Seite 32 von 35 ErsteErste ... 223031323334 ... LetzteLetzte
Ergebnis 311 bis 320 von 346
  1. #311
    ME-FRPG only Avatar von Konrad_Richter
    Registriert seit
    04.01.2010
    Beiträge
    221

    Standard

    „Ich befinde mich in Position, Montague, habe klare Sicht auf Sie und das Ziel“, knarzte es in Konrads Ohr, ohne dass seitens des ehemaligen Polizisten eine äußerliche Regung zu sehen war. Der Bergsteiger hatte sich seinen Gipfel ausgesucht und ihn erklommen… hoffentlich mit genug Feuerkraft im Gepäck, um diesem Sacobic im Notfall den Schädel von den Schultern zu blasen.
    Das bärtige Ungetüm hinter dem Tresen reichte Konrad indes mit einem Schnauben seinen Salat und die Diätcola, was den Ex-Cop dazu brachte, widerwillig und sichtlich unentschlossen in dem herzlosen Gemüse-Misch-Masch herumzustochern. An jeder Burger-Filiale hätte er einen besseren bekommen, aber jetzt zu nörgeln, dafür fehlte ihm die Kraft – zumal sie wesentlich wichtigere Dinge zu besprechen hatten. Stattdessen öffnete er also zischend die Diätcola, um wenigstens etwas Müdigkeit aus seinen Gliedern zu treiben. Jeder Schluck rückte dabei das heiß ersehnte Bett in noch weitere Ferne.
    „Also fang an zu erzählen, und zwar von Anfang an!“
    Sacobic hatte Konrad die ganze Zeit über mit seinem absolut finsteren, von Verlust, Trauer und Zorn geplagten Augen durchstochen, wahrscheinlich hitzig auf der Suche nach einer Möglichkeit, sein Gegenüber lesen oder zumindest einschätzen zu können. Vor allem die Nanitenmaske und Konrads Müdigkeit, die dem Mann von Terra Nova in den Knochen hing, schienen dabei dem serbischen Agenten einen Strich durch die Rechnung zu machen.
    „Zu aller erst einmal arbeite ich nicht für Cerberus“, begann Konrad, nachdem er sich doch dazu durchgerungen hatte, etwas von dem Salat zu essen. Bevor er jedoch fortfahren konnte, bestellte Sol irgendeine abgefahrene Spezialität bei dem Besitzer der Frittenbude und Konrad hätte ihr am liebsten gegen den Hinterkopf geklapst. Wer kam denn bitte auf die Idee, sowas bei dieser Bruchbude hier zu bestellen? Ganz klar, nur jemand mit einem ordentlichen Knicks im Schädel, also entschloss sich der ehemalige Polizist dazu, das ganze mit einem Kopfschütteln abzutun und weiter zu sprechen.
    „Ich bin… ich war bei der C-Sec“, sagte er schließlich, wobei er die Lautstärke seiner Stimme etwas drosselte, obgleich der Bärtige vermutlich bei dem ganzen Fritteusen-Lärm ohnehin kein Stück mitbekam, „dort bin ich einer Menge Leuten anscheinend auf den Schlips gestiegen, weswegen ich jetzt auch auf deren Fahndungslisten stehe.“
    Der Blick des Serben ließ vermuten, bei weitem noch nicht zufrieden zu sein, weshalb Konrad entschloss, weiter auszuholen.
    „Ich bin da einem Schmugglerring auf die Schliche gekommen, wie sie Geth, aktiv und inaktiv, durch den Citadel-Sektor schmuggeln. Je tiefer ich dabei gegraben habe, umso deutlicher wurde für mich, dass da wohl auch Tiere in höheren Positionen darin verwickelt waren, denn mir lagen plötzlich immer mehr Steine im Weg. Hilfe habe ich dabei jedoch von der Allianz gekriegt, genauer gesagt von jemandem, den du besonders gut kennst: Captain Bennedict.“
    Ein tiefer Schluck aus der Diätcola, mit der Konrad den Faden weiter zu spannen begann.
    „Auch sie hat angefangen, in ihren eigenen Reihen nach Maulwürfen Ausschau zu halten, während mich einer ihrer Agenten durchgehend mit Informationen zu meinem Fall versorgt hat. Irgendwann haben wir uns getroffen und wir kamen auf den Trichter, dass Cerberus und vor allem deren Allianz-Maulwürfe hinter dem Geth-Schmuggel stecken konnte. Bei unserem nächsten Treffen stand sie dann unter Hausarrest und hat mich dann für ihre Sache rekrutiert, hat mir Mittel versprochen, um diesen Typen den Garaus machen zu können und freier zu operieren, als bei der C-Sec. Ich konnte endlich hinter den Vorhang schauen und etwas bewirken. Das war auch das letzte Mal, dass ich sie lebend gesehen habe…“
    „Wann war das?“, war die einzige Frage, die sofort aus dem Mund Sacobics kam.
    „Vor ein paar Stunden“, erwiderte Konrad, nachdem er auf die Uhr gesehen hatte, „wir mussten fliehen, nachdem uns irgendwelche Leute, vermutlich Lakaien der Cerberus-Maulwürfe, auf die Schliche gekommen waren. Das nächste, was ich mitkriege, sind die Nachrichten, die die Leiche des Captains durch sämtliche Kanäle jagten und irgendein alter Kauz, der mir verklickert, dass ich jetzt der Kopf des Anti-Cerberus-Netzwerkes in Captain Benedicts System von Organisationen sei.“
    Konrad stieß einen Fluch in seinem Heimatdialekt aus und schob den halb aufgegessenen Salatteller zur Seite, um einen weiteren Schluck Cola zu nehmen. Er verzichtete darauf, seinen… nein, Rebekkas Verdacht zu äußern, Sacobic sei der Todesschütze. Das behielt er sich vorerst vor.
    „Verdammte Scheiße, Montague, was tun Sie da?“, brach es beinahe zeitgleich von Horatio und Snooker über den Funk herein, doch Konrad ignorierte die beiden herzlich. Mochte ja sein, dass so etwas unter Neskas Federführung nicht stattfand, aber er saß jetzt auf dem Thron, also spielte man jetzt nach seinen Regeln. Er hatte keinen Bock mehr auf diese ständige Augenwischerei. Sollte Sacobic auf lustige Ideen kommen, verließ sich Konrad noch immer auf sein Ass im Ärmel, das in Form von Snooker auf irgendeinem Häuserdach lag. Hoffentlich…
    „Weil ich überhaupt keine Ahnung von dieser ganzen Geheimdienst-Scheiße habe, kralle ich mir natürlich den erstbesten Typen aus einer Reihe von Agenten, die mir zur Verfügung stehen, um von dem Kerl anständig gebrieft zu werden – du erinnerst dich an unser kleines Intermezzo in den Bezirken? Dein Köter und der Kochtopf? Das war der Kerl…“
    Auf einem Highway nicht weit von der Frittenbude ertönten Polizeisirenen und Konrad horchte aufmerksam auf, doch dem Klang nach entfernten sie sich in die Unweiten der Citadel hinaus. Der ehemalige Polizist atmete tief durch, als er sich wieder sammelte und den Faden wieder aufnahm.
    „Mehr oder weniger zufällig stoße ich dann auf diesen anderen Agenten von Captain Benedict, der mich vorher schon mit Informationen versorgt hatte, und mit dessen Hilfe ich schließlich das ganze Netzwerk besser zu verstehen begann. Dauerte dann nicht lange und wir haben dich in diesem Strip-Club ausfindig machen können, von wo wir dich eigentlich entführen wollten… oder so… jedenfalls ist dieser andere Agent jetzt auch noch abgehauen und ich stehe mit leeren Händen da, weswegen ich dir die ganze Soße hier auf irgendeinem ranzigen Brummirastplatz auftische. Nimm’s nicht persönlich!“
    Der letzte Satz war an den Inhaber der Frittenbude gerichtet, der ob Konrads bissigem Kommentar dem ehemaligen Polizisten einen entrüsteten Blick zuwarf.
    Ich brauche deine Hilfe“, fuhr er schließlich nach einer kurzen Pause fort, „ich bin nicht der Feind.

  2. #312
    ME FRPG Only Avatar von Milijan Sacobic
    Registriert seit
    25.06.2012
    Beiträge
    52

    Standard

    Ich brauche deine Hilfe, ich bin nicht der Feind.“ Erklärte Richter versöhnlich. Milijan hatte dem Mann aufmerksam zugehört während er seinen Burger aß.
    Alles in allem hörte es sich nach einer hanebüchenen Geschichte an die eher zu einem Agententhriller passen würde als in die Realität, andererseits entsprachen die letzten Ereignisse auch eher einem Thriller.
    Mit einem Räuspern wandte er sich Richter zu.
    „Zum einen: Benedict wurde vom Geheimdienst ausgeschaltet. Angeblich hat oder wollte Waffen an batarianische Terroristen verkaufen. Das ist selbst für mich eine windige undurchschaubare Geschichte. Fakt ist, dass Benedict ernsthafte Feinde innerhalb des Geheimdienst hatte.
    Des weiteren will ich noch wissen wie das Ganze mit Tannberg zusammenhängt und wie kam es, dass du sie erschossen hast?
    Dann will ich noch wissen wer diese andere Agent ist, wo Gerber hin ist, woher du diese Liste mit den Doppelagenten her hast und was Li-Ann damit zu tun hat und was sie hier macht!“

  3. #313
    ME-FRPG only Avatar von Konrad_Richter
    Registriert seit
    04.01.2010
    Beiträge
    221

    Standard

    „Waffen an batarianische Terroristen? Das ist Bullshit“, murmelte Konrad um die Kippe herum, die in seinem Mund steckte und zündete sich diese nach einem sarkastischen Lachen an, „die gute Frau hatte ganz andere Sorgen.“
    Nicht, dass Konrad ihr das nicht zugetraut hätte, um sich so etwa ihren kleinen Klub zu finanzieren – Priorität Nummer Eins war es aber gewiss nicht. So oder so hatte man im Geheimdienst wohl nur nach einer faulen Ausrede gesucht, um sich dieses Störenfrieds zu entledigen. Kannte er doch irgendwoher…
    „Desweiteren will ich noch wissen wie das Ganze mit Tannberg zusammenhängt und wie kam es, dass du sie erschossen hast? Dann will ich noch wissen wer diese andere Agent ist, wo Gerber hin ist, woher du diese Liste mit den Doppelagenten her hast und was Li-Ann damit zu tun hat und was sie hier macht!“
    Konrad sah überrascht auf. Woher kannte der Typ Rebekka? Er hatte sich wahrscheinlich seine Akte angesehen, aber anscheinend wusste er mehr über sie. Glaubte er, dass sie tot war? Um sich zu beruhigen, nahm der Ex-Cop einen tiefen Zug von seiner Zigarette, um seinem Gegenüber ebenfalls eine anzubieten.
    „Bekka… Tannberg hat mich mit Infos versorgt, während ich an der ganzen Sache dran war und am Ende hat sich herausgestellt, dass sie Agentin unter Benedict war.“
    Konrad sah seinem Gegenüber tief in die Augen.
    „Erschossen habe ich sie aus reinem Zufall“, fuhr Konrad schließlich fort, wobei ihm auffiel, dass er die Geschichte mittlerweile schon so oft erzählt hatte, dass er sie immer ungezwungener über die Lippen brachte, „ich war auf Streife und habe sie gestellt, nachdem sie eine Autobombe hat hochgehen lassen. Die Frau weiß, wie sie jemandem einheizen kann…“
    Konrad lächelte kurz und kalt, emotionslos und ohne dabei das Lächeln auch nur in die Nähe seiner Augen kommen zu lassen.
    „Was deine restlichen Fragen angeht, muss ich passen“, log er und sah Sacobic fest in die Augen, „dieser andere Agent war nur irgendein Deckname, genau wie der Südafrikaner, den du kalt gemacht hast, und er hatte auch Sol im Schlepptau. Scheinen wohl beide aus einer Cerberus-Basis ausgebüchst zu sein und sie hatte niemanden, zu dem sie gehen konnte. Schau dir die Kleine doch an, allein lassen kann ich die nirgendwo und bei der Sec schmeißen die mich erstmal in U-Haft… dann ist sie unser Fahrer und Pilot geworden.“
    Konrad nahm noch einen Zug von seiner Zigarette, wobei er zu Sol blickte, die noch immer aß. Er hoffte inständig, dass die Kleine mitspielte und Sacobic nicht fröhlich davon erzählte, wie Rebekka es war, die sie angeschleppt hatte. Falls sie überhaupt mitbekommen hatte, wovon die beiden Männer gerade sprachen, schließlich sprach Konrad etwas leiser und es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass diese kleine Sonne mal gedanklich auf einem ganz anderen Stern war.
    „Diese Liste habe ich von dem Netzwerk, das ich vorhin erwähnte, also vermutlich über ein Leck bei euch… konnte mir das Ding selbst noch nicht ansehen, sondern habe die Infos über meinen Handler gekriegt“, machte Konrad weiter, wobei er gleichzeitig sprach und den Zigarettenqualm ausatmete, „und wer zur Hölle soll Gerber sein? Wir kennen uns alle nur unter Codenamen.“

  4. #314
    ME FRPG Only Avatar von Milijan Sacobic
    Registriert seit
    25.06.2012
    Beiträge
    52

    Standard

    Er knirschte mit den Zähnen und kaute auf seiner Unterlippe herum. Es war ihm im Moment scheißegal, dass Richter seine Nervosität mitbekam. Zu gern hätte er noch mehr über dieses Netzwerk erfahren aber Richter würde sich vermutlich erneut mit einer Ausrede retten.
    Milijan war fest davon überzeugt, dass Richter mehr wusste als er im Moment zugab vor allem was seinen Informanten anging als auch die wahren Umstände um Tannbergs Tod. Zumindest hatte er dem Serben einiges zum nachdenken gegeben.

