte – es zeigte Wirkung. Die kleine Quarianerin weinte, sagte aber nicht länger, dass sie nicht gehen wollte. Tali sah auch, dass es den anderen genauso schwer fiel sie gehen zu lassen.
„Shepard.“
Jane lächelte leicht und Tali merkte, dass auch ihr Commander kurz davor war zu weinen – eine Tatsache die vermutlich auf ihre Schwangerschaft zurückzuführen war. Tali kannte das nur zu gut. „Du hast jetzt ein Sonderrecht, Jane. Du kannst weinen wann immer du willst“, meinte sie grinsend und nahm ihre Freundin noch mal fest in die Arme. „Vor Allem, wenn dir jemand nicht geben will, was du willst, dann wein einfach. Das wirkt Wunder“, flüsterte sie ihr noch ins Ohr und Jane lachte kurz darauf.
„Du bist unfassbar“, meinte sie mit einem leichten Unterton von Entsetzen. So etwas hätte sie der Quarianerin nie zugetraut.
„Gerade dann wirkt es am besten. Wenn man es nicht erwartet“, erwiderte sie ohne mit der Wimper zu zucken. Shepard schüttelte nur fassungslos den Kopf und nachdem sich Tali, Thessia und auch Legion von den anderen verabschiedet hatten, verließen sie das Schiff für die nächsten paar Monate.