Die Geschichte der Elfe, hätte Juliette, die keine Miene verziehend zuhörte, fast schon Mitleid abgerungen, wäre diese Xydia keine Magiern und auch keine Fremde…vor allem jedoch keine Magiern. So blieb das für Juliette, und weite Teile der Bevölkerung, nur natürliches Misstrauen gegen jede Art von Magie, gleichsam ob sie nun zusammen gekämpft hatten oder nicht. Auch wenn sie andererseits glaubte mit Rhaego eine Art Frieden geschlossen zu haben, verflogen die Spuren ihrer religiösen Erziehung und Jahrelange Vorbehalte nicht einfach so, und einen weiteren Magier um sich zu haben, und auch wenn sie von Orlais zu stammen schien, war dem nicht gerade zuträglich. Besonders unter den Umständen ihres Zusammentreffens.
Als die Elfe den weißen Turm in Val Royaux erwähnte, meinte Juliette tief in ihrem Hinterkopf eine ungute Erinnerung rumoren zu spüren, doch tat sie das ab und hörte stattdessen eher auf das folgende Gesagte, welches doch mit einen noch stärkeren Akzent als der ihre belegt war. Sie fragte sich fast ob die anderen davon überhaupt ein Wort verstünden.
Wie sich rausstellte bewahrheitete sich die erste Ahnung der Söldnerin über die Verbindung der beiden Elfen. Ein Dieb. Ihre bis jetzt neutrale Miene wurde eine Spur kälter beim Blick auf den manteltragenden Elfen. Wohl für außenstehende genau der Blick einer Adligen die sich der Gesellschaft niederster Stände gewahr wurde und da war wohl auch nicht wenig dran.
Doch war dies wohl auch nicht wenig auf die schlechten Erfahrungen die die Orlaisianerin in ihren Jahren als Söldnerin gemacht hatte zurückzuführen. Als jemand der nur wenig besaß und an dem wenigen sehr hing, war man auf Diebe nur schlecht anzusprechen. Kaum merklich ballte sich ihre behandschuhte Faust die von ihrem wertvollen Siegelring, abgesehen von ihrem Säbel, ihrem wohl letzten Gegenstand von Wert geschmückt wurde. Sie war sich fast schon sicher dass der Dieb diesen bereits bemerkt hatte.
Dass der Dieb ein Elf war hatte darauf jedoch wenig Einfluss. Ob Mensch, Elf, Zwerg oder was sonst noch auf des Erbauers schöner Welt umherschlich, sie mochte alle Diebe gleich wenig. So konnte sie der Magiern, welche den flüchtigen Dieb angeblich durch den Wald verfolgt hatte, doch noch etwas abgewinnen. Für ihren Siegelring wäre sie gerannt als sei die Brut hinter ihr…um dem diebischen Kretin anschließend alle Zähne auszuschlagen.
Die Entschuldigung den Diebstahl aus der Not heraus begangen zu haben, wollte sie dem Elfen auch nicht wirklich abkaufen. Zumal diese Ausrede nicht einmal von ihm stammte sondern von der Magiern. Wie praktisch, dachte sich die Adlige, während sie wiederum nun dem Elfen lauschte. Er brauchte nur zu bestätigen und musste sich gar nicht erst etwas ausdenken. Hatten die beiden vielleicht doch mehr gemein als es bisher den Anschein hatte? Ein diebisches Gespann? Die Magiern lenkte die Gruppe ab, während der Langfinger zuschlug? Und falls sie erwischt wurden hatten sie diese kleine Ausrede gleich einstudiert? Hatten sie es hier gar mit Spielern des Spiels zu tun, mutmaßte die Adlige. Immerhin kam die Magierin aus Orlais. Doch mitten im Nirgendwo zu so später Stunde?
Überführte Diebe neigten ja gerne zu solchen oder ähnlichen Ausreden, wenn ihre Schuld bewiesen war und ihrer Ansicht nach sah er nicht sonderlich abgemagert aus. Schmal, ja. Aber für einen Elfen war dies ja natürlich. Da hatte sie schon andere Diebe, wirklich verzweifelte und abgebrannte Gestalten gesehen.
Nichtsdestotrotz bemerkte die Adlige die seltsamen Augen des Elfen. Die sonderbarerweise unterschiedlich farbigen Augen des Elfen schienen einen durchtriebenen Eindruck zu hinterlassen…vielleicht war dies jedoch auf die Nachwirkungen des Schreckens zurückzuführen. Sie war ja nicht die einzige der der Schreck noch in den Knochen saß.
Aufgekratzt durch ihren ungleichen Kampf hatte Leirâ, während des Gespräches, sogar ihren Bogen gespannt, fast als erwarte sie einen weiteren Zwischenfall.
Ein abschließendes Urteil konnte die geübte Spielerin des Spiels jedoch nicht fällen da die Gestalt des Elfen von seinem Mantel größtenteils verdeckt wurde. Absicht? So oder so musste man ihn im Auge behalten. Sie beide.
Sie verbarg ihren forschenden Blick geschickt hinter ihrer kühlen Miene, sodass der Elf, wenn er es den bemerkte, es wohl eher auf adelige Arroganz und das nur übliche Misstrauen gegenüber einem Langfinger schieben würde. Sobald sich die Gelegenheit ergäbe würde sie versuchen genauer auf Tuchfühlung zu gehen sowohl bei dem Langfinger als auch bei der Magierin.