    Mit einem Seufzen kramte er ein paar Credits hervor und legte sie vor sich ab. Aus seiner Tasche holte er zwei Mobiltelefone die er in Richters Wohnung gefunden hatte und rief mit dem einen das andere an um die aufgedruckten Nummern zu prüfen.
    Das angerufene vibrierte leise. Milijan legte auf und reichte es an Richter.
    „Damit wir in Verbindung bleiben! Ich melde mich!“ erklärte er kurz und wandte sich dann an Li-Ann.
    „Komm Jul….Li-Ann wir müssen weiter!“ erklärte er und reichte ihr seine Hand. Li-Ann zögerte keine Sekunde und ergriff sie. Auch Richter machte Anstalten ihm zu folgen.
    „Wo willst du hin?“ fragte er den Ex-Polizisten und dieser deute nur auf Milijans SUV.
    „Kannste knicken!“
    „Ich hab keine Kohle für ne Taxe!“
    „Und mich geht fremdes Elend nichts an!“ entgegnete der Serbe und lies Richter stehen.

    Kurz darauf war er wieder einmal auf dem Weg zur ARIA Zentrale
    „Hör zu Li-Ann“ begann er eindringlich
    „Du hast ein mittelschweres Trauma, wahrscheinlich psychosomatisch. Dein Gehirn hat Schwierigkeiten im Verarbeiten von Informationen und bekommt deswegen Aussetzer. Wie ein Auto, das von einem Fahranfänger das erste Mal in Bewegung gesetzt wird.
    Aber das ist nicht permanent! Es ist therapierbar! Du bist nicht verrückt, du bist verletzt, verwundet! Du bist nicht allein! Ich bleibe bei dir und helfe dir.
    Leider können wir uns noch nicht ausruhen! Wir sind noch immer in Gefahr! Lass die Hoffnung nicht sinken und kämpfe weiter, genau wie ich!“
    Milijan sprach eindringlich auf die junge Frau ein und drückte ihre Hand dabei während er den schweren Wagen lenkte. Wie, um sich auf Gehör zu verschaffen, bellte Dragan vom Rücksitz aus, auch er würde weiterkämpfen – bis zum Ende.

    Der Serbe wurde wieder still und begann erneut auf seiner Unterlippe herumzukauen. Er wusste wenn er die Wahrheit erfahren wollte musste er zum Anfang der Geschehnisse zurückkehren und Richter hatte ihm den Entscheidenden Hebel gereicht um dieses Konstrukt aufzuhebeln.
    Und eines wusste er auch: Wenn es ihm nicht schnell genug gelang dieses Puzzle zu lösen würde er die nächsten Stunden nicht überleben!"

    ------------->Botschaften/ ARIA Zentrale
    Geändert von Milijan Sacobic (21.02.2014 um 21:51 Uhr)

  5. #315
    ME-FRPG only Avatar von Konrad_Richter
    Registriert seit
    04.01.2010
    Beiträge
    221

    Standard

    „Ernsthaft?“, rief der Ex-Polizist dem davonbrausenden SUV mit ausgebreiteten Armen hinterher. Hatte ihn der Typ jetzt gerade wirklich stehen lassen? Ein herber Fluch kam über seine Lippen.
    „Ich befinde mich auf dem Weg zu Ihnen, Montague“, funkte Snooker trocken und Konrad erwiderte nicht mehr als ein mürrisches Brummen. Ansonsten war der Funk absolut still – weder Horatio, noch Snooker oder er selbst wussten, ob das Treffen jetzt gut verlaufen war oder nicht. Konrad hatte gemerkt, dass er bei dem Serben etwas bewegt hatte, also zumindest ein Teil seiner Geschichte abgekauft wurde, doch würde das reichen, um endlich einen Verbündeten finden zu können?

    Genervt nahm er wieder am Tresen Platz und aß die Reste des Salats, den Konrad kaum angerührt hatte. Ihm war der Appetit vergangen, ganz im Gegensatz zu Sol, die für zwei gefuttert hatte – war es richtig gewesen, sie mit ihm gehen zu lassen? Augenscheinlich schien sie ihm vertraut zu haben und irgendwoher kannten sie sich auch. Konrad zuckte mit den Schultern. Tragisches Einzelschicksal, das er jetzt auch nicht mehr ändern konnte. Er hatte andere Prioritäten. Ob er wohl früher auch so gedacht hätte? Rebekka hatte wohl mehr Einfluss auf ihn gehabt, als er zugeben wollte.
    „Stress?“, fragte der Imbissbesitzer und Konrad nickte geistesabwesend.
    „Ja… in der Arbeit geht es grad ziemlich drunter und drüber. Überstunden nerven.“
    „Immerhin hatte die Kleine ordentlich Hunger, was?“, scherzte der Bärtige krächzend und Konrad lächelte gequält.
    „Viel Kundschaft haben Sie ja nicht, also…“, Konrads Lächeln versteinerte und langsam sah er dem Imbissbesitzer in die Augen – nahm Blickkontakt auf. Das Radio war leiser gestellt, es war nun schon länger kein Fahrzeug mehr vorbeigefahren und die Fritteuse gab nicht mehr als ein leises Brutzeln von sich, lief also auf Sparflamme. Der Bärtige erwiderte den Blickkontakt zwar, doch alles an dem Mann zeugte von Nervosität: angespannte Muskeln, ein Zucken im Augenwinkel, das falsche Lächeln, der gezwungene Small Talk. Konrads Miene verfinsterte sich schlagartig und reflexartig schoss seine Hand zum Pistolenholster. Schützend hob der Bärtige die Hände, stieß einen erstickten Schrei aus, doch viel zu befürchten hatte er sowieso nicht…
    „Verdammte Axt“, knurrte Konrad, als er bemerkte, dass Sacobic, dieser Elende, noch immer seine Pistole hatte. Es war auch der Moment, als Konrad das laute Rauschen eines Kondensators hörte, den er im Schlaf erkannte: C-Sec, Standardausführung. Ruckartig erhob sich der Ex-Polizist, stieß dabei zwei der Sitzgelegenheiten um, die polternd zu Boden fielen, und entfernte sich ohne einen weiteren Kommentar. Der Bärtige hatte zugehört und die Sec gerufen…

    Konrad verschwand hinter dem Imbissstand um eine Ecke, als er auch schon hörte, wie der Wagen zum Stillstand kam und Türen zugeschlagen wurden. Er selbst verzog sich auf einen Parkplatz, der direkt vor ihm lag und von unzähligen Frachtzügen, vermutlich der Stammkundschaft des Bärtigen, zugeparkt war. Ohne zu zögern verschwand der schwarzgekleidete Konrad zwischen den Anhängern, um dort eins mit dem Schatten zu werden.
    „Horatio, Snooker: Wechsel auf Bravo-Frequenz, Ende!“, fauchte der Ex-Polizist in den Funk und wechselte sogleich selbst die Frequenz, um nach einigen Momenten und einer Authentifizierung Snookers und Horatios auf der hoffentlich sicheren Ausweichfrequenz weiter zu kommunizieren.
    „Die Sec ist mir auf den Fersen“, informierte er die beiden Männer, ohne dabei stehen zu bleiben, „Snooker, bereithalten für Aufnahme, aber halten Sie sich bedeckt!“
    „Ich bereite alles vor“, erwiderte Horatio sofort auf die neue Lageinformation – was auch immer der Alte damit meinte.
    Plötzlich huschte ein Lichtstrahl über den Boden. Konrad sah erschrocken in die Richtung, aus der das sterile, weiße Licht kam – einer der Beamten schien nach ihm zu suchen! Er beschleunigte seinen Schritt, bog am Ende eines Frachtzuges um die Ecke, robbte hinter der nächsten Ecke unter einem der Anhänger durch, um sich dann nach der nächsten Ecke noch weiter in das Labyrinth der Frachtzüge zu stürzen, dabei stets das Geräusch von Stiefelabsätzen hinter sich hörend. Schließlich kam er auf eine Freifläche inmitten des Parkplatzes, quasi eine Lichtung in diesem Wald von Frachtzügen, die auf der einen Seite durch ein Toilettengebäude, auf der anderen durch eine Mauer begrenzt wurde.
    „Stehenbleiben und umdrehen“, erklang die weibliche Stimme hinter ihm, dabei jedoch nicht laut oder aggressiv, sondern eher ruhig, bestimmt und Kontrolle ausstrahlend. Konrad, der gerade dabei war, zwischen der Mauer und einem weiteren Anhänger zu verschwinden, erstarrte mitten in der Bewegung. Er schloss die Augen und seufzte.
    Dreh dich um!
    Widerwillig gehorchte er, genau wissend, wem er in die Augen blicken würde. Auch trotz des grellen Lichts, das ihn blendete, kannte er den Namen seines Gegenübers, das sich nur als grober Umriss abzeichnete, jedoch für ihn gut genug erkennbar war, um zu sehen, dass sie die Pistole noch nicht gezogen hatte. Es herrschte für einige Momente eisige Stille zwischen beiden; Momente, in denen der Lichtkegel der Taschenlampe über sein Gesicht wanderte, ehe er auf seine Brust gesenkt wurde und der Ex-Polizist endlich wieder ohne zusammen gekniffene Augen sehen konnte. Sein Verdacht bestätigte sich und das Zerbrechen sämtlicher Hoffnung, dass es doch nicht sie war, traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Mit einem Mal wusste er, wie sich Rebekka gefühlt haben musste, als er die Wohnung betreten hatte. Bitterer Speichel sammelte sich in seinem Mund.
    „Ich wusste, dass du es bist“, sagte Kyara und senkte ihre Taschenlampe jetzt endgültig.
    „Kennen wir uns?“, fragte Konrad in bester Schauspielermanier, dabei auf die Wirkung seiner Maske hoffend.
    „Versuch es gar nicht erst, Konrad“, kam es sofort in einem Tonfall zurück, der es einforderte, ernst genommen zu werden, „die Narbe erkenne ich überall wieder.“
    Ohne es wirklich verhindern zu können, fuhr sich Konrad über jenen hellen Hautstreifen, der als Erinnerung an sein Aufeinandertreffen mit Rebekka herhielt und in Gedanken stieß er einen lauten Fluch aus. Sie hatten vergessen, sie abzudecken. Er blickte wieder auf, war sich dabei sicher, dass man ihm ansah, sich ertappt zu fühlen und Kyaras Mimik nahm an Kälte zu. Zwar hatte sie ihre Waffe noch nicht gezogen, doch ihre Stimmlage, das angehobene Kinn und ihre abweisende, seitliche Körperhaltung verliehen ihr eine abweisende, distanzierte Aura.
    „Wieso?“, fragte Kyara, wobei ihre Stimme nicht mehr als ein Hauchen war und Konrad direkt merkte, dass sie gerade gegen die Tränen kämpfen musste, „beantworte mir nur diese eine Frage: wieso?“
    „Ich weiß nicht, was sie mir vorwerfen, aber ich bin unschuldig.“
    „Dass ich diesen Satz mal von dir hören würde“, stieß die Asari verbittert aus, „hast du eine Ahnung, wie sehr ich mich geschämt habe, wie entsetzt ich war, als der Captain uns alle gebrieft hat? Als er uns die Nachrichtenverläufe und Fotos gezeigt hat? Ich habe dich für einen der besten Polizisten des gesamten Reviers gehalten!“
    Konrads Kehle schnürte sich zu, als Kyara von Beweisen redete, die es ihm schwer machten, seine ehemalige Kollegin vom Gegenteil zu überzeugen.
    „Hör zu, ich kann es dir nicht beweisen, aber das sind gefälschte Beweise!“, flehte er sie an, doch die Asari änderte nichts an ihrer distanzierten Haltung.
    „Früher hast du Verdächtige für solche Sätze ausgelacht.“
    „Ich hole Sie da jetzt raus, Montague“, schaltete sich Snooker ein, doch Konrad ignorierte ihn.
    „Du musst mir glauben, Kyara, bitte“, fuhr er fort, „ich hab auch Beweise. Beweise, dass mich jemand beschatten lässt und dass es Cerberus-Maulwürfe bei der Allianz gibt.“
    „Du solltest dich hören…“
    „Ich brauche nur etwas mehr Zeit, Kyara, bitte…“
    Konrad, du jagst Gespenster und drohst selbst zu einem zu werden!“, fiel ihm Kyara ins Wort – es brach beinahe aus ihr heraus und mit ihren Worten schien auch der letzte Damm gebrochen zu sein: Tränen kullerten über ihre Wangen. Ihr Blick, die Traurigkeit und Hilflosigkeit in ihren Augen, ließen den Ex-Polizisten an den Moment denken, als die Ärzte ihn wiederbelebt hatten, nachdem er Rebekka erschossen hatte. Wie sie weinend und mit verlaufenem Mascara dabei stand, völlig außerstande, irgendein Wort zu sagen, sondern einfach nur beobachtete, wie einer ihrer besten Freunde starb – bereits tot war. Ein Satz, den sie zu ihm danach im Krankenhaus gesagt hatte und den er nie vergessen würde, schoss ihm plötzlich durch den Kopf: ich dachte, ich hätte schon wieder einen Kollegen, einen… Freund verloren. Ganz egal, wie rau, selbstbewusst und tough sich Kyara präsentierte, sie brauchte Hilfe wie er auch. Für Konrad waren es die Pillen gewesen, für sie wohl die Freundschaft zu ihm. Und all das drohte jetzt, vor ihren Augen zu zerbrechen und ihr aus den Fingern zu gleiten.
    „Komm mit mir“, flüsterte sie flehend mit einem einzigen Schluchzen, nach welchem sie sich jedoch schnell wieder gefangen hatte, „das Strike Team ist bestimmt noch auf deiner Seite. Du hast noch Freunde im Revier. Wir könnten für dich aussagen…“
    Snooker erschien mit dem Wagen über ihnen und senkte das schwarze Fahrzeug langsam und zielgerichtet neben Konrad ab, im exakten Wissen, dass die Polizistin mit ihrer Handwaffe nichts gegen das Fahrzeug unternehmen konnte. Die Tür stand bereits offen.
    „Das kann ich nicht“, erwiderte auch Konrad, dessen Stimme jetzt nicht mehr als ein fragiles Flüstern war.
    „Wenn du in diesen Wagen einsteigst-“, Kyara schniefte und öffnete ihren Holster demonstrativ.
    „Das tust du nicht.“
    Konrad war mit einem Fuß bereits eingestiegen und hielt sich an einer Stange fest. Snooker sah über die Schulter zu ihm, doch Konrad ignorierte den Bergsteiger völlig.
    „Ich verspreche dir, ich werde es sein, die dir die Handschellen anlegen wird.“
    „Dann weiß ich ja, dass ich in guten Händen sein werde. Snooker, Abflug.“

