"Hey!", legte er Aeona die Hand auf die Schulter. "Alles gut bei dir?", fragte er.
Sie schaute Kahn wortlos an und wendete den Blick Aurix zu, der sie beide mit verengten Augen musterte, bevor er wegsah und sich dem Beobachten der gegenüberliegenden Wand widmete.
"Ist da was zwischen dir und ihm", nickte er in Richtung des wütenden Turianers, "oder war da mal was?", fragte er einfühlsam. Es war nicht undenkbar, dass die beiden eine Vorgeschichte hatten und er nun die Dreiecksgeschichte komplett machte.
"Du weißt nicht allzu viel über Turianer, oder?", sagte sie etwas geistesabwesend und ohne auf Kahns Fragen einzugehen. Nach wie vor sah sie den Ghost an, der sie allerdings nicht beachtete. "Dein Geruch klebt überall an mir. Das wirkt... wie ein rotes Tuch auf ihn. Ein stark ausgeprägtes Territorialverhalten." Sie beendete den Biologieunterricht, blickte den Söldner an und fügte leise hinzu: "Hol dein Zeug, ich will weg von hier." Wieder schaute sie zu Aurix und runzelte nachdenklich die Stirn.

Krom hielt den Schlüssel vor den Sensor und das Licht über der Tür wechselte auf grün. Er gab am Zahlenfeld die Kombination ein, die Gravok praktischerweise auf den Schlüssel geschrieben hatte und mit einem metallischen Schlag entriegelte die Tür.

Die Waffenkammer bestand aus mehreren Räumen und beherbergte Waffen, Gerät und die Ausrüstung einer Söldnerkompanie und hatte Kapazität für etwa 150 Söldner. Die Luft war trocken und schmeckte ein wenig staubig. Der Geruch von Lack und Waffenöl lag in der Luft.
Mit wenigen Schritten Abstand zur Tür befand sich im ersten Raum ein langer, breiter Tresen. Neben dem Tresen, der offensichtlich für die geordnete Ausgabe von Material gedacht war, befanden sich mehrere Regale, überwiegend an den Wänden entlang, aber auch in der Raummitte. Deutlich konnte man allein schon hier sehen, wie abgenutzt ihr Kampfverband war. Lediglich etwa 50 Waffen befanden sich in den Regalen. Überwiegend waren es Sturmgewehre, aber es gab auch ein paar Pistolen, die irgendwo verloren in einem Fach herumlagen. Neben den Waffen waren die Regale zum größten Teil mit Kisten, Kartons und Boxen vollgestellt, an denen noch die weißen Lieferscheine hingen.
Nach links und rechts gelangte man in die angrenzenden Räume. Im linken konnte man weitere Boxen und Kisten stehen sehen. Das erfahrene Auge erkannte sofort, dass es sich um Waffenkisten handelte, in denen schwere Waffen transportiert wurden. Allerdings standen auch ein paar schwere Waffen herum, für die es wohl keine Kisten mehr gab. So erkannte man eine alte Feldautokanone, die noch aus der Zeit der kroganischen Rebellion zu stammen schien.
Im rechten Raum war der Abstellraum für die persönliche Ausrüstung der Söldner. Verschiedenfarbige Transportkisten in allen Formen standen dort übereinandergestapelt. Genau wie im ersten Raum sah man sofort, dass nur ein Bruchteil des verfügbaren Platzes benötigt wurde. Da noch ausreichend Platz war, wurde hier auch noch ein wenig Munition gelagert, was eigentlich verboten war, aber wenn man Söldner ist, neigt man öfters dazu, einfache Lösungen vorzuziehen und nicht durch die halbe Station zu fahren, nur um die Munition in irgendwelchen turianischen Munitionsbunkern einschließen zu lassen.

Krom steckte seinen Kopf aus der Waffenkammer. "KAHN!", rief er ungeduldig. "Komm schon! Ich will hier weg!"
Ein letztes Mal musterte Kahn den Turianer, der ihn wieder finster anfunkelte, bevor er sich von der Soldatin löste und mit einem Pfeifen auf den Lippen in die Waffenkammer schlenderte.

