„Ich befinde mich in Position, Montague, habe klare Sicht auf Sie und das Ziel“, knarzte es in Konrads Ohr, ohne dass seitens des ehemaligen Polizisten eine äußerliche Regung zu sehen war. Der Bergsteiger hatte sich seinen Gipfel ausgesucht und ihn erklommen… hoffentlich mit genug Feuerkraft im Gepäck, um diesem Sacobic im Notfall den Schädel von den Schultern zu blasen.
Das bärtige Ungetüm hinter dem Tresen reichte Konrad indes mit einem Schnauben seinen Salat und die Diätcola, was den Ex-Cop dazu brachte, widerwillig und sichtlich unentschlossen in dem herzlosen Gemüse-Misch-Masch herumzustochern. An jeder Burger-Filiale hätte er einen besseren bekommen, aber jetzt zu nörgeln, dafür fehlte ihm die Kraft – zumal sie wesentlich wichtigere Dinge zu besprechen hatten. Stattdessen öffnete er also zischend die Diätcola, um wenigstens etwas Müdigkeit aus seinen Gliedern zu treiben. Jeder Schluck rückte dabei das heiß ersehnte Bett in noch weitere Ferne.
„Also fang an zu erzählen, und zwar von Anfang an!“
Sacobic hatte Konrad die ganze Zeit über mit seinem absolut finsteren, von Verlust, Trauer und Zorn geplagten Augen durchstochen, wahrscheinlich hitzig auf der Suche nach einer Möglichkeit, sein Gegenüber lesen oder zumindest einschätzen zu können. Vor allem die Nanitenmaske und Konrads Müdigkeit, die dem Mann von Terra Nova in den Knochen hing, schienen dabei dem serbischen Agenten einen Strich durch die Rechnung zu machen.
„Zu aller erst einmal arbeite ich nicht für Cerberus“, begann Konrad, nachdem er sich doch dazu durchgerungen hatte, etwas von dem Salat zu essen. Bevor er jedoch fortfahren konnte, bestellte Sol irgendeine abgefahrene Spezialität bei dem Besitzer der Frittenbude und Konrad hätte ihr am liebsten gegen den Hinterkopf geklapst. Wer kam denn bitte auf die Idee, sowas bei dieser Bruchbude hier zu bestellen? Ganz klar, nur jemand mit einem ordentlichen Knicks im Schädel, also entschloss sich der ehemalige Polizist dazu, das ganze mit einem Kopfschütteln abzutun und weiter zu sprechen.
„Ich bin… ich war bei der C-Sec“, sagte er schließlich, wobei er die Lautstärke seiner Stimme etwas drosselte, obgleich der Bärtige vermutlich bei dem ganzen Fritteusen-Lärm ohnehin kein Stück mitbekam, „dort bin ich einer Menge Leuten anscheinend auf den Schlips gestiegen, weswegen ich jetzt auch auf deren Fahndungslisten stehe.“
Der Blick des Serben ließ vermuten, bei weitem noch nicht zufrieden zu sein, weshalb Konrad entschloss, weiter auszuholen.
„Ich bin da einem Schmugglerring auf die Schliche gekommen, wie sie Geth, aktiv und inaktiv, durch den Citadel-Sektor schmuggeln. Je tiefer ich dabei gegraben habe, umso deutlicher wurde für mich, dass da wohl auch Tiere in höheren Positionen darin verwickelt waren, denn mir lagen plötzlich immer mehr Steine im Weg. Hilfe habe ich dabei jedoch von der Allianz gekriegt, genauer gesagt von jemandem, den du besonders gut kennst: Captain Bennedict.“
Ein tiefer Schluck aus der Diätcola, mit der Konrad den Faden weiter zu spannen begann.