    ---> Unterschlupf des Nevermore-Netzwerks
    Geändert von Konrad_Richter (30.01.2014 um 23:42 Uhr)

  6. #316
    ME-FRPG only Avatar von Konrad_Richter
    Registriert seit
    04.01.2010
    Beiträge
    221

    Standard

    <--- Rastplatz-Imbiss

    Konrad hatte die gesamte Fahrt über geschwiegen und mit im Schoß gefalteten Händen auf eine Schraube gestarrt, die ihm in der Innenverkleidung des Wagens aufgefallen war. Er hatte zurück gedacht an die alten Zeiten, als er noch die Marke getragen hatte und mit Kyara auf Streife gegangen war. Ein Fall war ihm besonders im Gedächtnis geblieben: eine ganz normale Verkehrskontrolle, die Kyara durchgeführt hatte, war eskaliert und Konrad war als Verstärkung zu ihr gestoßen, nur um sich mit seiner Kollegin und dem ausgeflippten Turianer, einem Veteranen des Erstkontaktkrieges, eine halsbrecherische Verfolgungsjagd zu liefern. Der Palavianer war offensichtlich betrunken und auch sonst geistig nicht mehr ganz zurechnungsfähig, was dazu geführt hatte, dass er seinen Wagen um eine Laterne gewickelt hatte und seine Flucht zu Fuß fortsetzte. Konrad war noch nie ein großer Läufer gewesen, doch für die meisten Kriminellen hatte es bisher gereicht – der Typ allerdings hatte ihm und Kyara alles abverlangt. Schließlich war es ihnen gelungen, ihn vor einer Mall zu schnappen und zu überwältigen. Unterbewusst ballte Konrad seine Fäuste. Es hatte ihm immer einen Adrenalinschub durch die Adern gejagt, wenn er zum Sprung angesetzt hatte, um Flüchtige mit einem ordentlichen Schwitzkasten oder – seinem „Markenzeichen“ – einer rücksichtslosen Blutgrätsche zu stoppen.
    „Verdammt“, hatte Konrad geflüstert, als ihm plötzlich klar wurde, wie sehr er die Streife, die Uniform, seinen ganzen Job vermisste.

    Mittlerweile saß er jedoch wieder auf derselben Couch, auf der Rebekka ihm die Nanomaske aufgetragen hatte. Konrad hatte sie schon längst wieder mit einer speziellen Spülung aus dem Gesicht gewaschen und sich auch die Kontaktlinsen entnommen. Laut seufzte der Ex-Polizist, rieb sich den Nacken und blinzelte dabei mehrmals deutlich.
    „Ich hole uns Kaffee“, stellte Snooker lakonisch fest und Konrad brummte nur zustimmend, während Horatio sich an eines der Terminals setzte und die Anwesenden wissen ließ, dass er die erhaltene Namensliste sichten wollte. Konrad hatte schon längst vergessen, wie lange er jetzt schon auf den Beinen war oder der wievielte Liter von der braunen Brühe das jetzt war, die er sich in den Schädel kippte, aber er hatte jetzt keine Zeit zu schlafen, so sehr er es auch wollte, also versuchte er sich irgendwie anders etwas Entspannung zu verschaffen. Er schaltete ein Radio ein, das neben der Couch auf einem Beistelltisch stand und leise erklang Asia mit Heat of the moment. Ein flüchtiges, unterbewusstes Schmunzeln erschien auf seinen Lippen. Mit Daumen und Zeigefinger massierte er sich die Nasenwurzel. Seine Augen brannten und obwohl er so oft blinzeln konnte, wie er wollte, schloss Konrad die Augen, um tief durch die Nase einzuatmen. Ein warmes, angenehmes Gefühl durchfuhr ihn und dem Ex-Polizisten war, als ob er jede Faser seines Körpers spüren konnte. In Gedanken hoffte Konrad, dass Snooker mit der Kaffeemaschine nicht klar kam und er so maximal lange Ruhe vor ihm hatte, ohne das persönlich zu meinen.

    Das Zischen einer sich öffnenden Tür ließ ihn jedoch anders vermuten und Konrad atmete genervt aus. Schritte näherten sich ihm und Konrad öffnete die Augen wieder, wobei er einige Male blinzeln musste, um wieder scharf sehen zu können.
    „Schwarz und ohne Zucker bitte“, seufzte er, doch eine wesentlich vertrautere Stimme antwortete stattdessen.
    „Ich hoffe, blond ist auch in Ordnung für dich.“
    „Bekka!“
    Konrad sah ungläubig zur Tür, von wo aus die Stimme erklang und tatsächlich, da stand sie! Das blonde Haar mit der etwas dunkleren Färbung am Ansatz trug sie wie vorher auch offen, die verschiedenfarbigen Augen blickten direkt in die seinen und ein ganz leichtes, ja fast unsichtbares Lächeln lag auf ihren Lippen. Es war dieses lauernde, verspielte, jagende Lächeln, das sie immer im Gesicht hatte, wenn sie mit ihm sprach. Es war, als ob sie niemals aus dem Wagen ausgestiegen war. Konrad richtete sich auf.
    „Was machst du denn hier?“, fragte er verwirrt.
    „Ich hatte noch etwas zu tun. Geister aus der Vergangenheit“, antwortete sie und nahm neben ihm Platz, „aber das ist jetzt erledigt. Jetzt bin ich hier.“
    „Das wurde auch Zeit. Wir haben da so eine Liste mit Namen gekriegt.“
    „Mhm“, murmelte Rebekka und strich mit einer Hand über seine Backen, die sich irgendwie wie frisch rasiert anfühlten, „so gefällst du mir doch wesentlich besser.“
    Konrad sah zur Seite, direkt in die Augen von Rebekka, die mit ihrem Gesicht seinem jetzt sehr nahe gekommen war und die Blicke der beiden trafen sich sofort. Keiner dachte auch nur daran, den Blickkontakt zu brechen. Konrad genoss den Anblick. Sie war eine so wunderschöne Frau und wieder musste er an den Moment denken, als er sie im Diner kennengelernt hatte. Es hatte keine Sekunde gedauert und er war in ihren Bann gezogen gewesen. Genau wie jetzt, als er sich nicht entscheiden konnte, in welches der beiden Augen jetzt schauen sollte, gerade weil beide so verschieden waren ihren persönlichen, ganz eigenen Charme auf ihn ausstrahlten. Ohne, dass er es merkte, kamen sich ihre Gesichter näher und ehe er sich versah, küssten sie sich. Konrad schloss die Augen und lies sich komplett fallen, wobei er nicht mehr tat, als einen seiner Arme um Rebekka zu legen, sie noch näher an sich zu ziehen, was diese wohl als Aufforderung sah, sich irgendwie so halb auf seinen Schoß zu setzen und nun ihrerseits den Ex-Polizisten in eine Umarmung zu schließen. Ihre Lippen waren so unglaublich weich und wie alles an ihrem Körper so angenehm warm, ganz anders als er sie sich vorgestellt hatte, und ihr blondes Haar kitzelte über seine Nase, was ihn jedoch nicht weiter störte. Nein, es war ihm scheißegal. Rebekka war es schließlich, die sich aus dem Kuss löste und ihre Stirn gegen die seine presste.
    „Du hast mir gefehlt“, sagten sie beide unisono und blickten sich gleich darauf vielsagend in die Augen. Ebenfalls gleichzeitig lachten sie, tauschten erneut einen dieser Blickkontakte aus, die gefühlsschwerer waren, als Worte es jemals zu sein vermochten, ehe Rebekka schließlich Konrad erneut küsste, jedoch kürzer.
    „Hey“, flüsterte sie, ihm dabei noch immer direkt in die Augen blickend.
    „Hm?“

    „Hey.“
    Konrad fuhr auf, als Snooker ihn anstupste und eine Kaffeetasse vor die Nase hielt. Verwirrt sah sich der Ex-Polizist um, nur um festzustellen, dass er sich noch immer im Unterschlupf befand – allerdings ohne Rebekka. Das Gefühl von halbgetrocknetem Speichel in seinem Mundwinkel ließ Konrad wissen, dass er gesabbert hatte. Er war also eingenickt. Schöne scheiße. Mürrisch und ein wenig rabiat nahm er Snooker die Tasse ab und trank sogleich einen großen Schluck daraus. Das Radio trällerte natürlich munter weiter und Konrad stellte die Lautstärke so weit runter, dass es nicht mehr als ein leises Flüstern im Hintergrund war. What were the things you wanted for yourself? Teenage ambitions you remember well.
    „Also wie geht es jetzt weiter?“, fragte der Bergsteiger, wobei Konrad dabei nicht klar war, ob ihn das wirklich interessierte oder er einfach nur über Konrads Zustand, denn von körperlicher Verfassung war augenscheinlich nicht mehr zu sprechen, hinwegtäuschen und das Thema möglichst elegant wechseln wollte. Was auch immer es war, Konrad entschied, dass es egal war und er einfach mitspielen sollte.
    „Wir durchleuchten die Namensliste und picken uns einen jeden raus, der uns auch nur im Ansatz bekannt vorkommt. Dem statten wir dann einen Besuch ab, stellen ein paar Fragen und verziehen uns wieder.“
    „Montague, Sie sind hier nicht mehr bei der Polizei“, erwiderte Snooker mit einem milden Lächeln, „wir befinden uns in einem Krieg.“
    „Das habe ich auch gemerkt, Snooks“, fuhr Konrad den Bergsteiger an, wobei er harscher klang, als eigentlich beabsichtigt, weshalb der Ex-Polizist genervt seufzte, ehe er fortfuhr, „ich habe auch vor, bei den Herrschaften mit der Tür ins Haus zu kommen, keine Sorge. Ich möchte nur nicht zu viel Aufmerksamkeit auf uns ziehen. Das können wir uns nicht leisten.“
    „Heiliger Vater im Himmel“, stieß Horatio plötzlich aus und drehte sich langsam, sowie offensichtlich überrascht zu den anderen beiden Männern um.
    „Ortiz steht auf der Liste.“
    „Fuck.“
    „Wer ist das?“, fragte Konrad, der offensichtlich als einziger nicht wusste, worum es ging.
    „Captain Benedicts rechte Hand und derzeitige Leiterin der Geheimdienststation auf der Citadel.“
    Konrad blinzelte ein paar Mal und blickte schließlich Snooker ins Gesicht.
    „Fuck“, bestätigte er trocken und nahm einen tiefen Schluck Kaffee. Es hätte nicht zu Konrads Stil gepasst, jetzt keinen dicken Fisch am Arsch hängen zu haben. Alles andere wäre ja natürlich uninteressant gewesen, nicht? Der Ex-Polizist fletschte aggressiv die Zähne. Als ob es überhaupt einen Unterschied machen würde…


    Unterschlupf des Nevermore-Netzwerkes

  7. #317
    ME-FRPG only Avatar von Konrad_Richter
    Registriert seit
    04.01.2010
    Beiträge
    221