Grey schaute dem gutgelaunten Kahn nach, seufzte und ging auf den Ghost zu. In einem Meter Entfernung blieb sie stehen.
Der Turianer starrte sie an: "Verschwinde!"
"Aurix...", begann sie, aber er unterbrach sie sofort.
"VERSCHWINDE, sagte ich!!", brüllte er lauter, löste sich von der Wand und baute sich vor ihr auf. "Geh!"
Sie wich zurück und sah ihm in die Augen, die sie wütend, und vorwurfsvoll, anblickten. "Lass mich bitte erklären", fing sie an und wurde wieder unterbrochen.
"Da gibt es nichts zu erklären!"
"Aber..." Aurix schüttelte langsam mit dem Kopf und sie verstummte.
Die Stille zog sich in die Länge, als der Turianer plötzlich leise meinte: "Ich weiß, dass ich keinen Anspruch auf dich habe... Ich konnte mich aber nicht zurückhalten." Was sollte er ihr denn auch sagen? Dass seine Hormone ihn einfach durchdrehen ließen, wenn sie in seiner Nähe war? Und dass er Kahn am Liebsten das Genick brechen würde? Davor zwar auch, aber jetzt umso mehr?
Sie presste die Lippen aufeinander und trat an ihn heran, aber er zog sich zurück. Trotzdem griff sie nach seinem Arm und er hielt inne: "Ich möchte es dir wirklich erklären. Aber nicht unbedingt hier." Sie blickte sich in dem heruntergekommenen Gebäude um.
Der Ghost atmete tief ein, was er besser hätte sein lassen sollen, denn Kahns Gestank stach ihm sofort in die Nase. "Wie du meinst."
Nach einer Minute Schweigens fragte sie: "Worüber wolltest du mit mir reden?"
Pedia. "Nicht hier, Chief", nickte er in die Richtung der Waffenkammer. "Die beiden sollten nichts davon mitbekommen."
Sie verengte die Augen: "Verstehe."
Sie sprachen nicht mehr miteinander, bis die beiden Chaoten wieder auftauchten.

"Also gut! Machen wir uns mal stadtfein!", erklärte Kahn fröhlich, als er den Raum mit den Kisten betrat, wo Krom ihn bereits erwartete.
Da ihre Kisten mitten im Stapel waren, mussten die beiden zuerst einmal die anderen Kisten umschichten. Zu zweit immer eine Kiste nehmend machten sie sich ans Werk.
"Na!", begann Krom schelmisch zu grinsen. "Warst ficken?"
"Jupp!"
"Und? War gut?"
"Die Kleine hat richtig Feuer, das sag ich dir!"
Beide machten sich an die nächste Kiste.
"Geh aber jetzt nicht damit hausieren! Die scheinen ein wenig verklemmt zu sein!", ermahnte Krom seinen Kumpel.
"Schon klar!" Kahn sah sich verschwörerisch um und begann zu flüstern. "Alter, dieser Vogelkopf geht mir jetzt so langsam richtig auf die Eier!"
Krom brummte zustimmend: "Sein Eis wird dünner..."
Einen kurzen Moment schwiegen sie und verschoben eine weitere Kiste.
"War bei dir irgendwas? Wie wars im Ajax?", begann Kahn erneut.
"Ruhig. Aber wir hätten dort keine Minute länger bleiben dürfen!"
"Wie hat Gravok reagiert?", fragte Kahn mit einem Schmunzeln, da er ahnte, wie die Antwort ausfallen würde.
"Dieses versoffene Stück Scheiße! Erst als ich anfing, ihn in der Toilette zu ertränken, hat er den Scheißschlüssel rausgerückt! Aber ich hab Pedia getroffen!", ergänzte Krom mit einem Lächeln.
Kahn lachte nasal auf, während sie eine weitere Kiste beiseite schafften. "Hast du mit ihr was ausgemacht?" Sein schelmisches Lächeln war wieder da.
Krom schüttelte den Kopf. "Nee... Die hat schon vorgesorgt und stöhnt wohl im Moment den Namen eines anderen."
Schließlich hatten sie Zugriff auf ihre Kisten und wenig später verließen die beiden voll aufgerödelt die Waffenkammer, wobei jeder von ihnen noch eine Tragetasche mitführte.
Krom ging zur gegenüberliegenden, offenen Waffenkammer.
In der baugleichen Waffenkammer saßen drei andere Söldner und werkelten gerade an einigen Autokanonen. Mit wenigen Worten erklärte er, schnell weg zu müssen, und übergab recht formlos den Schlüssel an die ihm unbekannten Gesichter, bevor auch er sich wieder zu den anderen gesellte.
"So!", erklärte Kahn gut gelaunt und lies die Tasche geräuschvoll auf den Boden fallen, während Krom hinter ihm die Waffenkammer verschloss. "Wir wären dann soweit!", sprach er weiter und brachte mit wenigen Handgriffen seine Frisur wieder halbwegs in Ordnung.
Aurix blickte Kahn an und biss die Zähne aufeinander. "Lass uns verschwinden, Krom!" Der Turianer zog den Helm über und marschierte los. "Ich warte beim Bike!", warf er noch über die Schulter und verschwand auf der Treppe.
Grey schaute ihm nach, wandte den Blick den beiden Männern zu und musterte sie langsam von Kopf bis Fuß. Die Panzerungen sahen abgenutzt aus. "Das sieht schon viel besser aus", meinte sie schief lächelnd. "Nach dir…", sah sie zu Kahn und griff zum Helm, um ihn überzuziehen.
Die beiden Söldner sahen sich kurz verdutzt an.
"Soll das etwa heißen, wir sahen davor kacke aus oder was?", fragte Krom und sah gemeinsam mit Kahn die Soldatin ernst an, bevor beide anfingen zu grinsen.
Aeona rollte mit den Augen und lachte. "Exakt! Jetzt seid ihr vorzeigbar!", meinte sie mit leicht blecherner Stimme und wandte sich zum Gehen um.
Beide Söldner zogen ebenfalls ihre Helme auf und gingen gemeinsam Richtung Ausgang.
Krom schob sich zwischen Kahn und Aeona und legte beiden je einen Arm um die Schulter.
"Werden wir jetzt etwa zutraulich?!", brummte Kahn.
"Halt die Klappe!", würgte Krom seinen Kumpel ab und sprach sofort weiter, wobei er sich an Aeona wandte.
"Du bist echt in Ordnung, Mädel! Bei dir sieht man, dass du das Prinzip verstanden hast. Jedem Moment so viel abringen wie möglich, und dann dem Leben den Mittelfinger zeigen! Fast so, als ob du selbst aus den Terminusgebieten kommen würdest", funkelte er sie durch das hochgeschobene Visier freundlich an.
Grey lächelte und hob eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts. Früher oder später werden die Söldner schon mitkriegen, dass sie nicht immer eine brave Soldatin war. Sie wollte ihnen die Überraschung nicht verderben.
"Irgendwie würdest du schon gut zu uns passen, auch wenn du den deluxe Schlächternagel im Hirn hast!"
"Zu euch passen?", fragte sie zweifelnd nach, lachte kurz auf und klappte das Visier runter. "Träum weiter, mein Hübscher!"
Sie erreichten den Ausgang und Kroms Mine wurde ernst, als er den verstimmten Turianer sah, wie er am Skybike wartete. "Aber jetzt entschuldigt mich. Ich muss da noch was klären!"
Aeona blickte Krom hinterher. Aurix beachtete sie nicht, als wäre sie unsichtbar. Sie atmete tief durch und steuerte das andere Bike an.