„Auch sie hat angefangen, in ihren eigenen Reihen nach Maulwürfen Ausschau zu halten, während mich einer ihrer Agenten durchgehend mit Informationen zu meinem Fall versorgt hat. Irgendwann haben wir uns getroffen und wir kamen auf den Trichter, dass Cerberus und vor allem deren Allianz-Maulwürfe hinter dem Geth-Schmuggel stecken konnte. Bei unserem nächsten Treffen stand sie dann unter Hausarrest und hat mich dann für ihre Sache rekrutiert, hat mir Mittel versprochen, um diesen Typen den Garaus machen zu können und freier zu operieren, als bei der C-Sec. Ich konnte endlich hinter den Vorhang schauen und etwas bewirken. Das war auch das letzte Mal, dass ich sie lebend gesehen habe…“
„Wann war das?“, war die einzige Frage, die sofort aus dem Mund Sacobics kam.
„Vor ein paar Stunden“, erwiderte Konrad, nachdem er auf die Uhr gesehen hatte, „wir mussten fliehen, nachdem uns irgendwelche Leute, vermutlich Lakaien der Cerberus-Maulwürfe, auf die Schliche gekommen waren. Das nächste, was ich mitkriege, sind die Nachrichten, die die Leiche des Captains durch sämtliche Kanäle jagten und irgendein alter Kauz, der mir verklickert, dass ich jetzt der Kopf des Anti-Cerberus-Netzwerkes in Captain Benedicts System von Organisationen sei.“
Konrad stieß einen Fluch in seinem Heimatdialekt aus und schob den halb aufgegessenen Salatteller zur Seite, um einen weiteren Schluck Cola zu nehmen. Er verzichtete darauf, seinen… nein, Rebekkas Verdacht zu äußern, Sacobic sei der Todesschütze. Das behielt er sich vorerst vor.
„Verdammte Scheiße, Montague, was tun Sie da?“, brach es beinahe zeitgleich von Horatio und Snooker über den Funk herein, doch Konrad ignorierte die beiden herzlich. Mochte ja sein, dass so etwas unter Neskas Federführung nicht stattfand, aber er saß jetzt auf dem Thron, also spielte man jetzt nach seinen Regeln. Er hatte keinen Bock mehr auf diese ständige Augenwischerei. Sollte Sacobic auf lustige Ideen kommen, verließ sich Konrad noch immer auf sein Ass im Ärmel, das in Form von Snooker auf irgendeinem Häuserdach lag. Hoffentlich…
„Weil ich überhaupt keine Ahnung von dieser ganzen Geheimdienst-Scheiße habe, kralle ich mir natürlich den erstbesten Typen aus einer Reihe von Agenten, die mir zur Verfügung stehen, um von dem Kerl anständig gebrieft zu werden – du erinnerst dich an unser kleines Intermezzo in den Bezirken? Dein Köter und der Kochtopf? Das war der Kerl…“
Auf einem Highway nicht weit von der Frittenbude ertönten Polizeisirenen und Konrad horchte aufmerksam auf, doch dem Klang nach entfernten sie sich in die Unweiten der Citadel hinaus. Der ehemalige Polizist atmete tief durch, als er sich wieder sammelte und den Faden wieder aufnahm.
„Mehr oder weniger zufällig stoße ich dann auf diesen anderen Agenten von Captain Benedict, der mich vorher schon mit Informationen versorgt hatte, und mit dessen Hilfe ich schließlich das ganze Netzwerk besser zu verstehen begann. Dauerte dann nicht lange und wir haben dich in diesem Strip-Club ausfindig machen können, von wo wir dich eigentlich entführen wollten… oder so… jedenfalls ist dieser andere Agent jetzt auch noch abgehauen und ich stehe mit leeren Händen da, weswegen ich dir die ganze Soße hier auf irgendeinem ranzigen Brummirastplatz auftische. Nimm’s nicht persönlich!“
Der letzte Satz war an den Inhaber der Frittenbude gerichtet, der ob Konrads bissigem Kommentar dem ehemaligen Polizisten einen entrüsteten Blick zuwarf.
„Ich brauche deine Hilfe“, fuhr er schließlich nach einer kurzen Pause fort, „ich bin nicht der Feind.“