    Standard

    „Und was machen wir jetzt?“, fragte Horatio und Konrad verschluckte sich fast am Kaffee. Er sah zu dem Alten, der sich auf seinem Bürostuhl umgedreht hatte und erwartungsvoll zu Konrad sah. Auch Snooker, der mittlerweile in einem ziemlich abgefuckt aussehenden Sessel Platz genommen hatte und sich nach vorne gebeugt mit seinen Ellbogen auf den Knien abstützte, sah Konrad auf eine Art und Weise an, die ihm klar machte, dass die beiden eine Entscheidung von ihm erwarteten – jetzt. Konrad schluckte und exte schließlich den Kaffee. Eigentlich dachte er, Horatio als alter Hase würde die Führungsrolle an sich reißen, aber seine Anweisungen schienen klar gewesen zu sein.
    „Wir machen jetzt folgendes“, erwiderte der Ex-Polizist schließlich auf die Frage, räusperte sich und schuffelte auf dem Sofa hin und her, „Snooks und ich werden uns die Wohnung dieser Ortiz anschauen-“
    „Sind Sie verrückt geworden?“
    Wie aus einem Mund waren die beiden ihm ins Wort gefallen, doch Konrad gab ihnen mit einer Handbewegung zu verstehen, in ausreden zu lassen.
    „Schaut mal auf die Uhr, Leute. Es ist Rahmendienst, die sitzen gerade alle im Geheimdienst-HQ und rotieren dort, weil deren Nummer Eins ausgefallen ist. Alles, was ich will, ist ein wenig die Gegend auskundschaften und vielleicht den ein oder anderen kleinen Freund in der Wohnung platzieren. In der Zwischenzeit möchte ich, dass Sie, Horatio, sich nach einem Namen umschauen: Melven Thanus. Holen Sie mir alles, was Sie über den Kerl finden können.“
    „Und wer soll das sein?“
    „Eine neue Zielperson“, erwiderte Konrad einsilbig, „alles, was Sie finden, schicken Sie direkt an mich, verstanden?“
    Horatio nickte, schien jedoch zu ahnen, dass es sich bei dieser Spur eher um eine persönliche Nummer Konrads handelte und nicht um das, was Nevermore eigentlich machen sollte. So deutete der Ex-Polizist jedenfalls den widerwilligen Gesichtsausdruck und den vielsagenden Blick, den der Alte mit dem Bergsteiger tauschte. Dinge, über die Konrad sich jetzt keine Gedanken machen konnte. Seine Aufgabe war es jetzt, diese beiden Typen zu führen und das wollte er nicht durch untätiges Herumsitzen machen.
    „Snooks, wie sieht es mit unserer Ausrüstung aus?“
    „Der Wagen ist leicht lädiert, da sollten wir vielleicht ein paar Reparaturen vornehmen. Der Rest ist noch in Ordnung und bedarf nicht mehr, als der üblichen Nachbereitung.“
    „Dann schauen wir uns den Bock doch mal an.“


    Wenige Augenblicke später stand Konrad mit Snooker um den Wagen, um eine Bestandsaufnahme der Lädierungen vorzunehmen. Bis auf zwei Schrammen im Lack und einen Riss in der Windschutzscheibe, die Konrad auf seinen filmreifen Ritt nach seiner ersten Begegnung mit Sacobic zurückführte, war äußerlich nichts zu erkennen. Snooker hatte jedoch bei der Aufnahme Konrads nach dem Plausch, wiederum mit Sacobic, der anscheinend mit seiner Anwesenheit ein Unglücksomen für das Auto war, sowohl eine Schwerfälligkeit der Bremsen, wie auch das Aufleuchten einer Warnleuchte bemerkt. Kurzerhand hatten also die beiden Männer mit einem Wagenheber das Fahrzeug angehoben, um sich zuerst um die Bremsen zu kümmern.
    „Ich tippe, dass da irgendetwas mit der Flüssigkeitszufuhr nicht stimmt“, raunte Snooker, während er neben Konrad unter dem Wagen lag und mit einer Taschenlampe den Boden absuchte.
    „Haben wir denn die nötigen Ersatzteile?“, fragte Konrad, der an einem Wagen bisher nichts anderes als Reifen gewechselt hatte – wenn es denn über welche verfügte – oder die Zündkerzen ausgetauscht hatte.
    „Zumindest für eine notdürftige Reparatur sollten wir alles hier haben“, erwiderte der Bergsteiger, nahm schließlich nach einem vielsagenden „Hm“ die Taschenlampe zwischen die Zähne und drückte mit seinen Händen zwei Schläuche zur Seite, „sage ich doch, die Bremsflüssigkeit fehlt.“
    Einer der Schläuche, die direkt im Kondensator des Shuttles verschwanden, war gerissen und leckte extrem. Snooker schob sich wieder unter dem Wagen hervor und erhob sich wieder, was Konrad ihm gleich tat. Sofort ging der Bergsteiger an die Werkbank, um dort die Schubläden nach irgendetwas zu durchsuchen.
    „Sie kennen sich wohl mit Wägen aus, hm?“
    „Ein wenig. Ich war irgendwie immer der einzige aus der Truppe, der sich um die Wägen wirklich gekümmert hat und nicht nur die Fenster gewischt hat. Da bringt man sich das ein oder andere selbst bei.“
    „Verstehe. Ein Bier?“, fragte Konrad, der mittlerweile den Kühlschrank der kleinen, notdürftigen Garage entdeckt hatte und nach einem Nicken Snookers entnahm er diesem zwei Flaschen, deren Deckel mit einem einfachen Schraubverschluss zu entfernen waren.
    „Was war sonst ihre Aufgabe?“
    „Ich bin mehr oder weniger ein Allrounder, also kann ich alles ein bisschen, aber nichts so wirklich“, erklärte Snooker und lächelte, „Leute verstehen und sie zu täuschen, das war irgendwie immer meine Stärke. Kommt davon, auf der Erde aufgewachsen zu sein, schätze ich.“
    So wie das klang, vermutete Konrad, dass Snooker keine glückliche Kindheit hatte und von der Erde hatte er nicht nur gutes gehört. Er beschloss, nicht weiter nachzufragen.
    „Nur hinter Technik bin ich nie so ganz gekommen… da war mir sogar Bekka voraus, aber wir hatten ja Goldhändchen für diesen Kram im Team. Komisch eigentlich, dass ich dann so gut mit den Fahrzeugen zurecht komme. Ah, da haben wir es ja.“
    Der Bergsteiger hatte in einer Schublade Isolierband und Kabelbinder gefunden, mit welchen er sich wieder am Wagen zu schaffen machte. Er gab Konrad ein paar simple Anweisungen, wie er ihm helfen konnte und nach ein paar Handgriffen war der Schlauch wieder dicht. Der Ex-Polizist holte einen Kanister voll mit Bremsflüssigkeit, um diese in den entsprechenden Behälter zu füllen.
    „Ist Bekka die einzige, von der Sie den Klarnamen kennen?“
    „Nein, Goldhändchen kenne ich auch persönlich. Den Rest unseres Teams nicht. Wir haben uns über die Jahre nicht nur zu Kollegen, sondern auch zu Freunden entwickelt und es war wohl eine Art Vertrauensbeweis. Schließlich lief es bei uns ja anders herum, als bei Ihnen und Rebekka.“
    „Verstehe“, brummte Konrad und sah der Flüssigkeit dabei zu, wie sie zäh in den Behälter neben dem Motorblock verschwand. Ein Piepen seines Omnitools ließ ihn aufhorchen. Nur Sacobic konnte ihn im Moment über diese Nummer erreichen.
    „Er will mich treffen“, verkündete Konrad.
    „Trauen Sie ihm, Montague?“
    „Nicht weiter, als ich ihn schmeißen kann“, erwiderte der Ex-Polizist und hievte den Kanister wieder vom Wagen herunter und zurück zu seinem angestammten Platz, „aber das muss mir im Moment reichen.“
    „Gut, ich begleite Sie.“
    „Nein, ich treffe mich alleine mit ihm. Sie werden den Wagen nehmen, nachdem ich ausgestiegen bin und Ortiz‘ Wohnung beschatten. Wir treffen uns anschließend dort und machen wie gewohnt weiter.“
    „Sind Sie sich sicher?“
    Snooker sah besorgt aus, ob das wirklich eine gute Idee war, die Kräfte derart aufzuspalten. Konrad nickte.
    „Horatio hat mich ja auf dem Schirm und ich vermute nicht, dass Sacobic oder die Allianz nur einen Block entfernt vom bestbesuchtesten Puff der Citadel eine Schießerei anzetteln will“ – ein fragender Blick Snookers – „in dem Eck gibt es mehr unregistrierte Schusswaffen, als irgendwo anders im Citadel-Raum. Ich werde also schon klar kommen.“

    ---> Rotlichtbezirk der Citadel

  8. #318
    ME-FRPG only Avatar von Konrad_Richter
    Registriert seit
    04.01.2010
    Beiträge
    221

    Standard

    <--- Unterschlupf des Nevermore-Netzwerks

    „Und so habe ich meinen Spitznamen gekriegt“, schloss Snooker schließlich und Konrad lächelte milde im Beifahrersitz. Es war eine recht amüsante Geschichte gewesen, die mit einem simplen Besuch einer Sportkneipe begann und mit einer Schlägerei in derselben endete, wobei Snooker eine Kugel aus dem gleichnamigen Spiel äußerst elegant – also genau gegenteilig tollpatschig und mehr aus Zufall, denn wirklich beabsichtigt – als Waffe eingesetzt hatte. Konrad hatte sich von dem Bergsteiger sagen lassen, dass ob seiner Wurfkünste der Gegner sicherlich keine gesunden Kinder mehr zur Welt bringen würde.
    „Ich glaube, Rebekka hatte ewig nicht genug von der Geschichte haben können“, seufzte Snooker und lächelte nun ebenfalls, „sie ist schon eine besondere Frau.“
    „Hm, Bekka? Ja. Sie ist… exotisch. Auf ihre Art.“
    „Exotisch?“, Snooker sah mit gerunzelter Stirn zu dem Ex-Polizisten, ehe er sich wieder auf den Straßenverkehr konzentrierte, „ich glaube, eine Deutsche wäre das letzte, was ich exotisch nennen würde.“
    „Ich komme nicht von der Erde, für mich ist alles exotisch… irgendwie…“
    „Sie sind ein merkwürdiger Mann, Montague“, murmelte Snooker kopfschüttelnd, „vielleicht mochte sie das ja an Ihnen.“
    Konrad sah zu dem Mann am Steuer, der – wie der Ex-Polizist mittlerweile erfahren hatte – aus Großbritannien kam. Egal, ob er mit diesem Kommentar darauf abzielen wollte oder nicht, es nagte noch immer an Konrad, Rebekka nicht geküsst zu haben, als er die Chance dazu hatte. Es hatte schließlich genug Gelegenheiten gegeben, in denen es zwischen ihnen beiden ordentlich gefunkt hatte, aber entweder war der Ex-Bulle dabei mit seinem Kopf ganz woanders gewesen oder er hatte schlicht nicht die Eier in der Hose gehabt. Es war ja nicht so, als ob er sich das nicht schon öfter vorgestellt hätte… alleine bei dem Gedanken an den Anblick von Rebekka nur in Unterwäsche vor ein paar Stunden hätte er sich schon in die Faust beißen können.
    „Also wie wollen Sie vorgehen?“, riss Snooker ihn wieder aus den Gedanken und Konrad seufzte.
    „Ich werde mir mal anhören, was dieser Sacobic mir jetzt zu sagen hat. Da er nicht auf der Liste steht und auch sonst eher den Eindruck eines Bauerns machte, der in diesem Schachspiel bewegt wird, statt zu bewegen, könnte ich mir vorstellen, dass wir zumindest ein klareres Lagebild aus dem Inneren des Allianzgeheimdienstes kriegen könnten.“
    „Er wird etwas im Gegensatz dafür haben wollen.“
    „Da wird mir hoffentlich etwas einfallen, denn unser Schattendasein ist im Moment unser größter Schutz.“

    Kurze Zeit später hielt der unauffällige Nevermore-Wagen im Rotlichtbezirk, ein paar Blocks vom Treffpunkt entfernt und Konrad holte einen kleinen Rucksack von der Rückbank, in dem er allerlei Kram dabei hatte, um für Eventualitäten gerüstet zu sein.
    „Hey ihr zwei Hübschen, wie geht’s euch denn so?“
    Konrad sah verwirrt zur Seite. Er hatte während der Fahrt sein Fenster heruntergelassen und jetzt, nicht einen Wimpernschlag, nachdem der Wagen stehen geblieben war, lehnte bereits das erste leichte Mädchen weit vornübergebeugt darin. Blondes Haar, roter Lippenstift, Rouge, ein aufgeklebter Schönheitsfleck und ein Ausschnitt, in dem man versinken konnte.
    „Nein Danke, wir sind beruflich hier.“
    „Ich auch, Schätzchen“, erwiderte sie und zwinkerte ihm zu, „und ich steh total drauf, zwei Hengste im Stall zu haben.“
    Konrad runzelte die Stirn und sah die Prostituierte zweifelnd an. Das billige Parfüm ging ihm langsam gegen den Strich, genau wie ihre billige, verruchte Aufmachung, ihre schnarrende Stimme, die gefühlten Zentimeter Make-Up, die aus dieser Entfernung bestens erkennbar waren… Anzeichen, die quasi danach schrien, dass sich in diesem Körper allerhand Dinge tummelten, die da eigentlich nicht hingehörten. Moment… schnarrende Stimme? Konrad dämmerte es und er hob abwehrend die Hände.
    „Oh nein, nein nein“, sagte er und lächelte, „ich stehe auf… Natur.“
    „Hm“, erwiderte der Transsexuelle, zog eine Schnute und musterte Konrad ein letztes Mal, „schade.“
    Womit er von dannen zog und den Ex-Polizisten mit einem Schauer zurückließ, der ihm den Rücken hinunter lief. Für einen Moment herrschte eine merkwürdige Stille im Wagen, ehe Konrad sich wieder seinem Rucksack widmete, ein letztes Mal prüfte, ob er irgendetwas im Wagen liegen gelassen hatte, ehe er ausstieg und durch das Fenster noch einmal zu Snooker hinein sah.
    „Sobald irgendjemand in Ortiz‘ Wohnung will, melden Sie sich bei mir! Sobald ich hier fertig bin, komme ich zu Ihnen und wir sehen uns den Laden genauer an.“
    „Alles klar Montague – und passen Sie auf sich auf!“
    Bevor Konrad etwas auf den schnippischen Kommentar erwidern konnte, ließ der Brite auch schon den Wagen aufheulen und zog mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht davon. Kopfschüttelnd setzte Konrad den Rucksack auf und begab sich in Richtung der Kreuzung, wo sich Sacobic mit ihm treffen wollte.