Zielstrebig ging Krom auf Aurix zu und zog dabei seinen Helm und die Sturmhaube ab.
"Hey, Dicker!", begann er und sah den Turianer ernst an. "Wenn das mit uns funktionieren soll, dann musst du lernen etwas entspannter zu werden. Meine Fresse, das zwischen den beiden war doch nur Sex! Kein Grund so ein Drama drum zu machen, außer..." Krom riss die Augen auf, als es ihm einfiel. "Du bist ja total verschossen in die Kleine! Ach du Kacke, jetzt wird mir alles klar!" Er wollte dem Turianer aufmunternd auf die Schulter klopfen, doch dieser schlug seine Hand mit einem Knurren weg. Krom äffte das Knurren nach und deutete mit seinen Händen Krallen an. "Grrrrr... Au man, du bist mir einer!"
Aurix schob das Visier hoch und starrte Krom finster an. "Lass mich in Ruhe!", brummte er. Er schloss das Visier wieder.
"Pedia!
Die Kleine aus dem Ajax.
Wenn du willst, geb ich dir ihre Nummer. Das bringt dich dann auf andere Gedanken und glaub mir, die Gute weiß, was sich gut anfühlt!", schlug er ihm mit einem Augenzwinkern vor, bevor er sich wieder die Sturmhaube überzog, wobei er seinen Mund frei legte, um dann den Helm aufzuziehen. Er klappte das Visier runter und klappte den unteren Teil zu Seite hin auf, sodass er sich eine Zigarette in den Mund schieben konnte.
Er befestigte die Transporttasche seitlich an seiner Maschine und schwang sich drauf.
"Na komm schon, du liebeskranker Bengel!"
Aurix setzte sich hinter den Söldner, beugte sich etwas vor und meinte leise schnurrend: "Ich hab schon ihre Nummer..." Warum er es Krom erzählte, wusste er selbst nicht so genau, aber es fühlte sich merkwürdigerweise gut an.
Der Ghost grinste freudlos. "Bist du eingeschlafen? Fahr los!"
"He!", begann Krom mit einem warnenden Unterton und drehte sich halb zum Turianer um. "Es gibt die Zeit zum Töten und die Zeit zum Genießen. Wenn du in dieser Welt glücklich werden willst, musst du beide Zeiten voll auskosten! Ruf die Kleine an und macht euch ne schöne Zeit! Wer weiß, wie viel Zeit dir noch bleibt!"
Der Söldner wandte sich wieder um und fuhr, mit einem zufriedenen Lächeln und der brennenden Kippe im Gesicht, los.
Aurix verengte die Augen. Es war ihm durchaus bewusst, was Krom meinte, schließlich hatte er schon mehr als genug Leute sterben sehen, nicht wenige davon durch seine Hand. Jemandes Leben abrupt zu beenden, war einfach, man musste nur abdrücken - und schon war alles vorbei.
Krom flog eine wilde Kurve und Aurix musste fester zugreifen, um nicht runter zu fallen. Bis zur Ankunft an der sicheren Wohnung sagte er kein Wort mehr.