Beide beteuerten sie jedoch mit dem untoten Koloss nichts zu schaffen gehabt zu haben…und das glaubte ihnen Juliette auch. Die Situation hatte doch alles andere als unter irgendjemandes Kontrolle gewirkt, wenn man von dem Monster einmal absah, doch konnte sie ihre Theorie über eine diebische Zusammenarbeit der beiden noch nicht ausschließen…auch wenn sie ihr bei näherer Überlegung eher unwahrscheinlich erschien.
„Beruhige dich. Nîmand wird dich hîr verurtêlen. Es schênt, wir alle haben Schuld ûf uns geladen.“, wandte sich Leirâ an den anderen Elfen, ehe sie Juliette zuzwinkerte.
Juliette antwortete auf das Zwinkern der Dalish mit einem Blick und einer Miene, der man die Zweifel an ihrer Aussage ablesen konnte auch ohne das Spiel gespielt zu haben. Abgesehen davon das Juliette noch kein Urteil fällen würde, betrachtete sie sich frei von jeder Schuld. Sie hatte nur ein Gruppenmitglied das von einer unbekannten und potenziell gefährlichen Magierin verzaubert oder gar verhext wurde versucht zu beschützen. Und hätte sie damit über die Stränge geschlagen, was sie so ohnehin nicht einsah, sah sie ihre Schuld damit wieder beglichen die erschöpfte Magiern zum Wagen getragen anstatt sie dem Monster überlassen zu haben.
…vielleicht war es aber doch etwas unhöflich gewesen ihr die Klinge an die Kehle zu setzen, gab Juliette im Geiste kleinlaut zu. Etwas jedenfalls. Sie wollte ja anscheinend doch nur helfen.
Bevor sich die Adlige jedoch überlegen konnte ob sie sich tatsächlich entschuldigen sollte, sprach die elfische Magierin schon weiter. Als Antwort auf die Frage der Dalish, erzählte sie von ihrem Leben, ihrer selbst ihr nicht bekannten Herkunft, zeigte eine grässliche Narbe auf die das zurückzuführen sei, wie sie in den Zirkel kam. Als ehemalige Spielerin lauschte Juliette genau. Immerhin ergab sich aus dem Gesagten das diese Xydia von weniger rebellischer Natur gegenüber den Templern als Rhaego war. Etwas was auch jenem nicht schlecht stehen würde, wie Juliette mit einen kurzen Blick auf ihn befand.
Er schien von ihrem Gesagten nicht gerade angetan zu sein. Schnaubte gar abfällig während die offensichtlich deutlich gläubigere Magierin sprach. Anfreunden würden sich die beiden wohl nicht. Juliette sicher auch nicht, doch sorgten die offenbar glaubenskonformeren Worte der Magierin, dass sich die Augenbrauen der Orlaisianerin, sachte, etwas auseinanderzogen.
Schließlich erläuterte sie eher vage, wie sie anscheinend bei einem Zwischenfall oder gar einer Intrige mit tödlichem Ausgang, den Turm verlassen musste, was vermutlich auch der Grund war das sie nun im Ausland verweilte. Eine Rückkehr, so stellte sie dar, hätte ungute Folgen.
Eine verräterisch bekümmerte Regung im Gesicht verbergend, kam das Juliette doch sehr bekannt vor…sofern es stimmte versteht sich. Bis jetzt glaubte sie nicht Anzeichen einer Lüge im nach elfischen Standarts wohl hübschen Gesicht der Magierin zu erkennen, aber einen guten Spieler durchschaute man auch nicht schnell. So beschloss sie es erst einmal hinzunehmen.
Schließlich bat die Magierin darum Leirâ nun vollständig heilen zu dürfen und bot sogar an ihr eine ihrer Klingen an den Hals zu setzen. Sie schien der anderen Elfe wohl inständig helfen zu wollen. Wäre Xydia keine Magiern, und somit besser einzuschätzen, hätte dies bei Juliette für deutlich mehr Sympathie gesorgt. Doch es blieb dabei dass Juliette Magie nun einmal nicht verstand und daher nicht darauf vertrauen wollte, was eine Fremde versprach.
So hätte sie sich fast dagegen ausgesprochen doch der Zuspruch, auch wenn er wenig freundlich war, seitens Rhaegos ließ sie verstummen. Er war schließlich Magier. Er kannte sich mit so etwas sicher aus…hoffte Juliette jedenfalls. Vielleicht konnte er ja sehen, wenn die Elfe etwas tat das nicht mit rechten Dingen zu tun hatte? Auch dies hoffte sie.
Sich verhaspelnd schlug Alrik jedoch vor erst auf eine ruhigere Fahrt zu warten, ehe er seine stockende Erklärung mit geröteten Wangen unterbrach und bei einem neuerlichen Ansatz vorschlug beim nächsten Gasthaus halt zu machen.
„Wo immer das ist“, setzte er leise hinzu, ehe er noch leiser und unsicherer fortfuhr: „Wo genau sind wir eigentlich?“
„Irgendwo im Nirgendwo.“, antwortete Juliette ruhig. „Isch glaube da müssen wir uns `eute keine Gedanken me ´r darüber machen. `auptsache wir sind in Sischer`eit. Mein Vorschlag wäre es noch so weit es die werte `ändlerin ihrem Tier zumutet zu fahren und dann zu ruhen.“
„Was die `eilung betrifft…“, setzte sie an die Magierin aber auch an Rhaego gewandt hinzu. „…stimme isch zu. Nischtsdestotrotz werden wir natürlich ein Auge auf eusch `aben.“
Indirekt war dies auch eine Aufforderung an Rhaego, dessen Gesellschaft sie nach wie vor nicht allzu sehr schätzte, doch mehr Vertrauen entgegen brachte als dieser Fremden.