    „Horatio, irgendetwas neues bezüglich meiner Suchanfrage?“
    „Ich habe nur wenig über den Mann herausfinden können. Er ist Major der Galactic Foreign Legion und so wie ich das sehe derzeit auf dem Tharkad stationiert, einer kleinen Grenzwelt, auf der gerade die Allianz interveniert.“
    „Auf dem Tharkad?“, fragte Konrad erstaunt, „können Sie herausfinden, was er dort macht?“
    „Ich versuche es gerade zum vierten Mal, die Server zu knacken, aber das kann wohl noch etwas dauern. Ich melde mich, sobald ich etwas neues habe.“
    Konrad bestätigte und beendete die Verbindung zu Horatio wieder. Galactic Foreign Legion… er hatte diverse Gerüchte über diese Einheit gehört, allerdings nie mit jemanden davon zu tun gehabt. Er hatte jedoch stets davon gehört, was für harte Kerle das sein mussten. Vom Tharkad hatte er noch weniger gehört… es war irgendeines dieser Dreckslöcher, in denen Materialschlacht um Materialschlacht geschlagen wurde, nur um einen offenen Krieg zwischen den Terminus-Systemen und der Allianz (und damit dem gesamten Rat) zu verhindern. Egal, was dort für ein Spiel gespielt wurde, die Stationierung des Majors dort bedeutete auch gleichzeitig, dass er außerhalb von Konrads Reichweite war, was den Mann von Terra Nova fluchen ließ. Er hoffte darauf, dass Horatio wenigstens durch den Angriff auf den Server mehr herausfinden konnte.

    Ein Blick auf die Uhr verriet Konrad, dass er ein paar Minuten zu früh war, doch sein Gefühl sagte ihm, dass das auch auf den Serben zutreffen würde. Der Ex-Polizist war mittlerweile bei der Kreuzung angekommen und steuerte direkt auf eine Art Kiosk zu, der zu jeder Uhrzeit geöffnet hatte und an die Gestalten dieser Partymeile aus Freudenhäusern und Straßenstrichs mit allerhand Mittelchen versorgte, um den Rausch noch weiter zu verlängern. Alles legal, verstand sich, doch es war ein offenes Geheimnis, dass der Laden auch ein beliebter Anlaufpunkt für Dealer war. So oder so konnte man sich sicher sein, dass der Kiosk, der auch über einen Imbiss mit ein paar Sitzgelegenheiten und eine Toilette verfügte, zu jeder Uhrzeit gut besucht war. Als er sich einmal umsah, konnte Konrad den Serben jedoch nirgendwo ausmachen, weshalb er zu einem leerstehenden Tisch ging und seinen Rucksack auf einem der beiden Stühle ablegte, während er seinen rechten Fuß auf dem anderen abstützte, um seinen Stiefel zu binden. Dabei ließ er einen kurzen, unauffälligen Blick durch den Imbiss schwenken, wobei ihm jedoch nichts auffälliges ins Auge sprang – bis auf Sacobic. Der Serbe hatte gerade eine Tür hinter sich geschlossen, die ihrer Aufschrift nach zur Toilette führte, und das erleichterte Lächeln, mit dem er beinahe demonstrativ seinen Hosenstall zuzog, ließ in Konrad die Frage aufkommen, was genau der Serbe da drinnen gerade gemacht hatte, doch gleich im nächsten Moment beschloss der Ex-Polizist, dass es besser war, wenn er das nicht wusste. Er schüttelte unmerklich den Kopf, ehe sich sein Blick mit dem des Serben traf und der SOD-Agent sogleich in seine Richtung steuerte. Konrad richtete sich wieder auf, nahm den Rucksack vom Stuhl und stellte ihn neben dem Tischbein ab.
    „Na, alles klar, Konnie?“, fragte der Agent wie immer so betont lässig, doch Konrad beschloss, sich nicht auf das Spiel einzulassen.
    „Ich kriege von dir noch meine Knarre“, eröffnete er stattdessen das Gespräch, wobei er nicht Platz nahm, sondern stehen blieb und den Blick seines Gegenübers auf Augenhöhe erwiderte.

    Untere Bezirke der Citadel, Rotlichtviertel

  9. #319
    ME FRPG Only Avatar von Milijan Sacobic
    Registriert seit
    25.06.2012
    Beiträge
    52

    Standard

    Allianzquartiere---------->

    „Ich kriege von dir noch meine Knarre“ grüßte ihn Konrad zurück. Der Serbe schob sich eine Zigarette in den Mund und musterte den Kerl. Konrad hatte endlich die Nanopaste aus dem Gesicht gewischt und trug, genau wie er, noch die Spuren ihres letzten Tanzes zur Schau.
    „Tja, Kolonistenjunge. Dann wirst du wohl mit mir kommen müssen!“ antwortete Milijan trocken und ging an ihm vorbei.

    Der Rotlichbezirk der Citadel. Der allgegenwärtige Straßenstrich, die Bordelle mit ihren leuchtenden Reklamen die ein diffuses Licht warfen der durch die ganzen Glasscheiben unzählige male gebrochen wurde sodass man sich wie in einem gewaltigen Kaleidoskop vorkam.
    Die Anzeigen preisten neben den verschiedenen Nutten auch die Holodecks an, in denen man jederzeit all seine Phantasien ausleben konnte. Für ausgefallenere Vorlieben gab es noch die Fetischstuben und die einzelnen Themenkneipen – insgesamt wurde hier jeder Geschmack bedient.
    Die beiden gingen durch die Massen. Verschiedene Arten von Freiern. Manche versuchten so unsichtbar und unerkannt wie möglich zu bleiben während andere ganz offen und freimütig nach günstigem Sex Ausschau hielten. Die ernsten Gesichter der Türstehern und Zuhältern, immer um Sorge um ihr Geschäft. Daneben gab es noch eine unzählbare Masse an anderen Elementen die im Fahrwasser der Prostitution ebenfalls Geld verdienen wollten. Drogendealer, Schieberbanden, Kleinkriminelle und ganz generell das organisierte Verbrechen.
    Eine Mischung aus Unzucht und Scham lag in der Luft als Milijan sich übertrieben die Hände an der Hose abwischte.

    „So eine Scheiße. Die haben nicht mal ein Waschbecken im Kiosk!“ er kramte aus einer seiner Taschen eine Packung mit Hygienetüchern und begann seine Hände mit dem antiseptischen Tuch zu reinigen.
    „Wusstest du, dass mehrere 100 Tonnen B-Waffen aus Beständen der Hegemonie verschwunden sind? Darüber hinaus gibt es noch aufgegebene Depots von C-Waffen in der ganzen Traverse. Teilweise lagern die Containern auch nur in irgendwelchen Hütten oder rosten nur vor sich hin. Kommt schon mal vor, dass die Dinger undicht werden und ganze Landstriche über Jahrzehnte verseuchen. Das uns diese ganze Scheiße noch nicht um die Ohren geflogen ist eher mit Zufall als mit Tatsachen zu erklären!“
    Er zog an seiner Zigarette und sah kurz zu Richter
    „Hab mal ne Studie gelesen, demnach ist die Citadel nur mäßig auf eine Epidemie mit aggressiven Erregern vorbereitet und wenn du mal miterlebt hast, was eine ausgewachsene Epidemie auf einer Raumstation anrichten kann… nun du wirst nie mehr vergessen dir die Hände regelmäßig zu waschen!“
    Sie erreichten seinen SUV den der Serbe in einer angrenzenden Seitenstraße geparkt hatte.

    „Deine Knarre liegt im Kofferraum!“ sagte er zu Richter und stieg ein und startete die Maschine. Interessiert sah er zu wie Richter vor dem Kofferraum stand und unsicher in den Wagen sah. Dragan tobte als er Richter erblickte. Er sträubte sein Fell und fletschte die Zähne wobei er bedrohlich Knurrte und wütend bellte. Richter entschloss sich schließlich doch ohne seine Waffe auf dem Beifahrersitz platz zu nehmen.
    „Na ja, sie läuft dir ja nicht weg“ meinte Milijan trocken und fuhr los.
    „Eins würde mich ja mal interessieren“ begann Milijan nach einiger Zeit das Schweigen zu brechen. „Wer ist eigentlich der Kopf von deinem Netzwerk?“ er sah zu Richter „du bist es ja wohl nicht!“ doch Richter antwortete ihm nicht sondern sah ihn nur säuerlich an.
    „Wir fahren zu meiner Chefin. Du hattest recht. Irgendwas verheimlicht sie. Ich glaube aber, dass sie sich zu weit aus dem Fenster gelehnt hat – sie will auspacken und du…“ er sah wieder ernst zu Richter „…wirst dann da auch auspacken!“ hinter ihnen tobte Dragan und versuchte immer wieder vom Kofferraum zu Richter zu gelangen um ihn zu zerreißen.
    Schließlich erreichten sie ihr Ziel und stiegen aus. Vom Bürgersteig aus sah Milijan das Gebäude entlang nach oben. In Ortiz Wohnung brannte nur schwach Licht. Er ging an Richter vorbei und öffnete den Kofferraum wo er den wütenden Hund etwas beruhigen konnte und ihm die Leine anlegte. Dragan sprang aus dem Kofferraum und wollte sich gleich auf Richter stürzen.
    Hart zog Milijan an der Leine „Zaustaviti!Hör auf! zischte er streng den Hund an. Beinahe zornig starrte Dragan nun ihn selbst an doch er ließ sich nicht durch seinen eigenen Hund einschüchtern und funkelte ebenso zornig zurück. Schließlich wurde Dragans Blick ein wenig weicher und er leckte sich noch kurz das Maul bevor er sich damit begnügte Richter drohend anzustarren.
    Mit einem Kopfnicken bedeutete der Serbe Richter an ihm ins Gebäude zu folgen. Auf dem Weg ins Stockwerk im dem Ortiz Wohnung lag rief Milijan bei ihr an um ihr Kommen anzukündigen. Doch lediglich die Mailbox ging ran. Verwundert legte er auf, noch nie hatte Ortiz ein Anruf verpasst allerdings hatte die Gute gerade einiges um die Ohren. Vor der Eingangstür zur Wohnung hielt er aber dann inne. Sie war offen und eine gespenstische Stille drang mit diffusem Licht aus der Wohnung.
    Fast gleichzeitig zogen er und Richter ihre Waffen. Milijan hätte es stark gewundert wenn Richter unbewaffnet aufgekreuzt wäre. Ein Blick zu Richter verriet ihm, dass dieser genauso verwundert und besorgt über die Situation war wie er.

    Er brachte Dragan in Position und löste die Leine. Augenblicklich wusste der Hund was von ihm erwartet wurde und starrte angespannt in die Wohnung. Ein erneuter Blick zu Richter und mit einem Nicken gab er ihm zu verstehen, dass er bereit war.
    „Mnogo!“ Los! flüsterte er dem Hund zu und gab ihm einen Klaps auf den Hintern und schon fetzte Dragan in die Wohnung. Auf dem Fuße folgte Milijan und Richter.
    Die gesamte Wohnung lag in einer Art Zwielicht und die moderne, eher klinisch wirkende Einrichtung hatte etwas Unpersönliches. Als ob man eine Vorführwohnung betrat. Durch einen kleinen Flur erreichten sie das Wohnzimmer in dem zwei Personen am Boden lagen, ein Mann und eine Frau.
    Der Mann lag auf der Seite, die Beine angewinkelt und eine Pistole in der Hand. Ein Blick reichte ihm um zu erkennen, dass der Mann tot war, offenes Schädel-Hirn-Trauma mit ausgetretener Hirnmasse. Das Gesicht sagte ihm nichts, dass der Frau allerdings schon.
    Ortiz lag auf dem Rücken und sah fast völlig entspannt aus wäre nicht die Blutlache unter ihr, eine Schusswunde und ihr linker Arm der völlig verdreht und mit herausstehendem Knochen dalag. Er wandte seinen Blick von Ortiz ab und durchsuchte gemeinsam mit Richter den Rest der Wohnung wobei ihm sein Hund auch schon entgegenkam.
    „Dođi!“ flüsterte er ihm zu und klopfte sich sachte auf den linken Oberschenkel woraufhin ihm sein Hund nicht mehr von der Seite wich.
    „Klar!“ rief ihm schließlich Richter zu der den letzten Raum durchsucht hatte.

    Milijan packte seine Waffe weg und eilte zu Ortiz zurück. Streng befahl er Dragan sich hinzulegen und still zu bleiben während er sich hinkniete und an die Arbeit machte. „Angela! Angela hörst du mich?“ fragte er die Lateinamerikanerin während er ihren Puls am Hals und Handgelenk befühlte ohne eine Antwort erhalten zu haben. An der Hand fühlte er gar keinen Puls mehr, Angelas Körper hatte auf den starken Blutverlust mit einem Schock reagiert und mit der Zentralisierung begonnen. Um Blut für die wichtigen Organe zu sparen hatte Angelas Körper damit begonnen die Extremitäten nur noch minimal zu durchbluten. Am Hals war der Puls schwach und schnell. Ihr Brustkorb hob sich nur schwach aber immerhin sie atmete.
    „Hämorrhagischer Schock…Puls tachykard, niedrige Systole; Atmung schwach…“ begann Milijan. Normalerweise arbeitete er immer mit einem Partner an einem Patienten und drillmäßig gab er Informationen weiter.
    Als nächstes besah sich er sich Ortiz komplett an. Um ihre Augen herum hatten sich ringförmige Blutergüsse gebildet, ein sogenanntes Brillenhämatom. Die Augen von Angela waren geöffnet und in einem hatte sie schwere Einblutungen was ihm aber eher Sorgen machte war, dass ihre eine Pupille so groß war wie sie nur sein konnte während die andere die Größe einer Stecknadel hatte. Außerdem blutete sie stark aus der Nase und ihre Oberlippe war aufgeplatzt.
    „…Schweres SHT….“
    Sein Blick glitt weiter zum offenen Bruch des linken Unterarms und weiter zur stark blutenden Schusswunde in der rechten Schulter und zu ihren Oberschenkeln, in beiden hatte sie schwere Stichverletzungen aus denen sie stark geblutet hatte.
    „..offene Fraktur Radius+Ulna, links; Schusswunde Schultergürtel mit Austrittswunde Scapula; Stichverletzung Femoris links+rechts!“
    All das hatte nur einen Augenblick lang begonnen und sofort begann Milijan zu handeln. Er warf Richter den Autoschlüssel zu und kniete sich oberhalb der Stichwunden auf die Oberschenkel und drückte damit die beiden Oberschenkelarterien ab. Mit der rechten Hand drückte er den rechten Oberarm von Ortiz ab und die linke zur Faust geballt drückte er so fest er konnte in die Wunde und legte so viel Gewicht wie möglich hinein.
    „Hol meinen Rucksack aus dem Kofferraum!“ befahl er Richter.
    „HOL MEINEN SCHEISS RUCKSACK!“ schrie er fast den Mann an als dieser sich nicht augenblicklich auf den Weg machte. Immer wieder rief er Richter hinterher als dieser aus der Wohnung stürmte.
    Außer Atem erschien Richter kurz darauf wieder in der Wohnung und warf Milijan seinen Rucksack zu. Der Serbe richtete sich, noch immer auf Ortiz kniend auf, öffnete den Rucksack und bereitete ihn neben sich aus.
    Im Inneren des Rucksacks waren dutzende kleine Medikamentenfläschchen, zahlreiche unterschiedliche Verbände, kleinere Geräte und generell alles was man zum leben braucht.
    Jeden Menschen treibt etwas anderes an. Für manche ist es der Glaube, andere ergötzen sich an ihrem Intellekt und genießen psychologische Spielchen andere strebe n nach Gerechtigkeit, für andere wiederum ist es das größte im Universum komplexe Technik zu beherrschen oder ein Flugzeug zu steuern. Für ihn war es das hier, der unmittelbare Kampf mit dem Tod, was ihn antrieb. Der Person dahinter war ihm egal, ihn interessierte der Mensch, der Organismus. Das war sein Flugzeug und dieses hier war mitten im Sturzflug.

    Er streifte sich sein medizinisches Universalwerkzeug über und begann Ortiz zu scannen. Ein Hologramm erschien mit all den Vitalwerten.
    „Puls tachykard 60/30, Atemfrequenz 8, O² Sättigung 70%!“
    Er führte den Scanner über die rechte Schulter. Das Hologramm wechselte und zeigte ihm den betroffenen Bereich der Schulter. Der ganze Schultergürtel, Schlüsselbein und Schulterblatt war völlig zerschmettert, verbindendes Sehnen und Muskelgewebe zerstört. Wie durch ein Wunder war die Arterie noch in Ordnung zumindest halbwegs.
    „Zerschmetterter Schultergürtel, Axillaris im Bereich Coraco Brachialis angerissen!“
    Er führte den Scanner weiter überflog aber nur die Daten. Die Stichwunden und der offene Bruch interessierten in im Moment wenig, dank der Zentralisierung blutete sie ohnehin nur schwach in den Extremitäten.
    „Emergeny Dressing Schusswunde mit Quikfoam“ murmelte er
    Er zog sich den Rucksack passend hin und holte eine Art Sprühdose heraus die er kurz kräftig schüttelte. An der kleinen Dose hing ein dünner flexibler Schlauch den der Sanitäter freimachte und in den Wundkanal führte. Er legte Ortiz Arm auf ihre Brust und betätigte dann den Knopf auf der Dose. Mit einem zischenden Geräusch schoss ein weißer Schaum in die Wunde und verteilte sich komplett im ganzen Wundkanal. Der Schaum hatte mehrere Eigenschaften. Zum einen desinfizierte er, er stoppte Blutungen und er härtete aus und wurde fest wie Styropor. Somit fixierte er die Zerschmetterte Schulter und stoppte die Blutung durch die angerissene Arterie.
    „Blutstillung Extremitäten mittels Tourniquet!“
    Aus dem Rucksack holte er drei Tourniquets, spezielle Schlaufen mit denen man einfach Extremitäten abbinden konnte. Rasch legte er die Schlaufen um beide Oberschenkel in der nähe der Leiste sowie am linken Arm ebenfalls nahe am Körper. Jede Schlaufe zog sich selbstständig so fest zu, dass die Blutungen in den Extremitäten aufhörten.
    Er Atmete einmal kräftig durch, erneut prüfte er die Daten, zumindest wurden sie nicht schlechter. Er führte den Scanner über ihren Kopf und besah sich die Darstellung.
    „Scheiße!“ presste er zwischen den Zähnen hervor. Sie hatte Einblutungen ins Hirn. „Einblutung Frontallappen, Gyrus Rectus!“
    Dank des schwachen Blutdrucks war die Blutung auch schwach aber er musste den Blutdruck hochbringen und damit würde auch der Hirndruck steigen.
    Er führte den Scanner nun über ihren Bauch. Die Darstellung wechselte und zeigte nun das ungeborene Kind. Die Werte des Kindes waren miserabel. Ortiz Körper stellte wegen dem Blutmangel die Durchblutung der Gebärmutter ein. Es war überhaupt ein Wunder, dass das Kind noch lebte. Ortiz Peiniger hatte es schließlich geschafft die Oberschenkelarterie zu durchtrennen.
    Es wurde Zeit den Blutdruck zu stabilisieren. „Intraossärer Zugang“ sagte er und holte einen kleinen Plastikzylinder aus dem Rucksack, er zog die Schutzkappe vom einen Ende, drehte am Stellring die Eindringtiefe der Punktionsnadel ein und riss kraftvoll Ortiz Bluse auf. Er legte das freie Ende auf dem Brustbein der Frau auf und betätigte mit dem Daumen den Knopf am anderen Ende. Mit einem Schlag wurde die Nadel in den Knochen geschossen. Sofort griff Milijan erneut in seinen Rucksack und holte einen Infusionsbeutel heraus. An dem Beutel war bereits ein Schlauch mit Ventil angebracht. Der Serbe öffnete das Ventil und Drückte die Luft aus dem Schlauch. Er Nahm den Plastikzylinder vom Brustbein und machte den Zugang dadurch frei an den er den Schlauch anbrachte. Am Ventil des Schlauchs stellte er die Durchflussmenge ein und begann mit aller Macht den Beutel zusammenzudrücken.
    „Halt den Beutel hoch!“ befahl er Richter und reichte ihm den Beutel. Einen Moment beobachtete er noch wie ihr Körper langsam aber deutlich sichtbar die Infusion aufnahm und der Blutdruck langsam stieg.
    Als nächstes musste er sich um den Fötus kümmern. Er suchte sich ein spezielles Medikament und ein Hypospray. „Injiziere DOP 250“ das Mittel würde direkt die Durchblutung der Gebärmutter verbessern und zeitgleich den Hirndruck leicht senken.
    Während das Medikament wirkte begann er damit Druckverbände um die Schnittwunden am Oberschenkel anzulegen und den offenen Bruch zu versorgen indem er den Arm mit einer Schiene immobilisierte und steril wie möglich verband.
    „So eine verdammte scheiße! Du dämliche Hurentochter gehst mir hier nicht drauf! Das würde dir so passen sich so einfach aus der Verantwortung zu stehlen!“ schrie er fast seine Vorgesetzte an während er alles nochmal überprüfte. 3 weitere Opfer dieses sinnlosen Wahnsinns dachte er sich während er die letzten Maßnahmen abschloss. Was ihn aber so richtig aufwühlte war, dass er sie hätte retten können wenn er über die nötigen Informationen verfügt hätte. Informationen die Richter für sich behalten hatte!
    Ihr Zustand blieb weiterhin kritisch, vor allem das des Kindes hin am seidenen Faden. Sie musste so schnell wie nur möglich in einen OP. Zu guter Letzt packte er Ortiz noch in eine Rettungsdecke damit sie nicht auskühlte und erhob sich dann. Ernst sah er zu Richter wie er noch immer den Infusionsbeutel in der Hand hielt. Mit einem Filzstift schrieb er noch einige Hinweise für das Ärzteteam abgekürzt auf die Stirn der Latina, damit man wusste was für Medikamente und ähnliches er verabreicht hatte und wann.
    Milijan überlegte was das alles zu bedeuten hatte und was er nun tun sollte. Das sah nicht danach aus, dass Cerberus Ortiz zum schweigen bringen wollte. Dafür war das hier zu persönlich, das hier war etwas anders gewesen. Sein Blick fiel auf ein Fleischthermometer und ein Hammer. Die beiden Dinger lagen fast achtlos neben Ortiz. Es dauerte einen Moment bis Milijan es zusammenhatte aber alles sprach dafür. Jemand hatte versucht Ortiz auf möglichst brutale Art zu Lobotomien. Das war definitiv etwas Persönliches und Ortiz war irgendwie der Schlüssel dazu. Er musste sie schützen, verstecken vor der Allianz und vor Cerberus.

    Er holte sein Mobiltelefon heraus und wählte eine spezielle Nummer. Eine Computerstimme forderte ihn auf sich zu authentisieren, über sein Omnitool kam er dieser Aufforderung nach.
    „Anliegen?“ fragte eine monotone Männerstimme
    „Ich habe hier einen Träumer, Kategorie A. Brisanter Geheimnisträger. Absolute Priorität!“
    „Personal und Möglichkeiten vor Ort?“
    „Keine! Zivile Unterbringung, Verbringung selbst durch CaseEvac! Übermittle Informationen“ Milijan machte ein paar Eingaben auf seinem Omnitool
    „Informationen erhalten, melden uns in kürze!“
    „Beeilt euch gefälligst!“ knurrte Milijan noch bevor er die Verbindung beendete
    Als Träumer bezeichneten die TMOs wichtige verletzte Personen die anonym weiterversorgt werden müssen. Es war ein kleiner, überschaubarer Kreis innerhalb seiner Abteilung der dafür verantwortlich war und zu klein und unbedeutend war als das von dort Informationen nach außen dringen würden.
    Während Milijan damit begann die verpackte Ortiz auf ein Bergetuch zu legen das er aus seinem Rucksack gezaubert hatte wandte er sich an Richter.

    „Also gut Plauderstündchen: Ich will diese Liste von der du gesprochen hast! Ich will den Namen deines Informanten und zwar jetzt!“ sagte er zu Richter während er sich aufrichtete und sich die blutverschmierten Hände an der Hose abwischte.
    Richter brabbelte irgendwelche Ausflüchte, verstummte aber urplötzlich. Milijan hatte seine Waffe gezogen. „Bei Gott ich schwöre dir ich servier dich gleich hier und jetzt ab wenn du mir nicht antwortest, denn ansonsten bist du völlig wertlos für mich!“
    Konrad hatte zu seiner Waffe gegriffen die er noch geholstert hatte und nie und nimmer rechtzeitig vor ihm in Anschlag bringen konnte. Selbst Dragan, der die ganze Zeit über jede Bewegung von Richter argwöhnisch beobachtet hatte, hatte sich nun auch erhoben und knurrte zähnefletschend den Ex-Polizisten an. Beide starrten sich einen Moment lang an und wenn sein Mobiltelefon nicht gebrummt hätte wäre die Lage eskaliert.

    Nach dem dritten Summen steckte der Serbe seine Waffe zurück.
    „Ja“ sprach er in das Gerät ohne den Blick von Richter zu nehmen
    „Maßnahmen abgeschlossen übermittle alle nötigen Informationen. Viel Glück ende!“
    Prüfend sah er auf sein Omnitool. Ortiz würde unter einen anderen Namen mit einer ausgedachten Geschichte eingeliefert werden. Die Tarnidentität würde keine allzu Große Aufmerksamkeit auf sich ziehen und hätte dennoch alle medizinischen Details der Vorgeschichte von Ortiz und er musste sich beeilen. Das Traumateam der Unfallchirurgie eines zivilen Krankenhauses bereitete sich in diesem Moment auf seine Ankunft vor.

    „Pack mit an!“ befahl er Richter und gemeinsam brachten sie so unauffällig wie möglich Ortiz zu seinem Wagen und fuhren damit zu einem der vielen Krankenhäuser in den Bezirken.
    Ein Traumateam erwartete sie bereits, übernahm die verletzte ARIA Agentin und brachten sie in den OP.
    Während Milijan mit den Daten die er geschickt bekommen hatte die nötigen Formulare in der Lobby des Krankenhauses ausfüllte stand Richter scheinbar etwas Ratlos neben ihm.
    „Ernsthaft Konnie, ich brauch diese Informationen. Jemand hat Ortiz verpfiffen, jemand der Einblick hatte und dieser Jemand hat sie an den Täter ausgeliefert. Irgendetwas sagt mir auch, dass du mehr darüber weißt!“ er machte den letzten Eintrag und kritzelte irgendwas als Unterschrift hin bevor er sich erneut Konrad zuwandte
    „Du kamst zu mir und wolltest Hilfe. Ich kann nur was tun wenn du mir entscheidende Informationen gibst und wenn du mir die nicht geben willst dann muss ich mir die anderweitig beschaffen!“
    Für Milijan war klar, dass seine Gegner mit dem Angriff auf Ortiz eine Grenze überschritten hatten. Wenn er jetzt zurückstecken würde, könnte er vielleicht seine eigene Haut retten aber noch viel mehr würden sterben. Jemand wollte Ortiz eine Abreibung verpassen und hatte stümperhaft das Leben des Kindes riskiert. Ab jetzt war es für ihn was Persönliches. Er würde diesen Wahnsinn beenden und alle aus dem Verkehr ziehen. Nicht nur Cerberus sondern auch alle anderen die aktiv an diesem Wahnsinn arbeiteten.

  10. #320
    ME-FRPG only Avatar von Konrad_Richter
    Registriert seit
    04.01.2010
    Beiträge
    221

    Standard

    Auf die Versuche des SOD-Agenten, Konrad irgendwie in Small Talk zu verwickeln, sprang der Ex-Cop nicht an, sondern brummte nur hin und wieder bestätigend. Viel wichtiger für ihn war, seine Umgebung im Auge zu behalten, um nicht in irgendeine Falle des Serben gelockt zu werden oder einer besonders eifrigen C-Sec-Streife aufzufallen. Wortlos nahm er deswegen sowohl die Ausführungen des Serben über verrottende C-Waffen hin, wie auch die Tatsache, dass seine Pistole derzeit von einer wild gewordenen Bestie bewacht wurde und er sich deswegen kommentarlos neben Sacobic in den Beifahrersitz pflanzte.
    Als der Serbe ihn jedoch fragte, wer der Kopf seiner Organisation war, da wollte Konrad antworten – konnte allerdings nicht. Mehr als einen grimmigen Blick bekam er nicht hin. Nicht, weil es ihm die Sprache verschlagen hatte, sondern weil er schlicht keine Antwort auf die Frage wusste. Wer war sein Boss? Benedict war tot, Rebekka verschwunden und diese ominöse Gräfin mit ihren Karotten schien auch nur ein mittelschweres Zahnrad im Gewinde Nevermores zu sein. Konrad hatte keine Ahnung und das machte ihn nervös. Ablenken konnte ihn Sacobic erst dadurch, indem er ihm eröffnete, wohin sie fuhren: zu Ortiz. Konrads Appell hatte also doch etwas bei seinem Gegenüber bewirkt und der Serbe hatte wohl Nachforschungen angestellt. Augenscheinlich war er dabei auf keine guten Nachrichten gestoßen… und Snooker schien ebenfalls Recht gehabt zu haben: Sacobic wollte Informationen. Konrad wollte sie ihm geben – nur nicht jetzt.


    Auf dem Weg das Treppenhaus nach oben zu Ortiz‘ Wohnung hörte Konrad nicht mehr als das Pochen seines eigenen Herzens. Dabei lag das nicht zwingend daran, dass ihm vor ein paar Momenten noch der Brustkorb beinahe geplatzt wäre, als dieses wildgewordene Vieh, dessen Herrchen Sacobic war, aus dem Kofferraum gestürmt gekommen kam, sondern eher daran, dass es so verdammt still in dem Wohnblock war. Bis auf die Tatzengeräusche des Hundes und das Klimpern des Verschlusses seiner Leine war absolut nichts zu hören. Keine Fernsehgeräusche, keine Gespräche bei einem gemeinsamen Abendessen, gar nichts. Konrads Instinkt schlug bis zum Anschlag aus und sicherlich fiel auch Sacobic die Anspannung des ehemaligen Polizisten auf. Als dieser jedoch seine Chefin anrufen wollte und diese nicht ans Telefon ging, da wurde auch er aus der Reserve gelockt. Irgendetwas stimmte nicht – eine Vermutung, die durch die offene Wohnungstür bestätigt worden war. Instinktiv zogen die beiden Männer ihre Pistolen und Konrads Körperhaltung änderte sich schlagartig. Vom aufrechten, selbstbewussten Gang bückte er sich leicht, ging in die Knie und hielt die Pistole möglichst nahe an seinem Körper.

    Wie eine Rakete schoss der Köter durch die Wohnung und dicht folgten die beiden ungleichen Männer. Jahrelanges Training bei der Polizei und genug Praxiserfahrung zahlten sich hier aus: quasi automatisch strich Konrad mit seiner Waffe die gefährlichen Ecken eines Raumes ab, ehe er an seinen Weggefährten die Meldung weiter gab, alles sei sicher, und sich in den nächsten Raum verschob. Wer auch immer diese Frau gewesen sein musste, ein großartiges Privatleben hatte sie nicht – oder zumindest zeigte sie das in dieser Wohnung nicht. Alles wirkte wie eine Ausstellungswohnung in einem großen Möbelhaus und nichts zeugte so wirklich davon, dass hier mal jemand gelebt hatte. Keine gelesenen Zeitungen, die auf dem Küchentisch lagen, keine Schuhe im Flur, keine schmutzige Wäsche im Bad.
    „Klar“, meldete Sacobic und Konrad holsterte seine Pistole wieder. Als er wieder zu dem Serben stieß, sah er diesen auch schon über eine Frau gebeugt, die augenscheinlich seine ehemalige Chefin war – oder gewesen sein musste, so übel zugerichtet wie sie aussah. Konrad hätte auf den ersten Blick nicht geglaubt, dass sie noch am Leben sei. Der Mann von Terra Nova war außer sich vor Wut: mal wieder war er zu langsam gewesen. Mal wieder wurde er vor vollendete Tatsachen gestellt. Mal wieder spielte er nur den Hund, der wie ein verrückter irgendeinem Stock hinterher hechelte.
    „Angela! Angela hörst du mich?“, rief er und begann damit die Vitaldaten der Frau zu erfassen.
    „Snooker!“, brüllte Konrad aufgebracht in sein Com, einen Scheißdreck darauf gebend, was für ein Fachlatein der Serbe von sich gab oder dass er jenem so verriet, hier nicht alleine unterwegs zu sein.
    „Keinerlei Beobachtungen seit meiner Ankunft, Sir“, kam es prompt von dem Briten zurück.
    „Fuck!“
    Konrad trat gegen einen Stuhl, der daraufhin quer durch den Raum flog und lauthals krachend in ein Regal donnerte.
    „Hol meinen Rucksack aus dem Kofferraum“, befahl Sacobic relativ ruhig und Konrad betrachtete ihn verwundert.
    „HOL MEINEN SCHEISS RUCKSACK!“
    Überrascht lehnte sich der Ex-Polizist zurück, blinzelte und gehorchte schließlich. Ein Sammelsurium sämtlicher Flüche, die ihm gerade in den Sinn kamen, stieß er dabei aus, als er mit langen Schritten gleich zwei, drei Stufen der Treppe auf einmal hinab nahm. Beim Wagen angekommen holte er sich direkt auch seine Pistole wieder, krallte sich den Rucksack und wetzte mit dergleichen Schrittlänge auch wieder nach oben zu Ortiz. Was musste die Alte auch so weit oben einziehen?

    Nachdem er Sacobic den Rucksack übergeben hatte, seine eigene Waffe wieder verstaut hatte und nach einigen Momenten feststellte, dass er den Serben mehr stören, als unterstützen würde, beschloss er, ihn das tun zu lassen, was er am besten konnte und selbst das zu tun, was er dafür drauf hatte: Polizeiarbeit. Betont ruhig schritt er in dem Raum auf und ab, sah sich Dinge an, die auf den ersten Augenblick nebensächlich waren, jedoch meistens den Schlüssel zur Lösung des Falles brachten und blieb schließlich bei der Waffe stehen. Es war offensichtlich, dass der Täter sein Opfer leiden lassen wollte – dafür sprachen die zahlreichen Wunden wie etwa der offene Bruch oder die sich abzeichnenden Hämatome. Einbruchsspuren gab es auch keine, also hatte sie den Täter gekannt – oder er war ein Profi gewesen. Der Ex-Cop kniete sich neben dem Hammer nieder und betrachtete ihn genauer. Auf den ersten Blick konnte er nichts erkennen, was ihm irgendwie weiterhelfen konnte. Hätten sie die Mittel im Netzwerk, dann hätte er den Hammer eingepackt und ihn untersuchen lassen. Konrad machte einige Kameraaufnahmen und schickte sie direkt an Horatio, damit er sie auswerten konnte. Vielleicht fand der Alte ja etwas, was Konrad übersehen hatte. Der Ex-Cop erhob sich wieder und lies den Blick ein letztes Mal durch den Raum schweifen. Dass ihr Tod mit ihm und seiner Arbeit zu tun hatte, daran bestand für ihn keinerlei Zweifel. Wieso aber dann diese persönliche Note? Hatte jemand dieses Spielchen ausgenutzt, um persönliche Vorzüge für sich zu gewinnen oder sich eine alte Feindschaft vom Leib zu schaffen? Der in Frage kommende Personenkreis war klein, das wusste Konrad… trotzdem hatte er ein schlechtes Gefühl. Irgendetwas in ihm sagte ihm, dass hier etwas nicht stimmte. Dass er gerade etwas Falsches tat. Er konnte es nicht genauer beschreiben oder an irgendetwas fest machen, aber vieles in ihm sträubte sich gerade dagegen, diese ganze Geschichte weiter zu untersuchen. Obwohl er es eigentlich besser wissen müsste, schob Konrad seine Zweifel beiseite und sah wieder zu dem Serben, der gerade die weitere Versorgung geklärt hatte.

    „Also gut, Plauderstündchen“, sagte Sacobic, „Ich will diese Liste von der du gesprochen hast! Ich will den Namen deines Informanten und zwar jetzt!“
    „Soll ich mich auch noch nackig machen?“, erwiderte Konrad sarkastisch. Er hätte sich genau so gut völlig schutzlos seinem Gegenüber ausliefern können, wenn er ihm jetzt alles gab, was er hatte. Noch hatte Sacobic nicht gezeigt, auf welcher Seite er wirklich stand. Anscheinend war diese schnippische Bemerkung aber der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte.
    „Bei Gott ich schwöre dir ich servier dich gleich hier und jetzt ab wenn du mir nicht antwortest, denn ansonsten bist du völlig wertlos für mich!“ Das ganze unterstrichen mit einer gezückten und auf ihn gerichteten Waffe. Konrads dachte, er sah nicht richtig. Hatte der jetzt völlig den Verstand verloren?
    Reflexartig hatte der Ex-Cop zu seiner Waffe gegriffen, sie jedoch im Holster gelassen und lediglich die Hand um das Griffstück gelegt. Wenn er jetzt zog, dann würde es in den nächsten Tagen unerfreuliche Post für seine Eltern geben.
    „Okay Keule, du musst jetzt die Nerven behalten und ganz cool bleiben“, dachte sich Konrad, während sämtliche Alarmglocken in ihm lauthals zu schrillen begannen. Der Serbe meinte es ernst – todernst. Dementsprechend hatte Konrad drei Dankgebete in den Himmel geschickt, nachdem das Telefon seines Gegenübers zu vibrieren begann und ihn dazu brachte, die Waffe wegzustecken.

    Keine zehn Minuten später standen sie in einem zivilen Krankenhaus und Sacobic füllte Dokumente aus, die für die Einlieferung notwendig waren. Konrad stand neben ihm, sich betont lässig gebend, um unauffällig zu wirken, doch im Moment war ein jeder seiner Muskeln bis zum zerreißen angespannt. Nicht nur, dass Sacobic ihm gerade noch mit der Kanone vor der Nase herumgefuchtelt hatte, jetzt befanden sie sich auch noch in der Notaufnahme eines zivilen Krankenhauses – in der Regel mitunter die ersten, die Steckbriefe der zur Fahndung ausgeschriebenen Kriminellen der Citadel erhielten; und zu diesem Personenkreis zählte jetzt auch Konrad, der am liebsten direkt wieder aus dem Krankenhaus gestürmt wäre, dabei aber zu einhundert Prozent eine Kugel aus der Waffe des Serben im Kreuz gehabt hätte. Nervös kaute er auf seiner Unterlippe und ein jeder Blick, der ihm von vorbeigehenden Krankenschwestern, Pflegern oder Ärzten zugeworfen wurde, machte die ganze Sache nur noch schlimmer. Dementsprechend hatte er Sacobic auch nur mit einem Ohr zugehört bei seinen Ausführungen.
    „Hm?“, erwiderte Konrad schließlich offensichtlich abgelenkt auf das Gequatsche des Serben, der jetzt mit den Formularen fertig war und sich wieder Konrad zugewandt hatte, „ja, die Liste. Die kriegst du, allerdings will ich dafür auch was haben. Dir wird’s sicher ähnlich gehen, aber ich persönlich traue dir gerade so weit, wie ich dich schmeißen kann.“
    Zwei Krankenschwestern passierten sie, redeten dabei leise miteinander und warfen den beiden Männern ein Lächeln zu. Konrad nickte, wartete bis sie weiter gegangen waren und packte schließlich Sacobic am Oberarm, um ihn etwas weiter weg von der Rezeption zu führen.
    „Du musst für mich einen Namen überprüfen lassen: Melven Thanus. Der ist ein turianischer Major der Galactic Foreign Legion, der wohl derzeit auf dem Tharkad sein Unwesen treibt und irgendwie mit dem Fall zusammen hängt, den ich bei der C-Sicherheit noch untersucht habe, bevor dieser elende Scheißeregen auf mich runter gekommen ist.“
    Sacobic sah alles andere als begeistert aus. Konrad hatte mit dieser Reaktion gerechnet, schließlich hatte er selbst gerade treffend auf den Punkt gebracht: sie vertrauten sich nicht.
    „Gibst du mir Informationen über diesen Major, gebe ich dir die Liste mit den Namen und alles, was du wissen willst. Wir beide gewinnen.“
    Der Serbe schwieg für einige Augenblicke, die dem ehemaligen Polizisten wie eine Ewigkeit vorkamen. Sein Vorschlag war das Beste, was ihm auf Anhieb eingefallen war und wenn sein Gegenüber das ablehnte, dann stand er mit leeren Händen da. Wenigsten konnte sich Konrad damit trösten, dann bereits im Krankenhaus zu liegen, wenn ihn Sacobic anschoss.
    „Sind dir eigentlich die beiden Schwestern gerade aufgefallen?“, fragte der Serbe mit todernstem Gesicht und Konrad runzelte die Stirn.
    „Ernsthaft? Du willst mit mir jetzt über Weiber reden?“
    „Nein, du Idiot“, knurrte der Serbe und hielt die Leine seines Hundes ungewöhnlich kurz und stramm, „ist nur schon länger her, dass uns jemand über den Weg gelaufen ist.“
    Alarmiert sah sich Konrad um. Es war tatsächlich sehr still geworden im Krankenhaus und auf den Gängen war auch niemand mehr unterwegs.
    „Ich verschwinde“, murmelte Konrad und fiel Sacobic direkt ins Wort, noch ehe der Serbe etwas erwidern konnte, „denk über meinen Vorschlag nach und melde dich dann bei mir!“
    Der ehemalige Polizist ging zu einem Aufzug, der wenige Meter, bevor er zu ihm kam, mit einem vernehmbaren „Ding!“ sein Erscheinen ankündigte. Die Türen öffneten sich und Konrad gefror das Blut in den Adern: blaue Uniformen standen darin. Eine Schrecksekunde verging, ehe das berühmte „C-Sec, stehenbleiben!“ durch den Gang gebrüllt wurde und Konrad auf dem Absatz kehrt machte, um kräftig Fersengeld zu geben – verfolgt von derbe fluchenden Beamten.

    „Snooks, holen Sie mich aus dem Krankenhaus ab, ich schicke Ihnen Koordinaten und begebe mich auf das Dach!“, rief Konrad in sein Com und der Brite bestätigte. Möglichst gleichmäßig atmend spurtete der ehemalige Polizist durch die verzweigten Gänge des Krankenhauses, dabei seine Kollegen hinter sich wissend und die Absätze ihrer Arbeitsschuhe auf dem Laminatboden quietschen hörend. Die ersten Augenblicke verlief seine Flucht planlos. Er rannte einfach, während seine Gedanken ähnlich rasten. Die Aufzüge waren für ihn gestorben, also rumpelte er geradewegs ins Treppenhaus, um von dort aufs Dach zu gelangen. Wie in Ortiz Wohnung auch schon nahm er die Stiege gleich mit mehreren Stufen auf einmal. Nicht im geringsten nahm er dabei auf das nach Gnade flehende Pumpen seines Herzens, das sich in seinem Brustkorb vermutlich gerade zu Tode ackerte, um die Beinmuskulatur des jungen Mannes von Terra Nova mit dem heiß ersehnten Blut und seinem Sauerstoff zu versorgen. Nachdem er einige der Treppenstufen genommen hatte, hörte er eine Tür aufschlagen und mehrere Stimmen, die parallel zu Funkdurchsagen wirr durcheinander sprachen – allerdings von oben! Konrad sah an dem Geländer vorbei, um dort ebenfalls zwei Beamte auszumachen, die ihm geradewegs entgegenkamen. Ein Blick nach unten machte deutlich, dass er in der Falle saß: seine zwei Verfolger aus dem Aufzug waren bereits hinter ihm her.
    „Scheiße“, keuchte Konrad und riss ohne großartig nachzudenken die Tür auf, vor der er gerade stand und die hinaus auf einen weiteren Krankenhausgang führte.
    „Snooks, die Nummer mit dem Dach können wir knicken“, rief Konrad, während er gleichzeitig versuchte, seine Atmung gleichmäßig zu halten, „ich improvisiere und melde mich dann. Halten Sie sich Richtung Zwölfte!“
    Im Gegensatz zur Notaufnahme war dieser Teil des Krankenhauses nicht so leer: allerhand Betten, Essenswägen und natürlich auch Personal stand beziehungsweise ging herum und reagierte entsprechend aufgewühlt, sobald Konrad an ihnen vorbeirumpelte. Wie ein wild gewordener Stier rauschte er durch den Flur, rannte dabei einen salarianischen Krankenpfleger völlig über den Haufen, konnte sich selbst jedoch auf den Beinen halten und stolperte an einer Abzweigung nach rechts. Was er dabei jedoch nicht sah, war der Essenswagen. Konrad krachte ungebremst in den Karren, dessen Inhalt sich in all seiner Fülle über den Boden verbreitete, während der ehemalige Cop sich selbst völlig auf die Fresse legte. Etwas benommen rappelte er sich wieder auf, schüttelte einmal den Kopf und wollte wieder loslaufen, als er auf der Nudelsuppe, die er gerade über das Laminat verteilt hatte, ausrutschte und die Balance verlor. Als ob er einer Slapstick-Komödie entsprungen wäre, polterte der Flüchtige durch eine Tür in ein Behandlungszimmer und geradewegs in die Arme einer sehr zierlichen Asari-Krankenschwester, die er sogleich unter sich begrub.
    „Was… runter von mir!“, miezte die Kleine, die auf menschliche Verhältnisse vielleicht gerade an den zwanzig Jahren krazte und Konrad brauchte einige Momente, in denen er sich finden musste, ehe er die Situation vollends begriff.
    „Schnell!“, gab er schließlich lauthals von sich und packte die Asari an den Schultern, „ich muss in die Garage. Wie komme ich schnell da hin?“
    „Über den Aufzug?“
    „Ich werde verfolgt! Gib mir was, komm schon! Lüftungen, Schächte, sonst irgendwas!“
    „Den Gang runter ist das Labor, von dort gibt es einen Versorgungsschacht für Proben. Könnte aber eng werden…“, antwortete die Asari höchst verunsichert und ängstlich. Konrad hingegen strahlte über das ganze Gesicht.
    „Du bist meine Retterin“, sagte er und drückte der Asari einen dicken, fetten Schmatzer auf die Lippen, der das junge Ding derartig überrumpelte, dass sie gar nicht wusste, was sie machen sollte. Konrad hingegen grinste, stand wieder auf, klopfte sich hier und da Nudelreste von der Kleidung und zischte wieder davon.

    Das Labor war sehr klein, vermutlich auch nur ein einzelnes Zimmer eines größeren Netzwerks, aber Konrad interessierte sich im Moment nur für diesen Schacht. Es handelte sich um einen dieser Versorgungsschächte, die man normalerweise aus Hotels oder Restaurants kennt, mit deren Hilfe Gerichte über mehrere Stockwerke transportiert werden können. Konrad zog seine Kampfhandschuhe an, zückte die Waffe und prügelte mit ihrem Griffstück auf den Deckel ein, bis die ersten Dellen in der stahlgebürsteten Oberfläche waren und der Deckel schon derart verbogen, dass man durch Schlitze an der Seite in den Schacht dahinter sehen konnte. Konrad tat einen Schritt zurück, holte mit seinem Fuß kräftig aus und trat schließlich den traurigen Rest des Deckels kurzerhand aus seiner Fassung, wodurch er klappernd und scheppernd den Gang hinunterflog. Das Brüllen seiner Kollegen, die wahrscheinlich gerade über seine Suppenpfütze gestolpert waren, hatte eine gewisse Hektik in Konrad verursacht, weshalb sich der ehemalige Polizist dafür entschieden hatte, den direkten Weg zur Flucht zu nehmen.
    „Hände hoch!“
    Konrad sah alarmiert zum Türrahmen, in welchem sich ein Kollege aufgebaut hatte. Auch er hatte Nudeln am Revers, sowie die gezückte Waffe auf Konrad gerichtet. Ohne groß nachzudenken, griff dieser nach dem erstbesten Gegenstand, der ihm in die Hände kam und schmiss ihn nach dem Polizisten – nur um eine Nuance später zu merken, dass es sich um eine Urinprobe eines Patienten gehandelt hat. Für Schadenfreude war allerdings keine Zeit. Konrad nutzte die Ablenkung, um schwungvoll mit den Beinen voraus in dem Schacht zu verschwinden. Sofort umschlang er mit seinen Beinen das Zugseil des Aufzugs und lies sich in die nur sporadisch von roten Leuchten erhellte Dunkelheit hinab. Zwar trug er Handschuhe, aber diese halfen kaum gegen die durch die Seilreibung verursachte Hitze: Konrads Hände begannen nach wenigen Augenblicken schmerzhaft zu brennen, doch der ehemalige Polizist versuchte, den Schmerz zu ignorieren und biss die Zähne zusammen. Als er am Ende des Schachts angekommen war und kurzerhand mit zwei, drei Schüssen aus seiner Pistole den zweiten Deckel, der zwischen ihm und der Freiheit stand, aus der Fassung zu fegen. Als er auf ähnliche Weise wie im Labor in Richtung Tiefgarage aus dem Schacht verschwand, lugte sein urin- und suppenbenetzter Kollege gerade erst in den Schacht hinein.

    Konrad war in der Tiefgarage erneut bei der Notaufnahme rausgekommen – sogar dort, wo Sacobic und er Ortiz abgeliefert hatten. Mittlerweile stand ein Krankenwagen vor dem Eingang zum Gebäude, dessen Besatzung gerade mit einer Trage in Richtung Notaufnahme verschwand. Konrad bremste ab, zögerte einen Moment und lief schließlich kopfschüttelnd und mit einem „Das werde ich bereuen“ auf den Lippen zum Wagen, um hinter dem Lenkrad Platz zu nehmen. Sofort hämmerte er den Schalthebel vom Parkmodus in den Vorwärtsgang und lies das Gaspedal seinen Bleifuß spüren.
    „Snooker, diesmal wird der Ritt etwas wilder“, funkte Konrad prophylaktisch, während er mit dem gestohlenen Krankenwagen geradezu auf die Ausfahrt der Tiefgarage zudonnerte und in einem der Seitenspiegel aufgebrachte Beamte der C-Sec aus der Notaufnahme stürmen sah.
    „Um einiges wilder.“

Seite 32 von 35 ErsteErste ... 223031323334 ... LetzteLetzte

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •